Freitag, 20. Oktober 2017
Kein Ende der schlechten Nachrichten in Sicht
Der Spiegel hat sich mit dem deutschen Turf beschäftigt, das Ergebnis überrascht nicht: Die Lage ist schlecht. Es kann also nur besser werden? Der Kolumnist ist da anderer Meinung. So lange es zumindest so weitergeht.

Der gute alte Spiegel hat sich dem Galopprennsport gewidmet. Wer den Artikel noch nicht kennt, kann ihn hier abrufen. Der Text kostet allerdings 39 Cent, diese Investition sollte man sich aber gönnen.
82 Prozent weniger Totalisator-Umsatz seit 2000 und auch sonst sieht es düster aus: Der Artikel von Autor Jesko zu Dohna läuft unter dem Titel „Der Niedergang des deutschen Galopprennsports“ und beschreibt mit vielen Fakten die Misere im deutschen Turf. Sehr gut geschrieben und allein deshalb schon empfehlenswert, weil das Nachrichtenmagazin sich den Zynismus erspart, der ansonsten das Blatt manchmal unlesbar macht. Jedenfalls: Kein Vergleich mit der unsäglichen Reportage des NDR im Frühjahr, die nur auf Krawall gebürstet war.
Der Journalist war beim Hamburger Derbymeeting, bei der Großen Woche in Iffezheim und der Bad Harzburger Rennwoche und hat unter anderem Eugen Andreas Wahler, den Vorsitzenden des Hamburger Rennclubs, begleitet. Der Text ist eine gute Bestandsaufnahme, Strategien aus der Krise nennt er natürlich nicht. Aber das erwartet auch niemand vom Autoren und Spiegel. Zumal es diese eine Strategie auch nicht gibt – aber dazu später.
Als ich den Text las, stellte sich fast automatisch die Frage, wann die Krise des deutschen Turfs eigentlich begann? Die goldenen Zeiten, das müssen die achtziger Jahre und die frühen neunziger Jahren gewesen sein. Jedes Jahr notierten die Verantwortlichen stolz neue Umsatz-Rekordergebnisse, der Zocker wettete brav in den deutschen Toto.
Der Kolumnist erinnert sich durchaus daran. Auch an die Besucher auf den NRW-Bahnen, die zweimal im Jahr nach Baden-Baden zu den Meetings fuhren und auch das Hamburger Derby-Meeting regelmäßig frequentierten. Der Kolumnist kannte einige Zeitgenossen, deren jährliche Urlaubs- und Zeitplanung nur auf die Meetings-Termine ausgerichtet war. Diese Klientel ist heute schon aus Altersgründen nicht mehr groß.

Kölner Verwalter der Misere
Die Realität sieht anders aus: Eigentlich gibt es seit gefühlt ewigen Zeiten fast nur schlechte Nachrichten aus dem deutschen Turf.
Seit Mitte der neunziger Jahre bin ich im Internet, Ende der neunziger Jahre startete das erste Galopper-Forum von Maike Hanneck auf ihren Turfkönig-Seiten. Schon damals lieferte sich die Turf-Gemeinde heftige Diskussionen über die Krise im deutschen Turf und was man besser machen könnte. Mehrere Foren danach und auch später bei Facebook wurde und (wird) oft geschimpft und kritisiert, Änderungen gab es höchstens punktuell. Das Ergebnis ist eher mau, der Abwärtstrend ging unaufhörlich weiter. Viele der früheren Diskutanten haben resigniert, manche haben sich andere Hobbies zugelegt.
Natürlich wurden dicke Fehler gemacht. Das Direktorium als oberstes Gremium hat mit verschiedenen Verantwortlichen einiges vermasselt – Bildrechte, Internet etc… Die sogenannte Struktur-Reform entpuppte sich als größte Leerformel der letzten Dekade. Eine Strategie sucht der Beobachter vergebens, in Köln wird die aktuelle Misere einfach verwaltet und ausgesessen. Auch die vor einigen Jahren gegründete Dachorganisation German Racing - eigentlich eine positive Sache - wirkt inzwischen ziemlich ausgebremst. Ohne die französische PMU-Beteiligung würde es noch düsterer aussehen.
Nun stellt sich jetzt die Frage, ob es die eine Erfolgsstrategie überhaupt gibt? Auch die Turfwelt hat sich dramatisch verändert. Schon die Zahl der Kommunikationskanäle ist viel größer geworden, früher erreichte man die Masse noch über TV und Print-Presse. Heute nicht mehr: Internet und später Smartphones haben die Welt einfacher, aber auch zugleich komplizierter gemacht.



Die Bahnen wie hier in Dortmund an Himmelfahrt sind oft gut besucht, aber gewettet wird wenig. Zumindest nicht in den Bahn-Toto (Bild uk)

Einer These im Spiegel-Text widerspreche ich aber: Die Besucherzahlen auf deutschen Bahnen sind nicht gesunken. Manche Kurse wie Hannover oder Köln – wobei Köln an Großkampftagen wie Union-Rennen oder Preis von Europa immer gut gefüllt war – ziehen an manchen Renntagen viele Zuschauer an.
Aber die Leute kommen mehrheitlich nicht zum Wetten – Autogramme der örtlichen Fußballer zum Beispiel sind mehr gefragt. Oder man genießt einfach einen netten Renntag mit der Familie auf der Bahn, guckt sich dabei ein paar Pferde an, riskiert vielleicht mal eine kleine Platzwette und ärgert sich im schlechtesten Fall, dass die Schlangen an den Verpflegungsständen so lang sind.
C-Promis führen zwar zu Notizen bei RTL, Gala oder Bunte, aber den Umsatz steigern sie leider nicht. Und die Großwetter? Die wetten nicht in den deutschen Totalisator, weil die Quoten zu schlecht sind. Die Wetter haben heute dank des Internets Alternativen – ein Samstag in England macht einfach viel mehr Spaß als ein normaler deutscher Turf-Sonntag. Weil allein schon die Präsentation der Rennen von der Insel viel professioneller ist.
Wer also von diese Kolumne die Erfolgsstrategie für den deutschen Turf erwartet hat, mag enttäuscht sein. Ich habe sie nicht – aber solange an den wichtigen Stellen nur gebremst wird, versinkt dieser schöne Sport immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Bis er irgendwann von der Bildfläche verschwindet.



Montag, 18. September 2017
Oriental Eagle wie sein großen Bruder
Die ewigen Rätsel des Rennsports: Wie kann ein Pferd wie Oriental Eagle, GAG vor dem Rennen 72,5 kg, im Deutschen St. Leger Konkurrenten wie Moonshiner (GAG 94,5 kg) oder Sound Check (GAG 92,5 kg) besiegen? Der Versuch einer Antwort.

Nun kam der letzte Erfolg von Oriental Eagle immerhin im gutdotierten Badener Auktionsrennen zustande, aber das war bereits der neunte Versuch des dunkelbraunen Hengstes, ein Rennen zu gewinnen. Im St. Leger waren die Gegner noch mal stärker. Doch die Geschichte wiederholte sich: In Iffezheim marschierte er mit Martin Seidl von der Spitze aus und war nicht mehr zu erreichen. In Dortmund nutzte er – diesmal mit Jack Mitchell – die gleiche Taktik. Zwar kamen die Gegner näher, doch niemand lief an diesem Nachmittag an dem Schützling von Jens Hirschberger vorbei.
In England würde man so eine Vorstellung „gutsy“ nennen, die Experten bei Racing UK und Attheraces würden diese Leistung in höchsten Tönen preisen. Denn nichts sieht besser im Galopprennen aus als ein Sieg von der Spitze. Der Erfolg erinnerte an Pferde aus dem Stall von Trainer Mark Johnston. An manchen Tagen kommt auch niemand an denen vorbei.
Vielleicht dachte Oriental Eagle auch an seinen Bruder Oriental Fox: Dieser Lomitas-Sohn, ebenfalls im Gestüt Auenquelle aufgewachsen, ist ein großer Steher und gewann mit neun Jahren noch die Queen Alexandra Stakes Stakes in Royal Ascot. Sein Trainer? Keine Überraschung Mark Johnston.
Bei Pferden ist es wie im richtigen Leben – bei manchen fällt eben der Groschen spät. Dabei hatte Jens Hirschberger im Vorfeld noch Bedenken wegen des weichen Bodens gehabt und wollte seinen Starter abmelden. Das machte der Mülheimer Trainer nicht und lobte später die „tolle Leistung“ seines endlich ausgereiften Schützlings.



Nein, das ist nicht Oriental Eagle, sondern Valluga. Die Stute gewann in den gleichen Farben und ebenfalls mit Jack Mitchell das zweite Rennen.

Das St. Leger 2017 war zudem eine Werbung für den arg gescholtenen Dreijährigen-Jahrgang: Nicht nur der Erste gehört ihm an, sondern auch Khan, der richtig ins Rollen kam und fast noch an Moonshiner vorbeirauschte. Doch der Mitfavorit, der ein gutes Rennen lief, rettete den zweiten Platz. Mein Tipp Sound Check schlug sich ordentlich, die letzten Reserven fehlten jedoch nach Einschätzung seines Quartiers auf dem weichen Boden. Near England fand leider nie ins Rennen.

Ein Schalker in Dortmund
Es war ein interessanter Renntag auf der Dortmunder Rennbahn. Auch die Baustelle – die Wetthalle wird modernisiert - störte zu meiner Überraschung nicht. Weil die Kassen in dieser Wetthalle wegfielen, hatte ich da vorher meine Bedenken. Allerdings setzte der Rennverein mobile Wett-Terminals ein und diese Leute hinten den Kassen haben ihren Job hervorragend gemacht.
Eigentlich gefällt mir der Trend nicht, dass man auf Rennbahnen inzwischen den ganzen Renntag „zu gelabert“ wird. Aber Moderator Uli Potofski machte das wirklich gut. Er ist zwar Fan des FC Schalke 04 (es sei ihm verziehen als gebürtig aus Gelsenkirchen), verteilt immer ein paar Spitzen gegen den heimischen schwarzgelben Klub, aber das ist in Ordnung. Weil Potofski sich selbst nicht zu ernst nimmt, eventuelle Peinlichkeiten gekonnt humorig überspielt und sich nirgendwo anbiedert. Er ist eben ein Profi und dieser Typ aus Freiburg mit den bläulichen Haaren (wie der S04) war irgendwie auch ganz gut. Selbst Rennkommentator Pan Krischbin wirkt neben Potofski inzwischen richtig locker.
Was brachte der Renntag noch? Bereits im ersten Rennen dürfte man mit dem Sieger Wild Max und der Zweiten Indah zwei hochtalentierte Zweijährige gesehen haben, im zweiten Rennen erprobte Jack Mitchell erfolgreich mit Valluga (ebenfalls für Trainer Hirschberger/Gestüt Auenquelle) die Siegestaktik für das St. Leger. Im BBAG-Auktionsrennen für die Zweijährigen gab es mit Binti Al Nar eine überlegene und überzeugende Siegerin.
Außerdem stand noch ein toll besetzter Ausgleich 2 mit vielen, vielen Formpferden auf dem Programm. Den schaute ich mir auf der Leinwand an der Baustelle/Wetthalle an, die Bilder waren erstaunlich scharf. Etwas hinter mir wurde es im Verlauf des Rennens immer lauter. Dort standen die Besitzer von It’s my Time, die siegte und ihr Team kräftig feiern ließ. Ein Hauch Westfalenstadion in Dortmund-Wambel. Da lohnte sich die lange Reise aus Berlin.



Reger Betrieb auf der "Baustelle". (Fotos Ulrich König)



Freitag, 15. September 2017
Sound Check und Near England
Im letzten Jahr triumphierte der Tipp dieser Kolumne zu lukrativen Odds: Near England in den Farben des Gestüts Wittekindshof gewann das St. Leger 2016 in Dortmund. Die Stute läuft auch in diesem Jahr im letzten Klassiker des Jahres über weite 2800 Meter, ihr Besitzer – der langjährige Präsident des Dortmunder Rennvereins Hans Hugo Miebach – sponsert die Prüfung. Drei Dreijährige treffen am Sonntag um 16.30 auf sieben, zum Teil sehr bewährte, Steher. Die große Vorschau – Starter und Chancen im 133. St. Leger.

1. Moonshiner (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik): Im Vorjahr Sieger im Bremer Derby Trial, danach lief er nur noch in Frankreich und Italien. Im Herbst 2016 siegte er in einem Gruppe 3-Rennen über 3000 Metern, in diesem Jahr aber noch ohne Sieg und Platz in Gruppe-Prüfungen. Beste Form war der vierte Platz im Prix Maurice de Nieuil (Gruppe 3) über 2800 Meter in Saint Cloud. Der Sieger Talismatic war dann später Dritter hinter Dschingis Secret im Arc-Trial Prix Foy. So starke Gegner wird Moonshiner in Dortmund nicht treffen, daher sollte er gute Chancen haben.

2. Shadow Sadness (Trainer Christian von der Recke/Jockey Jozef Bojko): 2015 war der Recke-Schützling deutlich geschlagener Fünfter im St. Leger, beste Form in diesem Jahr war der zweite Platz im Langen Hamburger hinter Summershine auf weichem Boden. Je durchlässiger das Geläuf, desto eher kann Shadow Sadness überraschen.

3. Sound Check (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Der Bruder des großartigen Scalo hat sich in diesem Jahr über starke Siege in Handicaps nach vorne gearbeitet. Zwei Versuche über Steher-Distanzen, beide fielen überzeugend aus, auch wenn er in Hoppegarten Bebe Cherie nicht mehr ganz erreichte. Der Sieg in Baden Racing Steher Cup (Dritter Eagle Eyes) fiel sehr souverän aus. Kann auch weichen Boden, zudem noch relativ wenig geprüft, ein harter Brocken für seine Gegner.

4. Stamford Raffles (Trainerin Jane Chapple-Hyam/Jockey Paddy Bradley): Stark verbesserter Wallach aus England, kann die Distanz, ist bodenunabhängig, zuletzt aber Letzter in einem Class 3-Handicap. Davor mehrfacher Class 4-Sieger, hat definitiv noch Reserven, muss aber einen großen Sprung bewältigen. Die Formen reichen nicht. Jane Chapple-Hyam trainiert einen kleinen Stall, hat in dieser Saison bei 61 Starts 7 Siege erreicht. Jockey Paddy Bradley hat schon zweimal mit Stamford Raffles gewonnen.

5. Eagle Eyes (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Marc Lerner): Zweite Vertreterin aus dem Stall Ullmann, den Großteil ihrer Rennen bestritt die Adlerflug-Tochter in Frankreich, kam dort über Ansätze in guter Gesellschaft aber nicht heraus. Zuletzt aber eine ordentliche Leistung als Dritte im Baden Racing Steher Cup, ohne den Sieger Sound Check zu gefährden. Außenseiterin, Filip Minarik entschied sich für Moonshiner.

6. Near England (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): Die Vorjahressiegerin, in diesem Jahr mit Licht und Schatten, aber 3200 Meter wie in Hamburg (allerdings schlechter Rennverlauf) und Hoppegarten scheinen doch ein wenig zu weit zu sein. 2800 Meter passen aber, Pferde des Gestütes Wittekindshof sind in Dortmund immer zu beachten und im St. Leger trifft sie auf schwächere Konkurrenz als zuletzt. Zudem die Wahl von Klug-Stalljockey Adrie de Vries. Gute Chancen.



So war es 2017: Near England besiegt Tellina

7. Summershine (Trainer Anna Schleusner-Fruhriep/Jockey Maxim Pecheur): Sechsjährige Stute aus einem kleinen Quartier, im letzten Jahr noch mal enorm verbessert. In dieser Saison hat sie es geschafft, sich in der Spitzengruppe der deutschen Steher zu etablieren. Überzeugende Siegerin auf weichem Boden im Langen Hamburger, auch der vierte Platz in Hoppegarten hinter Bebe Charlie und Sound Check war in Ordnung. Ein weiterer Kandidat, dessen Chancen bei weichem Untergrund steigen. Im letzten Jahre aber deutlich im St. Leger geschlagen.

8. Khan (Trainer Henk Grewe/Jockey Antoine Hamelin): Dreijähriger Hengst, der sich in Deutschland immer mit der Elite des Jahrgangs maß. In Derby und Union war er jedoch ohne Möglichkeiten. Zuletzt knapp geschlagener Zweiter über die St. Leger-Distanz in einem Altersgewichtsrennen in Vichy, der Sieger lief dann sehr ordentlich in einem Listenrennen. Könnte das Pferd für die Überraschung sein.

9. Oriental Eagle (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Jack Mitchell): Zuletzt ein überzeugender Sieg im gutdotierten Badener Auktionsrennen über 2400 Meter nach einem mutigen Ritt von der Spitze durch Martin Seidl. Seidl sitzt diesmal nicht im Sattel, aber Jack Mitchell ist eine gute Alternative. So sicher bin ich mir nicht, ob Oriental Eagle ein Pferd für 2800 Meter ist. In Dortmund ist die Konkurrenz zudem deutlich stärker. Außenseiter.

10. Alicante (Trainer Markus Klug/Jockey Andreas Helfenbein): Dreijährige Stute, zuletzt ein wenig enttäuschend als Zweite in einer harmlosen Aufgabe in Baden-Baden. Davor lief sie immer gegen die Jahrgangsspitze (unter anderem in der Diana), schlug sich dabei teilweise auch ganz respektabel, ohne allerdings zu gewinnen. Die Distanz ist Neuland, als Lando-Tochter sollte der Boden nicht zu weich sein. Nicht die Wahl von Stalljockey Adrie de Vries, dreijährige Stuten haben jedoch eine gute Bilanz im Dortmunder Klassiker.

Urteil
Sound Check ist ein Kandidat, der noch einiges im Tank haben dürfte. Das Pferd aus dem Gestüt Ittlingen ist klarer Favorit dieser Kolumne. Nach Rechnung sollte Moonshiner der erste Gegner sein, die Vorjahresssiegerin Near England ist aber gefährlicher. Von den Dreijährigen schätze ich Khan am höchsten ein.



Mittwoch, 6. September 2017
Die Lehren der Großen Woche 2017
Die große Woche 2017 in Baden-Baden ist Geschichte. Immer noch ein wichtiges – manche meinen sogar das wichtigste – Meeting im deutschen Turf. Ein paar Anmerkungen.

145. Großer Preis von Baden
Das Prestigerennen des Meetings, auch wenn die heutige Dotierung von 250000 Euro den Niedergang des deutschen Turfs dokumentiert. Denn vor 11 Jahren gab es noch 780000 Euro, davor sogar 800000 Euro, an Preisgeldern. Alle sprachen vorher vom Duell des aktuellen Derbysiegers Windstoß mit dem Vorjahreshelden Iquitos, doch die Prüfung war schon im Vorfeld mehr als ein Zweikampf. Gruppe 1-Sieger Guignol, der Union-Triumphator (und spätere Derby-Favorit) Colomano sowie die beiden Godolphin-Kandidaten Best Solution und Prize Money waren alles andere als Feldfüller.
Doch dieser Tag gehörte dem Pferd aus dem Stall Ullmann: Guignol gewann Start-Ziel, fand zum Schluss noch mal einen Extra-Gang und siegte überzeugend. Kompliment an Jockey Filip Minarik, der dem Hengst ein perfektes Rennen servierte und Trainer Jean-Pierre Carvalho, der Guignol auf den Punkt genau in Top-Form brachte. Iquitos mühte sich auf Platz 2, für Colomano und Windstoß blieben die Positionen Drei und Vier.

Schwache Dreijährige?
Colomano und Windstoß schlugen sich eigentlich ganz achtbar, eine richtige Siegchance hatten sie jedoch nicht. Allerdings sind Guignol und Iquitios neben Dschingis Secret auch die absoluten Top-Pferde Deutschlands über Distanzen ab 2000 Metern.
So gut haben die dreijährigen Hengste in den letzten Jahren im Großen Preis von Baden zudem nicht abgeschnitten. Im Vorjahr landeten Boscaccio und Dschingis Secret im geschlagenen Feld, selbst der im Vorfeld quasi als „unschlagbar“ geltende Derby-Triumphator Sea The Moon unterlag 2014 Our Ivanhowe (trainiert und geritten vom Sieger-Team 2017). Kamsin war 2008 der letzte erfolgreiche Derby-Held.
Sehr schade, dass die so großartig gesteigerte Diana-Gewinnerin Lacazar ihre Nennung im Großen Preis nicht wahrgenommen hat. Die Stute hätte für mich erste Chancen gehabt, zumal das Schiergen-Quartier gute Stallform hat. Zudem hatten die Ladies in den letzten Jahren eine gute Bilanz: Pagella war 2016 Dritte, Nightflower sogar 2016 und 2015 Zweite. Die grandiose Danedream triumphierte 2011, ehe sie dann bekanntlich zur Arc- und King George-Gewinnerin wurde.



Palace Prince bei seinem Erfolg im Gruppe 2-Rennen am ersten Tag.
(Bild Rühl/German Racing)


Andere Helden in den Top-Rennen
Geschichte wurde nicht geschrieben: Denn Palace Prince mit der bewährten Kombination Minarik/Carvalho verpasste nach seinem Samstags-Erfolg im Preis der Sparkassen-Gruppe den historischen Doppelsieg. Fünf Tage später im Darley-Oettingen-Rennen war der Bahnspezialist Pas de Deux zu gut, Palace Prince, einst Zweiter im Deutschen Derby, landete auf dem Ehrenplatz und zeigte dennoch eine starke Leistung.
Zwei Pferde aus dem Quartier von Peter Schiergen imponierten besonders am zweiten Samstag der Großen Woche: Sound Check war ein überlegener Sieger im Steher Preis, Ashiana triumphierte knapp zwei Stunden später im Zastrow-Stutenpreis.
Leider blieben in der einstmals Internationalen Woche Starter aus dem Ausland eine Rarität. Das ist schade, allerdings sind die schwachen Dotierungen der deutschen Rennen auch nicht gerade anziehend. Henri Pantall aus Frankreich ist das jedoch seit Jahren egal: Sein Son Cesio darf sich nach seinem Erfolg in der Goldenen Peitsche jetzt dreifacher Gruppe-Sieger nennen. Obwohl er hart gegen Daring Match kämpfen musste.

Handicap-Helden
Generell sind die Ausgleich-Rennen in Baden-Baden deutlich leichter für den Wetter geworden. Denn sie sind bei weitem qualitativ und quantitativ nicht mehr so überragend besetzt wie in früheren Jahren. Das macht die Auswahl einfacher. Überraschungen gab es dennoch: Zephir (204) oder Danon Perth (146, von mir für ganz kleines Geld getroffen) waren die Helden mit den besten Quoten. Immerhin schafft es Baden-Baden, weiterhin einigermaßen vernünftig besetzte Handicaps der Kategorie 1 und 2 zu veranstalten.

Jockey-Helden
Minarik auf Guignol, Martin Seidl auf Oriental Eagle – nur zwei von vielen Klasse-Ritten der Großen Woche. Aber meine Heldin der Woche heißt Sonja Daroszewski, die zwei quasi perfekte Ritte auf Perfect Swing hinlegte und damit einen Doppelerfolg mit dem Wallach für Trainer Christian von der Recke schaffte. Daroszewki fällt mir seit geraumer Zeit positiv auf – eine Reiterin mit Mut und viel Gefühl für die richtige Renn-Strategie. Sie reitet sowohl Hindernis- als auch Flachrennen ganz stark. Nur schade, dass die Rennen über die Sprünge in Deutschland zur Rarität werden.

Wen ich verpasst habe
Katzenberger und Glööckler. Und noch andere „Promis“. Muss man diese Privat-TV-Kandidaten eigentlich kennen? Was kann Katzenberger, was kann der sogenannte Modedesigner? Na ja, wer es mag.



Dienstag, 8. August 2017
Trübe Bilder vom Galopprennsport
Manchmal sind es die sogenannten kleinen Dinge, die den Renn-Fan in Deutschland ärgern. Etwa keine Bilder vom Stuten-Klassiker Preis der Diana, weil beim Wett-Anbieter Racebets der Stream ausgerechnet jetzt ausfiel. Auch sonst kann so ein Sonntagnachmittag am PC mit deutschen Rennübertragungen ziemlich nervend sein. Wenn zum Beispiel die Pferde gerade im Ziel waren, der Zuschauer sehnsüchtig auf die Wiederholung wartet, die Bilder aber in den leeren Führring des anderen Rennortes wechseln.

Es war ein schönes Rennen in stimmungsvoller Atmosphäre – der Preis der Diana, das Deutsche Stutenderby in Düsseldorf. Lacazar hieß die Siegerin, Andrasch Starke fand rechtzeitig die Lücke im wichtigsten Rennen für die dreijährigen Ladies und gewann seine sechste Diana. Für Peter Schiergen war es der vierte Erfolg in seiner Trainer-Karriere, die tapfer kämpfende Megera aus dem Quartier von Andreas Wöhler blieb mit Jim Crowley „nur“ der zweite Platz. Der Favoritin Wuheida aus dem Godolphin-Stall von Charlie Appleby wurden dann doch die 2200 Meter auf dem Grafenberg zu lang, immerhin belegte sie noch Platz 3.
20 000 Zuschauer kamen auf die Bahn und erlebten einen spannenden Renntag mit packenden Endkämpfen. Der Preis der Diana hat zudem mit Henkel einen treuen und potenten Sponsor – in Zeiten, in denen sich die schlechten Nachrichten aus dem deutschen Turf mal wieder ballen, ist das positiv. Aber warum assoziiere ich Galopprennsport in Deutschland irgendwie auch mit Dilettantismus? Dieser Begriff gilt selbstverständlich nicht den vier- und zweibeinigen Aktiven, es sind die Rahmenbedingungen, die einen nerven.
Am Sonntag gab es mal wieder keine Livebilder aus Düsseldorf beim Wettportal Racebets. Kurze Zeit funktionierten die Streams, das Zweijährigen-Rennen zu Beginn der Karte konnte noch verfolgt werden. Doch als ich zum Fritz-Henkel-Rennen, der Listenprüfung mit toller Besetzung, den Stream wieder einschalten wollte, passierte nichts. Der Bildschirm mit den Rennbildern blieb schwarz, diese Tatsache änderte sich auch nicht zum Preis der Diana.
Da steht das wichtigste Rennen für Stuten auf dem Programm und beim ehemaligen Partner des deutschen Rennsports gab es keine Livebilder. Nun wird das Racebets auch am Umsatz gespürt haben (keine Bilder, keine Wette), aber auch sonst ist das nur peinlich und ein dicker Imageschaden für den Wettanbieter. Wobei das Problem diesmal auch beim Mitbewerber pferdewetten.de nach Aussage einiger Facebook-Nutzer bestanden haben soll.
Nicht funktionierende Streams sind allerdings nicht neu, schon beim Derbymeeting in Hamburg gab es manche Wackelpartien, und auch früher blieb der Bildschirm manchmal ohne Live-Bilder von den Rennbahnen. Auf meine Facebook-Anfrage antwortete Racebets, dass man sich des Problems schon bewusst sei. Bereits seit dem Derby sei man mit dem Streaming-Partner in intensivem Kontakt, um die Probleme zu beheben. „Leider mahlen solche Mühlen, vor allem wenn es dann an externe und Partnerfirmen weitergegeben werden muss, äußerst langsam“, heißt es wörtlich. Der Wettanbieter bietet weiterhin um Geduld.
Die Antwort ist wenig befriedigend. Wenn ein Partner seine eigentliche Aufgabe – Bilder zu liefern – nicht erfüllt bzw. immer wieder Pannen auftauchen, dann ist dieser überfordert und arbeitet wenig professionell. Folge: Der Zuschauer ärgert sich und schimpft auf den unfähigen deutschen Galopprennsport.

Ohne Sinn und Verstand
Nun ist so ein Sonntagnachmittag mit den Übertragungen von mehreren deutschen Rennplätzen auch nicht unbedingt ein Vergnügen. Die Bilder sind zwar etwas besser geworden, im Hintergrund krächzt auch nicht mehr der Traberkanal, aber manchmal hat der Betrachter den Eindruck, dass in der Regie ein Praktikant sitzt, der quasi „Learning on the job“ macht und dabei wenig Gefühl für den Sport zeigt.
Die Schalten wirken oft willkürlich. Das passiert es schon mal wie zuletzt in München, als sofort nach dem Ende des Gruppe 1-Dallmayr-Pokals der leere Führring in Bad Harzburg gezeigt wurde. Dabei hätte auch ich gerne noch mal dem Sieger Iquitos applaudiert, der eindrucksvoll zeigte, dass er eines der Top-Pferde des Landes ist. Interviews mit Siegern und Besiegten nach großen Prüfungen? Es wäre schön.
Vom englischen Übertragungs-Standard wie bei Racing UK können wir leider in Deutschland nur träumen. Aber es muss nicht ja nicht unbedingt das Personal-und Kamera-Großaufgebot sein, mit dem der Rennsender große Meetings wie Royal Ascot oder Glorious Goodwood bestückt.
Sinnvolle Schalten sollten jedoch auch in Deutschland möglich sein. Ich will Bilder der Sieger und Besiegten sehen, möchte das Rennen noch mal in Ruhe verarbeiten und die Wiederholung verfolgen, weil ich wissen will, wo meine favorisierten Pferde gelandet sind. Ist doch eigentlich einfach.
Immerhin kann man Racing UK oder Attheraces bei Racebets verfolgen. Diese Streams fallen fast nie aus. Profis eben.



Freitag, 26. Mai 2017
Der erste Frankel-Sohn auf deutschem Boden
Himmelfahrt in Dortmund – und wo verbringen viele Dortmunder traditionell diesen Tag? Auf der Rennbahn im östlichen Stadtteil Wambel. Auch der Kolumnist war in den letzten dreißig Jahren bestimmt über 25-mal auf diesem Renntag, der gesponsert wird von der örtlichen Sparkasse. Das Geldinstitut verteilt zu diesem Zweck ordentlich Freikarten. 14 000 Besucher sollen es an diesem sonnigen Donnerstag gewesen sein. Eine Bilanz.

Für den Kolumnisten war es allerdings ein besonderer Tag. Zum ersten Mal seit seiner Krankheit besuchte er wieder eine Rennbahn. Fazit: Alles wunderbar, auch wenn ich es persönlich etwas zu voll fand und nach dem sechsten Rennen nach Hause fuhr. Aber da waren die wichtigsten Prüfungen auch schon Vergangenheit.
Manches war aber noch ein wenig ungewohnt. Zum Beispiel die Pausen zwischen den Prüfungen, die mir erst mal wieder richtig lang vorkommen. Andererseits ist es schön, wenn sich die Spannung so langsam vor einem Rennen aufbaut. Da kann noch so viel Trubel auf der Bahn sein.



Der Himmel so blau, die Rennbahn voller Besucher - Himmelfahrt in Dortmund. (Bilder (2): uk)

Sportlicher Höhepunkt
Ich trauere ja immer noch der Derby-Vorprüfung nach. Diese wurde lange an Himmelfahrt in Dortmund gelaufen und oft von sehr talentierten Pferden gewonnen. Aber dann kam irgendwann der große Meetings-Veranstalter Baden-Baden und meinte, auch am Himmelfahrt-Tag veranstalten zu müssen. Die hart arbeitenden Menschen im ökonomisch starken Baden-Württemberg sollten am Feiertag die Chance haben, Pferderennen live zu sehen. Dummerweise für Dortmund kamen die Veranstalter zudem auf die Idee, eine Derbyvorprüfung für dreijährige Pferde anzubieten. Das war das Ende des Dortmunder Rennens. So zu viel zum Thema Solidarität im deutschen Turf, aber was rege ich mich auf?
In diesem Jahr war der Große Preis der Sparkasse ein Listenrennen für ältere Stuten über 1600 Meter, im Jahr davon war es ein Sprint. Mit Princess Gibraltar triumphierte ein Pferd aus Frankreich. Die etwas unscheinbar wirkende Stute gewann letztlich souverän vor dem tschechischen Gast Partyday und Flemish Duchesse, die lange führte, blendend aussah und beste deutsche Teilnehmerin war. Partyday gefiel optisch sehr gut, eine kräftige Stute, die einem Steepler ähnelte.
Wetttechnisch habe ich es leider vermasselt, indem ich zwei Einläufe spielte, nur leider die falschen Pferde kombinierte. Meine Tipps waren Princess Gibraltar und Flemish Duchesse (Erste und Dritte) sowie Partyday und Lbretha (der andere französische Gast, leider geschlagen).

Der Nachwuchs
Der Papa Frankel das wohl beste Pferd der letzten Jahre in England, die Mutter Queen’s Logic eine mehrfache Gruppe 1-Siegerin – blaublütiger als King’s Advice kann kein Rennpferd gezogen sein. Optisch allerdings sieht der Hengst eher durchschnittlich aus, sein Trainer Andreas Wöhler stuft ihn zudem als eher spät ein. Es dauerte auch eine Weile, bis beim King der Groschen fiel, aber dann beschleunigte er noch sehr gut. Die Gegner sollten zudem nicht schlecht gewesen sein, auf die Laufbahnen etwa von Marillion, der Stute Near Big sowie Nachito darf man gespannt sein. Mal sehen, wie viele Sieger aus diesem Rennen kommen. King’s Advice war übrigens der erste Frankel-Nachkomme auf einer deutschen Rennbahn. Baden-Baden wird neidisch sein.
Auf den letzten Drücker wurde ebenfalls das Maidenrennen für die Stuten entschieden. Doch hier hatte der Wöhler-Stall mit Wadia das Nachsehen, Gen Chi aus dem Stall von Pavel Vovchenko zeigte starken Speed und fing Wadia noch ab. Auch hier sollten potentiell gute Vollblüter am Start gewesen sein, mir gefiel speziell die Debütantin Noble Rose, die bald noch mehr zeigen dürfte.

Und sonst?
Leider gab es überwiegend kleine Felder speziell in den unteren Handicaps. Das verwundert ein wenig, sind diese Prüfungen meistens quantitativ gut besetzt. Ansonsten war es – wie gesagt – proppenvoll auf der Bahn. Das ist es an diesem Renntag eigentlich immer, wenn das Wetter gut ist. Kinderspektakel, lange Schlangen an den Imbissständen und auch an den Wettschalter – es ist schon ein besonderes Flair. Manchmal nerven die Schlangen, aber besser so als diese trostlosen Winterveranstaltungen.
Wenn es nach mir gehen würde, sollte Dortmund viel mehr im Sommer veranstalten. Oder mal was zusammen mit dem BVB machen. So wie das Bahnen in Köln und Hannover mit ihren Fußball-Profiklubs erfolgreich praktizieren. Da würde man die Zuschauerzahl 14000 noch mal locker übertreffen. Jede Wette.



Zugegeben: Das Bild ist nicht besonders gut. Aber es zeigt King's Advice, den Sieger des vierten Rennens und ersten Frankel-Nachkommen im deutschen Turf.



Dienstag, 11. Oktober 2016
Gute Dreijährige dringend gesucht
Die Meldung passte gut zu den schlechten Nachrichten. Isfahan, der deutsche Derbysieger 2016, beendet seine Rennlaufbahn. Hufprobleme verhindern einen weiteren Start, wieder wird ein Derbysieger frühzeitig Deckhengst. So wird man nicht erfahren, wie gut Isfahan war, denn er rannte nie gegen ältere Pferde. Dabei könnte sein Jahrgang ein sportliches Aushängeschild wahrlich brauchen.

Der Derbysieger aus dem Stall von Trainer Andreas Wöhler folgte dabei einem Trend der Jahre zuvor. Auch die Derby-Helden Nutan (kein Start nach dem Derby )und Sea The Moon (ein Start) beendeten früh ihre Rennkarriere.
Vom kaufmännischen Standpunkt sind diese Entscheidungen ja durchaus nachvollziehbar. Warum soll ich den Zuchtwert des zukünftigen Deckhengstes reduzieren, wenn dieser vierjährig nur noch hinterherläuft? Die Großen der Branche wie Ballydoyle machen das genauso. Galileo, erfolgreichster Deckhengst der Welt, lief auch nicht mehr mit vier Jahren.
Aber was war das geil, als Frankel vierjährig noch eine Saison dranhängte. Jeder Start war eine Show, schon Tage vorher kam Freude auf. Zumal der Ungeschlagene mit vier Jahren noch mal seine schon vorher fantastische Leistung hochschraubte, weil er mit zunehmendem Alter reifer wurde.
Was bleibt also vom deutschen Derbyjahrgang 2013? Immerhin lief Savoir Vivre, der Zweite aus dem Deutschen Derby, im Prix de l’Arc de Triomphe ein ordentliches Rennen. Als Achter war der Adlerflug-Sohn zwar deutlich geschlagen, dafür ging der Hengst auch als krasser Außenseiter an den Start. Erstaunlich: Savoir Vivre war das best platzierte dreijährige Pferd im Rennen. Gerade der irische und englische Derbyjahrgang scheint auf den Steherdistanzen bei den Hengsten relativ schwach zu sein. Aber dazu später, auch die angeblichen Top-Vertreter des deutschen Jahrgangs 2016 liefen fast alle schwach.

Lando, Monsun, Sternkönig, Kornado
Zurück nach Deutschland und in die Turf-Geschichte: Es gab schon Vollblüter-Jahrgänge, von denen schwärmten die Experten noch Jahre später. Der berühmte Jahrgang 1990 etwa mit Lando, Monsun, Sternkönig und Kornado – allesamt Gruppe 1-Sieger und damit Pferde der allerbesten Kategorie. Diese Generation war so gut, dass hochtalentierte Pferde wie Komtur oder der Fährhofer Concepcion immer im Schatten der „großen Vier“ standen. „Von einem Jahrhundert-Jahrgang“, sprachen die Eingeweihten.
Das konnte man in den letzten Jahren wahrlich nicht sagen: Der Jahrgang 2011 mit dem Derbysieger Sea The Moon hinterließ schon wenig Spuren, Pferde wie Weltmacht, Lucky Lion oder Wild Chief boten immerhin ein paar gute Leistungen. Beim Jahrgang 2012 mit dem Triumphator Nutan fiel die Bilanz noch schwächer aus. Zumal einige interessante Kandidaten Deutschland inzwischen verlassen haben.
Der aktuelle Jahrgang aber unterbietet diese mäßigen Werte noch. Die Zweifel nach der Derby-Prüfung auf tiefem Boden bewahrheiteten sich. Der Sieger Isfahan lief bekanntlich nicht mehr, Savoir Vivre blieb die Ausnahme mit seinem Erfolg in einem französischen Gruppe-Rennen und dem respektablem Lauf im Arc.
Noch erfolgreicher war der norwegische Gast Our Last Summer, der zwei seiner drei weiteren Rennen gewann, darunter das Scandic Norsk Derby. Von den deutschen Pferden siegte hingegen – neben Savoir Vivre – nur noch Wai Key Star aus dem Quartier von Andreas Wöhler, der eine leichte Aufgabe in Hannover entschied. Zuletzt enttäuschte der einstige Derbyfavorit im Preis der Deutschen Einheit als Fünfter, als ihm der letzte Schwung fehlte.

Harzand enttäuscht
Fast alle Starter des Derbys 2016 enttäuschten in den Rennen danach. Der Große Preis von Baden, das Prestige-Aufeinandertreffen der Generationen, entwickelte sich zum Desaster für den klassischen Jahrgang – zumindest für die Hengste. Der hochgehandelte Boscacchio scheiterte wie im Hamburger Derby am schweren Boden, der bislang so beständige Dschingis Secret trudelte abgeschlagen ins Ziel.
Deutschland steht in diesem Fall nicht alleine dar. In England und Irland ist der Derby-jahrgang ähnlich unterdurchschnittlich. Harzand gewann in großer Manier das Epsom Derby und schon dachte einige, einen neuen vierbeinigen Superstar haben. Der Arbeitserfolg im irischen Pendant relativierte ein wenig die hohen Erwartungen, die beiden letzten Schlappen führten den Schützling von Trainer Dermot Weld zurück in die Welt. In Irland hatte sich der immer hochgehandelte Hengst noch verletzt, doch für Paris war die Stimmung wieder gut. Zudem sollten die 2400 Meter dem ausgewiesenen Steher entgegenkommen. Alles graue Theorie: Harzand kam nie über das Mittelfeld hinaus, die gute Arbeit im Training wurde zur Makulatur. Der Grund für den Flop sei die harte Frühsaison gewesen, sagte Pat Smullen, der ständige Jockey.
Das Ergebnis im englischen Derby wurde bislang auch von den anderen Top-Platzierten wenig bestätigt: US Army Ranger, die Nummer 1 aus dem Quartier von Aidan O’Brien, lief zuletzt als Letzter, Idaho stürzte als Favorit im St. Leger. Wings of Desire, der Derby-Vierte, wurde immerhin Zweiter im King George hinter Postponed.
Allerdings waren auch andere Teilnehmer des Epsom Derbys erfolgreich, in der Breite scheint der Jahrgang gar nicht so schlecht zu sein: Across The Stars, Algometer, Deauville und Ulysses hatten in gar nicht so schlechten Prüfungen die Nase vorn.
Und vielleicht ein Trost für den deutschen Turf: Danedream, Ito, Novellist und Protectionist, die erfolgreichsten Pferde der letzten Jahre in Deutschland, liefen nie im Hamburger Derby bzw. wurden nur Zweiter (Novellist).



Freitag, 23. September 2016
Parvaneh in Köln, Bravo Zolo in Newmarket
Der Preis von Europa in Köln und das Heritage Handicap Cambridgeshire in Newmarket sind für diese Kolumne die Rennen des Wochenendes. Die besten Tipps.

Das war doch letzte Woche mal eine Ansage: Unser Tipp Near England gewann das deutsche St. Leger nach einer großartigen Leistung von Ross und Reiter. Andreas Helfenbein servierte der Stute ein nahezu perfektes Rennen. Gut gefallen hat mir zudem, wie Near England auf der Zielgeraden noch mal anzog und die Attacken der Wöhler-Schützlinge Tellina und Rock of Romance abwehrte. Ganz großes Kino, 108:10 war eine mehr als lukrative Quote für die Stute von Trainer Markus Klug und eine Entschädigung für manch‘ schlappe Tipps dieser Kolumne. Gestüt Wittekindshof geht eben immer in Dortmund.
Aber es geht weiter und dieses Wochenende bringt neue interessante Prüfungen. Diese Kolumne konzentriert sich auf den Preis von Europa, Gruppe 1 über 2400 Meter in Köln und das Cambridgeshire am Samstag in Newmarket über etwas mehr als 1800 Meter, eines der Herbst-Wetthöhepunkte des englischen Turfs.

Preis von Europa
Den Anfang macht in Köln der Preis von Europa. Es gab Jahre, da war die Besetzung sowohl qualitativ und quantitativ eher dünn. Zumindest die Qualität stimmt in diesem Jahr: Iquitos ist einer der diesjährigen Aufsteiger des deutschen Turfs und gewann zuletzt höchst beeindruckend den Großen Preis von Baden. Besonders wenn das Tempo hoch ist, sollte dem Speedpferd die lange Kölner Zielgerade entgegenkommen. Nightflower lief in Baden-Baden ihr bestes Rennen der Saison, sah kurz wie die Siegerin aus, aber dann kam Iquitos angeflogen.
Parvaneh ist frische Gruppe 2-Gewinnerin aus Baden-Baden, auch sie hat viel Speed und schon in Köln gewonnen. Serienholde siegte in diesem Jahr im Preis der Diana, enttäuschte aber ein wenig im Großen Preis von Baden. Trainer Andreas Wöhler sagte nach dem Rennen, dass die „Stute keine Steherin ist“ und auf kurzen Strecken besser sei. Da verwundert es dann doch, dass sie in Köln wieder über 2400 Meter läuft.
Wöhler schickt auch Red Cardinal an den Start. Eigentlich hatte ihn Australia Bloodstock für Australien erworben, doch eine Verletzung stoppte ihn. Nach Vorformen (Dritter im Gruppe 3-Rennen, davor zweimal im Handicap erfolgreich) ist der ehemalige Engländer schwer vorstellbar.
Eine Nennung für den Melbourne Cup hat ebenfalls noch Elite Army aus dem Godolphin-Imperium. Zuletzt enttäuschte er zweimal als durchaus gewettetes Pferd in englischen Gruppe 2-Rennen, davor stand ein guter zweiter Platz in einem starken Royal Ascot-Handicap. Eigentlich ist er mit seinen fünf Jahren noch relativ wenig geprüft, vielleicht kann er ja überraschen.
Nicht unbedingt ein Gewinnertyp ist Sirius aus dem Stall von Andreas Löwe. Aber dennoch zeigt er meist gute Leistungen, ein Platzgeld könnte möglich sein. Ähnliches gilt für Kasalla, eine weitere dreijährige Stute, die aber schon hinter Parvaneh und Serienholde war.

Tipp: Parvaneh ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, Nightflower, Iquitos und Serienholde werden harte Gegner sein. Nicht ganz abhaken würde ich Elite Army, zumal die Stallform von Trainer Saeed Bin Suroor deutlich angezogen hat.



Preis von Europa 2011: Campanologist gewinnt mit Frankie Dettori.

Das Cambridgeshire
Damit kommen wir zur Wett-Reifeprüfung des Wochenendes. Das Cambridgeshire über etwas mehr als 1800 Meter ist ein Highlight des Samstag-Programms in Newmarket. Den Sieger zu finden, gleicht oftmals der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Heritage Handicap ist eine extrem offene Angelegenheit, 35 Pferde sollen starten. Der Favorit steht 80:10, heißt Third Time Lucky und kommt aus dem Quartier von Richard Fahey. Es ist der Vorjahressieger, in diesem Jahr bei drei Starts noch sieglos, aber mit aufsteigender Form. Auch wenn die Bilanz des Favoriten in diesem Rennen, das es seit 1839 gibt, gar nicht so schlecht ist, interessieren doch andere Pferde mehr.
Bravo Zolo beispielsweise aus dem Stall von Jeremy Noseda. Eigentlich galt der Wallach eher als Spezialist für die Allwetterbahnen, doch dann hätte er sich zuletzt im April beinahe das Lincoln Handicap in Doncaster geschnappt. Danach pausierte er, doch die Pause stört nicht, denn frisch läuft Bravo Zolo eigentlich immer gute Rennen.
In so einem Rennen kann man ruhig ein zweites Pferd tippen: American Artist ist ein großer Außenseiter, aber die letzte Form hinter Sacret Art in Sandown war wieder besser. Roger Varians Stallform hat wieder angezogen, der Wallach ist noch wenig geprüft, vielleicht kann er ja überraschen. Ein Kandidat für Sieg und Platz.

Tipps: Bravo Zolo (Sieg), American Artist (Sieg/Platz)



Die Kavallerie in Aktion und am Ende triumphiert I cried for you überlegen im Cambridgeshire 2001. 340 für 10 gab es für den Sieger



Freitag, 16. September 2016
„Heimsieg“ für Near England
11 Pferde gehen an den Start für den letzten Klassiker der Saison. Das St. Leger 2016 in Dortmund ist auf dem Papier eine offene Angelegenheit. Aber im Turf spielen nicht nur Formen eine Rolle. Und eine Weisheit der Dortmunder Rennbahn lautet: Unterschätze nie die Starter des Gestüts Wittekindshof. Die Vorschau.

Wir schreiben das Jahr 1986, der Kolumnist hatte gerade begonnen, seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Nicht irgendwo, sondern in Flensburg am oberen Ende der Republik. Fast schon Dänemark. In der Realität bedeutete das lange Bahnfahrten am Sonntagabend mit vielen Leidensgenossen und ganzer mieser Stimmung. Dennoch war ich am St. Leger-Sonntag 1986 auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel und habe sogar die Siegerin Prairie Neba für 2,50 DM getroffen. Gewinn satte 41 DM, weil die Siegerin am Toto 164 stand. Meine Laune wurde besser, ohne gut zu werden. Aber alles sah doch sonniger aus, der Gedanke an das Geschreie im Grundwehrdienst wurde erträglicher.
Lange ist das her, die BW-Zeit ist längst Folklore, das St. Leger aber immer noch da. 30 Jahre später könnte es wieder einen Stutensieg geben. Die Ladies haben so und so eine gute Bilanz in der Prüfung. Starter und Chancen im 132. St. Leger in Dortmund.

1. Iraklion (Trainer Christian Sprengel/ Jockey Michel Cadeddu, GAG 87,0 kg): Das Pferd von Trainer Christian Sprengel lief immer in guter Gesellschaft, blieb aber meist ohne Chance. Den zweiten Platz hinter Protectionist würde ich nicht überbewerten. Außenseiter.

2. Mighty Mouse (Trainerin Annika Fust/Jockey Rene Piechulek, GAG 89,5 kg): In England gewann erstmals mit Trainerin Laura Mongan eine Frau das Leger, Annika Fust (ehemals Rosenbaum) könnte ihr in Deutschland folgen. Mighty Mouse kommt mit guten Formen an den Ablauf, es ist jedoch erst der zweite Start in diesem Jahr. Als geschontes Pferd durchaus gefährlich, wenn er die Distanz kann. Die ist nämlich Neuland.

3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Marc Robert Lerner, GAG 90,0 kg): Bewährter Steher, zuletzt überlegener Sieger auf schwerem Boden im Langen Hamburger und war dort unter anderem vor Summershine. Kandidat mit Chancen, aber nicht die Wahl des Stalljockeys. 2014 Dritter.

4. Tellina (Trainer Andreas Wöhler, Jockey Eduardo Pedroza, GAG ?): Der große Unbekannte. Gruppesieger aus Südafrika im Besitz des Gestütes Fährhof. Zuletzt im März in Meydan in sehr guter Gesellschaft unterwegs. Der letzte Sieg datiert aus dem Jahr 2014. Andreas Wöhler wird aber wissen, warum er den Silvano-Sohn im St. Leger an den Start schickt. Zudem ist er die Wahl des Stalljockeys.

5. Bebe Cherie (Trainer Markus Klug, Jockey Cäcilia Müller, GAG 89,5 kg): Zuletzt ohne Möglichkeit gegen Weltmacht, die sie Sonntag wieder trifft. Davor eine ordentliche Form hinter Wasir in Hoppegarten. Viel Stehvermögen, die 2800 Meter könnten schon ein wenig zu kurz sein. Besten Formen auf tiefen bis weichem Boden, den die Youmzain-Tochter wahrscheinlich nicht haben wird. Für andere Starter spricht mehr.

6. Summershine (Trainerin Anna Schleusner-Fruhriep/Jockey Bayarsaikhan Ganbat, GAG 78 kg): Solide Stute, zuletzt oft im Einsatz, beste Form war der zweite Platz im Langen Hamburger hinter Rock of Romance. Je länger die Strecke, desto besser. Dennoch wäre ein Erfolg schon rein rechnerisch eine Überraschung.

7. Techno Queen (Trainer Toni Potters, Jockey Daniele Porcu, GAG 93 kg): Im letzten Jahr großartig gesteigerte Stute, 2015 im St. Leger Zweite hinter Virginia Sun. In diesem Jahr immer in starker Gesellschaft unterwegs, zuletzt Dritte hinter Parvaneh in Baden Baden über 2400 Meter. Davor unterlag sie Ventura Storm, am letzten Samstag Zweiter im englischen St. Leger. Ein Pferd mit viel Speed und ersten Chancen.

8. Weltmacht (Trainer Markus Klug, Jockey Adrie de Vries, GAG 90 kg): Immer hoch in der Einschätzung des Kolumnisten, nur ein Gruppe 1-Pferd wurde sie nicht. Aber dennoch eine Starterin mit viel Potenzial. Zuletzt wehrte sie alle Angriffe im Badener Steherpreis über 2800 Meter ab. Die Wahl von Stalljockey Adrie de Vries und ein logischer Mitfavorit.



Die Prüfung 2014: Kaldera fängt Virginia Sun noch ab, ein Jahr später siegte die hier noch knapp Unterlegene

9. Buzzy (Trainer Guido Förster, Jockey Antoine Hamelin, GAG 75 kg): Dreijähriger, gewann ein Sieglosenrennen, danach im Derby, Listenrennen und Ausgleich 1 völlig chancenlos. Klarer Außenseiter, obwohl sein Vater Mamool ein großer Steher war.

10. Near England (Trainer Markus Klug, Jockey Andreas Helfenbein, GAG 91,5 kg): Die Gewinnerin des Hamburger Stuten-Preises über 2200 Meter auf tief-schwerem Boden, danach kam sie in der Diana nie ins Rennen. Nach Vorformen hätte ich etwas Bedenken, aber die Lord of England-Tochter sollte noch Reserven haben. Hinzu kommt der Wittekindshof-Faktor in Dortmund: Die Starter von Hans-Hugo Miebach, dem ehemaligen Präsidenten des Dortmunder Rennvereins, sind auf der Heimatbahn immer zu beachten. Das günstige Gewicht spricht zudem für die Stute.

11. She’s Gina (Trainer Markus Klug, Jockey Maxim Pecheur, GAG 91.5 kg): Die zweite dreijährige Stute im Feld. Respektable Leistung als Sechste im Preis der Diana als große Außenseiterin, das Pferd davor wertete die Form mit dem Badener Gruppensieg gewaltig auf. In Hamburg Dritte hinter der Stallgefährtin Near England, auch davor immer ordentlich gelaufen. Distanz ist neues Terrain.

Urteil
Natürlich haben Techno Queen und Weltmacht die besten Voraussetzungen, ist Rock of Romance ein bewährter Steher und hat Tellina schon ganz andere Gegner gesehen. Aber in Dortmund macht es sich bezahlt, die Wittekindshof-Pferde zu spielen. Near England ist eine talentierte Stute und könnte die Favoriten überraschen.



Mittwoch, 7. September 2016
Sieger und Besiegte im Großen Preis von Baden
Freud und Leid liegen auch im Galopprennsport nah beinander. Sonntag nachmittag, der Große Preis von Baden, das zweitwichtigsten Rennen im deutschen Turfjahr, war gerade beendet. Im Mittelpunkt: der Sieger Iquitos, sein tüchtiger Trainer Hans-Jürgen Gröschel und der erfolgreiche Jockey Ian Ferguson. Kaum jemand interessierte sich hingegen für Boscaccio, die einstige Derby-Hoffnung, die diesmal abgeschlagen als Letzter im strömenden Regen die Ziellinie überquerte.

Natürlich war es eine grandiose Leistung von Iquitos, Trainer Gröschel und Jockey Ferguson, die den Großen Preis von Baden zu einer Demonstration gemacht hatten. Im Frühjahr hatte Iquitos schon den Großen Preis der Badischen Wirtschaft gewonnen und den großen Favoriten Ito in die Schranken verwiesen. Damals saß Norman Richter im Sattel und Trainer und Besitzer waren trunken vor Freude.
Hans Jürgen Gröschel hatte sein Trainerleben quasi gekrönt. Ein Mann, der schon vieles gesehen hatte im Turf, ein mit allen Wassern gewaschener Betreuer von Rennpferden. Eine seiner Qualitäten lag bzw. liegt darin, Pferde punktgenau zu den oftmals besser dotierten Meetings in Form zu bringen, Handicapper wohlgemerkt. Im Frühjahr gab es dann oben beschriebenen Gruppe 2-Erfolg und jetzt setzte der Bahnspezialist Iquitos (drei Starts, drei Siege lautet seine Iffezheimer Bilanz) noch einen drauf und triumphierte in der Champions League, einer Gruppe 1-Prüfung. Einfach nur gut, dieser Tag.
Das Gegenteil gilt für Boscaccio und seinen Anhang. Bekanntlich mag diese Kolumne das Pferd und hatte es auch gewettet. Wiedergutmachung für das enttäuschende Laufen als Favorit im Derby war angesagt, doch im prasselnden Regen ging Boscaccio schrecklich baden.
Schon zu Beginn pullte er stark, was immer ein schlechtes Zeichen ist. Später hatte ihn Dennis Schiergen beruhigt, doch souverän ging sein Partner nie. Spätestens als Schiergen ihn in dritter Spur nach vorne bringen wollte, schwanden die Hoffnungen. Das Pferd von Christian Sprengel hatte an diesem Tag mit dem Sieg nichts zu tun. Schon zu Beginn der Geraden stellte Dennis Schiergen alle Anstrengungen ein, im englischen Hindernissport würde man „pulled up“ sagen. Boscaccio war restlos geschlagen, Schiergen ließ ihn nur noch austrudeln.

Dreijähriges Desaster
Das sah wahrlich nicht gut aus. Ob es der weiche Boden war, der dem Hengst erneut den Zahn gezogen hat? Hoffentlich ist das Pferd gesund aus dem Rennen gekommen. Reaktionen der Verantwortlichen liegen mir nicht vor, online gibt es weder über Facebook noch über die Seite von Trainer Christian Sprengel etwas. Eine Anfrage blieb ohne Antwort. Enttäuschte sprechen nicht gerne in der Öffentlichkeit.
Der Große Preis von Baden war ein Desaster für die dreijährigen Hengste. Denn auch Dschingis Secret, der Derby-Dritte, lief schwach und wurde Vorletzter. Dabei hatte der seinen Boden. Was war der Große Preis von Baden in diesem Jahr wert? Wir zitieren einfach mal Harald Siemen: „Bei Lichte betrachtet muss man sagen, dass sowohl die Besetzung als letztendlich auch das Ergebnis – jedenfalls aus Sicht des Handicappers – enttäuschend war, denn die Dreijährigen blieben bis auf Pagella unter Form. Es gab zwar vier Gruppe-I-Sieger im Feld, aber bis auf Serienholde datieren deren Gruppe-I-Erfolge aus vergangenen Jahren. Zudem fehlten – aus unterschiedlichen Gründen – die vier Pferde mit dem bis dahin höchsten Rating in Deutschland: Protectionist, Ito, Isfahan und Savoir Vivre", schreibt der Chefhandicapper des deutschen Turfs in seinem Blog.
Die Verantwortlichen um Iquitos wird das wenig interessieren. Sie hatten ihren großen Moment.