WM-Notizen (3): Südamerika regiert
Es ist bislang die Fußball-Weltmeisterschaft der Mannschaften aus Südamerika. 10 Spiele absolvierten Brasilien, Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay in Südafrika, die Bilanz ist beeindruckend: Acht Siege, zwei Unentschieden, keine Niederlage, mit großer Wahrscheinlichkeit werden alle Teams das Achtelfinale erreichen.
Dass Brasilien noch ohne Punktverlust ist, hatte eigentlich jeder erwartet – besonders in der Heimat, denn wer sind schon Gegner wie Nordkorea oder die Elfenbeinküste. Und dennoch sind Presse und Fans im Land des fünffachen Weltmeisters mit der Selecao nicht zufrieden: Die Erben von Pele, Garrincha, Didi oder Zico spielen wenig spektakulär, von der „brasilianischen Kunst des Lebens“ ist auf dem Spielfeld beim Team von Carlos Dunga wenig zu spüren.
Das verwundert nicht: Dunga, Kapitän der Weltmeisterelf 1994, war einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Welt – und so agiert sein Team auf dem Platz auch: Die Defensive hat Priorität. Nur gelegentlich blitzt die überragende individuelle Klasse der Akteure auf. So wie bei den Toren gegen die Elfenbeinküste, als der fünffache Weltmeister mal eben schnell das Tempo verstärkte.
Noch ohne Niederlage sind auch die Argentinier von Diego Maradona, der nach holpriger Qualifikation offensichtlich sein Team gefunden hat. Argentinien lebt von seiner überragenden Offensive: Gegen Nigeria brillierte Messi, gegen Südkorea regierte der dreifache Torschütze Higuain. Die Defensive wackelte allerdings manchmal etwas. Maradona will „neue Helden für Argentinien“ und wirkt wie der gütige Vater einer offenbar verschworenen Gemeinschaft.

Chile ist wieder da
In Chile wächst eine talentierte Generation nach. Diesen Eindruck hatte der Beobachter spätestens bei der Südamerika-Qualifikation, die das Team von Marcelo Bielsa als Zweiter hinter Brasilien beendete. Manche hatten die „Roja“ sogar als Geheimfavorit auf dem Zettel. Jedenfalls stellt der Argentinier Bielsa, Spitzname „El Loco“ (der Verrückte), seine Mannschaft offensiv ein. Und das zeigte Chile auch in Südafrika: Natürlich ist der 1:0-Sieg gegen Honduras standesgemäß, im zweiten Spiel gegen die Schweiz profitierten die Südamerikaner auch von ihren eigenen Schauspielkünsten, als der kleinliche Schiedsrichter aus Saudi-Arabien dem Schweizer Behrami die rote Karte zeigte. In beiden Spielen vergaben die Chilenen zudem noch eine Vielzahl an hochkarätigen Chancen.
Dank Nelson Valdez und Lucas Barrios steht Paraguay besonders im Blickfeld dieser Kolumne. Zwar taten sich die Dortmunder Offensivkräfte bislang etwas schwer, dennoch ist die „Albirroja“ im Soll mit einem Sieg und einem Remis. Zumal sie das Unentschieden gegen den Weltmeister Italien erreichte, auch wenn dieser weit von seiner Form aus dem Jahr 2006 entfernt war. Immerhin ist Paraguays Team 2010 nicht mehr nur reiner Beton wie viele seiner Vorgänger, will auch offensiv Akzente setzen. Zu sehen beim 2:1 gegen Slowakei, wo man ein klares Chancenplus hatte und zudem wenig zuließ.
Ein Sieg, ein Unentschieden lautet auch die Bilanz von Uruguay. Trainer Oscar Washington Tabarez setzte im ersten Spiel gegen Frankreich auf kompromißlose Defensive, was beim 0:0 gegen den desolaten Vizeweltmeister Frankreich gar nicht nötig gewesen wäre. Im zweiten Spiel zerstörte Uruguay dank humorloser Abwehrarbeit die Träume des Gastgebers Südafrika. Und in der Offensive haben die Himmelsblauen mit Diego Forlan einen Weltklassespieler, der jederzeit in der Lage ist, mit einer genialen Aktion eine Partie zu entscheiden.