Mittwoch, 24. Juni 2009
Die „Brasilianer“ aus dem Schurkenstaat
Hong Yong Jo, Ri Jun Il oder Ri Myong Guk – Namen, die in Europa kaum einer kennt. Vielleicht aber nach der Fußball-WM 2010 in Südafrika: Denn die drei Akteure spielen für Nordkorea, das sich jetzt zum zweiten Mal in seiner Geschichte durch ein 0:0 gegen Saudi-Arabien in Riad für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert hat. Schützenhilfe leistete ausgerechnet der feindliche Bruder aus Südkorea durch ein 1:1 gegen den Iran.
Aus dem abgeschotteten Reich des Diktators Kim Jong Il dringen ansonsten nur Horrornachrichten über Hungersnöte und Atomtests – wenn überhaupt – an die Öffentlichkeit. Zuletzt schickte das Regime zwei US-Journalistinnen in die gefürchteten Arbeitslager.
Nur im Fußball scheint sich das Land vorsichtig zu öffnen. Im Mai gastierte die nordkoreanische Nationalelf erstmals seit der WM 1966 in Europa und traf in der Schweiz auf den Zweitligisten Concordia Basel. Die Transferrechte an den Spielern der nordkoreanischen Nationalmannschaft und Olympiaauswahl besitzt die Firma Friends of Korea, zu deren Inhabern unter anderem Concordias Präsident Stephan Glaser und der frühere Schweizer Erstligaspieler Kurt Messerli gehören. „Sie gelten als die Brasilianer Asiens“, sagt Messerli. Zwei Nordkoreaner kickten bereits in der letzten Saison bei Concordia.
Mitte Mai trainierten zwei 15jährige Nordkoreanerinnen, die im November 2008 mit der U17-Auswahl Junioren-Weltmeister wurden, beim deutschen Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam.
Das Regime in Pjöngjang habe eine Art Fußball-Armee aufgestellt, die die Fußball-Welt erobern soll, sagt der ARD-Korrespondent Peter Kujath vorsichtig und nennt als Quelle eine kleine Wissenschaftsgemeinde, die sich mit allen Nachrichten aus Nordkorea intensiv beschäftigt. Denn auch Kujath selbst ist natürlich nicht vor Ort. Danach sollen die Frauen, die seit Jahren zur erweiterten Weltspitze gehören, bei der WM 2011 in Deutschland den Titel holen, die Männer sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren.
Die Männer haben ihren Auftrag erfüllt. Erstaunlicherweise setzt das erfolgreiche Team auch auf Legionäre: Hong Yong Jo spielt in Russland beim Aufsteiger FK Rostov, Jong Tae Se kickt in Japan und An Yong Hak ist sogar in Südkorea unter Vertrag.
Für manche Experten war die Qualifikation des Teams von Trainer Kim Jong Hun dennoch eine Überraschung. „Keine Infrastruktur, einfach nichts, zero. Einige Fußballspieler hatten keine Fußballschuhe und spielten in Mokassins“, berichtete der Schweizer Trainer (und ehemalige BVB-Spieler) André Egli, der 2008 zwei Monate als Ausbilder in Nordkorea tätig war.
Beim einzigen Auftritt auf der Weltbühne des Fußballs sorgte das Land für viel Aufsehen: Bei der WM 1966 in England schlugen die Asiaten sensationell Italien mit 1:0 in der Vorrunde und scheiterten erst im Viertelfinale mit 3:5 (nach einer 3:0-Führung) an Portugal. Vier Mal traf damals der große Eusebio.