Daumen hoch für Spanien. Der Europameister ist jetzt auch verdient Weltmeister. Natürlich war das Finale gegen die Niederlande zu Beginn reichlich fade und nahm erst zum Schluss Fahrt auf. Und das so perfekte Kurzpassspiel der Iberer kam lange nicht ins Rollen, weil die Niederlande das spanische Spiel energisch störte. Doch am Ende siegte das Gute und das der zum Schluss überragende Iniesta das entscheidende Tor schoss, war die Krönung.
Holland hat es wieder nicht geschafft. Ich hätte aber auch meine Probleme gehabt, wenn am Ende Klopper wie Mark van Bommel oder Nigel de Jong den Pokal hochgehalten hätten. Die Härte im Finale kam eindeutig von Seiten der Elftal. Die Niederlande spielten so nüchtern wie früher die Deutschen und wurden dann auch Vizeweltmeister.
Daumen hoch für Deutschland. Ist das Glas mit Platz 3 nun halbvoll oder halbleer? Irgendwie ist das schon ärgerlich: Wieder scheiterte das Team im Halbfinale, hatte aber auch Pech, das sie im Halbfinale auf famose Spanier traf. Vorher gab es allerdings Sternstunden der deutschen Länderspielgeschichte, als das Team von Joachim Löw erst im Achtelfinale die Engländer mit 4:1 auseinander nahm und dann im Viertelfinale Diego Maradonas Argentinien deklassierte. Deutschland kassierte Komplimente für Komplimente für seine attraktive Spielweise – ausgerechnet die Nation, die früher für Kampf, Fitness und Kalkül stand. Was noch schöner ist: Die Adlerträger haben ein Team mit vielen jungen hochbegabten Spielern, die für die Zukunft einiges versprechen. Und sie haben ein Trainerteam, das auch diesmal wieder richtig lag mit ihren Entscheidungen. Wenn man bedenkt, wie schlecht die Stimmung nach der Verletzung von Kapitän Michael Ballack kurz vor der WM war, ist das Glas eher halbvoll.
Daumen hoch für Uruguay. Das kleine Land aus Südamerika, immer etwas im Schatten des großen Nachbarn aus Argentinien, verdiente sich zwar nicht den Preis für hemmungslosen Offensivfußball, demonstrierte aber eindrucksvoll, wie man mit perfekter Abstimmung und Teamgeist weit kommen kann. Keiner verkörperte dies besser als der kleine Dauerläufer Arevalo Rios. Und vorne hatte die Celeste mit Diego Forlan einen herausragenden Individualisten.
Daumen hoch für Ghana. Es war eines der Bilder der WM: Der weinende Asamoah Gyan nach dem Schlusspfiff des Viertelfinales Ghana gegen Uruguay. Gyan hatte in der letzten Minute der Verlängerung einen Elfmeter an die Latte geknallt – und dann setzte sich Uruguay im Elfmeterschießen durch und es wurde wieder nichts mit dem ersten WM-Halbfinale eines afrikanischen Teams. Dennoch war Ghana einer der wenigen Lichtblicke aus Schwarzafrika. Weil es dort im Gegensatz zu Nigeria und Kamerun so etwas wie Kontinuität gibt: Ein Trainer, der schon zwei Jahre im Amt ist und ein Talentbrunnen namens U 20, die im letzten Jahr Weltmeister wurde. Und im Mittelfeld ersetzte Kevin-Prince Boateng erfolgreich den verletzten Weltstar Michael Essien.
Daumen hoch für Chile. Chile qualifizierte sich bei vielen zum Zweit-Lieblingsteam. Weil die Mannschaft immer die Initiative ergriff, offensiv nach vorne spielte und damit ein Lichtblick einer WM war, in der viele Teams erwartungsgemäß sehr defensiv agierten. Leider war im Achtelfinale Schluss, als Brasilien die Unerfahrenheit der Chilenen gnadenlos bestrafte.
Daumen hoch für Neuseeland. Das kicker-Sonderheft wusste es: „Nelsens harte Nüsse“ titelte das Fachblatt, schrieb im Vorspann, dass die „Festung Neuseeland erst mal erobert werden muss“ und behielt Recht. Neuseeland und Kapitän Ryan Nelsen blieben ungeschlagen bei dieser WM, allerdings mit drei Remis auch sieglos und mussten nach der Vorrunde nach hause fahren. Dennoch haben sie ihre Konkurrenten aus Paraguay, Italien und der Slowakei mehr als nur geärgert. Und in Neuseeland stellt man erstaunt fest, dass es neben dem Rugbyteam der All Blacks auch die Fußballer der All Whites gibt.
Im modernen Profifußball gehört diese Aufgabe inzwischen in die fußballerische Mottenkiste: Sonderbewacher sind nur noch schwer vorstellbar. Der niederländische Bondscoach Bert von Marwijk stellte keinen Akteur extra gegen Uruguays Diego Forlan, das deutsche Mittelfeld engte kollektiv die Kreise der argentinischen Schlüsselfigur Lionel Messi ein.
In früheren Zeiten, in den Tagen der Manndeckung, war dies anders: Sonderbewacher setzten Trainer gerne ein, um gefährliche Akteure des Gegners auszuschalten. Ihre Aufgabe: Nur die Aktionen des Gegners zu unterbinden, selber mussten sie nichts zum Spiel beitragen. „Ich bin Maradona überallhin gefolgt, war ständig in seiner Nähe, und bei jedem Blickkontakt habe ich in seinen Augen gesehen und an seiner Körpersprache gesehen, wie er mit jeder Minute mehr und mehr frustriert wurde“, erinnert sich Guido Buchwald im kicker, der im WM-Finale 1990 erfolgreich die Kreise von Argentiniens Diego Maradona einengte.
Der Beginn großer Karrieren
Wer in den siebziger, achtziger oder neunziger Jahren Fußball gespielt hat, kennt das: Manndeckung war Standard, Sonderbewacher gab es häufig. Selbst in den untersten Ligen kümmerte sich jemand oftmals speziell um den Spielmacher auf der anderen Seite, wurde ein entsprechend kräftiger Spieler auf den Sturmtank des Gegners angesetzt. Das waren in der Regel nicht die spielerisch brillanten Leute, denn die einzige Aufgabe des Sonderbewachers war es ja, seinen Gegner auszuschalten.
Berühmte Leute begannen ihre internationale Karriere in dieser Rolle: So agierte der junge Lothar Mattthäus 1981 zu Beginn seiner internationalen Karriere als Sonderbewacher gegen Argentiniens Diego Maradona und selbst Franz Beckenbauer sollte im WM-Finale 1966 Deutschland gegen England die Krise von Bobby Charlton einengen. Was ich nicht glaube, denn wie viel Platz die beiden sich gelassen habe und in welcher Ruhe sie den Ball annehmen konnten, das sah nicht nach strikter Sonderbewachung aus.
Und irgendwie war es für Guido Buchwald komisch, im Finale den Sonderbewacher zu geben. Hatte doch der oftmals etwas unbeholfen wirkende Stuttgarter während des Turniers ungeahnte spielerische Qualitäten bewiesen und verdient den Spitznamen „Diego“ erworben.
Und selbst bei der WM 2010 gab es noch einen Trainer, der auf einen Sonderbewacher setzte. Oder zumindest auf Manndeckung: Griechenlands Otto Rehhagel, fußballerisch aufgewachsen auf den Aschenplätzen im Essener Norden, stellte seinen Spieler Papastathopoulos direkt gegen Argentiniens Messi.
„Was ist los Schweinsteiger? Bist du nervös?“ hatte Argentiniens Teamchef Diego Maradona vorher noch getönt. Weil der deutsche Mittelfeldspieler den Journalisten auf der vorherigen Pressekonferenz mal richtig was geboten hatte und zur Attacke überging: „Als „respektlose Provokateure“ bezeichnete er die Argentinier im Vorfeld des WM-Viertelfinales zwischen den alten Rivalen und bezog sich dabei auf die Handgreiflichkeiten nach dem WM-Viertelfinale 2006, das Deutschland im Elfmeterschießen gewann.
Diesmal war es eindeutiger: Mit 4:0 deklassierten die Adlerträger die Blau-Weißen, der 3. Juli 2010 wird zukünftig als schwarzer Tag in der argentinischen Fußballgeschichte notiert.
„Deutschland gewann mit einem Minimum an Aufwand“, analysierten die Taktiker von Zonalmarking. „Das mag eine neue, aufregende deutsche Mannschaft sein, aber sie haben ihre alte Professionalität und Effizienz behalten.“ Und über Argentinien schreiben sie: „Am Anfang des Wettbewerbes konnte er (Maradona) seine Kritiker überzeugen, weil Argentinien solide spielte und gut zusammenarbeitete, doch diesmal fiel alles zusammen in dramatischen Umständen….Es wird lange dauern, bis Argentinien über diese Niederlage hinwegkommt.“
Dem ist fast nichts mehr hinzufügen und von daher schenke ich mir auch, über Cesar Luis Menotti und die verschiedenen Philosophien des argentinischen Fußballs zu schreiben. Denn die Provokation des Gegners ist ein bewährtes Stilmittel dort – nur dass die Akteure an diesem Tag so geschockt waren, dass sie gar nicht mehr dazu kamen. Spätestens nach dem 3:0 in der 74. Minute hatten Messi, Tevez, Mascherano, Higuain und co. resigniert.
Und der große Diego, die einstige „Hand Gottes“, der beste Fußballer aller Zeiten. Er weinte nach dem Spiel und sprach vom „größten Schmerz meiner Karriere“. Nun hat Maradona schon andere Tiefe überwunden und darum freuen wir uns einfach mal über eine fantastischen Leistung der deutschen Mannschaft und das untere Video aus der Dokumentation von Emir Kosturica über Argentiniens einstigen Goldjungen.
WM-Notizen (8): Wie del Bosque Queiroz überlistete
Kaum zu glauben: Der erste fußballfreie Tag seit knapp drei Wochen, die sich wie acht anfühlen. Gestern gab es noch zwei Achtelfinales unterschiedlichster Gute: Dem fürchterlichen Langweiler zwischen Paraguay und Japan folgte ein hochinteressantes Match zwischen Spanien und Portugal. Gut, auch hier stand es lange 0:0, schufen beide Teams nicht gerade Torchancen im Minutentakt und war es eher etwas für den Taktikfreund. Aber auch für den Zuschauer ohne Trainerschein war es faszinierend zu sehen, wie die Portugiesen so etwa ab Minute 20 die Spanier von Minute zu Minute immer mehr zermürbten. Spaniens Mittelfeld fand keine Abnehmer mehr, zumal Fernando Torres weit von seiner Bestform entfernt war und die Bälle auf ihn postwendend zurückkamen.
Die besseren Offensivaktionen hatten die Portugiesen, besonders Bremens Hugo Almeida sorgte für viel Alarm im spanischen Strafraum.
Grimmige Zeiten für Portugals Fußball: Titelseite des Fachblattes A Bola nach dem Ausscheiden gegen den iberischen Nachbarn
Der „graue“ Ronaldo
Doch dann wechselten beide Trainer: Portugals Carlos Queiroz nahm überraschend Almeida vom Feld und brachte dafür in der 58. Minute Mittelfeldspieler Danny, Cristiano Ronaldo rückte in die Spitze. Bei Spanien kam in der gleichen Minute Fernando Llorente für Torres. Damit drehte sich das Spiel wieder zugunsten des Europameisters: Llorente hatte kurz nach seiner Einwechslung eine Riesenchance und in der 63. Minute sorgte David Villa (aus Abseitsposition, allerdings sehr knapp) für das goldene Tor. Die Portugiesen fanden jetzt kein Offensivrezept gegen die Spanier, in deren Reihen der Ball wieder perfekt lief und die sich weitere gute Chancen erarbeiteten.
Auch Cristiano Ronaldo, der teuerste Fußballer der Welt, konnte dem Spiel keine Wende geben. Portugals Kapitän enttäuschte weitgehend bei dieser WM – gerade in den Spielen, in denen es ernst wurde, blieb er Mitläufer. Wobei Ronaldo auch unter der risikoarmen Defensivtaktik seines Trainers litt, den er nach dem Spiel auch heftig beschimpfte. Manchmal ist er doch reichlich Diva. Und wie affig er sich den Ball beim Freistoß immer hinlegt….
Interessante Einsichten in ein spannendes Land: Die Seite africangoals ist ein gemeinsames Projekt junger Journalisten aus der ganzen Welt zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Durchaus empfehlenswert, weil die Beträge nicht so klischeehaft sind wie die, die bei ARD, ZDF und RTL während der WM-Berichterstattung laufen. Zudem beschäftigen sich die Macher von africangoals auch mit den Schattenseiten der Glamour-Veranstaltung WM.
Und noch eine Empfehlung: Schöne Geschichten abseits des Mainstreams gibt es auch hier.
Deutschland feierte seine Fußball-Nationalmannschaft: Mit 4:1 hatte das Team von Bundestrainer Joachim Löw den alten Erzrivalen England besiegt und dabei eine der besten Leistungen in der Geschichte der Nationalmannschaft geboten. Gut, zwischendurch musste etwas gezittert werden, als der Schiedsrichter aus Uruguay beim Stand von 1:2 ein klares englisches Tor („Die Rache für Wembley 1966“) nicht anerkannte. Aber über weite Strecken der Partie dominierte Löws „Kinderriegel“ gegen die großen Namen aus der Premier League und bot spielerisch eine tadellose Leistung. Deutschland befindet sich spätestens seit gestern im schwarz-rot-goldenen Jubeltaumel.
Das Kontrastprogramm gab es bei der heutigen Pressekonferenz der deutschen Mannschaft. Auf dem Podium saßen neben Pressesprecher Harald Stenger noch Mittelfeldspieler Sami Khedira (23) und Stürmer Miroslav Klose (32). Von Euphorie keine Spur, beide wirkten so, als wenn sie gerade mal im Pokal einen Viertligisten raus gekegelt hätten.
„Die Reaktionen in Deutschland zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt der eloquente Khedira, Sohn eines tunesischen Vaters und einer deutschen Mutter, aufgewachsen im Schwabenland und seit 1995 beim VfB Stuttgart. Von wegen große Party nach dem Triumph gegen den alten Rivalen. „Wir haben uns gefreut, gut gegessen – und das war es….“ Ansonsten sagt er vieles, was man als Profi so erzählt: „Wir glauben an unsere Stärken und sind taktisch und technisch excellent ausgebildet.“
Ohne Messer zwischen den Zähnen
Miroslav Klose hätte theoretisch nach seiner schwachen Saison bei Bayern München mal offensiv werden können. Jetzt, wo er bei der WM zum zweiten Mal getroffen hat, hätte er mal abledern können gegen seinen Vereinstrainer van Gaal oder seine Kritiker, die ihm die nötige Klasse absprachen. Macht er natürlich nicht. Dafür ist er viel zu bescheiden, ein viel zu netter Typ. Bedankt sich für das Vertrauen von Joachim Löw, lobt das intakte Mannschaftsgefüge und zeigt sich enttäuscht von den Engländern. Weil die nicht als Mannschaft aufgetreten waren und keine Reaktionen zeigten. „Eigentlich hätten sie mit dem Messer zwischen den Zähnen herauskommen müssen.“
Und jetzt wartet mit Argentinien die nächste Großmacht des Fußballs im Viertelfinale. Wer dann vielleicht im Halbfinale oder Finale kommen könnte, interessiert die zwei Nationalspieler nicht. Khedira: „Wir beschäftigen es jetzt nur noch mit Argentinien.“ Klose: „Spiele müssen erst mal gespielt werden.“ Was Profis eben so erzählen…
Ältere erinnern sich an 1966 und 1970, „Mittelalte“ an das Halbfinale 1990 in Italien, Jüngere an den deutschen Sieg in Wembley bzw. das triumphale englische 5:1 im Rückspiel in München – Deutschland trifft auf England im Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Und diese Kolumne bleibt seriös und schreibt nicht von der „Mutter aller Fußballschlachten“, sondern nennt das Match schlichtweg einen Klassiker.
Sportlich befürchte ich diesmal allerdings nichts Gutes für die deutsche Mannschaft. Gegen Ghana wirkte die Löw-Truppe besonders in der Abwehr anfällig, zudem ist das Mitwirken von Schweinsteiger im deutschen Mittelfeld fraglich. Gerade er dürfte kaum zu ersetzen sein. Aber vielleicht schlägt ja die große Stunde von Toni Kroos, eines der größten Talente im deutschen Fußball, als Schweinsteiger-Vertreter.
England zeigte gegen Slowenien endlich aufsteigende Form, nachdem sie in den zwei Spielen vorher bitter enttäuscht hatten und vom eigenen Boulevard schon als „Cape Clowns“ bezeichnet wurden. Lampard, Gerrard, Rooney und co. zeigten sich formverbessert, nach oben ist aber noch etwas Luft.
Wenig martialisch geht es diesmal im Umfeld zu, selbst die meisten der berüchtigten englischen Tabloids verzichten auf die gängigen Kriegsbilder. Keine Schlagzeile wie „Surrender Fritz! (Ergib’ Dich Fritz, Mirror)“ aus dem Jahr 1996, als die Teams bei der Europameisterschaft in England aufeinander trafen. Nur der Daily Star - redaktionelle Philosophie: viel Busen, ganz wenig Politik – bedient sich des bekannten Vokabulars und stellt Rooney mit Stahlhelm auf die Titelseite.
Ganz ohne Häme kommen die anderen Tabloids aber auch nicht aus, zum Beispiel der mirror. Und die Sun schickt diesmal keine Jodelkapelle mit Page 3-Girls vors deutsche Quartier, sondern bedient sich Jürgen Klinsmann.
Selbstverständlich gibt es auch lesenswerte Zeitungen auf der Insel: Der Guardian beispielsweise hat eine intelligente Analyse der deutsch-englischen Rivalität publiziert.
Wir erinnern noch einmal an das große Halbfinale 1990 bei der WM in Italien. Im Blickpunkt: Englands bester Fußballer der letzten 25 Jahre. Und der heißt nicht David Beckham.
WM-Notizen (4): Italien nur noch „Ritter der Schande"
Hinterher schrie alles „Schande und nationale Katastrophe“: Italiens Kicker verabschiedeten sich mit einem 2:3-Niederlage gegen die Slowakei und einer weiteren schwachen Leistung von der WM, der Weltmeister 2006 fährt als Gruppenletzter der Gruppe F nach Hause – hinter Großmächten wie Paraguay, der Slowakei und Neuseeland.
Dabei wäre es für die Minimalisten der Squadra Azzura beinahe so gekommen wie in den Jahren zuvor: In der 81. Minute verkürzte Di Natale auf 1:2 und nur noch ein Tor fehlte zum dritten Remis und damit zum Einzug in die zweite Runde. Italien schoss zwar noch ein Tor durch Quagliarella, doch zwischendurch hatte Kopunek zum 3:1 für die Slowakei getroffen. Italiens Spieler waren nur noch „Ritter der Schande“, wie es Mittelfeldmotor Gennaro Gattuso gewohnt poetisch formulierte und wie ich es dem holprigen google-Übersetzungsprogramm von der Seite der la gazzetta dello sport entnehmen durfte.
Es war eines dieser WM-Spiele, die man so schnell nicht vergisst. Weil die Slowaken schnell merkten, dass der Weltmeister an diesem Tag zu schlagen war und es für das kleine Land ein großer Tag werden konnte. Dabei hatten die Slowaken vorher enttäuscht und ein von der Kritik stark getroffener Trainer Vladimir Weiss Journalisten Prügel angedroht.
Schock in rosa: Italiens Leib- und Magenblatt nach dem Ausscheiden
Doch gegen Italien lieferte der Trainer sein Meisterstück, stellte seine Mannschaft mutig offensiv auf und führte verdient durch zwei Tore des ehemaligen Nürnbergers Robert Vittek mit 2:0. Italiens begann erst in der Schlussphase Fußball zu spielen, doch alle Bemühungen waren vergeblich.
Ohne Espirit
Das Scheitern der Azzuri spiegelt die Krise im Lande wieder. Schon die Qualifikation verlief für das Team von Weltmeister-Coach Marcello Lippi enttäuschend, in Südafrika setzte sich das fort: Ohne Pirlo war Italien ein Team aus braven Arbeitern ohne jegliche spielerische Impulse. Erst als Pirlo in der Schlussphase gegen die Slowakei kam, spielte das Team variantenreicher. Für eine WM ist das reichlich wenig.
Italiens Fußball hat ein Qualitätsproblem: Die Weltmeister Buffon, Cannavaro, Gattuso, Pirlo, Camoranesi und Zambrotta sind in die Jahre gekommen, ihren Nachfolgern fehlt ihre Klasse und im Nachwuchsbereich sieht es eher mau aus. Kein Wunder: Im Stamm-Team des Champions-League-Gewinners Inter Mailand stand kein einziger Italiener. Wobei Italien nie ein Team war, das offensiv glänzte. Sie waren die gefürchteten Minimalisten, hatten in der Offensive aber immer Ausnahmekönner wie Baggio, Del Piero oder Totti, die Spiele allein entscheiden konnten.
„Italiens Fußball muss sich neu orientieren“, forderte Marcello Lippi nach dem Ausscheiden. Der neue Trainer Cesare Prandelli dürfte vor keiner leichten Aufgabe stehen…
Es ist bislang die Fußball-Weltmeisterschaft der Mannschaften aus Südamerika. 10 Spiele absolvierten Brasilien, Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay in Südafrika, die Bilanz ist beeindruckend: Acht Siege, zwei Unentschieden, keine Niederlage, mit großer Wahrscheinlichkeit werden alle Teams das Achtelfinale erreichen.
Dass Brasilien noch ohne Punktverlust ist, hatte eigentlich jeder erwartet – besonders in der Heimat, denn wer sind schon Gegner wie Nordkorea oder die Elfenbeinküste. Und dennoch sind Presse und Fans im Land des fünffachen Weltmeisters mit der Selecao nicht zufrieden: Die Erben von Pele, Garrincha, Didi oder Zico spielen wenig spektakulär, von der „brasilianischen Kunst des Lebens“ ist auf dem Spielfeld beim Team von Carlos Dunga wenig zu spüren.
Das verwundert nicht: Dunga, Kapitän der Weltmeisterelf 1994, war einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Welt – und so agiert sein Team auf dem Platz auch: Die Defensive hat Priorität. Nur gelegentlich blitzt die überragende individuelle Klasse der Akteure auf. So wie bei den Toren gegen die Elfenbeinküste, als der fünffache Weltmeister mal eben schnell das Tempo verstärkte.
Noch ohne Niederlage sind auch die Argentinier von Diego Maradona, der nach holpriger Qualifikation offensichtlich sein Team gefunden hat. Argentinien lebt von seiner überragenden Offensive: Gegen Nigeria brillierte Messi, gegen Südkorea regierte der dreifache Torschütze Higuain. Die Defensive wackelte allerdings manchmal etwas. Maradona will „neue Helden für Argentinien“ und wirkt wie der gütige Vater einer offenbar verschworenen Gemeinschaft.
Chile ist wieder da
In Chile wächst eine talentierte Generation nach. Diesen Eindruck hatte der Beobachter spätestens bei der Südamerika-Qualifikation, die das Team von Marcelo Bielsa als Zweiter hinter Brasilien beendete. Manche hatten die „Roja“ sogar als Geheimfavorit auf dem Zettel. Jedenfalls stellt der Argentinier Bielsa, Spitzname „El Loco“ (der Verrückte), seine Mannschaft offensiv ein. Und das zeigte Chile auch in Südafrika: Natürlich ist der 1:0-Sieg gegen Honduras standesgemäß, im zweiten Spiel gegen die Schweiz profitierten die Südamerikaner auch von ihren eigenen Schauspielkünsten, als der kleinliche Schiedsrichter aus Saudi-Arabien dem Schweizer Behrami die rote Karte zeigte. In beiden Spielen vergaben die Chilenen zudem noch eine Vielzahl an hochkarätigen Chancen.
Dank Nelson Valdez und Lucas Barrios steht Paraguay besonders im Blickfeld dieser Kolumne. Zwar taten sich die Dortmunder Offensivkräfte bislang etwas schwer, dennoch ist die „Albirroja“ im Soll mit einem Sieg und einem Remis. Zumal sie das Unentschieden gegen den Weltmeister Italien erreichte, auch wenn dieser weit von seiner Form aus dem Jahr 2006 entfernt war. Immerhin ist Paraguays Team 2010 nicht mehr nur reiner Beton wie viele seiner Vorgänger, will auch offensiv Akzente setzen. Zu sehen beim 2:1 gegen Slowakei, wo man ein klares Chancenplus hatte und zudem wenig zuließ.
Ein Sieg, ein Unentschieden lautet auch die Bilanz von Uruguay. Trainer Oscar Washington Tabarez setzte im ersten Spiel gegen Frankreich auf kompromißlose Defensive, was beim 0:0 gegen den desolaten Vizeweltmeister Frankreich gar nicht nötig gewesen wäre. Im zweiten Spiel zerstörte Uruguay dank humorloser Abwehrarbeit die Träume des Gastgebers Südafrika. Und in der Offensive haben die Himmelsblauen mit Diego Forlan einen Weltklassespieler, der jederzeit in der Lage ist, mit einer genialen Aktion eine Partie zu entscheiden.
Wer hätte das gedacht? Den spektakulärsten Fußball bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft spielte bislang Deutschland. Wie schon 2006 setzte das deutsche Team, das früher seine Spiele mit Effizienz und Kampfkraft gewann, spielerische Akzente und kreierte Torchancen wie kein anderer Teilnehmer. Schon schwappt die Euphorie-Welle durchs Land und ist für manche Mesut Özil schon der deutsche Lionel Messi. Abwarten, zumal Australien es dem deutschen Team leicht machte, wie auch die Taktikexperten von zonalmarking feststellten. Dennoch: Deutschland spielte Fußball, kein Vergleich zu Zeiten, wo die Adlerträger Vizeweltmeister mit fünf Vorstoppern wurden.
Ansonsten war die erste Woche in Südafrika nicht gerade ein Festival des Offensivfußballs: Argentinien setzte einige Akzente, Südafrika im zweiten Abschnitt gegen Mexiko und auch Südkorea hatte einige nette Aktionen gegen schwachen Griechen. Und heute Chile gegen Honduras, das 1:0 war viel zu wenig. Generell war der Unterhaltungswert aber eher mau.
Taktikgott Hitzfeld
Niemand möchte verlieren im erste Spiel und so kamen eher die Freunde einer packenden Defensivleistung auf ihre Kosten: Ottmar Hitzfelds Schweiz, die mit viel taktischer Disziplin und (viel Glück) den Europameister und Favoriten Spanien 1:0 schlug und damit für die einzige Sensation des Turniers sorgte. Nordkorea verteidigte ebenfalls geschickt gegen (zumindest in der ersten Halbzeit) reichlich inspirationslose Brasilianer und schaltete immer wieder geschickt in die Offensive um. Dänemark verteidigte eine Halbzeit nahezu perfekt gegen die Niederlande und hatte dann aber keine Antworten in der Offensive, als sie nach einem kuriosen Eigentor selbst aktiv werden mussten.
Einige Spiele waren erschreckend schwach. Ich kann mich nicht erinnern, jeweils in der Bundesliga so einen Grottenkick wie zwischen Japan und Kamerun erlebt zu haben. Immerhin spielt bei den Afrikanern ein Weltstar wie Samuel Eto’o, aber davon war nichts zu sehen. Kamerun kickte wie eine Tresenmannschaft, die sich gerade zum ersten Mal zum gepflegten Zock auf dem Bolzplatz getroffen hat.