16 Jahre ist das schon wieder vorbei. Am 30. August 2000 starb der Sportjournalist Adolf „Addi“ Furler, einer der Gründungs-Moderatoren der ARD-Sportschau. Im Rennsport ist Furler immer noch ein legendärer Namen: Denn der Moderator war ein großer Freund sowohl von Galopp- als auch Trabrennen. Beide Sportarten zählten in den siebziger und achtziger Jahren regelmäßig zum Programm der ARD. Das war weitgehend das Werk des Verstorbenen. Es waren goldene Zeiten, zumindest in den Erinnerungen.
So froh war ich als fußballbegeistertes Kind in den 70er Jahren nicht immer. Das Gegenteil war der Fall: Die Miene verdüsterte sich, wenn statt Fußball die Pferde im TV kamen. Es gab zwar schlimmere Sportarten. Turnen ging gar nicht, Autorennen wie die Formel 1 waren schon damals nicht der Hit. Aber Galopprennen fand ich wirklich nicht prickelnd – nicht nur im Fernsehen.
Wenn ich die Zeitschrift kicker im Tabakladen gekauft habe, lag oftmals auch die Zeitung Sport-Welt auf der Ladentheke. Der Name ließ aufhorchen: Vielleicht eine Alternative in Sachen Fußball? Falsch gedacht, diese Zeitung beschäftigte sich nur mit Pferderennen. Und wie die schon aussah: Eine „Bleiwüste“ mit spärlichen Fotos, die Sprache antiquiert und hausbacken. Eine andere Welt für einen Jungen, der in einer Großstadt aufwuchs.
Aber geguckt habe ich Furlers Übertragungen dennoch. Ähnlich wie Berichte vom Kunstturnen, Querfeldein-Radfahren oder der Formel 1. Früher war man da nicht wählerisch, schaute auch das, was einen nicht interessierte. Es gab eben viel weniger Alternativen. Fernsehen hatte gerade an Regentagen seine Bedeutung. Damit konnte die Wartezeit zum Fußball überbrückt werden.
Es sei oft ein zäher Kampf gewesen, sich gegen seine fußball-affinen Kollegen durchzusetzen, erinnerte sich Furler später einmal. Aber der Mann, der mit 14 den Berufswusch Jockey hatte, schaffte es: So tauchten regelmäßige Berichte von großen Rennen in der Sportschau auf. Das Derby wurde natürlich live gezeigt – sowohl Galopp und Trab. Und irgendwann in der Samstags-Sportschau gab es sogar Bilder des Grand Nationals – an einem Samstag, an dem die Bundesliga spielte. Unglaublich, das spektakuläre und auch (umstrittene) Rennen kannte alle meine Kollegen.
Wauthi oder Orofino
Dann war noch der Galopper des Jahres, die beste PR aller Zeiten für den Galoppsport. Den Galopper des Jahres kannte früher jeder. Namen wie Nebos, Wauthi oder Orofino zählten zur Allgemeinbildung des Sport-Interessenten. Der Kolumnist erinnert sich an launigen Ehrungen mit Pferden im Studio. Oder bilde ich mir das nur ein, dass Pferde im Studio waren?
1995 ging Furler als Sport-Moderator in den Ruhestand. Der Rennsport verlor seinen wichtigsten Fürsprecher. Galopprennen verschwand so langsam aus den öffentlich-rechtlichen Kanälen.
Die Gründe sind vielschichtig. Der Fußball boomte, entwickelte sich quasi zum Familiensport. Dazu gab es immer mehr TV-Sender, ARD-Sportschau und ZDF-Sportreportage verloren drastisch an Bedeutung.
Unvermögen von Seiten des Galopprennsports kam hinzu: Man setzte auf die falschen Partner, verschlief Entwicklungen. Andere Sportarten wie etwa Biathlon hatten bessere TV-Konzepte. Galopprennen wurden zur Randsportart.
Heute wäre der Erfolg des Addi Furlers kaum noch möglich. Das Interesse zersplitterte sich, TV Sender konkurrieren heute mit dem Internet und dem Smartphone.
Zu Furlers Zeiten hatte der Zuschauer die Wahl zwischen ARD, ZDF und den regionalen Dritten Programmen. Niemand setzt sich heute an langweiligen Regentagen einfach so vor den Fernseher und guckt TV – egal was kommt.
Zudem waren früher diese Bilder im TV die einzigen Bildern von Galopprennen. Es gab keine Live-Rennen beim Buchmacher geschweige denn im Internet. Heute kann ich Pferderennen live im Netz etwa bei den Online-Buchmachern verfolgen (wenn ich denn eine kleine Wette gemacht habe), die Zusammenfassungen kann ich unter anderem auch bei German Racing gucken.
Nichtdestotrotz wäre eine stärkere TV Präsenz für den Turf schön, doch Top-Quoten wie zu Furlers Zeit sind nicht mehr drin. Wenigstens wird das Top-Rennen der Großen Woche in Iffezheim, der Große Preis von Baden, in der ZDF-Sportreportage zu sehen sein. Ich glaube das allerdings erst, wenn ich den Beitrag gesehen habe. Das Rennen hat übrigens eine Top-Besetzung. Mein Tipp ist Boscacchio, der das schlechte Laufen im Derby korrigieren wird. Addi Furler würde das gefallen – zumindest die Übertragung bei den ehemaligen Kollegen des ZDF.
Addi Furler konnte auch Fußball und erklärt hier den Elfmeter. Präzise, sachlich, verständlich - eben ein Könner auf vielen Gebieten.
Am Pfingstmontag ist es auf der Rennbahn in Köln-Weidenpesch mal wieder soweit: Ambitionierte Dreijährige treffen im Mehl-Mülhens-Rennen, den Deutschen 2000 Guineas, aufeinander. Der erste Klassiker der deutschen Turfsaison steht bevor. Und das Rennen ist ziemlich offen. Starter und Chancen.
Ein Trend steht schon lange: Das Mehl-Mülhens-Rennen über 1600 Meter ist etwas für Spezialisten. Der Weg zum Hamburger Derby geht heute über andere Stationen. Auch wenn es Ausnahmen gibt: Lucky Lion belegte vor zwei Jahren nach seinem Erfolg im Meilen-Klassiker den zweiten Platz im Deutschen Derby, vor zwanzig Jahren schaffte Lavirco als letztes Pferd das Double 2000 Guineas – Derby. Nichtsdestotrotz ist das Mehl-Mülhens-Rennen auch dank der oft starken ausländischen Gäste meist eine spannende Sache. Vor einigen Jahren triumphierte etwa ein Hengst namens Excelebration in Köln, der später eine große Karriere machte. Sein Trainer Marco Botti ist wieder dabei – mit Knife Edge und Top-Jockey Ryan Moore.
Baroncello (Trainer Andreas Löwe): Stallgefährte von Veneto, gewann zwei seiner drei Starts. Siegte ebenfalls zuletzt gegen einen „heißen“ Wöhler-Kandidaten und auch diese Mülheimer Siegform wurde aufgewertet. Auch Baroncello sollte weitere Reserven haben.
Degas (Trainer Markus Klug): Stallgefährte von Millowitsch, zuletzt endlich der erste lockere Sieg im fünften Versuch. Aber obwohl der Röttgener zweijährig ohne Erfolg blieb, zählte er dennoch zur Spitzengruppe des Jahrgangs, war er doch im Winterfavoriten und hochdotierten Auktionsrennen platziert. Guter Auftakt, könnte noch mal zulegen.
Wäre ein passender Sieger in Köln: Millowitsch (rechts) schlägt mit viel Kampf El Loco. (Foto: German Racing / Rühl)
Knife Edge (Trainer Marco Botti): Der Gast aus England. Sehr gute zweijährige Debütform, in diesem Jahr zweimal auf der Bahn. Zum Saisonauftakt Dritter (hinter Adventurous, der ursprünglich auch für dieses Rennen vorgesehen war), zuletzt Zweiter in den Greenham Stakes hinter dem guten Tasleet in den Gruppe 3 Greenham Stakes über 1400 Meter. Schon nach diesem Rennen nannte Trainer Botti die Deutschen 2000 Guineas als Ziel des Hengstes. Mit Ryan Moore und guten Chancen.
Millowitsch (Trainer Markus Klug): Die Kölner Bahn wird beben, wenn das Pferd mit dem Namen des bekannten Volksschauspielers triumphieren würde. Der Sohn des Klasse-Meilers Sehrezad war ein sehr früher und guter Zweijähriger mit drei Siegen bei vier Starts. In diesem Jahr ging es siegreich im Busch-Memorial weiter, der Erfolg beantwortete eindrucksvoll die Frage nach dem Stehvermögen über 1600 Meter. Auf dem Papier der stärkste deutsche Kandidat, der zudem immer sehr viel Kampfgeist zeigt.
Molly King (Trainer Jens Hirschberger): Kommt aus einer guten Familie, aber landete bei drei Starts immer im Mittelfeld. Das reicht leider nicht.
Noor Al Hawa (Trainer Andreas Wöhler): Zweijährig überlegener Sieger im Arag Junioren Preis (so recht wurde diese Form aber noch nicht aufgewertet), danach musste er verletzungsbedingt im Winterfavorit passen. Ordentliches Jahresdebüt, gegen den Sieger Millowitsch aber chancenlos. Immer hochgeschätzt, Steigerung sicher, denn viele Wöhler-Pferde legen beim zweiten Jahresstart noch mal zu.
Einer von zwei Wöhler-Startern in den blauen Abdullah-Farben: Noor Al Hawa (Foto German Racing / Rühl)
Omar Bradley (Trainer Flemming Velin): Der große Unbekannte aus Dänemark. Seine beste Leistung war ein dritter Platz im Gruppe 3 Prix la Rochette in Longchamp, zuletzt erfolgreich in Klampenborg/Dänemark. Lief noch nie über 1600 Meter.
Parvaneh (Trainer Waldemar Hickst): Siegerin als großer Außenseiter im Karin Baronin von Ullmann – Schwarzgold-Rennen (Gruppe 3) in Köln. Es war ein spektakulärer Sieg, denn Parvaneh kam mit viel Speed von ganz hinten. Die Stute brauchte aber einige Zeit, um auf die Beine zu kommen. Der Kölner Erfolg war gegen die Stuten, jetzt geht es gegen Hengste. Eigentlich ungewöhnlich, denn die Holy Roman Emperor-Tochter hat auch noch eine Nennung für die 1000 Guineas für die Stuten.
Royal Shaheen (Trainer Andreas Wöhler): Unterlag zuletzt als heißer Favorit nur knapp Baroncello in Mühlheim. Zwischen beiden Pferden sollte nicht viel liegen, aber auch Royal Shaheen muss die Vorleistungen noch mal deutlich steigern. Von Verbesserung darf man beim zweiten Jahresstart aber ausgehen.
Veneto (Trainer Andreas Löwe): New Approach-Sohn, der beim zweiten Lebensstart in Düsseldorf über 1400 Meter seine Maidenschaft ablegte. Diese Form wurde durchaus bestätigt, weil Zweiter und Dritter inzwischen auch gewonnen haben. Die längere Strecke sollte für den Halbbruder der Gruppesiegerin Vanjura noch günstiger sein, weitere Verbesserung ist jedoch notwendig.
Urteil
Auf dem Papier eine offene Aufgabe. Knife Edge mit Ryan Moore könnte Favorit werden. Gäste aus dem Ausland haben schon mit schwächeren Formen diesen Klassiker in Deutschland gewonnen. Ich halte dennoch mit Degas dagegen, aber auch Millowitsch, Noor Al Hawa und die Stute Parvaneh können mitmischen.
Wenn das Wetter mitspielt, wird es am nächsten Donnerstag wieder Menschenmassen auf die Dortmunder Rennbahn ziehen. Es ist Sparkassen-Renntag: Seit 39 Jahren verteilt das örtliche Geldinstitut Freikarten und das lässt sich der Dortmunder nicht nehmen. Doch was bleibt nach so einem Tag außer langen Schlangen und genervten Stammbesuchern? Der Versuch einer Antwort.
So war es 2011 an Himmelfahrt in Wambel
In Dortmund brauchen die Verantwortlichen keine Hilfen vom ortsansässigen Fußball-Erstligisten Borussia Dortmund. Simple Freikarten der Sparkasse Dortmund füllen auch so die Rennbahn. Und so pilgern viele Dortmunder Himmelfahrt nach Wambel und gucken sich den Randsport Galopprennen an. Zumal auch sportlich einiges geboten wird. Im Blickpunkt steht der Große Preis der Sparkasse Dortmund, ein Listenrennen über schnelle Pferde über 1200 Meter.
Bis 2010 gab es sogar mal eine schöne Derby-Vorprüfung. Ein würdiger Höhepunkt der Veranstaltung, bis die damals neuen Veranstalter in Baden-Baden auf die Idee kamen, ebenfalls eine Derby-Vorprüfung während ihres Frühjahrsmeetings auszuschreiben. Badens Gewinn war Dortmunds Verlust, so viel zum Thema Solidarität im deutschen Turf.
Himmelfahrt war oft der Ausnahmezustand in Dortmund: Lange Schlangen vor Wettkassen und in Gastronomie, betrunkene Vatertagsausflügler, Familien mit Kindern machten viele Dinge auf einer Rennbahn zur Geduldsprobe. Dazu kam eine direkt am Führring stehende Musikbühne – strategisch nicht gerade günstig bei den oftmals sensiblen Vollblütern.
Der Stammbesucher fühlte sich bei diesem Trubel oft ein wenig genervt. Besonders die wenig kommunikative Gruppe, die zudem auf die Anfänger mit Arroganz herabblickte. Ja, solche Leute gab es viele, die eine gutgemeinte Frage als persönliche Beleidigung betrachteten.
Heute scheint das ein wenig anders zu. Allerdings war das Wetter in den letzten Jahren auch durchwachsen, zudem veranstaltete Baden Baden zeitgleich und zog viele Fachbesucher an. Außerdem werden viele Stammbesucher immer älter, damit lichten sich automatisch die Reihen.
Allein gelassen
Aber auch früher, als die Welt im deutschen Turf scheinbar noch in Ordnung war, waren diese Renntag zwar Publikumsrenner, der Wettumsatz aber eher enttäuschend. Vieles in Sachen Wetten wirkt kompliziert, der Wettschein ist für Anfänger eine Herausforderung. Dazu die ganzen verschiedenen Wettarten – der Erstbesucher kämpft mit einer Vielzahl an Informationen, die er erstmal verdauen muss.
Dazu haben Pferde-Wetten immer noch etwas Halbseidenes an sich. Früher war Deutschland eine Nation der Lotto-Spieler. Wer auf Pferde wettete, galt quasi als suchtgefährdet. Das ist heute zum Glück ein wenig anders, aber der Galoppsport konnte davon nicht profitieren. Zudem wird es, wenn der Sport als Familien-Amüsement verkauft wird, nicht zu gigantischen Wettumsätzen kommen.
Was bleibt von diesen ganzen Renntagen mit den vielen freien Eintrittskarten? Sind aus Gelegenheits-Besuchern Stammbesucher geworden? Oder schrecken diese überbesuchten Renntage mit ihren langen Wartezeiten und organisatorischen Pannen nicht eher ab? Zumal die Gastronomie auf vielen Rennbahnen – darunter auch Dortmund – höchst mittelmäßig ist.
Die Antworten fallen zwiespältig aus. Natürlich gibt es einige, die zu Dauergästen wurden, aber viele kommen auch nur einmal im Jahr. Weil die Rennvereine ihre neuen Besucher auch ein wenig im Regen stehen lassen. Ein „Mister Turf“, der Wetten erklärt, reicht leider nicht aus. Ansagekassen, bei denen der Besucher nur seine Wette ansagt, wären eine weitere Möglichkeit. Ich habe neue Leute lieber zu anderen Terminen auf der Rennbahn mitgenommen, weil es da nicht so voll war.
Für den Dortmunder Rennverein aber lohnt sich der Tag allein schon aus Imagegründen. Fast 40 Jahre unterstützt die Sparkasse den Galoppsport in Dortmund. Diese Tatsache alleine verdient schon Respekt.
Sportlich im Blickpunkt: Der Große Preis der Sparkasse Dortmund ist ein interessantes Listenrennen für schnelle Pferde über 1200 Meter. „Diese Prüfungen sind so etwas wie die Europa League des Rennsports“, sagt Rennvereins-Präsident Andreas Tiedtke. Darüber stehen nur noch die Gruppe-Rennen, quasi die Champions League. Mit Shining Emerald und Donnerschlag sind zwei Top-Sprinter genannt. Weitere Hohepunkte: zwei Sieglosen-Prüfungen für den Derbyjahrgang, zu dieser Zeit immer sehr interessant.
Kein Renntag, kein Match-Race und bald kein Bremer Turf?
Das Wort kein – es prägte den deutschen Rennsport zuletzt. Die schlechteste Meldung kam aus Bremen, wo es nach dem Willen des Senats ab Ende 2017 keine Rennbahn mehr geben soll.
Wo ist der deutsche Rennsport, wenn man ihn mal haben möchte? Zum Beispiel an diesem Sonntag auf der Dortmunder Galopprennbahn. Gefühlte Frühlingstemperaturen, keine Konkurrenz durch den Bundesligisten Borussia Dortmund, der letzte Sonntag vor Weihnachten – traditionell ein Tag, an dem sich der Kolumnist auf die Rennbahn wagt. Trotz des meist eintönigen Sandbahn- Allerleis: Guter Besuch wäre bei diesen Temperaturen und der fehlenden Konkurrenz garantiert gewesen.
Nur leider ist der Sonntag in Deutschland diesmal generell ohne Renntag. Dafür öffnet der Dortmunder Rennverein am Mittwoch, den 23. Dezember, seine Pforten. Die PMU macht es möglich und zahlt, aber es wird an einem normalen Alltag kurz vor Weihnachten nur wenige Besucher locken. Und immerhin gab es letzten Sonntag Pferderennen in Dortmund. An einem Sonntag, an dem auch der BVB Eintracht Frankfurt besiegte, was dem Dortmunder Rennverein einige Besucher kostete. Keine Ahnung, warum an diesem Tag nicht Neuss veranstaltete.
Duelle nur noch privat
Es war eine komische Woche für den deutschen Rennsport. Da war der Turf mal in aller Munde, als in einem Zweikampf die Handicapper Gamgoom und Ach was aufeinandertrafen. Eine großartige Idee von Gamgoom-Besitzer Guido Schmitt und eine ebensolche Reaktion von Ach was-Besitzer Christian Sundermann, der die Herausforderung annahm. Die Medien-Resonanz schlug die des Derbys um Längen – einerseits traurig, andererseits funktioniert die moderne Medienlandschaft leider so. BILD wird auch mehr gelesen als die Süddeutsche Zeitung.
Aber so ein Match wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die Spaßbremsen sitzen beim Dachverband DVR: keine Wetten mehr, keine Züchterprämien mehr, die Leistungen zählen nicht. Eben zukünftig ein „Pferdeduell mit Kirmescharakter.“ (Newsletter Aufgalopp). Nun wird an zukünftigen Zweikämpfen nicht der deutsche Turf genesen und wird diese Form nicht permanent einsetzbar sein, aber Charme hatte die Idee schon.
Noch schlimmer waren allerdings die Nachrichten, die aus Bremen kamen. Dort verkündete Wirtschaftssenator Martin Günthner das baldige Ende der dortigen Rennbahn in der Vahr. Ende 2017 soll das Turfgeschehen Wohnungen weichen, die Wohnungsnot im Stadtstaat mache den Zugriff des Senats unabdingbar. Zudem gebe es ein Sonderkündigungsrecht des Senats und davon mache man jetzt eben Gebrauch.
Nur Werder populärer
Nun war das Verhältnis zwischen Bremer Rennverein und Senat schon lange ramponiert, stand der Kurs schon vor zwei Jahren vor dem Ende. Doch immerhin gab es zuletzt zarte Tendenzen der Besserung.
Das sagt auch Fran Lenk, Sprecher des Bremer Rennvereins, in einem Interview mit dem Bremer Weser-Kurier. „….wir haben eine gute Perspektive. Wir waren gerade dabei, den Galopprennsport in Bremen wieder zu beatmen und wären sicherlich über kurz oder lang auch in der Lage gewesen, ein siebtes und gar achtes Rennen (Renntage sind gemeint)zu gestalten.“
Es gebe eine ganze Reihe von Gründen, so Lenk weiter. „Da ist zum einen die Tradition, gerade die Hansestadt steht ja für Tradition – das ist eine tolle Symbiose. Die Rennbahn ist ein Kulturgut, wir haben ein hohes sportliches Niveau, das Areal ist die grüne Lunge in der Vahr. Und die Galopprennbahn ist über das Jahr gesehen nach Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga die zweiterfolgreichste Freiluftsportart.“
„Der Tod eines Standortes ist der rennsportliche Tod der Region, dann fallen Besitzer, Aktive und Besucher weg“, schrieb Turf-Times-Herausgeber Daniel Delius 2013 in seinem Editorial Aufgalopp. Das ist auch heute noch richtig, denn die Liebe zum Rennsport beginnt in der Regel mit dem Besuch einer nahen Rennbahn. Hoffnungsschimmer: Immerhin gibt es auch lokal einige Opposition gegen den Plan des Senators.
Schon im Vorfeld häuften sich die Hiobsbotschaften: Mit Karpino und Quasillo verabschiedeten sich früh zwei Top-Favoriten verletzungsbedingt und liefen nicht im wichtigsten Rennen eines Vollblüters. Es ist wieder Zeit zur Analyse: Wie entwickelten sich die Derby-Starter weiter. Das Ergebnis ist ein wenig ernüchternd.
Derbysieger Nutan musste früh die Renn-Karriere beenden (Foto Rühl/German Racing)
Nutan: Der überlegene Derbysieger, der wie ein Pferd anderer Klasse siegte. Das war erst sein vierter Lebensstart, aber leider folgte nur noch ein weiterer. Dabei schlug sich Nutan sehr achtbar im Großen Preis von Berlin gegen Cracks wie Second Step und Ito, wurde Dritter. Doch das war sein letzter Start, verletzungsbedingt beendete der Duke-of-Marmalade-Sohn seine Laufbahn und wurde Deckhengst.
Palace Prince: Eine der größten Derby-Überraschungen, weil ihm nur wenige das Stehvermögen für 2400 Meter zugetraut hatten. Danach sattelte ihn Trainer Löwe im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3) über 2050 Meter und Palace Prince siegte knapp gegen den talentierten Iquitos. Später griffen die Verantwortlichen nach den Sternen: Die Leistung als Vierter im Großen Preis von Baden (Gr. 1) war ordentlich, die Aufgabe in den Champion Stakes in Ascot eine Nummer zu groß.
Fair Mountain: Lief ein tolles Rennen aus dem Vordertreffen und sorgte mit seinem dritten Platz für einen kleinen Trost im Wöhler-Quartier. Beim nächsten Start im Preis der Deutschen Einheit am 3. Oktober war er laut Trainer-Homepage „zu frisch“ und wurde Siebter von acht Pferden. Aber der Fokus lag eh’ auf dem Großen Preis von Bayern am 1. November und mit dem dritten Platz hinter den überlegenen Ito und Prince Gibraltar zeigte sich das Quartier sehr zufrieden.
Areo: Der Derby-Tipp dieser Kolumne, verkaufte sich als Vierter ordentlich und hatte einen sehr starken Moment auf der Geraden. Eine Siegchance besaß er jedoch nicht, aber die Leistung war schon formgemäß. Kein weiterer Start in Deutschland, das Gestüt Ittlingen verkaufte den Hengst bereits Ende Juli nach Hongkong.
Rogue Runner: So recht konnte der Hengst seine Vorschusslorbeeren nie einlösen. Schon vorher glich seine Karriere einem Wellental und das setzte sich auch fort. Der Derby-Lauf auf Platz 5 war eine seiner besseren Leistungen, danach kam eine weitere Enttäuschung in Krefeld. Platz 4 im Bosporus-Cup in Istanbul zeigte wieder das bessere Gesicht. Auf der Arc-Sale im Oktober wechselte der King’s Best-Sohn den Besitzer. Der erste Start für Eckhard Sauren und Trainer Mario Hofer endete als 15 von 16 in einem Listenrennen in Deauville.
Summer Paradies: Sechster im Derby, danach kein weiterer Start. Der Hengst musste wegen einer Verletzung pausieren und wechselte von Trainer Jens Hirschberger zum Kollegen Marco Klein.
Molly Le Clou: Der Derby-Siebte ging wieder zurück auf die Meile, zumal er auf dieser Distanz als Dritter im Mehl-Mülhens-Rennen seine beste Leistung zeigte. Zwei Starts in der Topkapi Trophy/Istanbul (Gruppe 2) und im Premio Vittorio Di Capua/Mailand (Gruppe 1), zweimal war der Schimmel deutlich geschlagen.
Isidor: Achter im Derby, gut gewettet, aber nie ein Faktor. Nach dem Derby-Start kam der Schlenderhaner nicht mehr auf die Bahn.
Iraklion: Der Derby-Neunte hat immerhin vier Starts nach der Hamburger Prüfung absolviert. Dabei belegte der Schützling von Trainer Christian Sprengel dreimal Platz 4, besonders die Leistungen in den Listenrennen über Steher-Distanzen lesen sich ganz ordentlich.
Lovato: Ging sieglos ins Derby, wurde 10 und enttäuschte danach als 14:10-Schuss in einem Maidenrennen in Hoppegarten, als der Ittlinger gegen die Schlenderhanerin Amazona unterlag.
Shimrano: Der Union-Sieger startete als Favorit, doch er fand nie ins Rennen und endete weit geschlagen als 11. Eine rätselhafte Vorstellung, nach der Prüfung kritisierten die australischen Besitzer Trainer Paul Harley wegen zu hartem Training und Jockey Adrie de Vries für seinen Ritt. Nach dem Derby lief Shimrano nicht mehr. Trainer Harley kündigte seinen Trainerjob, obwohl diese Entscheidung schon vor dem Derby fiel.
Shadow Sadness: 12. in Hamburg und danach viermal chancenlos, unter anderem im St. Leger in Dortmund. Der Überraschungs-Erfolg im Frankfurter Metzler-Preis aus dem April wurde eigentlich nie bestätigt.
Graasten: Platz 13 im Derby, im Laufe des Jahres kamen drei weitere Starts hinzu. Ob Ausgleich 1 in Hoppegarten, Auktionsrennen in Baden-Baden oder Altersgewichtsrennen in Maisons Laffitte: Jedes Mal blieb der Ebbesloher ohne Chance.
Koffi Prince: Wenigstens ein Pferd, das ein Rennen nach dem Derby gewann. Der markante Fuchs aus dem Rennstall Darboven siegte im Oktober in Hoppegarten im Ausgleich 1. Weiterhin platzierte sich der 14. im Derby in zwei weiteren guten Handicaps.
Nordic Flight: Im Derby als 15. eine kleine Enttäuschung, lieferte das Pferd aus dem Stall von Peter Schiergen danach immerhin drei solide Leistungen ab: Sieg im Badener Auktionsrennen (siehe Video unten), Zweiter in einem Düsseldorfer Listenrennen und Platz 3 im klassischen St. Leger in Dortmund. Bei der Arc-Sale ging der Adlerflug-Sohn für 300 000 Euro an australische Interessenten.
Bonusdargent: Einer der größten Außenseiter im Derby und dort als 16. ohne Möglichkeiten. Nach Hamburg unplatziert im Krefelder Sparkassen-Preis (Gruppe 3), im Herbst wechselte der Hengst von Trainerin Erika Mäder zur Kollegin Pia Brandt nach Frankreich. Dort begann er immerhin mit einem Sieg und Platz 2 in Altersgewichtsrennen, bei zwei weiteren Starts in Listenrennen erntete der Neu-Franzose nichts.
Hot Beat: Vorletzter im Derby. Die beste Leistung bei drei späteren Starts war ein zweiter Platz im Ausgleich 1 hinter Moscatello. Im St. Leger landete der Ammerländer im Mittelfeld.
Shining Rules: Letzter in Hamburg, diese Anstrengungen forderten ihren Tribut. Die beste Leistung war noch ein zweiter Platz im Bad Harzburger Auktionsrennen, die anderen Starts in Auktionsrennen und im Ausgleich 2 endeten unplatziert.
Urteil
Nach den Leistungen der Derby-Teilnehmer 2015 ist die Klasse von 2012 eine schlechte. Nur Palace Prince gewann nach dem Derby ein (schwaches) Gruppe-Rennen, nur drei weitere Pferde siegten überhaupt. Natürlich ist es Pech, das hoch gehandelte Kandidaten wie Quasillo und Karpino sich früh verletzten und der überlegene Derbysieger Nutan nach nur einem weiteren Start seine Laufbahn beenden musste. Dennoch ist die Bilanz der Derby-Starter reichlich dürftig. Die beste Vertreterin des Vollblut-Jahrgangs 2012 lief nicht im Hamburger Rennen: die Stute Nightflower siegte unter anderem im Kölner Preis von Europa. Immerhin trug sie die gleichen Farben wie der Derby-Triumphator.
Quellen: eigene Recherchen, Turf-Times, Racebets, Galopponline
Eine Menge an Informationen zum Thema Hindernissport in Deutschland bietet die neue Internetseite steepler.de. Die Macherinnen Stefanie Ihlenburg und Juana Rabenseifner wollen mit ihrem Angebot auch dafür sorgen, dass der Sport in Deutschland wieder neuen Schwung gewinnt.
Kaum zu glauben: Es gibt gute Nachrichten in Sachen Deutscher Hindernissport. Zum einen sportlich: Kazzio, trainiert von Pavel Vovchenko, siegte Ende September mit Cevin Chan im 76. Gran Premio Meran. Vorher hatte der Königstiger-Sohn bereits einen starken zweiten Platz in der mit rund 100 000 Euro dotierten Grand Steeple Chase des Flandres im belgischen Waregem belegt.
Zum anderen starteten in letzter Zeit einige bemerkenswerte Initiativen, die sich für Hürden- und Jagdrennen in Deutschland einsetzen. Da wäre auf Facebook etwa die Gruppe German National Hurdle. Dort haben sich einige Enthusiasten versammelt, die den Hindernissport in Deutschland wieder nach vorne bringen wollen.
Eine, die auf dieser Seite regelmäßig postet, ist Stefanie Ihlenburg. Und damit schließt sich der Kreis: Denn gemeinsam mit Juana Rabenseifner füllt sie nicht nur eine andere Facebook-Seite namens Zwischen den Flaggen mit Informationen, sondern betreibt auch mit ihrer Kollegin das Internetangebot www.steepler.de.
„Ich hatte immer den Eindruck, dass der Hindernissport auch medial nur eine Randerscheinung in der deutschen Galoppsportwelt ist“, sagt Ihlenburg. Mit steepler.de bieten die zwei Frauen Neues, denn eine ähnliche Seite gab es bislang nicht im Netz. „Wir sind große Hindernisfans und sehr traurig darüber, dass der Sport in Deutschland meist aus dem Programm genommen wurde“, erklärt Rabenseifner.
Geplant ist unter anderem ein Kalender zum Hindernissport. Weitere Infos gibt es hier.
Herzblut
Dabei seien die Voraussetzungen, so Stefanie Ihlenburg, so schlecht nicht: „Es gibt tolle Rennen und Aktive, die wirklich mit Herzblut dabei sind. Der Sport wird auch vom Publikum sehr gut angenommen, aber Informationsquellen zu finden, ist nicht immer leicht.“ Ihlenburg ist Fotografin, arbeitet auch für die Internetseite Anglo German Racing und vermittelt englische und irische Hindernisjockeys nach Deutschland. Durch diese Aktivitäten habe sie einigermaßen den Überblick, „aber vorher habe ich viele Hindernisrennen verpasst, weil ich halt nicht immer brav die Sport Welt gelesen habe und somit einfach nicht wusste, dass sie stattfanden.“
Steepler.de soll gebündelt diese Informationen anbieten. Die Seite enthält schon einen gut gefüllten Nachrichtenteil, Portraits von Hindernispferden, Jockeys und Trainern, dazu kommt ein großer Bereich mit Erklärungen, Rennterminen, Rennbahnen etc.
„Wir hoffen, dass wir so mit unserer Website einen kleinen Beitrag dazu leisten können, dass der Hindernissport in Deutschland wieder in Schwung kommt“, betont Stefanie Ihlenburg. Steepler.de möchte sowohl über aktuelle Ereignisse informieren als auch „Lesestoff wie etwas Interviews oder Reportagen über den Sport“ bieten. Zudem soll es einen Blog von einem Jockey geben, aber das sei, so Ihlenburg, „noch nicht ganz in trockenen Tüchern".
Noch ist es eine schwierige Aufgabe, den Hindernissport in Deutschland wieder populärer zu machen. Man muss nur mal schauen, wie viele Bahnen überhaupt noch Hürden- und Jagdrennen anbieten.
Stefanie Ihlenburg ist da optimistischer: Ein gesundes Fundament sei vorhanden, nur fehle es oft noch etwas an „Selbstvertrauen, Popularität und Präsenz“. Der Kolumnist drückt jedenfalls ihr und ihrer Kollegin die Daumen.
Am Dienstag trafen zwei Turf-Welten aufeinander: Frühmorgens der Melbourne Cup in Flemington/Australien, abends der PMU-Renntag in Dortmund-Wambel. Einerseits das Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillstehen soll – andererseits neun Prüfungen auf der Sandbahn mit überwiegend Pferden der unteren Leistungsklasse. Aber was sind Millionen mitfiebernde Zuschauer Down under gegen vielleicht 600, 700 Unentwegte in Wambel? Deshalb fängt dieser Text auch erst einmal mit den Lehren des Renntages in Dortmund-Wambel an.
Erstaunliche Quote im ersten Rennen: Da waren offensichtlich die berühmten „Langmacher“ am Werk. Was ist damit auf sich hat, wird hier gut erklärt. Jedenfalls dürfte einige Wetter sich gefreut haben: Los Cerritos, Vega und South Carolina waren die drei meistgewetteten Kandidaten im Preis der Besitzervereinigung und liefen genau in dieser Reihenfolge ein. Am deutschen Toto gab es dafür Platzquoten von 21, 22 und 17, der Drilling (bei dem man nur diese drei Pferde auf dem Schein haben musste) zahlt erstaunliche 420:10. Zum Vergleich: die viel schwierigere Dreierwette Quote 74:10, die PMU-Platzquoten waren 12, 14 und noch mal 14, für den Drilling gab es dort gerade mal 59:10.
Erstaunliche Abstände: Am meisten an den Winterrennen in Dortmund und Neuss nervt mich, dass die Rennen oft früh entschieden sind und nur selten mal Pferde von hinten ins Geschehen eingreifen. So packende Endkämpfe mit drei oder mehr Vollblütern und das Feld knapp dahinter, so etwas gibt es im deutschen Rennwinter leider ganz selten.
So war es auch gestern in Dortmund: Die Abstände waren gewaltig, in der Regel wurde von vorne gewonnen. Manchmal gab es immerhin so etwas wie einen Zweikampf.
„Jetzt kommen die Speedpferde“, rief Bahnsprecher Pan Krischbin beim siebten Rennen ganz aufgeregt. Er muss eine Fata Morgana gehabt haben – Speedpferde auf Sand? Dabei war das Gros der Prüfungen Handicaps und eigentlich müssten die Pferde quasi so einlaufen, dass unter eine „Decke passen“. Ist aber nicht so – nächste Woche laufen wieder die selben Kandidaten, die Abstände sind wieder groß, nur diesmal gewinnt ein anderer.
Persönlicher Frust: Die erfahrene Leserin bzw. der erfahrene Leser wird jetzt vielleicht feststellen, dass der Kolumnist ein wenig frustriert ist. Das ist durchaus richtig, denn wettmäßig stand er sich diesmal selbst im Weg. Zuerst verpasste er die Siegwette auf Nottingham Forest im zweiten Rennen, weil er sich entschied, nicht zu wetten. Es folgte eine Siegwetten-Bilanz des Grauens: Shalin (Re. 3), Sitaro (Re.4), Abstynencja (Re.5), Smart Shuffle (Re. 7), Hippocrene (Re. 8), Fantastic Lips (Re. 9).
Die Krönung war das fünfte Rennen: Eigentlich wollte ich Valeron wetten, änderte aber dann diesen Tipp, weil mir die Startbox außen nicht gefiel. Also tippte ich b>Abstynencja aus der Startbox 1. Dieser verschlief den Start, lag hinter dem Feld und machte zum Schluss noch Boden gut. Aber da war Valeron mit Eddy Pedroza schon längst im Ziel. Pedroza gewann dreimal an diesem Abend, aber ich treffe mit ihm nie. Auch so eine Geschichte.
Schocksieg
Damit wären wir in Australien beim Melbourne Cup. Mit Prince of Penzancesiegte ein großer Außenseiter, mit Michelle Payne gewann erstmals eine Reiterin diese Monster-Prüfung. Zweiter wurde Max Dynamite, Nachkomme einer deutschen Stute, aus dem irischen Stall von Willie Mullins und Dritter Criterion, der im Sommer auch in Europa lief. Im Mittelfeld endeten der ex-Schlenderhaner Our Iwanhoe und das Pferd mit meinem Lieblingsnamen Who Shot Thebarman.
Zum Glück ist die Verletzung des großartigen Red Cadeaux nichts Ernstes. Das Bild seines weinenden Jockeys Gerald Mosse machte die Runde. Da befürchteten viele das Schlimmste für diesen eisenharten Globetrotter, der 2014, 2013 und 2011 jeweils Zweiter im Melbourne Cup war.
2011 triumphierte bekanntlich Dunaden in Australien. Und damit haben wir eine Gemeinsamkeit zwischen Flemington und der Dortmunder Sandbahn: Denn der Wallach lief in jungen Jahren zweimal im Wambeler Winter – erfolglos.
Michelle Payne nach ihrem grandiosen Sieg: Sie sei überglücklich und dann folgt deutliche Kritik am Chauvinismus im Männer-Sport Galopprennen. Frauen können es genauso gut, sagt sie.
Am Sonntag ist es mal wieder so weit: Das 131. St. Leger, der Große Preis von DSW21, steht auf dem Programm. Das letzte klassische Rennen der Saison, ein wahrer Marathon über 2800 Meter und seit 1950 (fast) immer auf der Dortmunder Rennbahn gelaufen. Leider werden etwas später circa vier Kilometer weiter westlich in Dortmund die Bundesliga-Kicker von Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen spielen. Vor mehr als 80 000 Besuchern – und diese Tatsache wird dem Dortmunder Rennverein einige Besucher kosten.
Denn beide Veranstaltungen nacheinander zu besuchen, ist fast unmöglich. Das St. Leger wird um 16:25 gelaufen, Anstoß beim BVB ist um 17:30. Auch der Kolumnist muss sich entscheiden: Er wird zum BVB gehen, weil er eine Dauerkarte hat.
Der blöde Fußball. Oder sagen wir mal lieber die dummen Sonntag-Spiele der Bundesliga. Denn eigentlich sollte der Sonntag dem Amateurfußball (und den Galopprennen) gehören. Nur leider hat sich Borussia Dortmund für diese „Strafveranstaltung“ namens Europa League qualifiziert und spielt an mindestens sechs Terminen am Donnerstag. Das bedeutet, dass bis Weihnachten jedes Heimspiel des BVB an einem Sonntag stattfindet.
Die Amateurvereine dieser Stadt sind die Leidtragenden: Wenn die Borussia kickt, kommen weniger Besucher und die Einnahmen sinken. Und an diesem Sonntag wird auch der Dortmunder Rennverein leiden. Warum die Dortmunder Verantwortlichen diesen wichtigen Renntag nicht auf den Samstag verlegt haben, weiß ich nicht. Früher gab es regelmäßig Galopprennen am Samstag in Nordrhein-Westfalen, inzwischen ist dieser Termin in Turf-Deutschland fast tabu.
Am Samstag hätte ich die Rennbahn im Dortmunder Stadtteil Wambel besucht. Es wäre ein kleines Jubiläum gewesen, denn mein erstes „bewusstes“ St. Leger habe ich 1985 erlebt. So bewusst kann das aber nicht gewesen sein, denn an die Disqualifikation des eigentlichen Siegers Cassis zugunsten Kamiros II kann ich mich nicht mehr erinnern.
2011 siegte der englische Gast Fox Hunt aus dem großen Quartier vom Mark Johnson. Im Sattel war Silvestre da Sousa. Und natürlich tippte diese Kolumne den Sieger nicht.
Stuten brachten Glück
Im Gedächtnis geblieben sind allerdings die Gewinnerinnen Präirie Neba, Gondola und Britannia, allesamt Stuten und vom Kolumnisten gewettet. Danach fehlen mir wieder einige Jahre, weil ich zeitgleich selber Fußball gespielt habe. Anwesend war ich jedoch 1992, als der englische Gast Non Partisan siegte und ich vergebens versuchte, einigen Mitspielern die Schönheiten des Galopprennsports zu vermitteln. Sie fanden den Bierstand doch deutlich attraktiver.
Jedenfalls war ich später regelmäßig in Wambel, wenn es nicht gerade in Strömen regnete. Und wurde Zeuge, als Könner wie Caballo, Wurftaube, Ungaro oder Laveron triumphierten. Nur auf dem Wettschein hatte ich die Gewinner in diesen Jahren nie.
204.000 DM (später 104 000 Euro) Preisgeld gab es zwischen 1989 bis 2004 für Sieger und Platzierte, in den neunziger Jahren waren es noch bessere Zeiten im deutschen Turf. Heute liegt die Dotierung bei 55 000 Euro, das zeigt die Talfahrt im im deutschen Rennsport.
Wie in allen Rennsport-Nationen hat das St. Leger auch in Deutschland den geringsten Stellenwert aller Klassiker. Steher sind weniger gefragt in der Zucht, diese Entwicklung gibt es aber schon länger. Schon lange laufen nicht mehr die Besten des klassischen Jahrgangs im St. Leger. Camelot machte 2012 richtig Schlagzeilen, als er in England den Dreiererfolg 2000 Guineas, Derby und St. Leger anstrebte. Das Vorhaben misslang bekanntlich.
Seitdem das Rennen für ältere Pferde offen ist, wirkt das St. Leger wie eine ganz normales Steher-Prüfung. Zuletzt gewannen aber mit Hey Little Görl und Kaldera zwei dreijährige Stuten. Mein Wettglück kehrte immerhin zurück.
Wer gewinnt 2015? Der Boden wird wahrscheinlich weich sein, vielleicht sogar schwer, wenn das so weiter regnet. Zwei interessante Stuten sind am Start: Techno Queen ist eine der Aufsteigerinnen der Saison, weichen Boden kann sie, die Distanz ist aber Neuland. Virginia Sun war im letzten Jahr Zweite hinter Kaldera, die diesjährigen Form ist jedoch schwach. Der Favorit Nordic Flight wurde nachgenannt, als Adlerflug-Sohn sollte er das notwendige Stehvermögen besitzen. Ein interessanter Außenseiter ist Finoras, der die Distanz definitiv kann. Er kommt aus dem Ausgleich 2, das ist ein großer Sprung, aber in Steher-Prüfungen verbessern sich manche Kandidaten oft gewaltig.
Zudem neigt sich die Turf-Saison dem Ende zu. Da schlägt schon mal Form Klasse, weil viele Pferde ein hartes Programm hatten.
Das scheint ein großartiger Preis von Berlin am Sonntag in Hoppegarten zu werden. Der Derbysieger Nutan trifft auf starke deutsche Gegner wie Ito, Singing und Sirius, zudem schickt Luca Cumani, der Trainer des King George-Siegers Postponed, mit Second Step einen starken Gast aus England ins Rennen. Insgesamt acht Pferde werden in dieser Gruppe 1-Prüfung über 2400 Meter laufen.
Ehre wem Ehre gebührt – und damit meinen wir den Derbysieger Nutan. Das war schon eine herausragende Leistung im wichtigsten Rennen des Lebens: Hochüberlegen siegte der Schiergen-Schützling und zeigte sich noch einmal deutlich gesteigert gegenüber dem zweiten Platz in der Union. Distanz und Boden sollten passen, im Sattel sitzt wieder Erfolgsjockey Andrasch Starke.
Einer seiner Gegner ist der Schlenderhaner Ito, ein Spätentwickler, der erst jetzt als Vierjähriger richtig ins Rollen kommt. Zuletzt gewann er sicher Start-Ziel den Großen Preis der Badischen Unternehmer in Iffezheim über 2200 Meter. Die Konkurrenz mag schon stärker gewesen sein, aber es war dennoch eine imponierende Vorstellung von Ito mit Filip Minarik im Sattel. Es ist der erste Versuch des Schützlings von Trainer Jean-Pierre Carvalho über 2400 Meter, aber das Stehvermögen sollte der Adlerflug-Sohn besitzen.
Vierjährig noch mal gut gesteigert: Ito mit Jockey Filip Minarik
(Fotos(2): Rühl/German Racing)
Nächster deutscher Kandidat ist Singing aus dem Gütersloher Quartier von Andreas Wöhler. Im letzten Jahr noch trainiert in Frankreich von Carlos Laffon-Parias, kaufte Australian Bloodstock den Singspiel-Sohn und seitdem ist Ostwestfalen die Heimat des Pferdes. Seine beste Form zeigte er im vergangenen Jahr im Hansa Preis in Hamburg, als er sich nur dem späteren Melbourne Cup-Sieger Protectionist beugen musste. Danach verletzte sich der Hengst und pausierte, doch jetzt ist er wieder fit und well. Das zeigte er im diesjährigen Hansa-Preis, als erst kurz vor Schluss noch drei Konkurrenten an ihm vorbeirauschten. Die Abstände waren gering.
Vor Singing landete in Hamburg Sirius als Zweiter, der nach schwächeren Formen endlich mal wieder an alte Glanzzeiten anknüpfte. Dreijährig hatte sich das Pferd aus dem Stall von Andreas Löwe prächtig entwickelt, der Höhepunkt war der Sieg 2014 in eben diesem Großen Preis von Berlin. Distanz und Bahn werden passen.
Die anderen drei deutschen Kandidaten stehen hingegen in einer Außenseiterrolle. Der Routinier Girolamo und die Stute Alaskakönigin bekamen zuletzt in ähnlichen Aufgaben deutlich ihre Grenzen aufgezeigt. Amorous Adventure ist ein gutes Pferd, aber in dieser Klasse überfordert.
Ganz anders sieht die Situation beim englischen Gast Second Step aus. Trainer Luca Cumani kam Mitte der siebziger Jahre aus Italien nach Newmarket und trainiert seit 1976 mit großem Erfolg. Cumani gilt als jemand, der seine Pferde langsam aufbaut und so kontinuierlich steigert.
Der aktuelle King George-Gewinner Postponed passt in diese Kategorie und auch Second Step ging einen ähnlichen Weg, begann in Handicaps und schaffte den Sprung in die Gruppe-Kategorie. In diesem Jahr schlug er im April Telescope und Pethers Moon (der dann im Juni im Coronation Cup in Epsom, Gruppe 1 vorne war) in den Jockey Club Stakes in Newmarket. Diese Form bestätigte der Dalakhani-Sohn mit einem zweiten Platz in den Princess of Wales’s Stakes hinter dem damaligen Außenseiter Big Orange, der zudem in der letzten Woche im Goodwood Cup über weite 3219 Meter triumphierte.
Das sind schon echte Referenzen. Im Sattel von Second Step wird Jamie Spencer sitzen – der Mann, der zuletzt mit Big Orange vor ihm war.
Andrasch Starke jubelte in Hamburg: Nutan galoppierte und galoppierte
seine Gegner in die Chancenlosigkeit.
Urteil
Der 125. Große Preis von Berlin sollte ein echter Test für Nutan und die Güte des Derbyjahrgangs werden. Ito, Singing, Sirius und nicht zuletzt der englische Gast Second Step sind harte Gegner. Aber nach dem Hamburger Eindruck, den Gewichtsvorteilen und Andrasch Starke im Sattel könnte es für Nutan klappen. Von der Quote interessiert mich zudem Sirius. Mein Tipp: Einlauf mit Nutan und Sirius (natürlich hin und zurück).
Ausgerechnet Frankfurt! Warum musste Elizabeth Alexandra Mary Windsor aus dem Vereinigten Königreich, besser bekannt als Queen Elisabeth, unbedingt die Mainmetropole besuchen? Die Stadt, die ihre Galopprennbahn dem Fußball opfern will und dies nach dem Bürgerentscheid am Sonntag auch wahrscheinlich machen wird.
Definitiv nicht „very nice“, denn die Königin ist eine passionierte und erfolgreiche Besitzerin von Rennpferden. Die königliche Familie veranstaltet jedes Jahr das vielleicht aufregendste Galopp-Festival der Welt. Royal Ascot sind fünf Tage lang Pferderennen in exzessiver Fülle und von hoher Güte.
Das Festival war letzte Woche, jetzt stand Deutschland auf dem Programm. Erst Berlin, gestern Frankfurt und heute ging es wieder heim. Frankfurt bot sich schon allein aus familiären Gründen an. Die Mutter von Prinz Philipp, Alice von Battenberg, stammte aus dem Geschlecht der Großherzöge von Hessen. Für Nicht-Monarchisten: Das ist der Gatte der Königin, der immer so drollige Sprache macht. Zum Beispiel über Inder.
So besuchten die Windsors Frankfurt am Main, wurden freundlich von den Bürgern begrüßt und trafen allerlei Honoratioren: den Bundespräsidenten etwa, den hessischen Regierungschef zum Beispiel und natürlich auch Peter Feldmann, den Frankfurter Oberbürgermeister. Und vielleicht kam dann der folgende Dialog zustande – beim gemeinsamen Essen etwa, zwischen Suppe und erstem Gang.
Die Queen: „Junger Mann, ich bedanke mich für den herzlichen Empfang in ihrer Stadt. Einer Stadt voller aktiver Menschen.“
Peter Feldmann: „Vielen Dank. Wir sind eine Stadt des Fußballs – die große Eintracht, der kleine FSV und natürlich der Deutsche Fußball-Bund, der hier seinen Sitz hat. Die Weltmeister! Und jetzt wird der DFB sein großes Leistungszentrum in Frankfurt bauen. Die Bürger haben das so entschieden – auf dem Gelände der Galopprennbahn. Eine große Ehre für unsere Stadt.“
Die Queen war schon ein wenig müde. Die ungewohnten hessischen Spezialitäten hatten ihr zugesetzt und dann auch noch Fußball. Mit Grauen erinnerte sie sich an die neureichen englischen Kicker und ihre aufgedonnerten Frauen. Wie hieß noch der, den ich nie verstanden habe, weil er so undeutlich sprach. Rooney oder so ähnlich? Doch beim Thema Galopprennen wurde sie langsam wieder wach.
Die Queen fragte nach: „Das Zentrum entsteht auf der Galopprennbahn? Und was wird aus ihrer schönen Rennbahn? Keine Galopprennen mehr in Frankfurt. Das ist eine Schande!“
Feldmann war überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet: Sein königlicher Gast war wirklich empört. Die Leute guckten schon: „Pferderennen sind doch ein aussterbender Sport. Und die Bürger haben sich für den Fußball entschieden. Und bekommen jetzt auch noch einen schönen Bürgerpark.“ murmelte er.
Die Queen war nicht mehr amüsiert: „Sie können doch nicht einfach uraltes Kulturgut zerstören. Und wie sie wissen sollten, habe ich selber viele erfolgreiche Pferde besessen bzw. besitze sie noch.“
Die Queen war jetzt kaum noch zu stoppen: „Jedes Jahr lade ich meine Gäste zum Pferderennen nach Ascot ein. Da kommen Bürger aller Schichten, von alt bis jung. Und mehr Besucher als bei eurer Eintracht.“. Elisabeth zürnte. Diese Politiker, dachte sie. Aber vielleicht bekommt dieser Mann bei der nächsten Wahl ja die Quittung.
Der Oberbürgermeister hingegen guckte ratlos in die Runde und sucht seinen Pressesprecher. Vielleicht hätte man ihn vorher informieren sollen, dass sein königlicher Gast in Sachen Turf gut vernetzt sei. Feldmann war sauer, so hat ihn schon lange niemand mehr zurechtgewiesen. Auch nicht diese Möchtegern-Revoluzzer der Bürgerinitiative Pro Rennbahn. Die auch jetzt nicht ruhig sind und sagen, dass die Entscheidung kein Sieg des Fußballs ist. Da, denkt Feldmann, haben sie aber eigentlich Recht: Denn die Mehrheit entschied sich für die Rennbahn, es waren nur nicht genügend. Also interessierte es die Leute eigentlich gar nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben freute sich Feldmann über eine schlechte Wahlbeteiligung.
Natürlich war dieser Dialog rein fiktiv, das Gespräch hat so nicht stattgefunden. Hätte aber sein können.