Der letzte Klassiker der Saison: Das 134. Deutsche St. Leger steht am Sonntag auf dem Programm in Dortmnd-Wambel. Zehn Pferde bewerben sich in dieser Gruppe 3-Prüfung über 28000 Meter um 55 000 Euro. Gibt es erneut einen ausländischen Erfolg wie in den Wochen zuvor in den besten Prüfungen? Die englischen Gäste sind zwei bewährte Handicapper, aber sie verbreiten nicht unbedingt Angst und Schrecken. Starter und Chancen in der Analyse.
1. Adler (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): So richtig ist der Knoten in diesem Jahr nicht geplatzt bei Adler. Vierjähriger Hengst, der in den besten Steher-Tests in Deutschland manchmal gut dabei war, aber nie gewann. Nicht zu unterschätzen, aber andere Kandidaten versprechen mehr. Immerhin die Wahl von Adrie de Vries aus dem Klug-Quartett.
2. Brandon Castle (Trainer Archie Watson/Jockey Edward Greatrex): Sechsjähriger Handicapper, der gerne von der Spitze läuft und sich nach dem Wechsel zu Trainer Archie Watson 2017 noch mal gewaltig verbesserte. In dieser Saison erst drei Starts, beim Saisonauftakt siegte er über 2800 Meter in einem gutbesetzten Class 2-Handicap in Musselburgh. Danach zweimal ohne Möglichkeiten, beste Form auf schwerem bzw. weichem Boden.
3. Eddystone Rock (Trainer John Best/Jockey Joey Haynes): In diesem Jahr immer in gutdotierten Steher-Handicaps unterwegs, beste Platzierung war ein fünfter Platz. Seine größte Stunde schlug im August 2017, als er in einem 50000 Pfund-Handicap (Class 2) in York siegte. Kampferprobter Wallach, aber er hat noch nie über mehr als 2000 Meter gewonnen.
4. Moonshiner (Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Miguel Lopez): Sehr formbeständig, aber ein Sieger-Typ ist das Ullmann-Pferd nicht gerade. Der letzte Sieg datiert vom September 2016. Im letzten Jahr Zweiter hinter Oriental Eagle und auch in dieser Saison eine feste Größe in den deutschen Steher-Rennen.
5. Oriental Khan (Trainer Jens Hirschberger und nicht mehr Roland Dzubasz/Jockey Jack Mitchell): Es war 2017 das Dreamteam in den gleichen Farben, als Jack Mitchell mit Oriental Eagle das Feld von der Spitze aus dominierte. Es wird schwer: Oriental Khan läuft zwar auch von der Spitze, war in besserer Gesellschaft aber immer chancenlos.
6. Sweet Thomas (Trainer Andreas Suborics/ Jockey Stephen Hellyn): Sechsjähriger Wallach, der zuletzt zweimal hinter Tirano war. In dieser Saison mit vielen guten Vorstellungen, unter anderem Ausgleich 1-Sieger in Hamburg. Die Distanz ist aber neues Terrain, aber nach seinem Rennstil ist sie ihm zuzutrauen. Zudem gilt: Pferdes des Gestütes Wittekindshof sind in Dortmund immer zu beachten. Weil Patron Miebach keine chancenlosen Pferde auf seine Heimatbahn schickt.
7. Tirano (Trainer Waldemar Hickst/Jockey Andrasch Starke): Fünfjähriger Wallach, der zuletzt sehr überzeugend in einem Badener Ausgleich über 2200 Meter erfolgreich war. Davor Kampfsieger gegen Malkoboy in einem Listenrennen in der Schweiz über 2400 Meter. Sehr formbeständig, wenn er die längere Distanz im St. Leger kann, ist er ein Siegkandidat.
8. Ernesto (Trainer Markus Klug/Jockey Martin Laube): Einer von drei Dreijährigen, alle aus dem Quartier von Markus Klug. Nach Form der größte Außenseiter, aber zwischen ihm und dem Stallgefährten Klüngel liegt nicht viel, obwohl Ernesto zweimal hinter diesem war. Außenseiter mit Chance (schlug bei seinem Maidensieg immerhin den Badener Auktionssieger Quintarelli), muss sich aber steigern.
9. Klüngel (Trainer Markus Klug/Jockey Andreas Helfenbein): Dreijähriger mit markantem Namen, der im Badener Auktionsrenenn über 2400 Meter noch guten Speed zeigte und Dritter wurde. Die längere Distanz im Leger könnte für den Jukebox Jury-Sohn passen, zum Sieg ist aber eine weitere Verbesserung notwendig.
10. Valajani (Trainer Markus Klug/Jockey Maxim Pecheur): Dem passabler Lauf in der Union gegen die Jahrgangsspitze (Rang 5) folgte eine gute Vorstellung im Hoppegartener Steherpreis über die Leger-Distanz. Platz Drei war der Lohn, allerdings konnte die Zweite Shining Bright die Form nicht ganz bestätigen. Der stärkste Dreijährige und mit dem Gewichtsvorteilen nicht zu vernachlässigen.
Urteil
Qualitativ nicht das beste Grupperennen, nur Moonshiner hat von ihnen schon ein Grupperennen gewonnen. Es ist ein Treffen guter Handicapper und talentierter Dreijähriger. Valajani hat sich gegen die Jahrgangsspitze tapfer geschlagen und die letzte Form über 2800 Meter macht ihn interessant. Dahinter kommen Moonshiner und der beständige Tirano. Nicht zu unterschätzen ist der Wittekindshofer Sweet Thomas. An die Engländer glaube ich nicht so recht.
Gute Form über die Leger-Distanz: Valajani wird Dritter in Hoppegarten, es gewann Agathonia.
Traurige Nachricht: Arnold Zweifel ist tot. Der ehemalige Dortmunder Galopptrainer starb am Montag im Alter von 77 Jahren. Unter anderem betreute er mit Stars and Stripes und dem Veteranen Fred Feuerstein zwei der Lieblingspferde des Kolumnisten.
Irgendwie scheint es Lichtjahre entfernt, dass in Dortmund mal erfolgreich Rennpferde trainiert wurden. Uwe Stoltefuß hatte zu seinen besten Zeiten mal über 100 Pferde im Stall und auch Norbert Sauer, Tim Gibson, Reiner Werning und Arnold Zweifel betreuten kopfstarke Lots. Stoltefuß, Sauer und Tim Gibson sind viel zu früh verstorben, jetzt folgte Zweifel. Nur Reiner Werning hielt lange stand, bis dann im letzten Jahr das Aus für den Trainingsstandort Dortmund kam. Weil es die neuen Anwohner vielleicht stören könnte, in der Nähe von Rennpferden zu leben. Ich halte diese Entscheidung immer noch für falsch.
Aus Dortmund kamen nie die sportlichen Top-Pferde. Klassische Sieger machten um die Westfalen-Metropole meist einen Bogen, selbst der langjährige Präsident des Dortmunder Rennvereins, Hans Hugo Miebach, ließ seine besten Galopper des Gestütes Wittekindshof in Köln trainieren. Es gab zwar mal einen Derbysieger aus Dortmund – Mondrian aus dem Stall von Uwe Stoltefuß. Er und sein Kollege Norbert Sauer hatten manchmal ein besseres Pferd und Anfang der 90er Jahre trainierte Fredy Scheffer einen Top-Meiler/Sprinter namens Nasr Allah für den Stall Mabrouk aus Ratingen. Aber das waren Ausnahmen.
Auch Arnold Zweifel hatte nie die großen „Kracher“ im Stall. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mal einen Dreijährigen mit klassischen Ambitionen in seiner Obhut hatte. Zweifel gewann zwar auch einige Listen-Rennen, aber die meisten seiner Schützlinge rannten in den unteren Handicaps, waren preiswert oder spätreif. Oder beides.
Aus diesen Möglichkeiten machte er eine ganze Menge. Im oftmals wechselnden Handicap-Geschäft liefen seine Pferde immer verlässlich und deshalb verdankt der Kolumnist seinem Team auch einige schöne Wetttreffer. Und da die Zweifel-Schützlinge am Toto immer eher unterschätzt wurden, lohnte sich das durchaus.
Dauerbrenner
Zwei Pferde aus dem Quartier zählten zu meinen Favoriten. Da ist zum einen Stars and Stripes, ein Halbbruder zu Sternkönig. Nicht ganz so gut, aber der Fuchs mit der weißen Blesse (wenn mich meine Erinnerungen nicht täuschen) war auch nicht schlecht. Er brauchte ein ungestörtes Rennen von der Spitze über eine weite Distanz (so ab 2400 Meter) und wenn er dann mal alles für sich hatte, dann war er schwer zu schlagen. Und immerhin konnte er Ausgleich 2 und avancierte zum Seriensieger auf Sand.
Dann war da noch der unverwüstliche Fred Feuerstein, der lange Zeit fast zum Inventar in Wambel zählte. Er lief noch mit 14, gewann jedes Jahr seine Rennen und war ein lebendes Kompliment für die Trainingsarbeit von Arnold Zweifel, der es immer schaffte, das Pferd vernünftig vorzustellen.
1999 beendete Arnold Zweifel seine Trainertätigkeit. Den großen Niedergang im deutschen Galopp bekam er als aktiver Trainer nicht mehr mit.
Leider sind diese Meldungen schon seit Jahren keine Seltenheit mehr im deutschen Galoppsport: Mit Sound Check verlässt der nächste Top-Galopper Deutschland Richtung Ausland. Es geht nach Australien, natürlich ist der Melbourne Cup das große Ziel. Und nicht nur dort sind nach den Erfolgen von Protectionist und Almandin Pferde aus deutscher Zucht gefragt.
„Ein Syndikat aus australischen und neuseeländischen Klienten“ habe das Pferd für „gutes Geld“ gekauft“, erklärte sein neuer Trainer Mike Moroney. „Er war sicherlich nicht billig, aber diese Zweimeilenpferde können heute auch eine Menge Geld verdienen.“
In Australien wohlgemerkt. Und deshalb wird Manfred Ostermann, Chef des Gestütes Ittlingen, die Entscheidung leicht gefallen sein. Sound Check – trainiert von Peter Schiergen – zählt zu den besten Stehern Deutschlands, ist Gruppesieger über 3200 Meter und war zuletzt Zweiter im Großen Preis von Berlin (Gruppe 1) über 2400 Meter. Verdient hat der Lando-Sohn 184 000 Euro – hört sich auf den ersten Blick viel an, ist aber im internationalen Vergleich wenig.
Im Melbourne Cup 2018 bekommt der Sieger rund 2,48 Mio. Euro, selbst der Zwölfte erhält noch über 74 000 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland gewinnt der Erste im St. Leger (immerhin ein Klassiker) gerade mal 32 000 Euro.
Sound Check war nicht der Einzige: Kurz zuvor meldete galopponline, dass der talentierte Dreijährige Schabau Deutschland verlassen und zukünftig ebenfalls in Australien seine Rennkarriere fortsetzen wird. Zuletzt hatte der Pastorius-Sohn mit dem kölschen Namen das BBAG Steher-Auktionsrennen am Hamburger Derby-Tag überlegen gewonnen. Kaufpreis soll eine „mittlere sechsstellige Summe“ gewesen sein, sein neuer Coach Robert Hickmott trainierte einst Almandin zum Melbourne Cup-Helden.
Almandin hat mehr Stehvermögen als Heartbreak City im Melbourne Cup 2016. Der einstige Schlenderhaner schaffte damit einen der größten Erfolge für die deutsche Zucht.
Einerseits sind diese Aufkäufe ein Kompliment für die deutsche Zucht, andererseits ist der Verlust dieser Pferde für das heimische Renngeschehen ein herber Verlust. Nachvollziehbar sind die Verkaufsentscheidungen ihrer Besitzer allemal. Denn die Verdienstmöglichkeiten in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Ländern nicht wettbewerbsfähig.
Der Abgang von Top-Pferden ist gewaltig: Poetic Dream (Mehl-Mülhens-Gewinner 2017), Shimrano (Union-Sieger 2015), Rosenpurpur (Derby-Dritter 2017) oder die ehemaligen Schlenderhaner Guardini, Almandin, Iwanhowe oder Swacadelic – die Liste ist unvollständig.
Das ist auch ein Grund, warum viele Gruppe-Rennen in den letzten Jahren ziemlich schwach besetzt waren. Quantitativ und qualitativ. Da es in Deutschland auch immer weniger gutbesetzte Handicaps der Kategorien 1 und 2 gibt, weil Pferde dieser Klasse in Frankreich mehr verdienen können, werden die deutschen Renntage immer öder. Besserung scheint leider nicht in Sicht zu sein.
Degas gewinnt den 31. Großen Preis der Wirtschaft auf der Dortmunder Rennbahn. 28-mal davon war ich bei diesem Rennen dabei und auch diesmal live vor Ort. Einige Beobachtungen an einem Sonntagnachmittag.
Es gibt sie, die Oasen der Ruhe an einem Renntag. Zum Beispiel am Führring direkt nach einem Rennen, wenn die Pferde gerade von der Bahn kommen, die Leute entweder zum Absattelring laufen und/oder das Rennen diskutieren. Dann hat der Besucher den Platz fast alleine, hört sogar die Vögel zwitschern und vernimmt nur entfernte Geräusche von außen. Während 100 Meter weiter entfernt das Leben tobt.
So war es am Sonntag vor dem 31. Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft. Ein Moment der Stille. Die ersten Pferde für die nächste Prüfung werden hereingeführt. Sonst passiert hier nichts. Das Geschehen spielt woanders: Der AS-Antriebs- und Systemtechnik-Preis, ein Ausgleich III über 2000 Meter, war gerade gelaufen. Elegant Maxime siegte soeben vor All About Me, ein Ergebnis mit Dortmunder Bezug: Das Pferd von Alt-Präsident Hans-Hugo Miebach (Elegant Maxime, Gestüt Wittekindshof) gegen das von Manfred Ostermann (All About Me, Gestüt Ittlingen). Oder Maschinenbau schlägt Möbelhandel.
Der Preis der Dortmunder Wirtschaft ist neben Sparkassen-Renntag an Himmelfahrt und St. Leger Mitte September das Aushängeschild des Dortmunder Turf Programms. Und solange sie diese Renntage noch veranstalten und nicht nur öde PMU-Ware an trüben Wintertagen auf der Sandbahn bieten, ist die Turf-Welt zumindest hier noch in Ordnung.
Die drei obigen Renntage sind eigentlich die einzigen, die ich seit Jahren in Deutschland live erlebe. Das hat einerseits gesundheitliche Gründe, andererseits gibt es England mit deutlich interessanteren Rennen. Ich habe ich mich in Sachen Rennsport zu so einer Art Couch-Potato entwickelt - leider. Lieber zuhause am PC gucken, ist doch deutlich komfortabler.
Bukowski las Zeitung
Jedenfalls habe ich zwischen den Rennen auf der Rennbahn auf einmal so etwas Langeweile. Weil eben 30 Minuten nichts passiert. Literat und Turf-Freund Charles Bukowski kannte das Problem auch, der hat immer zwischendurch die Los Angeles Times gelesen. Die muss früher am Wochenende auch ziemlich dick gewesen sein.
In Zeiten der Zeitungskrise ist das aber keine Alternative. So stehe ich am Führring, schaue mir die Pferde an. Das habe ich früher sehr intensiv gemacht, aber in Smartphone-Zeiten fehlt die Geduld. Zumal ich den Eindruck habe, dass in vergangener Zeit Pferde nicht so lange vor den Sattelboxen geführt wurden und früher in den Kreis kamen.
Auch sonst hat sich einiges verändert: Man trifft deutlich weniger bekannte Gesichter, dafür wird der Besucher permanent auf der Rennbahn akustisch unterhalten. Zwischen den Rennen wird viel erzählt: Uli Potofski macht Interviews mit Bekannten und Unbekannten, Sprecher Pan Krischbin informiert über die Pferde. Die beiden machen das professionell, aber manchmal könnte weniger mehr sein. Aber die dringend benötigten „neuen Zielgruppen“ wollen das wohl so.
Acht Euro Eintritt mit Programm sind ein fairer Preis, die Sport-Welt wird von diesem Koppelangebot nicht begeistert gewesen sein. Dadurch wird das Fachblatt auf der Bahn deutlich weniger verkauft. Das Rennprogramm sieht dick aus, ist voller Anzeigen der Dortmunder Wirtschaft. Da hätten die Verantwortlichen das Ganze auch noch mit ein wenig Inhalt füllen und neben Formen auch ein paar Tipps anbieten können.
Scharfe Bilder
Stark in Dortmund ist die Leinwand auf der Rennbahn, die gestochen scharfe Bilder liefert. Keiner guckt mehr auf das eigentliche Rennen, alle gucken auf die Übertragung. Und dann ist der Betrachter ganz verblüfft, wenn die Pferde live an einem vorbei laufen.
Ansonsten ist in Dortmund noch Improvisation gefragt, die Wetthalle ist immerhin verglast und hat Glastüren, aber abgeschlossen sind die Arbeiten noch nicht. Die Bahn ist gut gefüllt (5500 Zuschauer laut Dortmunder Rennverein), lange Schlangen vor den Wettschaltern sind mir nicht aufgefallen. Die Leute wetten ja angeblich nicht mehr.
Sportlich gab es mit Degas einen Sieger, den nicht nur ich übersehen habe. Der „ewige Zweite“ kam nach einem typischen Adrie de Vries-Ritt aus dem Hintertreffen. Wie schon in der letzten Woche in der Union mit Weltstar machte der Jockey das auch diesmal perfekt.
Die Pferde von Markus Klug haben gute Form derzeit, Manipur siegte im Ausgleich 2. In einem Rennen, indem die ersten vier Pferde quasi auf einer Linie endeten – so spannend kann der Sport sein.
Immerhin beendete Molly Sunshine meine derzeitige Treffer-Misere. Im Großen Preis lag ich aber mit Potemkin und Theo voll daneben. Wie das Leben so ist.
Das Siegerteam im Großen Preis von Dortmund mit Trainer Markus Klug, Degas und Jockey Adrie de Vries (Foto Dortmunder Rennverein)
Wer sich derzeit den Derby-Markt in Deutschland anschaut, der findet diesen auf den ersten Blick wenig attraktiv. Royal Youmzain heißt der klare Favorit, im Wettmarkt steht er entsprechend tief. Mal schauen, wie es nach dem Oppenheim Union-Rennen am Sonntag in Köln aussieht. In der wichtigsten Vorprüfung für das Hamburger Derby laufen einige Pferde, die Royal Youmzain zum Saisonauftakt geschlagen hat. Starter und Chancen in der Union.
1. Aldenham (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Jozef Bojko): Beim dritten Start platzte der Knoten mit einem Sieg, aber danach in besserer Gesellschaft im Derby-Trial in Hannover noch ohne Möglichkeiten. In der Union ist es noch schwerer.
2. Ballydoyle (Trainer Stefan Richter/Jockey Stephen Hellyn): Gewann trotz Unreife ein Münchner Sieglosen-Rennen im Stile eines sehr guten Pferdes, überraschte dabei gewaltig und imponierte dem Stall Salzburg so sehr, dass dieser ihn kaufte. Nachgenannt für die Union, dort ist weitere Verbesserung notwendig. Diese sollte nach erst zwei Starts auch möglich sein. Der Braune galt in seinem Stall immer als Derbyhoffnung und es ist schön, dass der tüchtige Trainer Stefan Richter mal so eine Chance hat. Der Name Ballydoyle verpflichtet aber auch.
3. Destino (Trainer Markus Klug/Jockey Martin Seidl): Tolle Abstammung, Bruder von Dschingis Secret und Diana Storm. Zweijährig Sieger in Baden Baden, das Jahresdebüt in Hannover fiel eher enttäuschend aus. Das Fragezeichen im Rennen.
4. Ecco (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Halbbruder des letztjährigen Derby-Zweiten Enjoy Vijay. Spätentwickler, der beim dritten Start eine letztlich leichte Aufgabe in Krefeld sehr souverän löste. Muss sich aber weiter steigern.
5. Emerald Master (Trainer Mario Hofer/Jockey Alexander Pietsch): Sehr starkes Jahresdebüt im Bavarian Classic als Dritter. Galt schon zweijährig als Steher im Stall, dem 1600 Meter zu kurz waren. Hochinteressanter Teilnehmer, der das Jahresdebüt noch steigern sollte und der ebenfalls von der längeren Distanz profitieren könnte.
6. Jimmu (Trainer Henk Grewe/Jockey Marc Lerner): Der Schimmel wurde im Bavarian Classic ziemlich unterschätzt und bot als Zweiter hinter Royal Youmzain eine tolle Leistung. Nach dieser Form sollte er auch in Köln gut laufen. Distanz wird passen, das Pferd von Henk Grewe könnte weitere Reserven haben. Emerald Master (3.) und Salve Del Rio (4.) sind wieder unter den Gegnern, die Abstände in München waren sehr knapp.
7. Klüngel (Trainer Markus Klug/Jockey Sibylle Vogt): Überraschte bei seinem Kölner Maidensieg gegen Sweet Man, Ecco und Puccini, doch danach ernüchternd schwach in Hannovers Derby-Trial. Außenseiter.
So war es 2014: Sea The Moon siegt in der Union und später dann auch im Hamburger Derby
8. Magic Pivotal (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eddie Pedroza): Erst der zweite Start im Leben. Das Debüt in München war ansprechend, aber gegen den Sieger Ballydoyle blieb er ohne Möglichkeiten. Es wäre eine große Leistung, wenn der Pivotal-Sohn ausgerechnet in der Union seine Maidenschaft ablegen würde.
9. Puccini (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Jack Mitchell): Halbbruder der zwei Top-Pferde Pagella und Pemina, aber noch ohne Erfolg. Zuletzt Dritter in München hinter Ballydoyle und Magic Pivotal, bei zwei Starts aber deutlich geschlagen, schwer vorstellbar.
10. Salve Del Rio (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Michael Cadeddu): Der Halbbruder der Salve Venezia (GAG 90,5 kg) fand als Vierter im Bavarian Classic noch gut ins Rennen und blieb nicht weit hinter Royal Youmzain, Jimmu und Emerald Master. Das war eine sehr ansprechende Leistung, die längere Distanz in Köln müsste ihm noch mehr liegen. Der Hengst war schon ein guter Zweijähriger.
11. Sweet Man (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Filip Minarik): Nach drei Starts noch sieglos, aber brachte sich mit dem zweiter Platz in Hannovers Derby Trial ins Gespräch. Der Hirschberger-Schützling kam erst kaum durch den Bogen und zeigte dann ganz außen an den Rails viel Speed, ohne den Sieger Balmain zu erreichen. Ein weiteres Pferd mit Potenzial für mehr, aber so recht weiß ich die Form aus Hannover nicht einzuordnen.
12. Valajani (Trainer Markus Klug/Jockey Maxim Pecheur): Das zweite Platz im Grafenberger Derby Trial hinter dem sehr guten Alounak war auch ohne Siegchance eine ordentliche Leistung, danach aber Letzter im Bavarian Classic. Deshalb nur Außenseiter.
13. Weltstar (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): Der Vierte aus dem Mehl Mülhens-Rennen und Zweite aus dem Busch-Memorial. Lief immer gegen gute Pferde, die 2200 Meter-Distanz ist neu, sollte dem Halbbruder des Derbysiegers Windstoß aber liegen. Die Nummer Eins aus dem Klug-Quartier.
Urteil
Etablierte Pferde oder Aufsteiger? Zu ersteren zählen Jimmu, Emerald Master und Salve Del Rio, die Plätze zwei bis vier des Bavarian Classics. Zwischen diesen Kandidaten liegt nicht viel, ich entscheide mich für Salve Del Rio, der in München noch gut ins Rennen fand. Weltstar sollte auf passender Distanz laufen. Dann sind da noch jede Menge nicht erfasste Pferde, denen Steigerung zuzutrauen ist. Zum Beispiel Ecco, der nachgenannte Ballydoyle oder Sweet Man.
Es ist das bekannte Spiel im Mehl-Mühlens-Rennen am Pfingstmontag in Köln-Weidenpesch. Starke ausländische Gäste treffen im ersten Klassiker der Saison, den deutschen 2000 Guineas, auf die einheimische Armada. Über die Meile mangelte es nie – im Gegensatz zum Derby – an ausländischen Teilnehmern. Schwere Aufgabe für Kronprinz, Weltstar, Julio und Freunde – Starter und Chancen im Mehl-Mülhens-Rennen 2018.
All for Arthur (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Michael Cadeddu): Dritter im Busch-Memorial, schon deutlich hinter Kronprinz und Weltstar. Nach einem kleinen Schwächemoment fand der Hengst noch gut ins Rennen. Muss sich aber weiter steigern.
Ancient Spirit (Trainer Jean-Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik): Legte beim vierten Start Ende April seine Maidenschaft ab. Es war ein hauchdünner Sieg, aber die Pferde dahinter bestätigten die Form. Das Mehl-Mülhens-Rennen ist noch schwerer, größter Außenseiter im Feld.
Fajjaj (Trainer Hugo Palmer/Jockey Frankie Dettori): Verlor zuletzt überraschend als Favorit über 2000 Meter in Windsor, vielleicht war die Distanz dann doch zu weit. Zweijährig ein gutes Pferd mit Debütsieg in Ascot und Platz 4 in den Sumerville Stakes (Gruppe 3) in Newmarket. Diese Form wurde deutlich aufgewertet: der Sieger Elarqam wurde Dritter in den englischen 2000 Guineas, der Zweite Tip Two Win belegte dort sogar Platz 2. Das verspricht einiges, unterschätzen sollte man den Ritt von Frankie Dettori nicht.
Fighting Irish (Trainer Harry Dunlop/Jockey Ioritz Mendizabal): Zweijährig drei Erfolge bei sechs Starts, darunter ein Gruppe 2-Rennen in Maisons Laffitte gegen zwei Gegner. In diesem Jahr 5. in den Greenham Stakes über 1400 und 4. (aber disqualifiziert wegen zu wenig Gewicht) in Ascot (Gruppe 3) über 1200 Meter. In beiden Rennen wirkte der Camelot-Sohn nicht zwingend. Die 1600 Meter sind Neuland, aber als Nachkomme eines Stehers sollte ihm die Distanz entgegenkommen. Andere Kandidaten überzeugen aber mehr.
So war es vor drei Jahren: Karpino aus dem Quartier von Andreas Wöhler siegte überlegen. Leider hatte dieser so veranlagte Hengst danach wenig Glück.
Julio (Trainer Mario Hofer/Jockey Alexander Pietsch): Einer der besten Zweijährigen in Deutschland, gute dritte Plätze auf Gruppe 3-Ebene in Saint Cloud und Baden-Baden, dazu Siege in den Auktionsrennen in Köln und Baden-Baden. Jahresdebüt, sein Trainer Mario Hofer hält die Meile für die Maximal-Distanz. Aber ein Kandidat mit viel Galoppiervermögen, sehr gute Möglichkeiten, wenn er topfit ist.
Kronprinz (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Sieger im Dr. Busch-Memorial in Krefeld, hatte dabei die besten Reserven gegen Weltstar, All for Arthur, Ninario und Wild Max, die er am Montag alle wiedertrifft. Auch zweijährig mit starken Leistungen in den Auktionsrennen in Düsseldorf (1.) und München (3.). Nachgenannt, chancenreich.
Ninario (Trainerin Yasmin Almenräder/Jockey Mickael Berto): Noch sieglos, aber lief schon gegen gute Gegner sehr passable Rennen. Auch die Vorstellung als Vierte im Busch-Memorial (knapp hinter All for Arthur) war nicht schlecht, ohne eine Siegchance zu haben. Vielleicht ist ja noch Luft nach oben.
Weltstar (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie de Vries): Konnte als einziger Kronprinz im Dr. Busch-Memorial folgen. Nach seinem guten Debüt enttäuschte er im letztjährigen Krefelder Ratibor-Rennen auf sehr weichem Boden. Formumkehr gegen Kronprinz ist möglich, der Halbbruder des letztjährigen Derbysiegers Windstoß sollte mitmischen.
Wild Max (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Jozef Bojko): Die letzte Form im Busch-Memorial war enttäuschend, aber der Hengst des Stalles Australia ist durch eine in der Startbox zugezogene Verletzung entschuldigt. Vorher gute Leistungen im Winterfavoriten (3.) und beim siegreichen Dortmunder Debüt. Pferd mit Potenzial nach oben, aber die Steigerung wird er in Köln auch brauchen.
Zaman (Trainer Charles Appleby/Jockey William Buick): Zweimal am Start zu Beginn des Jahres in Meydan, davon einmal siegreich und einmal Zweiter. Als Zweijähriger fünfmal gelaufen, unter anderem zweitplatziert in Goodwood (Gr.2) hinter Expert Eye (der die Vorschusslorbeeren bislang nicht einlöste). Auch Platz 4 (hinter Gustav Klimt) in den Superlative Stakes (Gr.2) in Newmarket liest sich gut. Die besten Formen im Feld, der Stall ist zudem in sehr guter Verfassung. Ein harter Brocken für alle, der Favorit.
Urteil Zaman aus dem Godolphin-Quartier setzt den Standard. Da könnten die deutschen Pferde das Nachsehen haben. Nicht unterschätzten sollte man den englischen Gast Fajjaj, der einiges noch in Petto haben könnte. Von der heimischen Armada gefällt mir Julio am besten, es folgen Kronprinz, Weltstar und Wild Max, der die schwache Krefelder Form revidieren sollte.
Oriental Eagle oder der Zauber des Start-Ziel-Sieges
Ihn hatte keiner so richtig auf der Rechnung. Am Ende aber war Oriental Eagle der große Gewinner im Kölner Gerling-Preis. Und verwies die vorher hochgehandelten Rivalen wie Colomano, Derby-Sieger Windstoß, Walsingham, Veneto, Instigator und Favorit Dschingis Secret auf die Plätze. Ein tolles Rennen: Weil der Sieger von der Spitze aus triumphierte. Solche Erfolge mag der Kolumnist.
Leider war ich am Sonntag nicht auf der Rennbahn in Köln und weiß daher nicht, wie die Stimmung nach dem Gerling-Preis war. Doch oft ist es nach Außenseiter-Erfolgen ziemlich still auf der Bahn, eine Mischung aus Ungläubigkeit und Ärger. Viele Wetter sind enttäuscht, weil sie den Sieger nicht auf dem Schein hatten bzw. er ihnen die Kombiwetten kaputt gemacht hat. Aber es war eine grandiose Prüfung mit einem tollen Sieger. Es gab lukrative Quoten: Oriental Eagle zahlte 179:10 auf Sieg, wer ihn über die Franzosen von PMU gespielt hatte, wurde sogar noch höher belohnt und durfte sich über die unglaubliche Platz-Quote von 274: 10 freuen.
So recht hatte es dem Auenqueller niemand zugetraut. Oriental Eagle war zwar im letzten Jahr klassischer Sieger im Dortmunder St. Leger über weite 2800 Meter. Doch die Gegner am Sonntag waren mit das Beste, was es in Deutschland über 2400 Meter gab: Dschingis Secret, Galopper des Jahres und gut genug als chancenreiches Pferd in den Arc zu gehen, der Derbysieger Windstoß oder der Union Triumphator Colomano, das starke Trio aus dem Markus Klug-Quartier. Dazu kamen noch der Aufsteiger Veneto und die talentierten Walsingham und Instigator, die vierjährig erst so richtig aufblühen sollen. Für Oriental Eagle schien im Vorfeld nur die Rolle des Hasen vorgesehen, den die Verfolger dann in der Zielgerade überlaufen werden.
Von wegen: Die „Rennmaschine“ (so nennt ihn sein Trainer Jens Hirschberger) stiefelte wie in Dortmund und Baden-Baden von vorne sein Pensum runter, Jockey Lukas Delozier ließ Oriental Eagle richtig treten. Das Beste aber: Als alle schon dachten, jetzt hat ihn Colomano auf der Zielgerade passiert, zog der nach außen an die Rails gedriftete Campanologist-Sohn noch mal gewaltig an und siegte mit einer dreiviertel Länge. Ganz großes Kino.
Nichts wirkt spektakulärer als ein Sieg von der Spitze. Faszinierend, wenn ein Pferd seine Gegner quasi aus den Hufen galoppiert. Das Publikum liebt Frontrenner. Wenn ich mit Leuten Pferderennen schaue, die nicht so in dem Sport drin sind, sind die immer ganz begeistert, wenn ein Pferd Start-Ziel triumphiert. Am besten noch, wenn der lange Führende schon passiert ist, aber dieser noch mal anzieht und gewinnt.
Es gibt und gab großartige Frontrenner im Rennsport: Etwa der englische Top-Steher Big Orange, der überragende Sprinter Harry Angel, der einstige Cheltenham Gold Cup-Sieger Coneygree. In Deutschland denke ich an den großartigen Power Flame, in England bezauberte die schnelle Stute Lochsong, die ihre Rennen aus der Startbox gewann.
Johnston, Fanning und Oriental Fox
Manche Jockeys sind für diesen Rennstil besonders geeignet: In England war das früher Richard Hills, der es meisterhaft verstand, von vorne das Tempo zu machen. Einer meiner Lieblingsjockeys ist immer noch Joe Fanning, gefühlt seit ewigen Zeiten Mitglied des Mark Johnston-Teams. Die Pferde von Johnston laufen gerne an der Spitze – und Fanning ist der ideale Mann, so eine Prüfung von vorne nach Hause zu reiten. „Es ist schwer, an Pferden von Mark Johnston vorbeizukommen, wenn sie erstmal an der Spitze sind“, lautet eine Weisheit des englischen Rennsports.
Eine indirekte Verbindung zu Mark Johnston besitzt auch Oriental Eagle. Sein Bruder Oriental Fox ist ein großer Steher, den Johnston betreut. Zehn Jahre ist er inzwischen, im letzten Jahr war er noch aktiv.
Auch bei Oriental Eagle dauerte es, bis der Knoten platzte. Erst im neunten Versuch gewann er seine erste Prüfung, immerhin war er mehrfach hinter guten Gegnern platziert. Der Durchbruch kam, als er im Badener Auktionsrennen die Kontrahenten „müde“ galoppierte und dabei sein Stehvermögen ausspielen konnte.
Dann kam das St. Leger und der Kolumnist hätte ihm diesen Sieg nie zugetraut. Aber Oriental Eagle entpuppte sich als zäher Bursche, der seinen Platz gegen Deutschlands Steher-Elite vehement verteidigte. „In England würde man so eine Vorstellung „gutsy“ nennen, die Experten würden diese Leistung in höchsten Tönen preisen“, schrieb diese Kolumne damals.
Über Winter hat sich der Campanologist-Sohn noch mal deutlich verbessert. Der Sieg gegen Deutschlands beste Pferde über 2000 Meter und mehr – von denen eigentlich nur Iquitos fehlte – beweist das. Jetzt geht es weiter auf diese Route, im Großen Preis der Badischen Wirtschaft soll der nächste Streich folgen. Für die Quote von 179:10 wird Oriental Eagle dabei definitiv nicht mehr an den Start gehen. Jede Wette.
Immer prominent platziert: Lochsong distanziert ihre Gegner im Ayr Gold Cup 1992.
Von A wie Almenräder bis Z wie Zschache: Die Stallparade kompakt der Sport-Welt ist seit einigen Wochen da. Die wichtigsten Turf-Trainer stellen ihre Pferde der Saison 2018 vor. Da werden Erinnerungen wach, aber lohnt sich der Kauf der CD?
Die Stallparaden der Sport-Welt: Früher war mal das etwas, das einen durch den trüben Sandbahn-Winter half. Manchmal habe ich das Fachblatt nur wegen der Stallparade gekauft, wenn etwa die Pferde eines Top-Trainers wie des unvergessenen Heinz Jentzsch vorgestellt wurden.
Das war in den 90er Jahren, diese Zeiten sind lange vorbei. Zum einen, weil beim Kolumnisten im Winter der Hindernissport im Vordergrund steht und der deutsche Sandbahnsport weniger interessiert, zum anderen brauche ich nicht mehr unbedingt die Sport-Welt, um mich über den Rennsport zu informieren. Internet und Smartphone mit ihren Gratis-Infos haben auch der Traditionszeitung ordentlich zugesetzt.
Die Stallparaden interessieren aber immer noch. Zu diesem Zweck möchte ich aber nicht jedes Mal eine Mal eine Sport-Welt erwerben. Zumal selbst in der Großstadt Dortmund mit einer Rennbahn und einer durchaus treuen Fangemeinde das Blatt in immer weniger Läden erhältlich ist. Deshalb kann der Interessent seit einigen Jahren zum durchaus zivilen Preis von 14,90 Euro eine CD erwerben. Stallparade kompakt heißt das Ding, Untertitel „die wichtigsten Trainer und ihre Pferde der Saison 2018.“
So eine Stallparade ist immer ein Zeitdokument. Und die Ausgabe 2018 zeigt den Abwärtstrend im deutschen Turf deutlich. Alles wurde weniger: Rennen, Rennbahnen, Pferde und eben auch Trainer. Musste ein Trainer früher 15 Rennen gewinnen, reichen heute fünf Siege, damit ihn ein Sport-Welt-Mitarbeiter besucht.
Mehr Nutzwert
Weitere Änderung: Seit einigen Jahren stufen die Trainer ihre Pferde nach gewissen Kriterien ein. Diese sind Bodenvorlieben, Distanz, Perspektiven und Besonderheiten. Beim großartigen Wonnemond aus dem Quartier des Düsseldorfer Trainers Sascha Smrczek steht da etwa: Bodenvorlieben: gut bis weich, Distanz: 1600 Meter, Perspektiven: Grupperennen, gleiche Route wie 2017, debütiert am 8. April in Düsseldorf in der Kalkmann Frühjahrs-Meile (bekanntlich erfolgreich), Besonderheiten: Unglaublich speedstark, unkompliziert.
Dieses Schema erhöht den Nutzwert für den Leser deutlich, wenn er denn etwa für seine Wettdispositionen auf die Daten der Stallparade zurückgreifen möchte. Nachteil: Es wirkt monotoner, das Lesen wird dauerhaft eintöniger.
Ein wenig vermisse ich die alte Form, in denen ohne Vorgaben die Pferde kommentiert wurden. Das führte dann manchmal zu reichlich wilder Prosa, sehr euphemistisch, bei manchem Trainer war jeder gutgezogener Dreijähriger ein potenzieller klassischer Sieger. Früher war es Ende November immer ein großer Spaß, die aufbewahrten und angegilbten Stallparaden aus dem Frühjahr noch mal heraus zu kramen und zu schauen, welche große Hoffnung dann doch nur im Ausgleich 4 landete.
Heute ist alles reglementierter, auch die Einleitungstexte sind weit weniger anbiedernd als früher. Viele Texte sind sehr informativ, wenn auch nicht floskelfrei. Kritik gegenüber Trainern (oder generell Aktiven) vermeidet die Sport-Welt weitgehend, aber da ist sie im Turf nicht alleine: Auch Racing Post oder Sporting Life agieren da nicht anders.
Lohnt sich also der Erwerb der Stallparade 2018?
Im Prinzip ja. Man könnte jetzt schön über die Wertigkeit der Trainer-Kommentare streiten. Denn brutal ehrlich ist da niemand in seiner Leistungseinschätzung. Verständlich: Denn kein Trainer möchte seinen Besitzer vergraulen, wenn dessen teuer erworbener Vollblüter sich als eher langsam entpuppt. Manche Aussagen sind dann auch reichlich flüchtig. Aber generell verschafft die Stallparade kompakt einen guten Überblick über die Mehrzahl der in Deutschland trainierten Pferde.
Wenn der Kolumnist an irgendetwas im Turf glaubt, dann ist es an eine Turfweisheit namens Stallform. Diese bedeutet so viel, dass alle Pferde aus einem Trainings-Quartier gut laufen und möglichst sogar gewinnen – unabhängig von ihren Vorformen und Vorlieben.
Umgekehrt gibt es das auch: Alle Teilnehmer aus einem Stall laufen gleichmäßig schlecht. Nennt man dann Stallkrise. Die Stallform liebt der Wetter, die Stallkrise nicht. Ich mache bei meinen Wettdispositionen immer einen großen Bogen um Trainer, die nicht in Form sind.
Die ersten Wochen auf Gras in Deutschland boten beste Beispiele für Stallformen. So legte Andreas Suborics in seinem zweiten Jahr als Trainer einen Blitzstart vor: Veneto triumphierte im Grand Prix-Aufgalopp in Köln, Refuseeveryoffer gewann als Außenseiter ein Sieglosenrennen für Dreijährige. Der 14:10-Favorit Open Your Mind wurde aber nur Dritter, davon platzierte sich jedoch der Debütant Atrice. Am Freitag hatte Lucky Lips einen Ausgleich 3 in Bremen für sich entschieden.
Oder Kollege Henk Grewe. Der feierte in Hannover am Ostermontag zwei Siege mit Taraja und Alinaro, in Köln waren Malakeh und Panthelia (im Grand Prix-Aufgalopp) immerhin zweitplatziert. Weiteres Beispiel: Seit Wochen hat Karl Demme sein Lot in sehr guter Verfassung.
Wenn es einmal läuft
Der größte Abräumer in Sachen Stallform war aber zuletzt der irische Trainer Gordon Elliott. Allein neun Rennen holte sich der Ire, der unter anderem für Ryanair-/Gigginstown Stud-Supremo Michael O’Leary trainiert, beim Cheltenham-Festival im März. Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie gut und ausgeglichen diese Prüfungen besetzt sind. Dabei blieb Eliott am ersten Tag noch sieglos, seine große Hoffnung Apple’s Jade wurde nur Dritte. Doch dann lief es wie geschmiert, der beeindruckende Erfolg von Samcro war der Auftakt unvergesslicher Tage.
Für Außenstehende ist das Thema Stallform ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen? So recht kann mir das niemand erklären und die Pferde kann man leider nicht fragen. Aber offensichtlich ist das so, dass sie ein Gespür für Stimmungen haben und die Freude ihrer Umgebung mitbekommen.
Eine Krise im Rennstall ist leichter zu erklären. Ein Virus etwa kann den ganzen Stall lahmlegen und die Pferde in ihrem Leistungsvermögen hemmen. Aber wie so oft im Leben wenden sich manche Dinge schnell. Der englische Trainer Colin Tizzard hatte 2017 ein siegloses Cheltenham-Festival, doch beim Aintree-Festival im April präsentierten sich seine Starter in Galaform. Fünf Siege waren das Ergebnis, selbst größte Außenseiter erwiesen sich als unbesiegbar.
Die nächste Rennbahn in Deutschland macht voraussichtlich die Lichter aus: Ab 2019 soll es keine Galopprennen mehr in Neuss mehr geben – wenn es nach der lokalen Politik geht. Einen großen Anteil an der Misere trägt aber auch der Neusser Reiter- und Rennverein. Weil er schlichtweg nichts gemacht hat, um die Bahn für den Besucher attraktiv zu machen. Galopprennen sind eben kein Wintersport.
Am Samstag war mal wieder ein typisches Neusser Renntag der letzten Jahre: Acht Rennen für Pferde der unteren Leistungsklassen auf einem Geläuf, das eher einem Sandkasten als einer vernünftigen Allwetterbahn gleicht. Den Beginn um 18:15 haben die Franzosen von der PMU bestimmt, für das schlechte Wetter können die Neusser zwar nichts, aber Regen, Kälte und Schnee sind im deutschen Dezember nun mal keine Seltenheit.
Die Besucher konnten wahrscheinlich per Handschlag begrüßt werden. Wer tut sich so einen Renntag ein, wenn man nicht gerade Besitzer, Trainer oder Jockey ist? Zumal es in Neuss keine Tribüne gibt, nur so einen komischen Bau, dessen Zweck auf einer Rennbahn sich mir verschließt. Auch sonst wirkt die Umgebung nicht gerade einladend, selbst die Bratwurst-Versorgung stockt.
In Neuss laufen die Pferde in der dunkleren Jahreszeit von Ende Oktober bis Mitte März. Alles abgesichert durch die PMU, der Neusser Reiter- und Rennverein trägt dabei kein Risiko. Kein Wunder, dass kaum Zuschauer da sind. Renntage an einem Wochentag im Winter sind Wettfutter für die PMU-Annahmestellen – bestenfalls.
Die Prüfungen im Neusser Winterprogramm sind auch ein Indiz für den Niedergang im deutschen Turf. Früher gab es mal sportliche Höhepunkte, aber die Zeiten sind längst vorbei. Ohne PMU würde gar nichts laufen, immerhin sind die Felder noch einigermaßen voll.
Aussitzen
Wenn ich mir die dreckverschmierten Pferde und Jockeys nach dem Rennen anschaue, dann dürften die Prüfungen kein Vergnügen sein. Das Programm in Dortmund ist zwar sportlich nicht besser, aber da gibt es wenigstens vernünftige Plätze für die Besucher.
Warum veranstalten die Neusser nicht im Sommer? Ein lauschiger Abend auf der Rennbahn bei gutem Wetter, das würde lokale Besucher anziehen. After-Work-Renntage? Haben sie nie versucht. Zumal ja auch eine Grasbahn mit Flutlicht zur Verfügung steht – die allerdings derzeit nicht nutzbar ist. Das passt zum schlechten Management.
Der Niedergang der Neusser Bahn ist eklatant. Aber die Verantwortlichen haben in den letzten Jahren nichts gemacht. Vielleicht sehe ich das aus der Distanz (Dortmund) falsch, aber Marketing und Öffentlichkeitsarbeit fanden nicht statt. Der Neusser Reiter- und Rennverein hat einfach nur verwaltet. Konzepte, um aus der Krise zu kommen? Neue Zielgruppen erreichen? Fehlanzeige. Einfach die Probleme aussitzen, mag mal früher erfolgreich gewesen sein. Heute geht das in die Hose.
Natürlich ist es schade, wenn eine Rennbahn dichtgemacht wird. Viele Turf-Fans, die ich kenne, sind wie ich durch eine Rennbahn in ihrer Nähe zum Sport gekommen. Dazu hat Galopp in Neuss eine lange Tradition, das erste Rennen wurde 1875 gelaufen. Aber Historie ist nicht ewig. Und Düsseldorf ist nicht weit. Für die Winterrennen kann Dortmund einspringen.