Gute Dreijährige dringend gesucht
Die Meldung passte gut zu den schlechten Nachrichten. Isfahan, der deutsche Derbysieger 2016, beendet seine Rennlaufbahn. Hufprobleme verhindern einen weiteren Start, wieder wird ein Derbysieger frühzeitig Deckhengst. So wird man nicht erfahren, wie gut Isfahan war, denn er rannte nie gegen ältere Pferde. Dabei könnte sein Jahrgang ein sportliches Aushängeschild wahrlich brauchen.

Der Derbysieger aus dem Stall von Trainer Andreas Wöhler folgte dabei einem Trend der Jahre zuvor. Auch die Derby-Helden Nutan (kein Start nach dem Derby )und Sea The Moon (ein Start) beendeten früh ihre Rennkarriere.
Vom kaufmännischen Standpunkt sind diese Entscheidungen ja durchaus nachvollziehbar. Warum soll ich den Zuchtwert des zukünftigen Deckhengstes reduzieren, wenn dieser vierjährig nur noch hinterherläuft? Die Großen der Branche wie Ballydoyle machen das genauso. Galileo, erfolgreichster Deckhengst der Welt, lief auch nicht mehr mit vier Jahren.
Aber was war das geil, als Frankel vierjährig noch eine Saison dranhängte. Jeder Start war eine Show, schon Tage vorher kam Freude auf. Zumal der Ungeschlagene mit vier Jahren noch mal seine schon vorher fantastische Leistung hochschraubte, weil er mit zunehmendem Alter reifer wurde.
Was bleibt also vom deutschen Derbyjahrgang 2013? Immerhin lief Savoir Vivre, der Zweite aus dem Deutschen Derby, im Prix de l’Arc de Triomphe ein ordentliches Rennen. Als Achter war der Adlerflug-Sohn zwar deutlich geschlagen, dafür ging der Hengst auch als krasser Außenseiter an den Start. Erstaunlich: Savoir Vivre war das best platzierte dreijährige Pferd im Rennen. Gerade der irische und englische Derbyjahrgang scheint auf den Steherdistanzen bei den Hengsten relativ schwach zu sein. Aber dazu später, auch die angeblichen Top-Vertreter des deutschen Jahrgangs 2016 liefen fast alle schwach.

Lando, Monsun, Sternkönig, Kornado
Zurück nach Deutschland und in die Turf-Geschichte: Es gab schon Vollblüter-Jahrgänge, von denen schwärmten die Experten noch Jahre später. Der berühmte Jahrgang 1990 etwa mit Lando, Monsun, Sternkönig und Kornado – allesamt Gruppe 1-Sieger und damit Pferde der allerbesten Kategorie. Diese Generation war so gut, dass hochtalentierte Pferde wie Komtur oder der Fährhofer Concepcion immer im Schatten der „großen Vier“ standen. „Von einem Jahrhundert-Jahrgang“, sprachen die Eingeweihten.
Das konnte man in den letzten Jahren wahrlich nicht sagen: Der Jahrgang 2011 mit dem Derbysieger Sea The Moon hinterließ schon wenig Spuren, Pferde wie Weltmacht, Lucky Lion oder Wild Chief boten immerhin ein paar gute Leistungen. Beim Jahrgang 2012 mit dem Triumphator Nutan fiel die Bilanz noch schwächer aus. Zumal einige interessante Kandidaten Deutschland inzwischen verlassen haben.
Der aktuelle Jahrgang aber unterbietet diese mäßigen Werte noch. Die Zweifel nach der Derby-Prüfung auf tiefem Boden bewahrheiteten sich. Der Sieger Isfahan lief bekanntlich nicht mehr, Savoir Vivre blieb die Ausnahme mit seinem Erfolg in einem französischen Gruppe-Rennen und dem respektablem Lauf im Arc.
Noch erfolgreicher war der norwegische Gast Our Last Summer, der zwei seiner drei weiteren Rennen gewann, darunter das Scandic Norsk Derby. Von den deutschen Pferden siegte hingegen – neben Savoir Vivre – nur noch Wai Key Star aus dem Quartier von Andreas Wöhler, der eine leichte Aufgabe in Hannover entschied. Zuletzt enttäuschte der einstige Derbyfavorit im Preis der Deutschen Einheit als Fünfter, als ihm der letzte Schwung fehlte.

Harzand enttäuscht
Fast alle Starter des Derbys 2016 enttäuschten in den Rennen danach. Der Große Preis von Baden, das Prestige-Aufeinandertreffen der Generationen, entwickelte sich zum Desaster für den klassischen Jahrgang – zumindest für die Hengste. Der hochgehandelte Boscacchio scheiterte wie im Hamburger Derby am schweren Boden, der bislang so beständige Dschingis Secret trudelte abgeschlagen ins Ziel.
Deutschland steht in diesem Fall nicht alleine dar. In England und Irland ist der Derby-jahrgang ähnlich unterdurchschnittlich. Harzand gewann in großer Manier das Epsom Derby und schon dachte einige, einen neuen vierbeinigen Superstar haben. Der Arbeitserfolg im irischen Pendant relativierte ein wenig die hohen Erwartungen, die beiden letzten Schlappen führten den Schützling von Trainer Dermot Weld zurück in die Welt. In Irland hatte sich der immer hochgehandelte Hengst noch verletzt, doch für Paris war die Stimmung wieder gut. Zudem sollten die 2400 Meter dem ausgewiesenen Steher entgegenkommen. Alles graue Theorie: Harzand kam nie über das Mittelfeld hinaus, die gute Arbeit im Training wurde zur Makulatur. Der Grund für den Flop sei die harte Frühsaison gewesen, sagte Pat Smullen, der ständige Jockey.
Das Ergebnis im englischen Derby wurde bislang auch von den anderen Top-Platzierten wenig bestätigt: US Army Ranger, die Nummer 1 aus dem Quartier von Aidan O’Brien, lief zuletzt als Letzter, Idaho stürzte als Favorit im St. Leger. Wings of Desire, der Derby-Vierte, wurde immerhin Zweiter im King George hinter Postponed.
Allerdings waren auch andere Teilnehmer des Epsom Derbys erfolgreich, in der Breite scheint der Jahrgang gar nicht so schlecht zu sein: Across The Stars, Algometer, Deauville und Ulysses hatten in gar nicht so schlechten Prüfungen die Nase vorn.
Und vielleicht ein Trost für den deutschen Turf: Danedream, Ito, Novellist und Protectionist, die erfolgreichsten Pferde der letzten Jahre in Deutschland, liefen nie im Hamburger Derby bzw. wurden nur Zweiter (Novellist).