Donnerstag, 7. Mai 2009
Chelsea schreit Betrug
Was ein Drama! Mehr als 180 Minuten „quälte“ Chelsea den FC Barcelona regelrecht im Halbfinale der Champions League – sowohl beim 0:0 im Hinspiel als auch im Rückspiel an der Stamford Bridge fanden die Katalanen, am Samstag noch stolzer 6:2-Sieger gegen den Erzrivalen Real Madrid in der heimischen Liga, nie ein Mittel gegen die ausgeklügelte Defensivtaktik der Westlondoner. Und dann traf Iniesta in der 93. Minute quasi aus dem Nichts zum Ausgleich und schoss Barca dank des erzielten Auswärtstores ins Finale nach Rom.
Chelseas Coach Guus Hiddink spielte zwar offensiver als im Hinspiel, dennoch stand die Heimmannschaft erst mal hinten gewohnt sicher. Perfekte Raumaufteilung, enorme physische Präsenz – das war Gift für Barcas Kurzpassspiel. Das frühe Tor durch Essien unterstützte die Taktik der Londoner. Barcelonas gefürchtete Kurzpässe kamen nicht an, weil Chelsea die Räume geschickt dichtmachte.
Die Ratlosigkeit der Katalanen zeigte sich zunehmend daran, dass die Strategen des perfekten Kurzpassspieles zwangsläufig auf lange und hohe Bällen in die Mitte setzten. Das war kein Problem für Terry und Alex in der Chelsea-Innenverteidigung, zudem flankte Barcas Außenverteidiger Dani Alves grauenhaft an diesem Abend. Außerdem wirkte Iniesta in der Henry-Position auf links völlig verschenkt.
Die Londoner hätten das Spiel frühzeitig entscheiden müssen. 7:2 lautete die Chancenbilanz – Barcelona konnte sich bei Torhüter Victor Valdes, der sonst eher im Schatten der Offensivkünstler steht, bedanken.
Ihr Dank sollte aber auch dem norwegischen Unparteiischen Tom Henning Övrebö gelten. Chelsea fühlte sich betrogen – und der Zorn ist verständlich. Selbstverständlich lässt sich vom heimischen Sofa nach mehreren Zeitlupen immer vortrefflich argumentieren, aber bei allen vier strittigen Szenen wäre ein Strafstoß berechtigt gewesen. Und schon tauchen die ersten Konspirationstheorien wie „die UEFA wollte keine zwei englischen Mannschaften im Finale" auf.
Für Övrebö dürfte die nächste Zeit nicht leicht werden. Wer sich daran erinnert, wie die englische Boulevardpresse einst den Schweizer Urs Meier verfolgte, der dürfte Böses ahnen. Die Tabloids, allen voran die üble Sun, gaben dem Schiedsrichter die Schuld, dass England bei der EM 2004 ausschied. Meier hatte in der 89. Minute im Viertelfinalspiel gegen Portugal ein englisches Tor wegen eines Foulspiels nicht anerkannt.