Donnerstag, 19. März 2015
Mehr Licht als Schatten dank PMU
Eigentlich war es noch mal ein ganz netter Renntag gestern in Dortmund. Einige interessante Prüfungen mit ein paar Formpferden, auch wenn die Starterfelder schon ein wenig dünn waren. Zudem erinnerten die Prüfungen an bekannte Pferde des so tragisch verstorbenen Dortmunder Trainer-Urgesteins Norbert Sauer, in dessen Namen auch die wichtigste Prüfung des Tages gelaufen wurde. Aber dennoch: So langsam wird es wieder Zeit für den „richtigen“ Sport auf Gras. Zum Glück beginnt am Sonntag die Grasbahn-Saison in Krefeld, auch wenn am Montag noch einmal ein Renntag auf dem Allwetter-Geläuf in Neuss geplant ist.

Wie war also die Winterbahnsaison 2014/2015 in Deutschland?
Grundlegend positiv, denn erst einmal fehlte in diesem Jahr die übliche schlechte Laune, wenn es um die Sandbahnrennen in Dortmund und Neuss geht. Der Winterblues der vergangenen Jahre blieb weg. Das mag zum großen Teil daran liegen, dass dank der Unterstützung des französischen Wettanbieters PMU die finanzielle Ausstattung sich deutlich besserte. 6000 Euro Preisgeld für einen Ausgleich IV und 8000 Preisgeld für einen Ausgleich 3 gab es früher nicht. Damit sind diese Rennen für die Basis ganz ordentlich dotiert.

Der Haken? Jeder Vorteil hat auch einen Nachteil: Weil die PMU die Rennen finanziert, bestimmt sie auch die Termine. Und da die Hauptzeiten den Bahnen in Frankreich gehört, bleiben für die deutschen Veranstaltungen nur Wochen- oder Sonntage mit Beginn ab 17 Uhr. Erwartungsgemäß hält sich zu diesen Zeiten der Besucherandrang in Grenzen, manchmal trafen sich auf den Rennbahnen nur die Aktiven. Diesen Eindruck vermittelten zumindest die TV-Bilder. Es fehlte deutlich an Atmosphäre.
Auch die gestrige Veranstaltung sorgte nicht gerade für Zuschauerrekorde, zumal zeitlich wenig später und geographisch ca. vier Kilometer weiter westlich Borussia Dortmund gegen Juventus Turin im Achtelfinale der Champions League spielt. Da sitzt der Dortmunder doch lieber auf dem heimischen Sofa bzw. genießt die Live-Atmosphäre des Signal-Iduna-Parks. Wobei von genießen gestern wahrlich nicht die Rede sein konnte.
So lange die PMU allerdings die Rennen finanziert, wird sich an den Terminen wenig verändert. Denn ohne die Gelder der Franzosen würde es wahrscheinlich keinen Wintersport in Turf-Deutschland geben. Und früher – wo angeblich ja immer alles besser war – gab es auch an den Sonntagen im Winter keine Besucher-Rekorde.



Selbst der Bratwurst-Profi soll an manchen Wochentagen auf der Dortmunder Rennbahn gefehlt haben. Wenn das so gewesen ist, sehr bedauerlich. Dieses Foto stammt aus dem Winter 2011

Die Bahnen? Auch hier nichts Neues. Beiden Bahnen fehlt es einfach an Atmosphäre, dazu müsste das Geläuf auf beiden Kursen dringend mal überarbeitet werden. Dafür fehlt jedoch das Geld und wenn es dann wie in diesem Jahr ein relativ harmloser Winter ist, kommt man mit einem blauen Auge davon, weil eben die Extreme wegfallen.
Mich persönlich nervt an beiden Rennkursen, dass kaum Pferde von hinten nach vorne kommen und der Kandidat oft von Beginn an im Vorderfeld platziert sein muss. Gerade in Neuss fällt Speed-Pferden das Gewinnen unheimlich schwer. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie macht viele Prüfungen langweiliger.

Sportliche Bilanz? Die Resonanz seitens der Ställe war da, die Felder waren in der Regel quantitativ gut besetzt. Je drei Rennen gewannen Walkabout (Trainer der verstorbene Norbert Sauer), Victorious, Endoran (beide Trainer Andreas Bolte), Dragoslav (Trainer Wilfried Schütz) sowie Emirati Spirit (Trainer Mario Hofer), dazu avancierten unzählige Pferde zu Doppelsiegern. Ich würde mir noch ein paar bessere Handicaps wünschen, weil es für viele Spezialisten einfach keine Startmöglichkeiten mehr gibt.

Persönliches Highlight? Eigentlich habe ich relativ wenig gemacht, allerdings gab es im Dezember mit Pretty Highness zum Toto 168 einen wirklichen Höhepunkt. Zwar nur für kleines Geld, aber drin ist drin. Das Ganze auch noch auf der Bahn in Neuss, wo ich sonst nie etwas treffe.



Mittwoch, 14. Januar 2015
Lesetipp: Wege aus dem deutschen Turf-Tal
Manchmal denke ich, dass im deutschen Galopprennsport der Tiefpunkt erreicht ist und es wieder ganz leicht aufwärts geht. Zumindest ist das Stimmung im Netz nicht mehr so ganz so deprimierend, besteht die Nachrichtenlage nicht mehr nur aus Hiobsbotschaften. Das mag auch daran liegen, dass die Rennvereine keine Umsatzzahlen mehr nach den Renntagen veröffentlichen und ich nicht mehr so häufig in einem gewissen Forum lese.
Dennoch ist der Text von Tobias Kuske zur Krise im deutschen Galopprennsport lesenswert – auch wenn man über manches inhaltlich streiten kann. Also den Artikel hier lesen und sich selbst eine Meinung bilden. Die Mängelliste wurde übrigens schon in den alten Forums-Zeiten heftig diskutiert.
Der Artikel erscheint zudem in der Zeitschrift Sponsors.



Donnerstag, 11. Dezember 2014
Ein sehr ordentlicher Jahrgang
Wie gut ist der Derbyjahrgang? Das ist immer wieder eine beliebte Frage am Ende einer Turfsaison. Denn die Dreijährigen, der klassische Jahrgang, tragen die größten Hoffnungen ihrer Besitzer und Trainer. Wie im Vorjahr skizziert nurpferdeundfussball die weitere Karriere der Derbystarter 2014. Wer machte den größten Sprung nach dem Rennen der Rennen?



Ernnerungen an einen Sonntag im Juli: Zum Schluss war es eine Ein-Pferd-Show

Die Starter

Sea The Moon (Sieger): Hochüberlegener Triumphator – und Turfdeutschland träumte nach diesem gewaltigen Sieg von einem neuen Wunderpferd, von Erfolgen im Arc und ähnlichen Top-Rennen. Doch im Großen Preis von Baden verlor der Hengst seine weiße Weste. Nun ist das Badener Top-Rennen immer noch eine Gruppe 1-Prüfung und der Sieger Ivanhowe ein sehr gutes Pferd, dennoch war das Ergebnis eine Enttäuschung. Später stellte sich heraus, dass der Görlsdorfer nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war und damit endete die Rennkarriere dieses großartigen Pferdes. Jetzt genießt er das Leben als Deckhengst in England. Schade, aber nachvollziehbar. (GAG 102,5 kg)

Lucky Lion (2.): Der Derby-Zweite und Mehl-Mülhens-Gewinner. Auch ein großartiges Pferd, dessen beste Distanz wohl um die 2000 Meter liegt. Sein Meisterstück lieferte er im Münchener Großen Dallmayr-Preis ab, wo er den starken Noble Mission schlug. Dieser wertete diese Form später als Gruppe 1-Sieger in Ascot deutlich auf. Der Erfolg von Lucky Lion krönte eine großartige Saison von Andreas Löwe. Die letzte Form von LL in Baden-Baden kann man vergessen, da war er deutlich über dem Berg. Interessant, was er vierjährig leisten kann. (GAG 99 kg)

Open Your Heart (3.): Der Überraschungs-Dritte und wie sein Kollege aus dem Vorjahr – Nordvulkan – trainiert von Roland Dzubasz. Doch ähnlich wie sein Vorgänger konnte der spätreife, aber sehr veranlagte Hengst an diese Leistung nicht mehr anknüpfen: Im Großen Preis von Berlin endete er abgeschlagen als Letzter, im Mailänder Gran Premio Jockey Club blieb er ebenfalls ohne Möglichkeiten. Beides waren aber immerhin Gruppe 1-Rennen. (GAG 93 kg)

Eric (4.): Auch sein Platz 4 im Derby war eine kleine Sensation, denn die wenigsten hätten dem Tertulian-Sohn diese Leistung zugetraut. Doch Eric bestätigte diese gute Vorstellung: In Krefeld gewann er eine Gruppe 3-Prüfung und schlug unter anderen den guten Simba. Danach landete er in Hoppegarten (Gr. 3) und München (Gr.1) im Mittelfeld, aber so verkehrt waren die Leistungen nicht. (GAG 95,5 kg)

Wild Chief (5.): Der Tipp dieser Kolumne nach seiner hervorragender Partie im französischen Prix De Jockey Club. Im Derby hatte das Pferd von Trainer Jens Hirschberger einen starken Moment, aber dann wurden die 2400 Meter ein wenig lang. Auch im Kölner Preis von Europa und im Großen Preis von Bayern (beides Gruppe 1, beides mal Platz 5) reichte das Stehvermögen nicht ganz. (GAG 96 kg)

Speedy Approach (6.): Nach seinem 6. Platz im Derby nicht mehr in Europa am Start gewesen. Im August wechselte er laut Homepage von Trainer Andreas Wöhler nach Hongkong, der Formenteil von Racebets nennt Michael Bell aus Newmarket/GB als Trainer. Auf dessen Trainingsliste im Internet taucht er jedoch nicht auf. (GAG 93 kg)

Madurai (7.): Der siebte Platz im Derby war die schlechteste Platzierung seiner Laufbahn. Nach dem Derby noch zweimal am Start und jedes Mal platziert: Der gute Schlussakkord reichte nicht ganz in der Baden-Württemberg Trophy (Gr. 3) gegen Ever Strong. Zudem Dritter in einem französischen Listenrennen. Unbedingt ein Pferd für weichen Boden. (GAG 92,5 kg)

Amorous Adventure (8.): Vor dem Start eher belächelt, hielt sich Amorous Adventure als einer der größten Außenseiter gar nicht so schlecht. Danach noch ein Start in einem Düsseldorfer Listenrennen. Platz 5 von 7 liest sich auf dem ersten Blick enttäuschend, so weit war der Schützling von Trainer Karl Demme aber nicht geschlagen. (GAG 85 kg)

Magic Artist (9.): 2400 Meter wurde dem Sieger des Bavarian Classics im Derby doch ein wenig zu weit. Daher ging es in der Distanz zurück und dreimal lieferte Magic Artist sehr respektable Leistungen ab. Platz 4 hinter Lucky Lion im Großer Dallmayr-Preis über 2000 Meter, Platz 2 im Darley-Oettingen-Rennen über 1600 Meter (der Sieger Here Comes When triumphierte später in Newmarket) und auch der 4. Platz in einem Mailänder Gruppe 1-Rennen war nicht verkehrt. (GAG 96 kg)



Lucky Lion behält gegen Nobel Mission in München die Oberhand. Eine famose Vorstellung

Swacadelic (10.): In Hamburg ohne bessere Möglichkeiten und auch danach in Frankreich in zwei Prüfungen schwach. (GAG 93,5 kg)

Karltheodor (11.): Großer Außenseiter im Derby, danach immerhin zweimal platziert in Frankreich, einmal sogar in einem Listenrennen über weite 2500 Meter. Diese Form wurde aber nicht aufgewertet. (GAG 86,0 kg)

Weltmacht (12.): Die einzige Stute im Feld, auf die der Kolumnist durchaus Mumm hatte. Aber das Derby war eine Nummer zu groß, später war sie nicht mehr am Start. (GAG 86,0 kg)

Russian Bolero (13.): Ging sieglos ins Derby, blieb auch ohne Erfolg in Deutschland, war aber sehr oft platziert. Seine Zukunft liegt auf der Hindernisbahn in England. Einmal hat er dort schon eine harmlose Aufgabe im beschaulichen Plumpton gewonnen. Beim zweiten Start in Chepstow lief es nicht so gut. Sein Trainer heißt David Bridgwater und der hat immerhin den famosen The Giant Bolster in seiner Obhut. (GAG 86,5 kg)

Baltic Storm (14.): Das Derby kam bei seinem dritten Lebensstart noch deutlich zu früh. Danach scheiterte Baltic Storm als hoher Favorit in einer Klasse D-Prüfung an Darco (GAG 66 kg), der diesen Erfolg später nicht bestätigte. (GAG 86,0 kg).

Pinzolo (15.): Godolphin-Schützling, der sowohl im Englischen als auch Deutschen Derby hinter her lief. Gruppe 1-Format hat der Monsun-Sohn zweifellos nicht, aber ordentliches Listen-Format. Nach dem Derby war er in zwei Prüfungen dieser Kategorie auf der Insel platziert.

Giant’s Cauldron (16.): In der Familie wimmelt es nur von Gruppepferden, doch im Derby war der spätreife Peintre Celebre-Sohn noch weit geschlagen. Danach löste der Schützling von Trainer Peter Schiergen eine leichte Aufgabe in Krefeld und zeigte seine bislang beste Leistung als Vierter im Großen Preis von Baden. Ein interessanter Kandidat für das nächste Jahr. (GAG 95,5 kg)

Geoffrey Chaucer (17.): Der Gast aus dem mächtigen irischen Stall von Aidan O’Brien ging mit hoher Reputation und gut gewettet ins Epsom Derby. Das Ergebnis: Er wurde Letzter. Hamburg sollte ein wenig Wiedergutmachung sein, doch auch hier lief Geoffrey Chaucer wie ein Pferd, das nicht fit ist. Es war der letzte Auftritt in diesem Jahr.

Amazonit (18.): Immerhin Sieger des Bremer Derby Trials, in Hamburg aber abgeschlagen mit der roten Laterne. Auch bei den nächsten Starts in guter Gesellschaft ohne jede Möglichkeit. (GAG 88,0 kg).

Born to Run und Chartbreaker waren Nichtstarter an diesem Tag. Ersterer schaffte als bester Leistung nach dem Derby einen dritten Platz im Dresdener Listen-Rennen, Chartbreaker hatte die Nase vorn in einer Course D-Prüfung in Frankreich.

Urteil
Ende August hätte ich noch gesagt, dass das ein herausragender Jahrgang ist. Denn mit Sea The Moon gab es ein Überpferd und mit Lucky Lion einen weiteren herausragender Kandidaten. Dazu kam der nicht im Derby gelaufene Sirius, der einiges versprach und im Großen Preis von Berlin triumphierte. Nach dem Großen Preis von Baden musste man einiges relativieren. Dennoch ist das immer noch ein starker Dreijährigen-Jahrgang. Zumal auch Pferde wie Magic Artist oder Eric überzeugten. Mein Mumm-Pferd im nächsten Jahr heißt Giant’s Cauldron, auf dessen weitere Entwicklung ich sehr gespannt bin.



Mittwoch, 29. Oktober 2014
Der gewandelte Andrasch
Das war ein wirklich gelungenes und sehenswertes Portrait, das der NDR letzte Woche über den deutschen Top-Jockey Andrasch Starke ausstrahlte. Vom „Hallodri“ zum verantwortungsvollen Familienvater – Starke kommt sehr ehrlich in diesem Film rüber und wirkt richtig eloquent. Ein Reiter der Extraklasse war er immer, auch in seinen „wilden Zeiten“ als Porsche-Fahrer.

Mein erstes „Starke-Erlebnis“ hatte ich noch in Studentenzeiten, Ende der achtziger Jahre, Anfang der neunziger Jahre. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber es war im Winter auf der Sandbahn in Dortmund. Es war schon dunkel und auf dem Programm stand ein Rennquintett-Rennen. Dort lief Fletcher, ein schon etwas älterer Wallach und im Sattel saß ein junger Mann namens A. Starke, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Als die Jockeys aufsaßen, habe ich mir den Reiter mal genauer angeschaut. Der Eindruck: Sehr jung und damit noch reichlich grün.
Doch Starke steuerte Fletcher zum Sieg und wirkte so souverän, als wenn er sein ganzes Leben schon Rennen geritten hätte. Ich gewann über 100 DM, weil ich den Einlauf getroffen hatte und der Name Andrasch Starke war mir danach geläufig. Ein hochtalentierter Mann, den man sich merken sollte.
Starke machte nach seinem Dortmunder Glanzritt bekanntlich große Karriere. Erst bei Bruno Schütz, nach dessen Tod bei seinem Sohn Andreas Schütz und später dann bei Peter Schiergen. Alles Top-Adressen des deutschen Rennsports und eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass so ein Hochbegabter durch die erste Rennreiter-Prüfung rasselte.
Natürlich habe mich als Wetter auch schon über manchen Ritt von Herrn Starke aufgeregt. Das ist normal und oftmals ist ein paar Minuten später die Aufregung vorbei. Weil eben nur einer gewinnen kann und auch ein Top-Mann auf einem unterlegenen Pferd keine Wunderdinge vollbringen kann.
Bei Andrasch Starke überwiegen aber ganz klar die positiven Erlebnisse. Nicht umsonst ist der Mann mehrfacher Championjockey. Einer seiner größten Qualitäten ist es, dass er sein Pferd schon frühzeitig in eine gute Position steuert. Am liebsten direkt hinter der Spitze, da ist die Gefahr einer Behinderung geringer.



Der Derby-Erfolg mit Samum: Starke kommt außen. Genauso legendär ist die Reportage von Manfred Chapman.

Während zum Beispiel seine Kollegen Adrie de Vries oder noch extremer Jamie Spencer oder Richard Hughes gerne vom Ende des Feldes kommen, sieht man solche Rennen bei Andrasch Starke weniger. Die Taktik, mit viel Speed das Feld von hinten aufzurollen, sieht viel spektakulärer aus, kann aber auch häufiger in die Hose gehen.
Starke setzt eher auf Sicherheit. Zudem ist er ein hervorragender Finishreiter und im Endkampf nur schwer zu schlagen.

Danedream
Zudem reitet keiner den Derby-Kurs in Hamburg-Horn so gut wie der gebürtige Stader. Sechs Mal gewann er das Deutsche Derby, besonders mit Trainer Andreas Schütz bildete er im wichtigsten Rennen des deutschen Turfkalenders ein perfektes Team. Schütz schaffte es, seine Pferde punktgenau auf diese Prüfung vorzubereiten und Starke war dabei der geniale „Vollstrecker“. Sein letzter Derbyerfolg – der allerdings schon für Trainer Peter Schiergen – mit Lucky Speed demonstriert exemplarisch das Händchen für den Derby-Kurs: Es war ein taktisch perfekter Ritt.
Später folgte dann der Erfolg auf Danedream im Prix d’Arc de Triomphe, der sein internationales Renommee noch mal merklich verbesserte. Dabei haben es deutsche Reiter im Vergleich zur internationalen Jockey-Elite in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal richtig schwer. So gab es vor dem Start im King George 2012 in Ascot wahrlich Leute, die den Jockey Starke als Schwachpunkt identifizierten und lieber einen ausländischen Top-Jockey der Kategorie Dettori oder Peslier im Sattel sehen wollten. Zum Glück wussten Trainer und Besitzer, was sie an ihrem Stalljockey hatten. Das Ergebnis ist bekannt: Danedream triumphierte auch im King George.
Dennoch wäre es eine spannende Angelegenheit gewesen, wenn Starke mal über längere Zeit in England gegen die dortigen Top-Leute geritten wäre. Ich glaube, er hätte sich durchgesetzt, aber dazu gehört auch immer der Faktor Glück.
Jedenfalls ist es schön, dass er nach seiner ernsten Verletzung wieder fit ist und das Comeback erfolgreich war. Denn Jockey sein heißt auch leiden: So ist ein Maximalgewicht von 55 kg bei einer Größe von etwa 1,70 Meter schon eine Tortur. In dieser Sache sind Jockeys bedauernswert, aber es zeugt von enormem Enthusiasmus, dass sich ein Andrasch Starke das immer noch antut. In der Dokumentation sagt er übrigens einen Satz, den finde ich besonders toll: „Ohne die Liebe zum Pferd könnte man diesen Job gar nicht machen.“



Montag, 29. September 2014
Die Lehren des 52. Preises von Europa
Was will uns das Ergebnis des 52. Preises von Europa in Köln sagen? Vielleicht dieses: Vergesse nie die beste Form eines Pferdes. Und das der Dreijährigen-Jahrgang schwer enttäuschte.

Es ist eine komische Zeit im Turfjahr. Die Saison neigt sich dem Ende zu, viele Pferde haben ein anstrengendes Jahr mit schweren Prüfungen hinter sich. Das fordert oftmals Tribut, gerade im September/Oktober kippt die Form nach hinten. Manchmal lohnt es sich, wenig gelaufene Kandidaten zu beachten. Die pausiert haben – aus welchen Gründen auch immer. Eindrücke, die die Kölner Gruppe 1-Prüfung bestätigten.

Die Platzierten
Im letzten Jahr war er nur mit einem Hals geschlagen Zweiter hinter Meandre, diesmal hatte er mit einer halben Länge gegen den Earl of Tinsdal die Nase vorn: Empoli siegte nach einem gut eingeteilten Ritt von Adrie de Vries gegen den tapfer marschierenden Earl und verschaffte damit dem Stall von Trainer Schiergen ein schönes Erfolgserlebnis. Denn so gut ist das sonst so erfolgreiche Quartier in diesem Jahr nicht dabei, es ist eine eher mittelmäßige Saison. Auch weil die Spitzen-Dreijährigen fehlen.
Ein Siegertyp ist Empoli auch nicht unbedingt, erst ein einziges Rennen konnte der Halling-Sohn in russischem Besitz vor seinem Gruppe 1-Treffer gewinnen. Aber er hat einige gute Formen – aus Meydan beispielsweise.
In Europa musste er immer in ganz schweren Aufgaben ran, da war Empoli in diesem Jahr chancenlos. Mein Tipp wäre er nicht gewesen, nach seiner Bestform gehörte der Schiergen-Schützling aber schon zu den chancenreichen Kandidaten.



Nase vorn: Auf den letzten Metern machte Adrie de Vries Empoli noch einmal richtig schnell und gewann das Rennen (Foto: Marc Rühl/German Racing)

Mein Tipp wäre eher der Earl of Tinsdal gewesen. Zum einen sind die Pferde von Trainer Andreas Wöhler aktuell in guter Form, zum anderen ist der Frontrenner in diesem Jahr wenig geprüft. Köln war erst der zweite Saisonstart, das Saisondebüt als Vierter in Hoppegarten war in Ordnung. Am Sonntag lief er ein grandioses Rennen von der Spitze, das eigentlich den Erfolg verdient gehabt hätte. Offenbar ist er nicht mehr ganz so hektisch wie in früheren Zeit, aber ein eigener Geselle ist er immer noch.
Night Wish lieferte die nächste gute Leistung als Dritter ab, ist ein Muster an Formbeständigkeit. Und auch Girolamo kam noch gut ins Rennen, ohne eine Siegchance zu haben.

Die Dreijährigen
Der diesjährige Preis von Europa war ein Desaster für den Dreijährigen-Jahrgang. Wild Chief war als 5. noch der bestplacierte, hatte einen großen Moment, wo er fast schon wie der Sieger aussah. Doch je länger die Distanz wurde, desto schwächer wurde der Hirschberger-Schützling. Vielleicht ist er doch nicht der große Steher, eher ein Pferd für 2000 bis 2200 Meter. Denn auch im Derby baute Wild Chief zuletzt deutlich ab.
Für Amazonit und die Stute Papagena Star sind solche Aufgaben wie der Preis von Europa deutlich eine Nummer zu groß. Und damit sind wir bei den Enttäuschungen: Sirius setzte seine schwache Form aus Baden fort, das Pferd von Trainer Andreas Löwe ist nach einer starken Saison schlicht über den Berg. Allerdings hat er vorher schon in Hamburg und Hoppegarten eindrucksvoll gezeigt, dass er gegen die ältere Pferde bestehen kann.
Die größte Enttäuschung war Guardini aus dem Besitz von Georg Baron von Ullmann. „Beste Schlenderhaner Dreijähriger“ hallte es irgendwann im Frühjahr durch die Gerüchteküche. Im Deutschen Derby lief er nicht, immerhin gewann er eine Gruppe 3-Prüfung im französischen Chantilly. In den schweren Aufgaben des Grand Prix de Paris (Gruppe 1) und Prix Niel (Gruppe 2) war er hingegen völlig ohne Möglichkeiten.
Dennoch reichten diese Formen, dass die deutschen Wetter ihn blind zu ihrem Favoriten kürten. Das Ergebnis war nicht nur für sie ernüchternd: Guardini war nie im Rennen, fand nie ins Rennen und war als Siebter ohne einen besseren Moment.



Donnerstag, 18. September 2014
Kaldera auf den Spuren von Hey Little Görl
Was sind Sea The Moon, Australia oder der Arc schon gegen den 7. Großen Preis von DSW 21, das Deutsche St. Leger? Immerhin ist das auch ein Gruppe 3-Rennen über weite 2800 Meter und eigentlich ein Klassiker, allerdings auch in Deutschland längst für ältere Pferde geöffnet. Zudem findet die Prüfung auf meiner Heimatrennbahn in Dortmund statt. Deshalb hängen viele Erinnerungen an diesem Rennen. Starter und Chancen 2014

1. Macbeth (Trainer Michael Appleby/Jockey Andrew Mullen): Handicapper aus England, auch schon über Hürden unterwegs, die letzten Formen reichen aber nicht aus.

2. Ostinato (Trainer Andreas Löwe/Jockey Daniele Porcu): Seit 2014 im Training bei Andreas Löwe, vorher in Ungarn vorbereitet, deutlich geschlagen beim einzigen Jahresstart im Badener Steher Preis. Auch die Formen aus dem Vorjahr überzeugen nicht unbedingt.

3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eddie Pedroza): Nur die letzte Form aus Frankfurt war schwach, ansonsten aber ein sehr formbeständiger Steher und in Bestform ein Siegkandidat.

4. Pipita (Trainer Ralf Paulick/Jockey Koen Clijmans): Zuletzt zweifache Ausgleich 3-Gewinnerin in Leipzig und Hoppegarten. Steherdistanzen sind ihr Ding. Auch wenn die Stute noch etwas Reserven haben könnte, der Sprung vom Ausgleich 3 in ein Gruppe 3-Rennen ist doch gewaltig.

5. Special Meaning (Trainer Mark Johnston/Jockey Francis Norton): Listensieger aus England, zuletzt mit ordentlichen Leistungen in guten Handicaps. Einmal Dritter und nur knapp geschlagen über 2800 Meter. Kein Problem mit der Distanz, sehr gefährlicher Kandidat aus dem Stall, der vor drei Jahren mit Fox Hunt triumphierte.



2011 siegte Fox Hunt aus dem großen englischen Stall von Mark Johnston. Folgt ihm 2014 Special Meaning. (Foto: uk)

6. Best Fouad (Trainer Mathieu Le Forestier/Jockey Zoe Pfeil): Wenig geprüfter Dreijähriger aus Frankreich und bislang nur auf schwerem oder weichem Boden am Start. Zuletzt Zweiter in einem Listenrennen in Deauville über 2500 Meter auf schwerem Boden, Platz 3 belegte der Deutsche Karltheodor. Schwer einzuschätzen.

7. Ephraim (Trainer Markus Klug/Jockey Andreas Helfenbein): Dreijährig, kam immerhin als zweiter Favorit im Baden Badener Auktionsrennen an den Ablauf, enttäuschte dort aber als Letzter. Vorher aber mit ordentlichen Formen, auch wenn die siegreichen Pferde wie Ito danach diese Form nicht bestätigten. Muss sich deutlich steigern, Distanz ist noch ein Fragezeichen.

8. Firestorm (Trainer Peter Schiergen/Jockey Adrie de Vries): Der nächste Dreijährige, beste Formen als knapp geschlagener Zweiter zweimal in der Schweiz (unter anderem im Schweizer Derby), noch nie über 2800 Meter gelaufen, andere Kandidaten überzeugen mehr.

9. Kaldera (Trainer Paul Martin Harley/Jockey Eddy Hardouin): Siegerin im Badener Steherpreis, lief dort wie geboren für diese lange Strecke. Auch vorher mit ordentlichen Formen. Eddy Hardouin sitzt wieder im Sattel und mit dem günstigen Gewicht als dreijährige Stute eine Kandidatin für den Sieg.

10. Virginia Sun (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Stephen Hellyn): Erst viermal in ihrem Leben gelaufen und davon dreimal gewonnen. Auch zuletzt als Dritte im Badener Stutenpreis überzeugend. Weiteste Distanz bislang 2200 Meter, aber Halbschwester zum guten Steher Valdino und Vater Doyen hatte ebenfalls reichlich Stamina. Sehr gute Chancen.


Urteil
Wie so häufig und wie auch im letzten Jahr gewinnt eine dreijährige Stute. Kaldera lautet der Tipp dieser Kolumne, der meiste Widerstand wird von Virginia Sun, Special Meaning und Rock of Romance kommen.



Mittwoch, 10. September 2014
Ivanhowe wie einst Lando
Das Schöne, aber auch Schreckliche am Pferderennen? Man weiß nie, wie es ausgeht. So schlug der hochbegabte, aber unbeständige Ivanhowe den ebenso hochbegabten, aber beständigen Sea The Moon im Großen Preis von Baden – und damit hatte kaum einer gerechnet.

Wenn ich das Rennen wie früher oft beim Buchmacher gesehen hätte, dann wäre es nach diesem Resultat erst einmal einen kleinen Moment ganz ruhig gewesen. Dann wäre irgendeiner gekommen und hätte gesagt „Ich habe es doch gewusst“. Vielleicht hätte er auch noch den Sieger gewettet und würde jetzt den Schein schwenken. Aber die meisten hätten geschwiegen – ein Schockresultat.
Es gibt keine Unverlierbaren im Rennsport und an diesem Sonntag in Iffezheim war der Schlenderhaner das eindeutig bessere Pferd. Ivanhowe zeigte sein herausragendes Potenzial und siegte leicht gegen den Favoriten Sea the Moon. „Das ist das beste Pferd, das ich bisher geritten habe“, sagte Jockey Filip Minarik nach dem überzeugenden Drei-Längen-Sieg von Ivanhowe und nannte ihn ein „Ausnahmepferd“. „Es ist ein Klassepferd“, erklärte Trainer Jean-Pierre Carvalho, „aber ich wusste nicht so genau, wo wir stehen. Eigentlich dachte ich, dass wir noch zwei, drei Wochen Zeit benötigen.“
Zu erwarten war dieser Erfolg nicht unbedingt. Zum einen war Ivanhowe laut Trainer ja gar nicht bei 100 Prozent, zum anderem war die Stallform der Schlenderhan-/Ullmann-Pferde während der Großen Woche durchgehend schlecht. Am Freitag enttäuschte der hochgehandelte Ito etwa als 18:10-Favorit in einem allerdings stark besetzten Ausgleich 1. Und auch ansonsten war das konstanteste an den Schlenderhaner Startern in den letzten zwei Jahren die fehlende Konstanz.
Ivanhowe ist das beste Beispiel: Der tollen Leistung im Gerling-Preis folgte der Flop in Chantilly, nach dem Union-Triumph im letzten Jahr kam der Einbruch im Derby. Nach einer Pause lief Ivanhowe aber immer gute Rennen.
Doch auf dem Wettschein hatte ich den Schlenderhaner nicht. Irgendwie erinnern mich solche Überraschungen immer an den Derby-Sieg 1993 von Lando. Der war zweijährig der Winterfavorit und das Top-Pferd des Jahrgangs, enttäuschte aber dreijährig. Doch im Derby platzte dann wieder der Knoten – nur die meisten Wetter hatten ihn vergessen.

Auch nicht 100 Prozent
Und Sea The Moon? Nach dem Großen Preis kursierten im Netz mal wieder die Gerüchte, einer hatte ihn sogar lahm aus dem Rennen kommen sehen. Dass der Hengst nicht bei 100 Prozent war, hatte Trainer Markus Klug schon vorher erklärt.
Angesichts dieser Tatsache ist der Görlsdorfer gar nicht so schlecht gelaufen. Auffällig war aber schon die tiefe Kopfhaltung (das mögen die absoluten Pferde-Experten interpretieren), zudem konnte STM diesmal auf den letzten Metern nicht mehr zulegen.
Manche Beobachter sagen jetzt, dass Sea The Moon doch überbewertet sei, zumal er im Hamburger nur Durchschnitt besiegt habe. Das ist völliger Humbug, auch wenn Lucky Lion, der Zweite aus Hamburg und ganz klar die Nummer 2 des Jahrgangs, diesmal chancenlos war und eigentlich aus der Startmaschine geschlagen war. Aber Sea The Moon war im Derby so überlegen und hätte noch überlegender gewonnen, denn Christophe Soumillion ließ ihn regelrecht austrudeln, weil das Rennen entschieden war. Diese Form war die beste, die ich in 30 Jahren Derby gesehen habe.
Ivanhowe und STM werden wahrscheinlich im Arc aufeinander treffen, für den Görlsdorfer ist endlich eine realistische Quote erhältlich. Beide werden sich in diesem Monstererennen noch mal steigern müssen, aber so schlecht sehe ich ihre Chancen nicht. Zumal auch die europäische Konkurrenz ihre Dämpfer erhalten hat und beim japanischen Top-Starter Just A Way zwar mächtig viele Einsen stehen, die Distanz von 2400 Metern aber ein großes Fragezeichen ist.



Freitag, 5. September 2014
Kein Spaziergang für Sea The Moon
Von wegen Mini-Besetzung: Der Große Preis von Baden (Gruppe 1, 2400 Meter, Sonntag 16.50) lockt mit einer tollen Besetzung und ist wahrlich ein Höhepunkt der Großen Woche in Iffezheim. Dabei hatten viele befürchtet, dass der herausragende Derbysieger Sea The Moon die Gegner abschreckt.
Doch Trainer und Besitzer sehen ihre Chancen: So schickt Trainer Andreas Löwe seine Top-Dreijährigen Lucky Lion und Sirius ins Rennen. Der an guten Tagen grandiose Ivanhowe, die formstarke Stute Berlin Berlin, Derbysieger 2013 Lucky Speed und die neue Wöhler-Hoffnung Terrubi vertreten unter anderem die ältere Generation. Starter und Chancen.


1. Amonit (Trainer Jens Hirschberger/Jockey Anthony Crastus): Derbysieger in Russland, seit diesem Jahr trainiert von Jens Hirschberger. Ein Start 2014 auf sehr weichem Boden in Deauville, dort abgeschlagen Letzter. Schwer vorstellbar.

2. Iniciar (Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Gerald Pardon): Talentierter Schlenderhaner, beste Form war wohl der vierte Platz im Kölner Gerling-Preis im Mai. Dort lief er von der Spitze ein beherztes Rennen und hielt lange stand. Zuletzt aber chancenlos im Großen Preis von Berlin. Außenseiter.

3. Ivanhowe (Trainer Trainer Jean Pierre Carvalho/Jockey Filip Minarik): In Bestform ein herausragender Kandidat, das stellte der Schlenderhaner eindrucksvoll im Gerling-Preis nach schlechtem Rennverlauf und besonders im Union-Rennen 2013 unter Beweis. Den anderen Ivanhowe sah man zuletzt in Chantilly und im letztjährigen Deutschen Derby. Dort zündete sein Speed überhaupt nicht. Letztes Rennen im Juni, läuft nach einer Pause aber immer gut. Sehr interessanter Kandidat.

4. Lucky Speed (Trainer Peter Schiergen/Jockey Adrie de Vries): Derbysieger 2013 nach einem tollen Ritt von Andrasch Starke. Starke ist bekanntlich noch verletzt, aber an Adrie de Vries liegt es nicht, dass Lucky Speed in diesem Jahr noch sieglos ist. Die letzte Form aus Hoppegarten war schon besser als die Hamburger Vorstellung, wo sich der Silvano-Sohn extrem schwer tat. Trotzdem wäre Lucky Speed hier eine Überraschung. Die Meetingsform von Peter Schiergen ist zudem schwach in diesem Jahr.

5. Night Wish (Trainer Wolfgang Figge/Jockey Alexander Pietsch): In diesem Jahr noch mal gesteigert, hat den Platz in diesen Prüfungen durchaus verdient, nach allen Vorformen aber Außenseiter.



Man entschuldige die etwas maue Bildqualität, aber es war schon ein packendes Rennen 2007: Der schwarz-gelbe Globetrotter Quijano schlägt den Schlenderhaner Adlerflug.


6. Terrubi (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eduardo Pedroza): Der große Unbekannte im Feld. Seit Juli im Stall von Andreas Wöhler, vorher bei Trainer Pascal Bary in Frankreich. Die Besitzer kommen aus Australien und der Schimmel ist natürlich ein Kandidat für den Melbourne Cup. Nachgenannt, zuletzt Gruppe 2-Sieger auf sehr weichem Boden über 2800 Meter, gut gesteigert, mag schweres Geläuf und ein großer Steher. Und das ist etwas, was mich ein wenig stört: Diesen Pferden fehlt oft ein wenig der Speed, um auf kürzeren 2400 Metern gegen die Besten zu bestehen. Dennoch ein interessanter Kandidat.

7. Berlin Berlin (Trainer Markus Klug/Jockey Frederik Tylicki): Sehr beständige Stute, zuletzt Zweite hinter Sirius im großen Preis von Berlin. Den Löwe-Schützling trifft sie jetzt ein halbes Kilo günstiger. Zweite Görlsdorfer Farbe, soll nicht als Tempomacher für den Stallgefährten Sea The Moon agieren. Berlin Berlin müsste aber ihre Bestform noch mal steigern, um hier eine Chance zu haben.

8. Giant’s Cauldron (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andreas Helfenbein): Gewann zuletzt eine leichte Aufgabe souverän in Krefeld und legte damit endlich seine Maidenschaft ab, bekam aber davor seine Grenzen in Union und Derby aufgezeigt. Der Schiergen-Schützling müsste sich schon gewaltig verbessern, um hier erfolgreich zu sein.

9. Lucky Lion (Trainer Andreas Löwe/ Jockey Ioritz Mendizabal): Das beste deutsche Pferd des Jahrgangs, wenn es nicht einen gewissen Sea The Moon geben würde. Ungemein formbeständig in diesem Jahr, zeigte zuletzt in München über 2000 meter eine großartige Leistung, als er den guten Engländer Noble Mission besiegte. Zeigte im Derby, dass er auch 2400 Meter kann. Auf dem Papier der Hauptgegner für Sea The Moon, auch wenn ich Lucky Lion über kürzere Distanzen noch stärker einschätze.

10. Sea The Moon (Trainer Markus Klug/Jockey Mirco Demuro): Das neue Wunderpferd des deutschen Turfs, gewann das Deutsche Derby mit sensationellen elf Längen. Nach dieser Form kaum schlagbar und auch davor sehr beeindruckend trotz Unreife. Das Rennen in Baden soll der Aufgalopp zum Arc, sprich noch höheren Aufgaben, sein. Im Internet gab es heftige Spekulationen, ob er denn läuft.

11. Sirius: Trainer Andreas Löwe/Jockey Stephen Hellyn): Ein weiterer toll gesteigerter Dreijähriger aus dem Formstall von Andreas Löwe. Kam quasi über den kleinen Dienstweg, siegte in Iffezheim im Derby-Trial und danach zwei starke Formen gegen die älteren Pferde, zuletzt Sieger im Großen Preis von Berlin und zeigte viel Speed. Könnte noch etwas im Tank haben, für mich das Pferd für die Überraschung. Seinem Jockey Stephen Hellyn gelingt derzeit fast alles.

Urteil
Eigentlich eher ein Rennen zum Genießen als zum Wetten. Sea The Moon steht schon über dem Feld, alles andere als ein Sieg wäre eine Überraschung. Ich versuche es mal mit einem Einlauf Sea The Moon und Sirius und mache diesen natürlich auch zurück. Man weiß ja nie und Unverlierbare gibt es nicht im Turf.



Donnerstag, 14. August 2014
Was Joe Fanning und Andreas Löwe verbindet
Natürlich ist die Turfsaison noch lange nicht beendet. Aber wenn mich später jemand fragt, wer mir in der Saison 2014 am meisten auffiel, dann würde ich definitiv Trainer Andreas Löwe aus Köln und Jockey Joe Fanning aus England antworten. Beide eint, dass sie schon sehr lange im Geschäft sind. Beide erlebten auch schon härtere Zeiten. Doch Qualität setzt sich eben durch. Sowohl der deutsche Trainer als auch der englische Jockey haben es verdient, dass sie diese Kolumne kurz portraitiert.

Der Altmeister
2014 ist bislang ein großartiges Jahr für Andreas Löwe: Der Gruppe 1-Sieg von Sirius am Sonntag in Hoppegarten war ein weiterer Erfolgs-Meilenstein für den Kölner Trainer.
21 Siege bei nur 62 Starts lautet die bisherige Saison-Bilanz in Deutschland (Stand 12. August), das ist ein unglaublicher Sieg-Schnitt von fast 34 Prozent. Anders ausgedrückt: Jedes dritte Pferd, das Löwe und sein Team satteln, kam in diesem Jahr als Sieger zurück. Zum Vergleich: Markus Klug, der Führende in der Statistik, kommt auf einen ebenfalls glänzenden Schnitt von 27,91 Prozent, andere deutsche Top-Quartiere erreichen Werte von 22,55 Prozent (Waldemar Hickst), 21,66 Prozent (Andreas Wöhler) oder 17,77 Prozent (Peter Schiergen). Alles nicht schlecht, doch blass gegenüber den Löwe-Werten.
„Wir sind stolz auf unsere Pferde“, schrieb Andreas Löwe auf der gut sortierten Homepage des Stalles. Typisch für ihn ist die Betonung des „wir“, denn bei jeder Gelegenheit lobt der Trainer seine Frau, Mitarbeiter und Besitzer. Nicht er, sondern das Team ist der Star.
Seit 1981 trainiert Löwe, Geburtsjahr 1942, Vollblutpferde. Im letzten Jahr hatte er laut Stallparade der Fachzeitschrift Sport-Welt mal Rücktritts-Gedanken, doch dann folgte ein erfolgreicher Herbst 2013 und er machte weiter. Auch weil seine Besitzer das so wollten.
Da ahnte noch niemand, wie erfolgreich 2014 werden sollte. Seit Beginn der Grasbahnsaison stimmte die Stallform und hält quasi bis heute. Mit Lucky Lion trainiert Löwe ein Ausnahmepferd auf Distanzen von der Meile bis zu 2000 Metern. Der Hengst beeindruckte ungemein bei seinen Erfolgen im klassischen Mehl-Mülhens-Rennen und dem Münchner Gruppe 1-Großen Dallmayr-Preis. Auch über 2400 Meter im Derby lief er hervorragend, nur traf er da auf einen Ausnahmekönner wie Sea The Moon. Nicht nur diese Kolumne hatte Zweifel am Stehvermögen des High Chaparal-Sohnes, sein Trainer hingegen nicht.
Der bereits genannte Sirius, Rapido und die Stuten Indian Rainbow und Diamond Dove sind weitere hochbegabte Vertreter des Derby-Jahrganges, von den älteren Semester punktete zudem Amaron auf Top-Ebene regelmäßig.
Andreas Löwe hat nie für die großen Ställe trainiert, doch viele seiner Besitzer sind ihm schon seit Jahren verbunden. Seine größten Erfolge feierte er in den Jahren zuvor mit Stuten wie Mystic Lips, Lips Poison, Shapira oder Portella in den deutschen 1000 Guineas oder der Diana. Sehr gute Hengste waren vor dieser Saison der Top-Meiler Sehrezad und der unverwüstliche Protektor.
Noch mehr persönliche Erinnerung habe ich allerdings an Lierac, den ich einst im Derby zu hohen Quoten gewettet hatte und der mir fast den Atem nahm, als er im Derby 2001 auf einmal chancenreich außen auftauchte. Gegen Boreal gab es dann doch kein Ankommen, aber immerhin noch eine lukrative Platz-Quote. Leider hatte Lierac viel Verletzungspech und konnte diese Form nie wieder zeigen.



Joe Fanning in Hochform: Der Sieg mit Universal in den Jockey Club Stakes in Newmarket. Zu den geschlagenen Pferden gehörte auch ein gewisser Noble Passion

Tempo-Kenner und ein großer Kämpfer
Der Erfolg mit Amralah am Samstag in den englischen Rose of Lancaster Stakes in Haydock zeigte eindrucksvoll die große Stärke des Joe Fanning: Kein anderer Jockey reitet ein Rennen so gut von der Spitze aus wie er, nur wenige haben dieses Tempogefühl und diesen Kampfgeist. Die 150:10-Chance Amralah aus dem Mick Channon-Stall schickte Fanning direkt an die Spitze der Gruppe 3-Prüfung, ließ die Stute marschieren und dominierte Feld und Tempo.
Nun ist das mit dem Rennen an der Spitze oftmals so eine Sache: Irgendwann kommen die „Räuber“ und ziehen vorbei, das Pferd hat die Arbeit gemacht und geht leer aus. Viele Jockeys gehen das Rennen zu schnell an und wenn dann alle an einem vorbeiziehen, sieht man nicht gerade gut aus.
Doch Fanning ist ein Meister des richtigen Tempos. Je älter er wird, desto besser beherrscht er diese Taktik. An Amralah kam jedenfalls niemand vorbei – auch nicht der hoch eingeschätzte Hillstar aus dem Quartier von Sir Michael Stoute. Immer wieder fand die Stute neue Reserven, der Sieg war letztlich sicher.
Dreimal siegte der Jockey an diesem Nachmittag, aber erstaunlicherweise kein einziges Mal für seinen Patron Mark Johnston. Der 44jährige Fanning passt dabei hundertprozentig zur bevorzugten Taktik der Johnston-Pferde. Der Schotte lässt seine Pferde gerne von vorne laufen und oft ist an ihnen nur schwer vorbeizukommen, weil sie viel Kampfgeist und Willen zeigen. „A typical Mark Johnston-horse“, sagen dann immer die Experten. Zuletzt in Goodwood waren diese Tugenden mal wieder einige Mal zu bewundern – und oft war Joe Fanning der Mann im Sattel.
Der gebürtige Ire aus dem County Wicklow, der 1990 sein erstes Rennen in England gewann, zählt zu den oftmals unterbewerteten Charakteren der Jockey-Szene. Denn wie vielen seiner Kollegen aus Nordengland fehlen ihm die „Glamour-Erfolge“. So hat Fanning in seiner langen Karriere noch nie ein Gruppe 1-Rennen gewonnen, dabei muss er sich vor den Top-Jockeys wie Ryan Moore, Richard Hughes oder William Buick keineswegs verstecken.
Überhaupt ist das bei ihm wie mit ausgewählten Weinen: Je älter, desto besser. Seit 2009 hat er in jedem Jahr über 100 Rennen gewonnen; 2012 waren es sogar 188; 2012 auch noch 156 Erfolge. In diesem Jahr führt Fanning aktuell mit 130 Erfolgen die englische Jockey-Statistik vor Adam Kirby und Ryan Moore an. Und vielleicht reitet er ja auch irgendwann mal für Andreas Löwe.



Sonntag, 6. Juli 2014
Sea The Moon wie von einem anderen Stern
Wie soll man so eine Vorstellung nennen? Gigantisch? Atemberaubend? Phänomenal? Von einem anderen Stern? Sea The Moon gewann das deutsche Derby in Hamburg hoch überlegen vor Lucky Lion und dem Außenseiter Open your Heart. Elf Längen waren es letztendlich – wobei das noch schmeichelhaft ist. Denn während andere Jockeys im Finish hart arbeiten mussten, saß Christophe Soumillon ganz ruhig auf dem Sieger und ließ ihn quasi austrudeln. „Wie im Kino“, würde ein bekannter englisch-deutscher Rennkommentator jetzt sagen.
Der belgische Meisterjockey verglich Sea The Moon nach dem Rennen mit Orfevre, diesem großartigen Pferd aus Japan, mit dem er zweimal den zweiten Platz im Arc belegt hat: „Quirky, but hugely talented“ („Eigenwillig, aber hoch begabt“), sagte er, Quelle Twitter.
Da war die Jockey-Geschichte natürlich vergessen. Andreas Helfenbein, der Sea The Moon bei seinen drei vorherigen Erfolgen steuerte, wird sich dennoch ein wenig ärgern. Aber so ist der Sport und Helfenbein feierte mit. Verdient, denn ihm gebührt auch ein Teil des Ruhms.
Und damit herzlichen Glückwunsch an den Besitzer, das Gestüt Görlsdorf, und Trainer Markus Klug. Für beide war es der erste Derbysieger. Es sei im übrigen Taktik gewesen, so Markus Klug, in der Zielgeraden nach außen zu gehen, weil dort der Boden besser sei.

Arc-Kandidat
Was kann dieser Sea The Moon? Seit 1986 verfolge ich das Deutsche Derby und ich habe viele tolle Pferde gesehen. Aber ich kann mich nicht an einen so überlegenen Triumphator erinnern. Das wäre ein Duell - Australia, der englische und irische Derbygewinner, gegen STM. Aber diesen Zweikampf wird es frühestens im Arc geben, wenn sie denn dort laufen werden.
Der Stallgefährte von Australia, Geoffrey Chaucer blieb chancenlos, ebenso der andere Gast aus dem Ausland Pinzolo. Eine ganz starke Partie lieferte der Mehl-Mülhens-Sieger Lucky Lion als Zweiter und strafte damit Zweifler wie mich, die dem Hengst kein Stehvermögen zutrauten. Trainer Andreas Löwe hatte diese Skepsis nicht. Der Sieg wäre die Krönung eines tollen Jahres für den Trainer gewesen.
Der unerfahrene Open your Heart überraschte als Dritter und kam noch gut ins Rennen. Da bin ich mal gespannt auf die weitere Karriere – ein klassischer Steher. Vielleicht irgendwann im Melbourne Cup. Und hoffentlich mehr Erfolg als Nordvulkan, Überraschungspferd des letzten Jahres und ebenfalls trainiert von Roland Dzubasz.
Noch überraschender war der vierte Platz von Eric, dem ich nie und nimmer die Distanz von 2400 Meter zugetraut hätte. Wild Chief, nicht nur der Tipp dieser Kolumne, wurde Fünfter. Zeitweise sah es sogar noch besser aus, aber es sollte nicht sein.
Die Rennbilder waren diesmal richtig gut. Ist doch schön, wenn man mehrere Kameras einsetzt. Schade war, dass bei der Parade Bild und Ton nicht synchron waren. Wenn Sprecher Sven Wissel ein Pferd vorstellte, sah der Betrachter ganz andere Teilnehmer.
Ärgerlich außerdem die Umschalte zum Rennen nach Mannheim noch während des Interviews mit Siegjockey Christophe Soumillon. Muss das sein, muss Mannheim so kurz nach dem Derby wieder ein Rennen starten? Das Derby ist das wichtigste Rennen im Jahr und liefert jedes Jahr tolle Geschichten und Bilder. Die würde ich gerne noch intensiver erleben