Donnerstag, 18. Juni 2009
Royal Ascot: Ein englisches Spektakel
Einmal im Jahr berichten auch Zeitungen über Galopprennen, die ansonsten diesen so großartigen Sport weitgehend ignorieren. Das ist meist Mitte Juni der Fall, wenn an fünf Tagen das königliche Rennfestival auf der Galopprennbahn im englischen Ascot stattfindet. Im Mittelpunkt steht dabei nicht der Sport: Über die Ergebnisse der Rennen oder die sportlichen Höhepunkte der Woche erfährt der Leser jedoch so gut wie gar nichts im Sportteil seiner Tageszeitung.
Zielgruppe sind die Leute, die sonst Bunte, Gala oder Das Goldene Blatt konsumieren, meist kommt dabei ein Text der Rubrik Vermischtes wie dieser aus der Welt zustande, der von Klischees nur so strotzt. Vielleicht sollte jemand dem Autoren oder der Autorin auch mal erklären, dass beim Galopprennbahnen die Pferde nicht wie in der Formel 1 60 oder 70 Runden um die Bahn absolvieren müssen.
Die Rennen in Royal Ascot sind eben ein gesellschaftliches Ereignis, das wie Wimbledon und die Henley-Regatta zum Sportsommer der britischen Oberschicht gehört. Auf der Bahn in Berkshire treffen sich Alt- und Neureich (die in diesem Jahr weniger wegen Rezession und Finanzkrise). Es gibt einen strikten Dresscode, nirgendwo anders auf der Welt sieht man so viele Männer eingezwängt in Frack und Zylinder. Und natürlich geht es um den schönsten Hut und das schrägste Outfit bei den Ladies. Selbst die BBC hat zum Schrecken aller Rennsport-Anhänger einen Modeexperten in ihrem Team.
Damit sich nicht zu viele Plebs in den Oberschicht-Bereich verirren, sind die Eintrittspreise happig. Schlappe 56 Pfund kostete der Eintritt in den Tattersalls-Bereich am Royal Ascot-Mittwoch. Wer es billiger haben möchte, für den bleibt nur der eingezäunte Silver Ring. Für 16 Pfund Eintritt muss der Besucher allerdings mit einem Platz weit weg vom Geschehen und ohne Zutritt beispielsweise zum Führring zufrieden sein. England ist auf seinen Rennbahnen besonders im Süden immer noch eine Klassengesellschaft.


Edle Vollblüter vor vollen Rängen: Das ist Royal Ascot
Foto: Ascot

Ich selber würde nie auf die Idee kommen, mir die Rennen während Royal Ascot einmal live vor Ort anzuschauen, obwohl ich immer für englische Rennbahnen zu haben bin und auch schon in Ascot war. Das ist mir alles zu britisch – und scharf darauf, einer älteren Dame in Pastelltönen zuzuwinken, die vor den Rennen in einer Kutsche mit ihrem knorrigen Gatten die Runde macht, bin ich nicht unbedingt.
Die Rennen aber sind sportlich alle erste Güte, an den fünf Tagen trifft sich die Galoppsport-Oberklasse. Herausragende Leistungen gab es schon an den ersten beiden Tagen – so zum Beispiel die des australischen Sprinters Scenic Blast, der die King’s Stand Stakes über 1006 Meter souverän gewann. Ob das ungarische Wunderpferd Overdose eine Chance gehabt hätte? Schwer zu sagen, vielleicht hätten sie sich einen packenden Kampf geliefert.
Den gab es dann wirklich: In den St. James Palace Stakes (Gr.I) siegte der Ballydoyle-Schützling Mastercraftsman nach eben so einem packenden Zweikampf gegen Delegator. Die Pferde aus dem Stall von Aidan O’Brien zählen zwar zu den absoluten Blaublütern im Vollblutsport, allerdings besitzen viele von ihnen – erinnert sei an den großartigen Giant's Causeway – auch einen unbändigen Siegeswillen. Mastercraftsman passt in diese Kategorie: Wie er eine schon verloren geglaubte Partie noch umbog, das war spektakuulär.
Am zweiten Tag ging ein Hauptereignis, die Prince of Wales Stakes, an den Franzosen Vision D’Etat, der den favorisierten Tartan Bearer besiegte. Ohne Chance war Estejo aus dem deutschen Quartier von Ralf Rohne, der als Letzter über die Ziellinie kam.
Im Royal Hunt Cup, einem dieser wunderbar/fürchterlich schweren Handicaps, gewann seit Ewigkeiten mit Forgotten Voice mal wieder der Favorit.
Die Geschichte der ersten beiden Renntage schrieben allerdings zwei amerikanische Gäste: Trainer Wesley Ward und Jockey John Velasquez. Ward brachte nicht nur den Sprinter Cannonball (der chancenlos war) mit nach Europa, sondern auch mehrere Zweijährige, die zum ersten Mal in ihrem Leben statt Dirt-Track Gras sahen. Zwei liefen, zwei gewannen imponierend: Strike The Tiger und Jealous Again erwiesen sich als viel zu stark für ihre Gegner. Und morgen läuft der nächste Ward-Youngster.....