Dienstag, 23. Juni 2009
Zaungast wird zum Stargast

Nach dem zweiten Rennen: Hinten der Sieger Snooker, vorne der Viertplacierte Tamburini

Nach der Royal Ascot-Extravaganza war wieder Alltag angesagt: Mit dem Glamour und Spektakel des königlichen Rennfestivals kann die Veranstaltung im bodenständigen Westfalen natürlich nicht mithalten, aber immerhin gab es mit dem Großen Preis der Wirtschaft ein Gruppe III-Rennen und damit ein Highlight der Dortmunder Grasbahnsaison.
Schon seit Ewigkeiten kooperiert der Dortmunder Rennverein an diesem Renntag mit der Dortmunder Wirtschaft und der IHK; das heißt: die „wichtigen“ Personen aus Dortmund und Umgebung sind an diesem Tag präsent und wandeln mit buntem Bändchen, die den VIP-Status dokumentieren, über die Bahn.
Leider veranstaltet der Dortmunder Rennverein inzwischen nur noch zwei weitere Renntage auf Gras – Himmelfahrt mit dem Großen Preis der Stadtsparkasse und Anfang Oktober, wenn das klassische Deutsche St. Leger auf dem Programm steht. Das ist schade, denn ein Rennbahnbesuch ist natürlich im Sommer bei erträglichen Temperaturen viel angenehmer als im Winter bei Minusgraden.
Das erste Rennen des Tages verpasste ich allerdings. Es gab den erwarteten Doppelsieg des Gestütes Wittekindshof, das dem Dortmunder Rennvereins-Präsidenten Hans-Hugo Miebach gehört. Als ich dann endlich auf der Bahn ankomme, ist diese schon sehr gut besucht, obwohl die Wetterprognosen eher durchwachsen waren. Im Führring können die Besucher die Eventualquoten jetzt von zwei nagelneuen Flachbildschirmen ablesen, ein noch größeres Lob verdient der Rennverein jedoch für die exzellente Leinwand, die er wieder in Zielnähe aufgestellt hatte.
Das kompensiert wiederum etwas meinen Ärger, weil ich auf meinem Stammplatz – die Stufen der mittlere Treppe zur zweiten Tribüne, dort hat man einen ausgezeichneten Blick auf die Bahn und ist fast auf Höhe des Zielpfostens – nicht stehen darf, weil dort beim letzten Renntag eine ältere Dame die Treppe heruntergestolpert sei und diese sich beim Rennverein beschwert habe. Seit 13 Jahren stehe ich dort - passiert ist noch nie etwas.


Hutfrei: die Wambeler Rennbahn

Im zweiten Rennen treffe ich den Sieger Snooker und ärgere mich (aber nur leicht) darüber, dass ich den zweiten Big Snow nicht mit in den Einlauf gepackt habe. Denn dieser machte im Führring von allen Pferden den besten Eindruck und wird von Ralf Suerland, dessen Vollblüter ich früher immer gerne gespielt habe, trainiert. Die Quote von 395:10 und ein schwaches Lebensdebüt sprachen gegen die Wette.

Leerer Favoritentank
Nach dem dritten Rennen ertönte die Sirene der Rennleitung, die den eigentlichen Sieger Forvic später auf Rang 2 setzt, weil dieser die Favoriten Kamikola behinderte. Die Entscheidung geht in Ordnung, ich wundere mich nur, wie unterschiedlich doch die Regeln im restlichen Europa sind. In England hätte Kamikola das Rennen nie am grünen Tisch gewonnen; Forvics Reiter wäre aber wahrscheinlich gesperrt worden.
Im vierten Rennen, einem Ausgleich III, wettete Turfdeutschland den Wittekindshofer Next Style, trainiert von Lokalmatador Uwe Stoltefuß, auf 19:10 herunter. Der Bruder des Derbysiegers Next Desert war lange verletzt, lief dann nicht schlecht in einigen Altersgewichtsrennen, ohne jedoch zu gewinnen. Dennoch sahen ihn viele gut im Handicap untergekommen – dazu noch der Championjockey Andrasch Starke im Sattel, was sollte da noch schief gehen? Einiges, wie das Rennen zeigte – Starke ritt Desert Style sehr aggressiv von der Spitze aus und Mitte der Geraden war der Tank leer, die Gegner zogen mühelos vorbei. Nunzio siegte, klug aus der Reserve geritten, vor Warstein und Indian Sun.
Spannend war es auch in der Wettchance, in der mein Tipp Wildling mit einem Kopf vorne war, und so manches Ascot-Pech etwas kompensierte. Den zweiten Sieg für das Gestüt Wittekindshof holte dann überlegen die 15:10 Favoritin Nina Celebre, als Tochter der Next Gina ziemlich blaublütig gezogen.

Dreijährige chancenlos
„Die 2000er Asse kommen“, hatte das Fachblatt Sport-Welt vor dem Preis der Wirtschaft getitelt. In der Tat – es gab schon Jahre, da war das Rennen viel schlechter besetzt. Der Gruppe I-Sieger Prince Flori, der noch ungeschlagene und wenig geprüfte Obelisk, der Dubai-Erfahrene Duellant, der letztjährige Seriensieger Zaungast und die dreijährige Stute Soberania mit entsprechenden Gewichtsvorteilen waren die Favoriten im 9er Feld (Stella di Quattro war Nichtstarterin).
Am Ende durften die Wambeler Besucher mal wieder einen typischen Terry Hellier-Ritt bewundern, der aus hinteren Regionen an allen vorbeilief und im Ziel eineinviertel Längen Vorsprung vor Prince Flori hatte. Einlauf getroffen! Dritter wurde Il Divo, Vierter der ewig unterschätzte Lord Hill. Die Enttäuschungen hießen Soberania, Duellant und Obelix. Im Absattelring dikutierten Duellants Besitzerin Margot Herbert, Trainer Peter Schiergen und Jockey Andrasch Starke ziemlich intensiv, aus ihren Gesichtern war die Enttäuschung abzulesen.
Ganz anders natürlich die Stimmung im Lager von Zaungast, auch wenn Trainer Waldemar Hickst in Bremen weilte und Besitzer Jochen Ehrhardt auf dem Weg von Stuttgart nach Dortmund im Stau stecken bleib. Zufrieden waren auch die Verantwortlichen von Prince Flori, den Trainer Sascha Smrczek wieder eigenhändig in die Startbox führte.
Hans-Hugo Miebach und das Gestüt Wittekindshof legten zu den zwei Dortmunder Siegen noch einen drauf: Die Stute Serienhoehe schlug die Hengste im Bremer Derby-Trial, ein Listenrennen und das Hauptereignis dort auf der Karte.