Ein Sonntag in Dortmund-Wambel


Guter Service: Die Leinwand in Dortmund

Degas gewinnt den 31. Großen Preis der Wirtschaft auf der Dortmunder Rennbahn. 28-mal davon war ich bei diesem Rennen dabei und auch diesmal live vor Ort. Einige Beobachtungen an einem Sonntagnachmittag.

Es gibt sie, die Oasen der Ruhe an einem Renntag. Zum Beispiel am Führring direkt nach einem Rennen, wenn die Pferde gerade von der Bahn kommen, die Leute entweder zum Absattelring laufen und/oder das Rennen diskutieren. Dann hat der Besucher den Platz fast alleine, hört sogar die Vögel zwitschern und vernimmt nur entfernte Geräusche von außen. Während 100 Meter weiter entfernt das Leben tobt.
So war es am Sonntag vor dem 31. Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft. Ein Moment der Stille. Die ersten Pferde für die nächste Prüfung werden hereingeführt. Sonst passiert hier nichts. Das Geschehen spielt woanders: Der AS-Antriebs- und Systemtechnik-Preis, ein Ausgleich III über 2000 Meter, war gerade gelaufen. Elegant Maxime siegte soeben vor All About Me, ein Ergebnis mit Dortmunder Bezug: Das Pferd von Alt-Präsident Hans-Hugo Miebach (Elegant Maxime, Gestüt Wittekindshof) gegen das von Manfred Ostermann (All About Me, Gestüt Ittlingen). Oder Maschinenbau schlägt Möbelhandel.
Der Preis der Dortmunder Wirtschaft ist neben Sparkassen-Renntag an Himmelfahrt und St. Leger Mitte September das Aushängeschild des Dortmunder Turf Programms. Und solange sie diese Renntage noch veranstalten und nicht nur öde PMU-Ware an trüben Wintertagen auf der Sandbahn bieten, ist die Turf-Welt zumindest hier noch in Ordnung.
Die drei obigen Renntage sind eigentlich die einzigen, die ich seit Jahren in Deutschland live erlebe. Das hat einerseits gesundheitliche Gründe, andererseits gibt es England mit deutlich interessanteren Rennen. Ich habe ich mich in Sachen Rennsport zu so einer Art Couch-Potato entwickelt - leider. Lieber zuhause am PC gucken, ist doch deutlich komfortabler.

Bukowski las Zeitung
Jedenfalls habe ich zwischen den Rennen auf der Rennbahn auf einmal so etwas Langeweile. Weil eben 30 Minuten nichts passiert. Literat und Turf-Freund Charles Bukowski kannte das Problem auch, der hat immer zwischendurch die Los Angeles Times gelesen. Die muss früher am Wochenende auch ziemlich dick gewesen sein.
In Zeiten der Zeitungskrise ist das aber keine Alternative. So stehe ich am Führring, schaue mir die Pferde an. Das habe ich früher sehr intensiv gemacht, aber in Smartphone-Zeiten fehlt die Geduld. Zumal ich den Eindruck habe, dass in vergangener Zeit Pferde nicht so lange vor den Sattelboxen geführt wurden und früher in den Kreis kamen.
Auch sonst hat sich einiges verändert: Man trifft deutlich weniger bekannte Gesichter, dafür wird der Besucher permanent auf der Rennbahn akustisch unterhalten. Zwischen den Rennen wird viel erzählt: Uli Potofski macht Interviews mit Bekannten und Unbekannten, Sprecher Pan Krischbin informiert über die Pferde. Die beiden machen das professionell, aber manchmal könnte weniger mehr sein. Aber die dringend benötigten „neuen Zielgruppen“ wollen das wohl so.
Acht Euro Eintritt mit Programm sind ein fairer Preis, die Sport-Welt wird von diesem Koppelangebot nicht begeistert gewesen sein. Dadurch wird das Fachblatt auf der Bahn deutlich weniger verkauft. Das Rennprogramm sieht dick aus, ist voller Anzeigen der Dortmunder Wirtschaft. Da hätten die Verantwortlichen das Ganze auch noch mit ein wenig Inhalt füllen und neben Formen auch ein paar Tipps anbieten können.

Scharfe Bilder
Stark in Dortmund ist die Leinwand auf der Rennbahn, die gestochen scharfe Bilder liefert. Keiner guckt mehr auf das eigentliche Rennen, alle gucken auf die Übertragung. Und dann ist der Betrachter ganz verblüfft, wenn die Pferde live an einem vorbei laufen.
Ansonsten ist in Dortmund noch Improvisation gefragt, die Wetthalle ist immerhin verglast und hat Glastüren, aber abgeschlossen sind die Arbeiten noch nicht. Die Bahn ist gut gefüllt (5500 Zuschauer laut Dortmunder Rennverein), lange Schlangen vor den Wettschaltern sind mir nicht aufgefallen. Die Leute wetten ja angeblich nicht mehr.
Sportlich gab es mit Degas einen Sieger, den nicht nur ich übersehen habe. Der „ewige Zweite“ kam nach einem typischen Adrie de Vries-Ritt aus dem Hintertreffen. Wie schon in der letzten Woche in der Union mit Weltstar machte der Jockey das auch diesmal perfekt.
Die Pferde von Markus Klug haben gute Form derzeit, Manipur siegte im Ausgleich 2. In einem Rennen, indem die ersten vier Pferde quasi auf einer Linie endeten – so spannend kann der Sport sein.
Immerhin beendete Molly Sunshine meine derzeitige Treffer-Misere. Im Großen Preis lag ich aber mit Potemkin und Theo voll daneben. Wie das Leben so ist.



Das Siegerteam im Großen Preis von Dortmund mit Trainer Markus Klug, Degas und Jockey Adrie de Vries (Foto Dortmunder Rennverein)