Freitag, 28. Juli 2017
Idaho kann überraschen
So lange ist das noch gar her, die Zeit der deutschen Triumphe in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes in Ascot: 2013 siegte überlegen Novellist, 2012 behielt die Arc-Heldin Danedream in einem tollen Kampf gegen Nathaniel die Oberhand. Ich bin zwar nicht gerade patriotisch, aber es wäre dennoch schön, wenn es in Deutschland mal wieder ein Pferd geben würde, dass in solchen Rennen mitmischen könnte. 2017 ist eine dreijährige Stute aus dem Quartier von John Gosden die klare Favoritin in diesem Traditionsrennen über 2414 Meter. Starter und Chancen im King George 2017. Der Boden in Ascot ist derzeit gut bis weich, bis Samstag werden weitere Regenfälle erwartet. Es könnte also weich werden.

1. Desert Encounter (Trainer David Simcock / Jockey Sean Levey): Überraschte als 51:1-Chance mit Platz 3 in den Gruppe 1-Eclipse Stakes, aber ohne Chance auf den Sieg. Ein gut gesteigerter Aufsteiger aus der Handicap-Klasse, der gerne von hinten kommt. Der Halling-Sohn kann die Distanz und den Boden, ein Erfolg in den King George wäre aber persönliche Bestleistung.

2. Highland Reel (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Ryan Moore): Aktuell eines der besten älteren Pferde über längere Strecken und der Vorjahressieger des King George. Globetrotter, der die schwache Leistung zum Saisonauftakt in Meydan schnell korrigierte und danach zweimal imponierend siegte. 2400 Meter sollten ihn noch besser zur Geltung kommen lassen. Einziges kleines Fragenzeichen ist der Boden. Auf gut bis weichem Boden war er immerhin mal Zweiter in den Hardwicke Stakes 2016, eine halbe Länge hinter Dartmouth.

3. Idaho (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Seamie Heffernan): Der Halbbruder von Highland Reel. Sehr überzeugender Sieg in den Hardwicke Stakes (Gruppe 2) über 2400 Meter. Das sah noch nach mehr aus, obwohl er schon dreijährig gute Formen (unter anderem Zweiter im Englischen Derby) aufweisen konnte. Auf schwerem Boden schon platziert hinter dem späteren Derby-Sieger Harzand, der ihn dann auch in Epsom besiegte.



Danedream siegt knapp gegen Nathaniel 2013 – eine der größten Momente des deutschen Turfs. 2017 wird die Nathaniel-Tochter Enable in der Favoritenrolle stehen.

4. Jack Hobbs (Trainer John Gosden / Jockey William Buick): Enttäuschte zuletzt als Favorit in den Prince of Wales’s Stakes in Ascot, davor aber überzeugender Sieger in den Dubai Sheema Classics. 2016 war der Hengst lange verletzt, 2015 immerhin irischer Derbysieger und Zweiter im Epsom-Klassiker hinter dem grandiosen Golden Horn. Ein wenig die Wundertüte im Rennen, nach Bestform kann er so etwas. Der weiche Boden sollte ihm nutzen.

5. Maverick Wave (Trainer John Gosden / Jockey Graham Lee): Gruppe 3-Sieger, der auch weichen Boden kann, aber selbst nach Bestform überfordert und wahrscheinlich Tempomacher für Jack Hobbs.

6. My Dream Boat (Trainer Clive Cox / Jockey Adam Kirby): Sehr solides Pferd, das zuletzt immer ordentlich lief, aber nie gewann. Größter Erfolg war der erste Platz in den Prince of Wales’s Stakes 2016, wo er die spätere Arc-Siegerin Found schlug. Kann weichen Boden, gewann aber noch nie über 2400 Meter. Es gibt aussichtsreichere Kandidaten.

7. Ulysses (Trainer Sir Michael Stoute / Jockey Jim Crowley): Famoser Sieger zuletzt in den Gruppe 1-Eclipse Stakes, der Galileo-Sohn aus einer Oaks-Ersten hat in diesem Jahr noch einmal einen Sprung gemacht. Wenn das Rennen über 2000 Meter wäre, wäre er mein Tipp. Aber 2400 Meter in der Top-Klasse könnten sein Stehvermögen doch arg strapazieren. Auf gut-weichem Boden bereits erfolgreich.

8. Sixties Song (Trainer Alfredo Gaitan / Jockey Gerald Mosse): Zweifacher Gruppe 1-Sieger aus Argentinien, kann die Distanz und den Boden, aber dennoch nur klarer Außenseiter. Aber ein schöner Farbtupfer. „Ich fühle mich wie ein Kind in Disneyland“, sagte der Sohn des Trainers über Ascot und seine Möglichkeiten.

9. Benbatl (Trainer Saeed Bin Suroor / Jockey Oisin Murphy): Wenig geprüfter Dreijähriger aus dem Godolphin-Imperium, zuletzt Sieger in den Gruppe 3-Hampden Court Stakes. Auch die Leistungen im Epsom Derby (5.) und den Dante Stakes (5.) waren nicht verkehrt. Sollte noch Reserven haben, aber das King George könnte (noch) eine Nummer zu groß sein.

10. Enable (Trainer John Gosden / Jockey Frankie Dettori): 2014 triumphierte John Gosden mit der dreijährigen Stute Taghrooda im King George, Enable soll ihr folgen. Zweimal distanzierte die Stute ihre Altersgenossinnen in den englischen und irischen Oaks. Das hatte schon einen Hauch von Frankel. Zweifellos eine grandiose Stute, weicher Boden ist allerdings Neuland. Und gegen die großen Jungs wird das trotz des günstigen Gewichts nicht so einfach.

Urteil
Enable gewann ihre bisherigen Rennen im Stile eines Ausnahmeathleten. Sie wird das zu schlagende Pferd sein und hat Gewichtsvorteile als dreijährige Stute, aber gegen etablierten Gruppe 1-Renner auf wahrscheinlich weichem Boden spiele ich keine 21:10-Favoritin. Highland Reel ist ein Muster an Konstanz und Härte, der erstmal besiegt werden muss. Jack Hobbs ist deutlich besser als sein letzter Flop. Ich versuche es trotzdem mal mit Idaho, der längst noch nicht alle Karten aufgedeckt hat.



Mittwoch, 19. Juli 2017
Erinnerungen an fünf große Sprinter
Es war das Rennen des letzten Wochenendes. Und am Ende hatte nicht der schon als neues Wunderpferd gehandelte Caravaggio im July Cup über schnelle 1200 Meter in Newmarket die Nase vorn, sondern der genauso begabte Harry Angel. „Er wurde an diesem Tag zum Mann“, verkündete sein glücklicher Trainer Clive Cox nach dem Rennen. Der dreijährige Harry Angel ließ nicht nur den Altersgenossen Caravaggio hinter sich, sondern schlug auch die besten älteren Pferde wie Limato, Tasleet und The Tin Man. Faszinierender Stoff sind diese Sprints – und für diese Seite, Anlass an fünf Top-Sprinter der Vergangenheit zu erinnern. Die Auswahl ist keine Rangliste, sondern eben gnadenlos subjektiv.

Borderlescott (Trainer Rob Bastiman, später Rebecca Bastiman, lief von 2004 bis 2015, 85 Starts, 14 Siege, zweimal Gruppe 1, Gewinnsumme 791.949 Pfund)
Einer meiner absoluten Favoriten. In seinen besten Zeiten war Borderlescott ein ungemein beständiges Pferd, das sowohl in den großen Handicaps als auch in Gruppe-Rennen eine scharfe Klinge schlug. Zudem war er ein typisches Beispiel für einen Sprinter, der aus einem kleinen Stall kam, nicht gerade eine adelige Abstammung hatte und dennoch die Rennwelt entzückte. Für Trainer Rob Bastiman war er das mit Abstand beste Pferd, das er je trainiert hatte.
Besonders stolz war Bastiman über den doppelten Erfolg in den Gruppe 1-Nunthorpe Stakes in York, quasi in der Heimat des Trainers aus der Grafschaft Yorkshire. Allerdings triumphierte Borderlescott beim ersten Nunthorpe in Newmarket, weil der Rennkurs York sein damaliges Meeting absagen musste.
Der Kolumnist erinnert sich zudem besonders an den zweiten Platz im 2007 Stewards Cup in Goodwood. Damals verfolgte ich in der Buchmacher-freien Stadt Nürnberg manchmal Rennen in einem Internet-Cafe im dortigen Hauptbahnhof. Mein Jubel schallte durch das ganze Cafe, weil ich dachte, den Sieger in dieser 30-Pferde-Mammutprüfung getroffen zu haben. Nur die Stewards in Goodwood waren anderer Meinung, setzten Borderlescott auf den zweiten Platz hinter Zidane. Noch heute bin ich der Meinung, sie lagen falsch.

Choisir (Trainer Raul Perry, lief von 2001 bis 2003, 23 Starts, 7 Siege, davon zweimal Gruppe 1, Gewinnsumme 889.182 Pfund).
Es war einer dieser Turf-Momente, die einem sofort wieder einfallen, wenn man darauf gestoßen wird. Die Racing Post hatte im Vorfeld von Royal Ascot 2017 an glorreiche Momente der Vergangenheit erinnert und dabei den historischen Doppel-Erfolg von Choisir 2003 nicht vergessen. So recht hatte man den bulligen Sprinter aus Australien nicht auf der Rechnung, zumal er in den King’s Stand Stakes auch noch mehr Gewicht dank eines Gruppe 1-Sieges in der Heimat tragen musste.
Doch Choisir war das völlig egal, fand mit Jockey Johnny Murtagh den Platz an den Rails und marschierte dann von vorne los. Keiner konnte ihm folgen, hinter dem Australier folgten die englischen Top-Sprinter Acclamation und Oasis Dream (heute übrigens zwei sehr erfolgreiche Deckhengste). Das war der erste australische Erfolg auf englischem Turf und vier Tage später wurde es noch besser in den 200 Meter längeren Golden Jubilee Stakes. Das gleiche Spiel: Choisir marschierte erneut von vorne und triumphierte. Der Kolumnist ärgerte sich noch heute, dass er damals nicht den Sieger zu lukrativen Odds gewettet hatte. Danach sah Royal Ascot eine wahre Invasion brillanter Sprinter aus Australien – Miss Andretti, Scenic Blast, Takeover Target und zuletzt Black Caviar feierten alle schöne Erfolge.
Choisir gehörte schon in Australien zur Elite der Sprinter, siegte unter anderem in den Lightning Stakes (Gruppe 1) in Flemington. Seine Abschiedsvorstellung gab er im July Cup in Newmarket, dort unterlag er Oasis Dream. Später war er ein sehr erfolgreicher Deckhengst für Coolmore.



„The Aussie gone do it“ – Choisir deklassiert das hochklassige Feld in den King’s Stand Stakes in Royal Ascot

Lochsong (Trainer Ian Balding, lief von 1991 bis 1994, 27 Starts, 15 Siege, davon drei Gruppe 1-Erfolge, Gewinnsumme 600.888 Pfund)
Es muss 1993 oder 1994 gewesen. Damals war ein Samstag ohne Racing Post kein guter Tag, das Blatt konnte man zu dieser Zeit – wenn es denn in Deutschland ankam – beim Buchmacher Schickle in Dortmund kaufen. Und irgendwann lief mal Lochsong, die beste Sprinterin dieser Zeit. „Speed Queen“ nannte man sie und die Racing Post widmete ihr eine wahre Eloge. Das war kein Wunder, die Tochter des mir völlig unbekannten Deckhengstes Song war pures Dynamit auf vier Beinen.
Sie debütierte erst relativ spät mit drei Jahren, gewann sogar mal über 1400 Meter, doch ihre wahre Idealdistanz waren kürzere Wege. 1992 machte die Stute erstmals richtig Furore, als sie drei große Sprints-Handicaps in Serie gewann – den Stewards Cup in Goodwood, den Portland Cup in Doncaster und den Ayr Gold Cup. Eine großartige Leistung, denn in diesen Prüfungen laufen bis zu 30 Pferde und alle wollen gewinnen. Doch Lochsong wurde noch besser, siegte in neun Stakes-Rennen, darunter zwei Mal im Prix de L’Abbaye in Longchamp. Meistens gewann sie von der Spitze aus, besonders mit Frankie Dettori, damals am Anfang seiner großen Karriere, bildete die Stute ein großartiges Team.



Einzigartiger Handicap-Hattrick: Lochsong triumphiert im Ayr Gold Cup. Von der Spitze aus galoppiert sie ihre Gegner in Grund und Boden.

Overdose (Trainer Sandor Ribarski, später Jozef Roszival, lief von 2007 bis 2011, 19 Starts, 16 Siege, Gewinnsumme 206.214 Pfund)
„The Budapest Bullet“ beindruckte auch den Kolumnisten ungemein. Es war die klassische Geschichte vom Aschenputtel zum Märchenprinzen, die ganze Story kann man hier nachlesen. Ein Pferd aus dem Turf-Entwicklungsland Ungarn rockte die Turfgemeinde: Beim ersten Start in Deutschland hallte dem ungeschlagenen Overdose schon ein großer Ruf bevor, der überlegene Sieg im Badener Lanson Cup, dem Scherping-Rennen, bestätigte das eindrucksvoll. Danach schlug er die besten deutschen Sprinter in Hamburg und Baden-Baden, immer von der Spitze aus. 14 Rennen nacheinander blieb der Starborough-Sohn ungeschlagen. Nur der größte Triumph war keiner: Overdose gewann im Oktober 2008 den Prix De L'Abbaye (Gr. I) in Paris-Longchamp. Wegen eines angeblichen Fehlstarts wurde das Rennen aber am Ende der Karte noch einmal gelaufen. Nur diesmal fehlte der Hengst.
Dennoch wählten die Ungarn ihn 2008 zu ihrem Sportler des Jahres. Doch dann plagten ihn Hufprobleme, ein Trainerwechsel folgte. Overdose zeigte zwar noch gute Leistungen, aber der Zauber war irgendwie verflogen. 2011 hörte der Hengst auf, 2015 starb Overdose, der als Deckhengst im Gestüt Lindenhof wirkte, an einer Kolik.



Der Sieg, der keiner war: Overdose im Prix De L’Abbaye 2008

Sole Power (Trainer Edward Lynam, lief von 2009 bis 2016, 65 Starts, 12 Siege, davon 5 mal Gruppe 1, Gewinnsumme 2.103.813 Pfund)
Sein Stern ging 2010 in den Nunthorpe Stakes in York auf. 1000 Meter auf gut bis festem Boden, das waren optimale Bedingungen für Sole Power. Doch das wussten damals höchstens Trainer Edward Lynam und sein Team. Dem Wallach war das egal, er schockte als 100:1-Chance die Konkurrenz in dieser Gruppe 1-Prüfung und gewann sicher gegen den Favoriten Starspangledbanner.
Der Erfolg war kein Zufall, Sole Power entwickelte sich zu einem der besten Sprinter seiner Zeit, er brachte Trainer Lynam quasi „auf die Landkarte“. In fünf Gruppe 1-Prüfungen hatte er die Nase vorn, kam gerne vom Ende des Feldes. Manchmal war das eine komplizierte Sache, die Lücke zu finden. Man schaue nur auf das Video unten, der Lauf von Sole Power in den King’s Stand Stakes in Ascot. Aber dieser Speed ist einfach nur gigantisch.




Sonntag, 25. Juni 2017
Caravaggio war der Beste
Fünf Tage Royal Ascot, dieses Spektakel nimmt einen völlig mit. Galopprennen der Extraklasse in einer extravaganten Atmosphäre – meine persönlichen Höhepunkte 2017.

Es war am Samstag, Tag 5 von Royal Ascot, gegen 17:20 Uhr, da hatte ich endgültig den Kaffee auf: The Tin Man hatte gerade in den Diamond Jubilee Stakes (Gruppe 1, 1200 Meter) gesiegt – vor meinem Tipp Tasleet. Zwei Meter weiter hätte dieser gewonnen. Wieder mal Blech, wieder mal ein Tipp, der gut lief, aber eben nicht die Nase vorne hatte. Pferderennen können für Wetter so grausam sein.
So ging das fast das ganze Festival. Wetttechnisch war das königliche Spektakel diesmal eines zum Vergessen. Hätte ich vorher schon Glück mit meinen Tipps gehabt, hieße der Sieger des Gruppe 1-Sprints Tasleet. Aber grau ist eben alle Theorie.
Sportlich gab es in dem beschaulichen Ort in der englischen Grafschaft Berkshire mal wieder Galoppsport der Extraklasse. Unvorstellbar in Deutschland: Alle Rennen liefen im Free-TV, ITV hat den bisherigen Rechteinhaber Channel 4 abgelöst.
Im vernunftorientierten Deutschland guckt man auf das Festival immer mit einer gewissen Verwunderung. Die Hüte, die Fräcke und die königliche Prozession – das wirkt skurril, typisch britisch und hat etwas von Karneval der Oberschicht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Pferde ein wenig stören beim Feiern. Meine Momente des königlichen Festivals 2017, natürlich ist die Auswahl völlig subjektiv.

Caravaggio im Commonwealth Cup
Der Teufel, so lautet ein (etwas) derber Spruch, scheißt immer auf den größten Haufen. Natürlich ist es völlig despektierlich, die grandiosen Erfolge von Ballydoyle/Coolmore (über 300 Gruppe 1-Erfolge) alleine mit Glück zu erklären. Dazu gehört viel mehr und Aidan O’Brien ist ein Trainer, der es immer wieder schafft, seine Pferde punktgenau in Top-Form zu bringen. Wie viele überragende Vollblüter die Organisation in jeder Saison herausbringt, ist sensationell – auch wenn die Insassen von der Abstammung alle erstklassig sind.
Caravaggio heißt der nächste Überkandidat. Wie er im Commonwealth Cup über kurze 1200 Meter beschleunigte und leicht an Harry Angel und Blue Point vorbeizog, das war atemberaubend. Der Zweite (der besonders) und der Dritte sind ganz tolle Pferde. Doch sie waren keine Gegner. „Er ist das schnellste Pferd, das ich je trainiert habe“, sagt O’Brien über Caravaggio – noch schneller etwa als seine bisherigen Top-Sprinter Mozart und Stravinsky.

Barney Roy in den St. James’s Palace Stakes
Nicht immer siegt ein klarer O’Brien-Favorit. Manchmal gibt es sogar Ausnahmen, manchmal triumphiert sogar Godolphin. Barney Roy gewann in den blauen Farben vor dem O’Brien-Insassen Lancaster Bomber, der gemeinte Kandidat Churchill nahm sich hingegen eine Auszeit nach seinen Triumphen in den englischen und irischen Guineas. Allerdings: Barney Roy ist ebenfalls ein ganz tolles Pferd. Wenigstens da lag der Kolumnist mal richtig.

Big Orange im Gold Cup
Für viele Traditionalisten ist der Gold Cup über lange 4014 Meter das Rennen des Festivals. Weil oftmals Pferde vorne sind, die schon länger dabei sind. Big Orange passt in diese Kategorie. Sechs Jahre alt ist der Wallach inzwischen, im Gold Cup 2017 machte er sein Meisterstück. Wieder auf die harte Art von der Spitze aus: Der Schützling von Trainer Michael Bell wehrte tapfer die Angriffe des Favoriten Order Of St. George (natürlich aus dem O’Brien-Quartier) ab. Die Menge tobte und feierte den Sieger frenetisch.
Ryan Moore, der Jockey des Zweiten, musste nach dem Rennen einige Kritik einstecken, weil er den Vorjahressieger zu spät eingesetzt hätte. Je häufiger ich das Rennen sehe, desto mehr halte ich die Kritik für falsch. Big Orange wollte einfach gewinnen – basta. Order Of St. George wäre an diesem Tag niemals vorbeigekommen.



Dresscode für Royal Ascot. Ob sich das jemals ändern wird?

Lady Aurelia in den King’s Stand Stakes
2016 hatte Lady Aurelia die Queen Mary Stakes für sich entschieden. Damals war die amerikanische Stute zweijährig und deklassierte ihre Gegner von der Spitze aus. Wiederholung unmöglich? Von wegen – in den King’s Stand Stakes marschierte der „Speedball“ von Trainer Wesley Ward wieder von vorne und niemand konnte ihr folgen. Es war eine Vorstellung wie von einem anderen Stern.

Coronet in den Ribblesdale Stakes
Jockey Olivier Peslier begleitet mich gefühlt mein ganzes Turf-Leben lang. 1996 ritt er Borgia zum Erfolg im Deutschen Derby, es war mein erster getroffener Deutscher Derby-Sieger. Der Franzose ist einer der besten Jockeys aller Zeiten. Seine ganze Weltklasse demonstrierte er in den Ribblesdale-Stakes, als er mit Coronet – trainiert von John Gosden – auf den letzten Metern noch die Favoritin Mori niederkämpfte. Ein Finish der Extraklasse oder anders gesagt: Das entscheidende Tor in der 92. Minute.

Permian in den King Edward VII Stakes
Permian war meine Empfehlung für das Englische Derby. Dort lief es bekanntlich für den Schützling von Trainer Mark Johnston nicht so gut, der Kolumnist war danach ein wenig enttäuscht. Nichtsdestotrotz blieb der Hengst erste Wahl in dieser weniger anspruchsvollen Gruppe 2-Prüfung – bis ich mich kurz vor dem Rennen anders entschied und Best Solution aus dem Godolphin-Quartier von Saeed Bin Suroor wettete. Eine selten dumme Entscheidung: Permian wehrte von der Spitze aus alle Gegner ab, Best Solution lief schwach und unplatziert. Selber schuld.



Freitag, 2. Juni 2017
Der Tipp heißt Permian
Epsom Derby 2017 – das größte Feld seit 2003 geht am Samstag auf der berühmten Bahn im Großraum London an den Start. 19 Pferde bewerben sich um einen der begehrtesten Titel des Turfs. Die Schwergewichte des Galopprennsports auf der Insel fahren groß auf: Sechs Pferde sattelt Ballydoyle-Maestro Aidan O’Brien, fünf Kandidaten kommen von Trainer John Gosden, drei schickt Godolphin ins Rennen. Doch für das größte Aufsehen im Vorfeld sorgte der Riesen-Außenseiter Diore Lia. Starter und Chancen im Epsom Derby 2017.



So reitet man den Derby-Kurs: Ex-Top-Jockey John Reid gibt Tipps

1. Benbatl (Trainer Saeed bin Suroor / Jockey Oisin Murphy): Godolphin-Hengst mit famoser Abstammung, Dubawi-Sohn aus einer Gruppe 1-Siegerin über 2000/2200 Meter, erst drei Starts, da sollte noch Potenzial nach oben sein, Zweiter in den Dante-Stakes hinter Permian. Das Derby ist noch mal eine Nummer größer, aber zumindest ein chancenreicher Außenseiter.

2. Best Solution (Trainer Saeed bin Suroor / Jockey Pat Cosgrave): Nächster Godolphin-Kandidat, zeigte seine besten Formen über 2000 Meter und länger. Souveräner Sieger im Lingfield Derby Trial gegen Glencadam Glory, zweijährig Ende Oktober im Grand Criterium Saint Cloud nur geschlagen vom hoch geschätzten Fabre-Schützling Waldgeist. Hat allerdings schon neun Rennen hinter sich, enttäuschte im Winter zweimal in Meydan auf Dirt. Mit Chancen, aber sollte wenig Geheimnisse haben.

3. Capri (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Seamie Heffernan): Zweijährig die besten Leistungen auf weichem bzw. schwerem Boden, zuletzt knapp besiegter Dritter hinter den Stallgefährten Douglas Macarthur und Yucatan im Derby Trial in Leopardstown. Ersteren trifft Capri zum dritten Mal, zwischen beiden Pferden sollte nicht viel liegen. Keine Probleme mit der Distanz, aber nicht die Wahl von Top-Jockey Ryan Moore aus dem O’Brien-Quartier.

4. Cliffs of Moher (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Ryan Moore): Die Wahl von Ryan Moore und damit wohl das gemeinte Pferd aus der Ballydoyle-Armada. Der Erfolg in den Dee Stakes in Chester sah nach harter Arbeit aus, aber ein talentierter Hengst, der längst noch nicht alle Karten aufgedeckt hat.

5. Cracksman (Trainer John Gosden / Jockey Frankie Dettori): Erst zwei Starts, aber schon der Mitfavorit mit Cliffs of Moher. Nachgenannt nach zwei Siegen für das Derby, sollte als Favorit in die Dante Stakes in York gehen, lief aber wegen des weichen Bodens nicht. Der Frankel-Sohn hat immerhin schon Siegform auf der schwierigen Derby-Bahn, schob sich auf den letzten Metern im Epsom Derby Trial noch an Permian nieder. Die Form wurde deutlich aufgewertet. Sein schlauer Trainer weiß genau, wie man das Rennen gewinnt. Kandidat mit viel Potenzial nach oben.

6. Crowned Eagle (Trainer John Gosden / Jockey Andrea Atzeni): Halbbruder der sehr guten Eagle Top, Wings of Desire (Vierter im Epsom Derby 2016) und The Lark, da sollte noch reichlich Luft nach oben sein. Die aktuelle Form reicht aber nicht: Crowned Eagle sicherte sich ein Class C-Handicap in Windsor.

7. Douglas Macarthur (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Colm O’Donoghue): Zuletzt knapper Sieger im Derby Trial in Leopardstown, davor Zweiter in einer ähnlichen Aufgabe hinter Rekindling in den Ballysax Stakes am gleichen Ort. In seiner Laufbahn traf er bereits dreimal auf den Stallgefährten Capri, zweimal war er vorne. Zwischen beiden Pferden sollte nicht viel liegen, nur dass Capri deutlich kürzer im Wettmarkt steht. Solider Kandidat, aber nicht unbedingt aufregend.

8. Dubai Thunder (Trainer Saeed Bin Suroor / Jockey Adam Kirby): Sohn der Gonbarda, die einst für das Gestüt Auenquelle und Trainer Uwe Ostmann Gruppe 1-Rennen wie den Preis von Europa in Köln gewann. Auch die Geschwister von Dubai Thunder hatten Format und so siegte der Hengst mühelos und beeindruckend bei seinem Lebensdebüt in Newbury. Das Derby könnte aber noch eine Spur zu früh kommen, der Sprung ist bei allem Talent zu groß.

9. Eminent (Trainer Martyn Meade / Jockey Jim Crowley): In dieser Woche stark bei den Buchmachern gefragt. Ein weiteres Pferd mit wenig Erfahrung (drei Starts), imponierte bei seinem Erfolg in den Craven Stakes in Newmarket und lief auch nicht schlecht als Sechster in den englischen 2000 Guineas, zumal er einen kurzen Stopp einlegen musste. Gegen den Speed der Churchill und co. hatte er aber keine Chance. Auf längerer Strecke sollte Eminent weitere Reserven haben. Bei 2000 Metern wäre er mein Tipp, bei der Derby-Distanz von 2400 Metern bin ich eher skeptisch.

10. Glencadam Glory (Trainer John Gosden / Jockey James Doyle): Der zweite Platz im Derby Trial in Lingfield war die bislang beste Leistung des Nathaniel-Sohnes. Da zeigte er sich noch reichlich unreif, versäumte sich am Start, machte noch viel Boden gut, ohne den Sieger Best Solution gefährden zu können. Stehvermögen ist seine große Tugend, aber eher ein Typ für das St. Leger als das Derby.

11. Khalidi (Trainer John Gosden / Jockey Pat Smullen): Ein weiterer Kandidat aus dem Gosden-Stall. Gute Leistung zuletzt in einem Listenrennen in Goodwood, davor aber ohne Chance gegen Permian in Newmarket. Eher Außenseiter.

12. Pealer (Trainer John Gosden / Jockey Silvestre de Sousa): Ein Pferd mit deutschem Background: Halbbruder des Gruppesiegers Potemkin, Züchter Stiftung Gestüt Fährhof. Einer der größten Außenseiter im Feld, der Maidensieg beim vierten Versuch auf der Allwetterbahn in Southwell ist nicht der geforderte Standard.

13. Permian (Trainer Mark Johnston / Jockey William Buick): Ein typischer Vertreter seines Stalles, bereits sechsmal zweijährig unterwegs. Dreijährig allerdings noch mal deutlich verbessert, nach dem zweiten Platz hinter Cracksman in Epsom folgten Siege in Newmarket und in den Dante Stakes in York. Danach für viel Geld nachgenannt für das Derby und mit besten Chancen auch auf 2400 Metern unterwegs.

14. Rekindling (Trainer Joseph O’Brien / Jockey Wayne Lordan): Erster Starter für Trainer Joseph O’Brien im Derby. Der einstige Siegreiter der Epsom-Helden Camelot sowie Australia – und natürlich Sohn von Aidan – sattelt Rekindling, der immerhin die Ballysax Stakes in Leopardstown gegen Douglas Macarthur entschied. In den Dante Stakes blieb er als Vierter hingegen ohne Möglichkeiten.



Jockey Joseph O'Brien und sein Trainer-Vater Aidan werden sich gerne ernnern: Australia triumphiert 2014.

15. Salouen (Trainer Sylvester Kirk / Jockey Fran Berry): Zweijährig bei neun Starts immerhin zweimal Gruppe 1-platziert. Das war natürlich über eine deutlich kürzere Distanz und auch der zweite Platz hinter Khalidi in Newmarket war über 1800 Meter. Die 2400 Meter sind völliges Neuland, ein Erfolg wäre eine Sensation.

16. The Anvil (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Ana O’Brien): Wohl der schwächste der O’Brien-Vertreter, der einzige Erfolg kam auf der Allwetterbahn in Dundalk. Zuletzt in der Chester Vase als Dritter hinter den Stallgefährten Venice Beach und Wings of Eagles, zwischen letzterem betrug der Abstand nur eine Nase.

17. Venice Beach (Trainer Aidan O’Brien / Jockey Donnacha O’Brien): Kontinuierlich verbesserter Galileo-Sohn, das zeigte sich zuletzt bei seinem Erfolg in der Chester Vase gegen die Stallgefährten Wings of Eagles und The Anvil. Großer Steher, aber ob das reicht?

18. Wings of Eagles (Trainer Aidan O’Brien / Jockey P B Beggy): In der Chester Vase zwischen den Stallgefährten Venice Beach und Wings of Eagles. Wirkte dabei etwas unorganisiert, zweijährig bekam er schon die Grenzen aufgezeigt.

19. Diore Lia (Trainer John Jenkins / Jockey Paddy Pilley): Zwei erfolglose Versuche in Maidenrennen. Das Pferd, um sich das vieles drehte im Vorfeld. Nach Form hoffnungslos überfordert.

Urteil
Auf dem Papier eine so offene Prüfung wie schon lange nicht mehr im englischen Derby. Die Favoriten Cliffs of Moher und Cracksman sind hochtalentierte Pferde, deren beste Leistung man noch nicht gesehen hat. Eminent ist ein weiterer interessanter Kandidat, der – wenn er die Distanz kann – mitmischen wird. Mein Mumm ist jedoch Permian, ein typischer Kämpfer aus dem Mark Johnston-Stall. Der Teofilo-Sohn hat sich dreijährig enorm gesteigert hat und ist zudem zu einem lukrativen Kurs zu haben. Wenn andere zurückstecken, wird Permian zur Stelle sein.



Montag, 10. April 2017
Ein Grand National zum Einrahmen
Zuerst einmal war das am Samstag in Aintree gelaufene Grand National ein persönlicher Wett-Triumph für den Kolumnisten: Den One For Arthur war einer von drei Sieg-Tipps – neben Last Samuri und Rogue Angel – im schwierigsten Wettrennen des Jahres.

Und damit beendet der Kolumnist eine fast 25jährige Durststrecke, den Sieger in dieser Lotterie namens National zu finden. Es gab einige herzerweichende zweite Plätze wie im Vorjahr mit Last Samuri und viele andere Dramen im schwierigsten Rennen im Hindernissport. Irgendwie blieb das Grand National die letzte Bastion im Turf, die noch erobert werden muss.
Diese Sehnsucht wurde nun erfüllt. Auch wenn mir am Samstag auf einmal Bedenken kamen, ob die Wahl auf den Schützling von Lucinda Russell die richtige war. Denn One For Arthur kommt gerne spät und vielleicht kommt er ja erst ins Rollen, wenn das National quasi schon entschieden hat. Zum Glück blieb ich bei meiner Endscheidung für Arthur. Was hätte ich mich sonst geärgert.
An einem Samstag, wo vorher nicht viel wettmäßig lief, war auch im Grand National lange nichts vom späteren Sieger zu sehen. Immerhin gab mir Rogue Angel für mein Geld ein tolles Rennen. Doch als der irische Gast langsam die Kraft verlor, tauchte One for Arthur auf, ging bestechend und zog an allen Gegnern unwiderstehlich vorbei. Ein großer Steher, der auch die Attacke des zähen Cause of Causes mühelos abwehrte. Dritter wurde der famose Saint Are (drittes National, zweite Platzierung), Vierter der hochklassige Blaklion.
Danke an das tapfere Pferd, danke an Trainerin Lucinda Russell, danke an Jockey Derek Fox (was ein gut eingeteilter Ritt) und die beiden Besitzerinnen, die einen wahrlich besseren Zeitvertreib gefunden haben als ihre golfspielenden Gatten. Eigentlich könnte ich mir jetzt ein anderes Hobby suchen. Mach‘ ich aber nicht.

Weniger Glück, mehr Klasse
Auch sonst schrieb das Grand National 2017 positive Schlagzeilen. Das Wichtigste: Alle Pferde kamen ungeschoren aus dem Rennen und das isth erwähnenswert in einer Prüfung, die immer noch höchste Anforderungen an Ross und Reiter stellt und die alles andere als ein Samstags-Spaziergang ist.
Einer der besten Entscheidungen der Verantwortlichen war es, nach dem verheerenden Grand National 2012 das Rennen zu entschärfen. Puristen stöhnten auf und meinten, jetzt sei das National ein Rennen wie viele andere und habe seine Einzigartigkeit verloren. Aber das ist Humbug: Seit fünf Jahren verunglückte kein Pferd mehr tödlich, die Zeiten, wo ich das Rennen mit einer Mischung aus „Abscheu und Faszination“ gesehen habe, sind vorbei.
Natürlich ist das Grand National immer noch ein Spektakel. Leute, die den Hindernissport für zu gefährlich halten, werden durch die Prüfung definitiv nicht zu Hindernisfreunden. Aber es ist eben viel berechenbarer, heute gewinnt das am Tag beste Pferd.
Das Grand National, dessen erster Gewinner bezeichnenderweise den Namen Lottery trug, ist keine Lotterie mehr wie früher. Einen Grund nannte Jockey Ruby Walsh am Freitag bei Racing UK: Früher seien immer die vielen losen Pferde eine große Gefahr gewesen. Sie verlangsamten das Rennen und oftmals gab es richtige Dramen. Wenn etwa führende Teilnehmer durch freilaufende Pferde ohne Jockeys gestoppt wurden.
Man muss nur einmal das Rennen aus dem Jahr 1977 (siehe unten) mit der Ausgabe 2017 vergleichen. Der Unterschied ist gewaltig – auch wenn vor 40 Jahren der legendäre Red Rum gewann. Um in dessen Fußstapfen zu treten, muss One For Arthur noch zwei weitere Nationals gewinnen. Aber der Empfang in der schottischen Heimat war schon triumphal genug.




Samstag, 1. Oktober 2016
Harzand macht den Golden Horn
Chantilly statt Longchamp heißt es am Sonntag, wenn die Pferde zum PrIx de l‘Arc de Triomphe 2016 in die Boxen rücken. Die Rennbahn in Longchamp wird renoviert, daher wird das Top-Rennen auf der französischen Top-Bahn mit dem markanten Schloss im Hintergrund gelaufen. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass in früheren Jahren die Euphorie größer war. Nichtsdestotrotz ein fantastisches Rennen mit vielen Fragen: Schafft es der Favorit Postponed? Gibt es ein japanisches Happy-End? Was machen die französischen Starter, zwei ihrer Besten werden fehlen. Und natürlich: Gibt es einen deutschen Sieg? Wandelt Savoir Vivre auf den Spuren von Danedream und Star Appeal? Starter und Chancen im Arc 2016.

1. New Bay (Trainer Andre Fabre/Jockey Vincent Cheminaud): Der höchst eingeschätzte einheimischer Starter. Der Dritte aus dem Vorjahr lief zuletzt ein passables Rennen in den Irish Champion Stakes. Es ist erst der dritte Saisonstart, weil auch New Bay im Frühjahr krank war. Immerhin ist der Akku noch voll, Fabre ein Top-Trainer, aber New Bay nicht so stark über 2400 Meter.

2. Postponed (Trainer Roger Varian/Jockey Andrea Atzeni): Spätentwickler, aber schon von seinem alten Trainer Luca Cumani hochgeschätzt. Roger Varian setzte den kontinuierlichen Aufbau fort, zuletzt gewann er sechs Rennen in Serie, alle der Kategorie Gruppe 1 und 2. Spitzenklasse sowohl über 2400 als auch 2000 Meter. Nach dem Meydan-Aufenthalt erst zwei Starts in Europa in diesem Jahr, auch er litt im Frühjahr unter einem Virus. Der Favorit im Vorfeld, aber im Arc siegt nicht immer das Pferd mit den besten Vorformen.

3. Migwar (Trainer Freddie Head/Olivier Peslier): Nach allen Formen wäre sein Sieg eine Sensation. Der größte Pluspunkt ist der Jockey.

4. Highland Reel (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Seamie Heffernan ): Triumphator im King George, allerdings war das Top-Rennen in diesem Jahr nicht besonders stark besetzt. Ein sehr formbeständiges Pferd, zuletzt aber zwei Mal chancenlos. Der trockene Boden sollte passen, das Tempo sollte hoch genug für diesen Steher sein, aber so recht kann ich mir seinen Sieg nicht vorstellen.

5. One Foot in Heaven (Trainer Alain de Royer Dupre/Jockey Cristian Demuro): Dieser Hengst verbesserte sich in diesem Jahr gewaltig, zuletzt bekam er aber seine Grenzen aufgezeigt.

6. The Grey Gatsby (Trainer Kevin Ryan/ Jockey James Doyle): Der so großartige Schimmel, auch in dieser Kolumne hochgeschätzt, gewann zuletzt im September 2014. Es ist also schon etwas her, als er in Leopardstown den übermächtigen Australia düpierte. Der Graue ist zwar immer noch ein tolles Pferd, aber die alte Klasse hat er nicht mehr. Zudem wurden ihm 2400 Meter immer etwas lang.

7. Silverwave (Trainer Pascal Bary/ Jockey Christophe Suoumillon): In diesem Jahr weiter verbessert, gewann zuletzt den Prix Foy (Gruppe 2) vor dem Schlenderhaner Ito und davor den Grand Prix de Saint-Cloud (Gr. 1). Beide Formen sollten aber nicht überbewertet werden. Im Prix Foy liefen nur vier Pferde, im Grand Prix de St. Cloud hat Erupt, der Zweite, die Form nicht unbedingt aufgewertet.

8. Order of St. George (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Frankie Dettori): Einer der Top-Steher Europas, der aber merklich in der Distanz heruntergeht. Hat er den Speed für 2400 Meter? An mangelndem Stehvermögen wird er definitiv nicht scheitern.

9. Siljan’s Saga (Trainer Jean-Pierre Gauvin/Jockey Pierre-Charles Budot): Sechsjährige Stute, zuletzt hinter Savoir Vivre und Silverwave. Bei ihren besten Formen stand immer ein w wie „weich“ in der Bodenangabe, Außenseiterin.

10. Found (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Ryan Moore): In diesem Jahr fast schon Dauerzweite in Gruppe 1-Rennen. Wer also ein Pferd für die Ita-Wette braucht, sei Found empfohlen. Die Stute, die im letzten Breeders Cup Golden Horn schlug, zieht zudem die unglücklichen Rennsituationen regelrecht an. So recht steht sie bei mir nicht zum Sieg, aber ich liege bei den Pferden von Aidan O’Brien auch häufig daneben.



Der Erfolg des großen Montjeu im Arc 1999

11 Harzand (Trainer Dermot K. Weld/ Jockey Pat Smullen): Englischer und irischer Derbysieger. Doch dann folgte der Flop in den Irish Champion Stakes, für den es jedoch gesundheitliche Gründe gab. In Bestform natürlich ein Kandidat für den Sieg, auch wenn die dreijährigen englischen und irischen Hengste so stark in diesem Jahr nicht sind. Aber 2400 Meter sind für diesen großen Steher deutlich besser als die 2000 Meter in den Irish Champion Stakes. Im letzten Jahr korrigierte Golden Horn, der englische Derbysieger 2015, im Arc ebenfalls eine schwächere Form.

12 Vedevani (Trainer Alain de Royer Dupre/ Jockey Alexis Badel): Tempomacher für den Stallgefährten Harzand.

13 Talismanic (Trainer Andre Fabre/ Jockey Mickael Barzelona): Godolphin-Vertreter aus dem Quartier des Erfolgstrainers Andre Fabre. Der Hengst müsste sich gewaltig steigern, um hier eine Chance zu haben. Immerhin frischer Sieger, aber das war im Listenrennen.

14 Makahaki (Trainer Yasuo Tomamichi/ Jockey Christoph Lemaire): „Die beste Chance aller Zeiten auf einen japanischen Erfolg“, nennt der Kollege Will Hayler von der Sporting Life Makahaki. Jedenfalls kommt er als relativ frisches Pferd an den Ablauf, der Sieg im Prix Niel gegen Midtherm war harte Arbeit, der Unterlegene hat allerdings einen sehr guten Ruf im Quartier von Michael Stoute und galt lange Zeit als englischer Derby-Favorit, bevor ihn eine Verletzung stoppte. Die japanischen Formen sind schwer bewertbar, positiv ist aber, dass mit Christophe Lemaire ein Jockey im Sattel sitzt, der die Bahn kennt.

15 Savoir Vivre (Trainer Jean-Pierre Carvalho/ Jockey Frederik Tylicki): Der deutsche Vertreter hatte immer eine hohe Reputation im Ullmann/Schlenderhan-Quartier. Nach einem guten Debüt enttäuschte er zweimal, kam dann aber quasi wie Phönix aus der Asche im Derby als Zweiter ins Ziel. Danach siegte der Adlerflug-Sohn über 2500 Meter in Deauville, aber jetzt geht es gegen die großen Jungs. Ein Platzgeld wäre ein toller Erfolg.

16 Left Hand (Trainer Carlos Laffon-Parias/Jockey Mxim Guyon): Dreijährige Stute, die für viele so eine Art Geheimtipp ist. Zuletzt Erste im Prix Vermeille gegen die Godolphin-Stute Endless Time, davor Zweite im französischen Preis der Diana hinter der bärenstarken La Cressoniere. Besonders diese Form war sehr stark, diese Aufgabe ist aber noch schwerer.

Tipp
Harzand – Postponed – Order of St. George



Mittwoch, 14. September 2016
Am Ende lachte George Baker doch
Große Freude und tiefes Leid liegen auch im Galopprennsport oft nahe beieinander. Das verlängerte Turf-Wochenende bot die ganze Palette. Von Tod bis zum totalen Triumph.

Es hätte so schön sein können. Der Renntermin am Abend auf der Rennbahn im Krefelder Stadtwald bot zwar keinen großen Sport, aber einen schönen Zeitvertreib. Solche Termine müsste es häufiger geben. Ein lauer Sommerabend mit Pferderennen und Biergarten.
Doch die Stimmung wurde schnell verhagelt: Zwei Pferde stürzten so schwer, dass sie nicht mehr zu retten waren. Petite Gold und Weißer Stern liefen ihr letztes Rennen, Brüche sind nur schwer reparabel bei einem Pferd. Die Voraussetzungen seien optimal gewesen, sagten Rennleitung und Rennverein nach den Vorfällen. Die Bahn staubte allerdings an manchen Stellen gewaltig.
Zum Glück gibt es tote Tiere nicht bei jedem Renntag. Pferde verletzen sich auch auf der Koppel, in der Box, auf den Galopps usw. Pferderennen sind definitiv keine Tierquälerei, wie manche nassforsche Tierschützer-Organisation behauptet.

Herzschlag
Dabei hatte das Galopp-Wochenende so gut angefangen. Freitagnachmittag, dritter Tag des St. Legers im nordenglischen Doncaster: Der Sport ist teilweise grandios mit tollen Pferden und Weltklasse-Jockeys. Die Rennen sind hartumkämpft, die Endkämpfe eng und dramatisch. Herzschlag-Finals. All‘ diese Dinge, mit denen etwa ein Formel 1-Rennen nie konkurrieren kann und die in ihrer Intensität auch manches Fußball-Spiel schlägt.
In den Scotsman Stakes, einem Listenrennen für zweijährige Hengste, endeten drei Pferde quasi in einer Linie. Rodaini, Salsabeel, Larchmont Lad – die Jockeys Silvestre da Souza, William Buick und Sean Levey machen die Prüfung zu einem echten Thriller. Am Ende gewinnt Rodaini mit da Souza, der Kolumnist hatte Larchmont Lad gewettet.
Schon vorher stockte dem Betrachter mehrfach der Atem: Im Doncaster Cup, der Gruppe 2-Prüfung über weite 3621 Meter, bestimmten Quest for More und George Baker von der Spitze aus das Rennen, doch am Ende siegte Sheikhzayedroad und Martin Harley. Mit einer Nase nach einem gigantischen Endkampf zweier Top-Jockeys. Offiziell gab es ein Foto-Finish, doch Harley wusste es scheinbar schon vorher und gab seinem Pferd einen freudigen Klaps.
Und auch Roger Charlton, der Trainer von Quest for More, hatte die Ahnung, dass es nicht reichen würde. „Das ganze Leben ist voller Qualen“, sagte er nach der Prüfung Attheraces-Interviewer Matt Chapman.
Für Jockey George Baker war der zweite Platz an diesem Tag nichts Neues: In den Mallard Stakes, der zweitwichtigstes Prüfung des Tages, sah er lange wie der Gewinner aus. Doch dann kam Wall of Fire und fing Seamour, den Ritt von George Baker, noch ab. Diesmal war er vielleicht etwas früh vorne, aber Seamour ist auch ein Typ von Pferd, das seinen eigenen Kopf hat. „Quirky“ nennen die Engländer das.

Geschichte gemacht
Baker ist für einen Reiter mit über 1,80 m sehr groß, sein ganzes Leben dürften Diäten, Hungern und eiserne Disziplin prägen. Am nächsten Tag lohnten alle Qualen. Denn da saß er im Sattel von Harbour View und triumphierte im englischen St. Leger.
Dazu wurde Turf-Geschichte geschrieben: Als erste Frau gewann Trainerin Laura Mongan den Klassiker über 2800 Meter, der erstmals 1776 ausgetragen wurde.
Der Sieg von Harbour View war eines dieser Erfolge, die den „Reichensport“ Galopp sympathisch machen. Mongan trainiert rund 20 Pferde – sowohl Flach als auch Hindernis – in Epsom, der berühmten Heimat des englischen Derbys. Ihr letzter Erfolg feierte sie im August in einem Class 5-Handicap in Brighton. Keine Ahnung, ob Aidan O’Brien jemals in seinem Leben ein Class 5-Handicap gewonnen hat. Wahrscheinlich nicht.
Ian Mongan, Lauras Gatte, ritt einst als Jockey für Henry Cecil und spielt eine wichtige Rolle in der täglichen Arbeit. „Henry Cecil sagte immer, gute Pferde machen gute Trainer“, erinnerte er sich in dieser Stunde des Triumphes an seinen alten Chef.
Diesmal hatte George Baker den richtigen Takt gefunden und den 230:10-Schuss zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt. Ein Raunen ging durch die Menge, als Harbour View an Ventura Storm und Housesofparliament vorbeizog und viel Stehvermögen zeigte.
„Für uns war es keine große Überraschung“, sagte hinterher Laura Mongan selbstbewusst. Doch Harbour View profitierte auch vom Sturz des Favoriten Idaho aus dem mächtigen O’Brien-Quartier mit Seamie Heffernan, der Mitte der Gerade ins Straucheln kam. Zum Glück blieben alle unversehrt.



Donnerstag, 21. Juli 2016
French Eruption im King George
So schnell geht das im Sport: Noch am gestrigen Morgen waren die King George VI & Queen Elizabeth Stakes am kommenden Samstag in Ascot eine „Wettkatastrophe“, weil der Favorit Postponed unschlagbar schien, bei Quoten um die 15:10 jedoch wenig Wert versprach. Dann kam am Mittwoch Nachmittag die Meldung, dass ausgerechnet jener Postponed wegen einer Infektion nicht am Rennen teilnehmen kann. Klartext: Der Top-Star fehlt, die sportliche Qualität im großen englischen Sommer-Showdown sinkt, aber das Rennen wird offener. Starter und Chancen im diesjährigen King George.

Dartmouth (Trainer Sir Michael Stoute): Dartmouth ist eines dieser typischen Sir Michael Stoute-Pferde: Kontinuierlich gesteigert von Handicaps in die Gruppe-Klasse, zuletzt erfolgreich als 10:1-Schuss in den Gruppe 2-Hardwicke-Stakes, hauchdünn gegen Highland Reel. Die hohe Quote zeigt jedoch auch, dass sein Erfolg eher überraschend kam. Gruppe 1 hat er noch nicht gewonnen, auch sonst wirkt er nicht unschlagbar. Boden unabhängig. Nachgenannt für das Rennen.

Erupt (Trainer Francis-Henri Graffard): Im letzten Jahr Sieger im französischen Grand Prix de Paris (Gruppe 1) und Fünfter im Arc, zuletzt Zweiter im Grand Prix de Saint Cloud, als er mit gewaltigem Speed von hinten noch ins Rennen kam. Das sind so mit die besten Formen im Feld, Boden und Distanz sollten passen. Ganz klar eine Empfehlung.

Highland Reel (Trainer Aidan O'Brien): Unglücklicher Zweiter in den Hardwicke Stakes hinter Dartmouth,die besten Leistungen zeigte er dreijährig bei seinen Gruppe 1-Erfolgen in den USA und Hongkong. Man wird ihn nicht im Rennstall gelassen haben, wenn man dem Galileo-Sohn nicht weitere Gruppe 1-Großtaten zutrauen würde. Der etwas festere Boden spricht zudem für Highland Reel. Top-Kandidat.

Second Step (Trainer Luca Cumani): Der letztjährige Triumphator im Preis von Berlin in Hoppegarten, aber es gibt eben gute und noch bessere Gruppe 1-Rennen. Zuletzt zweimal chancenlos in starken Gruppe 1-Prüfungen und auch der dritte Platz im Yorkshire Cup (Gruppe 2, 2800 Meter) reicht nicht aus.



King George VI and Queen Elizabeth Diamond Stakes Ascot '84: Ein Rennen voller großer Namen. Teenoso gewinnt Start-Ziel mit dem legendären Lester Piggott im Sattel und zeigt immer wieder neue Reserven gegen Sadler's Wells und Pat Eddery. Sadler's Wells wurde später einer der besten Deckhengste der Welt.

Sir Isaac Newton (Trainer Aidan O'Brien): Vierjährig noch mal verbessert, gewann zuletzt Gruppe 3 in The Curragh und das Wolferton-Handicap in Royal Ascot. Jetzt ist weitere Steigerung erforderlich, zudem ist der Sir noch nie weiter als 2000 Meter gelaufen. Allerdings zeigte er bislang, dass eine längere Strecke von Vorteil sein könnte. Außenseiter.

Western Hymn (Trainer John Gosden): Erst ein Versuch über 2400 Meter und das war im 2014 Epsom Derby. Da lief er als 6. gar nicht so schlecht, blieb aber ohne Siegchance. Gruppe 3 ist eher seine Welt, aber ein Siegertyp ist Western Hymn nicht unbedingt. Müsste sich schon gewaltig steigern.

Wings of Desire (Trainer John Gosden): Der einzig verbliebene Dreijährige im Feld. Mit Pferden dieses Alters feierte sein Trainer John Gosden einige Erfolge im King George, siehe Taghrooda und Nathaniel. An letzteren erinnert mich Wings of Desire: Im Derby war er letztlich als Vierter zwar chancenlos, aber so richtig schien Epsom auch nicht seine Bahn zu sein, der Boden sei zudem zu weich gewesen. Zuvor gewann er die Dante Stakes (Gruppe 2) in York, diese Form wurde aber bislang nicht aufgewertet. Aber ein Pferd mit Reserven, der Boden sollte passen und vielleicht hat ihm die Pause seit Anfang Juni gut getan.

Urteil
Kein Doppel-Derbysieger Harzand, keiner der Top-Dreijährigen aus dem O'Brien-Quartier und jetzt auch kein Postponed – es gab schon deutlich besser besetzte King Georges. Die besten Formen und die beste Quote verspricht der französische Gast Erupt. Wings of Desire erinnert an erfolgreiche Gosden-Starter. Erst dann kommen für mich die Favoriten Dartmouth und Highland Reel.



Freitag, 1. Juli 2016
Nightflower, Time Test und Techno Queen
Mal wieder großer Turf-Sport am Wochenende. Drei Höhepunkte: die bet 365 Lancashire Oaks in Haydock, die Coral Eclipse Stakes in Sandown (beide am Samstag) und natürlich der Große Hansa Preis am Sonntag in Hamburg mit dem Australien-Heimkehrer Protectionist. Zweimal Gruppe 2, einmal Gruppe 1. Eine kleine Vorschau.

Wir beginnen mit den Ladies in den englischen Lancashire Oaks in Haydock, einer Gruppe 2-Prüfung über 2400 Meter. Aus deutscher Sicht steht eindeutig der Start von Nightflower im Fokus. Die Stute aus dem Quartier von Peter Schiergen gewann im letzten Jahr immerhin den Kölner Preis von Europa (Gruppe 1), war mehrfach Gruppe 1-platziert hinter starken Pferden, bei ihrem einzigen diesjährigen Start war sie jedoch im GP der badischen Wirtschaft enttäuschend früh geschlagen. Der weiche Boden in Haydock wird ihr entgegenkommen, nach Bestform sollte sie diese Aufgabe lösen können.
Aber hätte wenn aber: Viele ihrer Gegnerinnen haben noch Potenzial nach oben. Da ist die Godolpin-Stute Endless Time, die fünf ihrer sechs Starts gewonnen hat, allerdings ihr Jahresdebüt gibt. John Gosden hat seit 2011 dreimal dieses Rennen gewonnen, mit Furia Cruzada(Top-Stute aus Südamerika) und Lady of Camelot sattelt er zwei interessante Kandidatinnen. Dann ist da noch die Dreijährige Fireglow aus dem Mark Johnston-Quartier, Vierte in den englischen 1000 Guineas und Zweite hinter der guten So Mi Dar über 2000 Meter. Die Distanz in den Oaks ist also Neuland, aber die längere Strecke könnte Fireglow entgegenkommen. Meinen zumindest einige Experten, ich bin da nicht so sicher.

Tipp: Nightflower

Ein paar Meilen südlich kommt es in Sandown über 2000 Meter zu den Coral Eclipse Stakes, traditionell oft das erste Aufeinandertreffen der Top-Dreijährigen mit den besseren älteren Pferden über die quasi neutrale Strecke von 2000 Metern. Klarer Favorit ist The Gurkha aus dem O'Brien-Stall, eindrucksvoller Gewinner der französischen Poule d'Essai des Poulains in Deauville (den französischen 2000 Guineas) und zuletzt guter Zweiter in den St. James Palace Stakes in Ascot. Das sind zwei Top-Formen über die Meile auf weichem Boden. Die 400 Meter längere Strecke in Sandown sollte der Galileo-Sohn auch können, die Quoten unter Pari schrecken mich aber ab.
Wer sind also die Gegner? Time Test könnte vierjährig noch mal zulegen, mag die Bahn in Sandown (drei Starts, zwei Siege, ein zweiter Platz) und hat auf gut bis weichem Boden schon gewonnen. Die Form in diesem Jahr war gut, die Pferde von Trainer Roger Charlton laufen derzeit ganz ordentlich. Das Fragezeichen ist der Boden. Wenn es er zu weich wird, dann würde ich eine Alternative zu suchen.
Die wäre My Dream Boat, der zuletzt in den Prince of Wales' Stakes (Gruppe 1) auf weichem Boden alle überraschte und als Außenseiter gewann. Das war die bislang beste Form des Hengstes. Eine Erwähnung verdient zudem der Godolphin-Starter Hawkbill, der fünf seiner sieben Starts siegreich gestaltete. Die Eclipse Stakes sind aber noch einmal eine Stufe höher.

Tipp: Time Test, alternativ My Dream Boat bei weichem oder schweren Boden



Erinnerungen an 1997: Pilsudski mit Mick Kinane schlägt die hohe Favoritin Bosra Sham und den damaligen englischen Derbysieger Benny The Dip

Damit geht unsere Reise weiter nach Hamburg-Horn. Am Samstag beginnt die Derby-Woche, am Sonntag ist der Große Hansa Preis (Gruppe 2, 2200 Meter) das sportliche Highlight. In den Jahren zuvor ließ die Besetzung oftmals zu wünschen übrig, in diesem Jahr kommt aber ein starkes Feld an den Start. Da ist zum Beispiel der Melbourne Cup-Sieger von 2014, Protectionist.
Seine Geschichte ist viel dokumentiert: Irgendwann verlor der Steher bei Rennen über viel zu kurze Strecken Form und Lust, die Besitzer Australian Bloodstock schickten den Hengst zurück zu Trainer Andreas Wöhler nach Deutschland. Natürlich haben die Besitzer den Melbourne Cup wieder im Visier. Der erste Auftritt von Protectionist in Düsseldorf war sehr ordentlich, jetzt sind im Hansa-Preis, den der Hengst vor zwei Jahren gewann, die Gegner stärker.
Zum Beispiel der nachgenannte Iquitos, der alle Vorleistungen noch mal bei seinem Erfolg im GP der badischen Wirtschaft noch mal steigerte. Guignol, Sirius und die dreijährige Stute Meergörl sind weitere interessante Kandidaten. Mein Tipp ist allerdings Techno Queen. Natürlich ist der Hansa-Preis ihre bislang schwerste Aufgabe, aber das Pferd von Trainer Toni Potters könnte immer noch Reserven haben. Die Distanz passt, die lange Zielgerade liegt der speedstarken Stute. Zudem hat sie schon in Hamburg gewonnen.

Tipp: Techno Queen



Donnerstag, 2. Juni 2016
Ulysses auf den Spuren seiner Eltern
Es begann mit Diomed im Jahre 1780, die Siegerliste danach ist gespickt mit großen Namen. Das englische Derby, das am Samstag auf dem Kurs in Epsom in der Nähe von London ausgetragen wird, ist immer noch eines der prestigereichsten Rennen des Turfkalenders. 2016 scheint es so offen wie lange nicht mehr zu sein. Starter und Chancen im Epsom Derby 2016, natürlich ein Gruppe 1-Rennen über 2400 Meter.

Across the Stars (Trainer Sir Michael Stoute/Jockey Kieran Fallon): Trainer Stoute und Jockey Fallon waren früher ein sehr erfolgreiches Paar. Unter anderem gewannen sie mit Kris Kin 2003 und North Light 2004 das Derby. Fallon ritt den schwierigen Derby-Kurs in dieser Zeit wie ein junger Gott. Himmlische Hilfen wären auch für Across the Stars wichtig, der als Dritter im Lingfield Derby Trial vom Sieger Humphrey Bogart quasi gebremst wurde. Dennoch Außenseiter. Stehvermögen ist da, aber andere Kandidaten überzeugen mehr.

Algometer (Trainer David Simcock/Jockey Jim Crowley): Schimmel, Kampf-Sieger in einem Listen-Rennen in Goodwood, davor unterlag er nur dem zeitweiligen Derby-Favoriten Midterm. Talentiert, braucht aber weichen Boden. Den könnte er antreffen. Sein Trainer sieht ihn jedoch mehr als ein St. Leger-Pferd. Zumindest die Distanz sollte er können. Die Mutter Albanova gewann 2004 drei Gruppe 1-Prüfungen in Deutschland, darunter den Kölner Europa-Preis. Außenseiter, der überraschen kann.

Biodynamic (Trainer Karl Burke/Jockey Dougie Costello): Schön gesteigerter New Approach-Sohn aus dem Karl Burke-Stall, der aber als Vierter in der Chester Vase Grenzen sah. Ein Sieg im Derby wäre die Sensation.

Cloth of Stars (Trainer Andre Fabre/Jockey Mickail Barzalona): Wenn der französische Großtrainer Fabre Pferde auf die Insel schickt, werden Wetter und Bookies wachsam. Auch wenn Cloth of Stars bislang nie weiter als über 2000 Meter lief. Aber der Sea The Stars-Nachkomme siegte zuletzt in dem Rennen, dass damals auch Pour Moi, der Gewinner 2011, für sich entschied. Fabre ließ seinen Schützling zuletzt die trickreiche Epsom-Bahn testen, das Ergebnis stellte den Trainer zufrieden. Und Godolphin hofft mal wieder auf ein Derby-Pferd. Weicher Boden wäre passend.

Deauville (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Jamie Spencer): Die Form in den Dante Stakes war gut, dort scheiterte er nur an Wings of Desire. Nach Regen am Dienstag stark gewettet, aber ich sehe ihn nicht unbedingt als Sieger. Deauville ist für mich eher ein 2000 Meter-Pferd wie sein Bruder The Corsican. Der allerdings auch über 2400 Meter gewonnen hat.

Harzand (Trainer Dermot K. Weld/ Jockey Pat Smullen): In diesem Jahr stark verbesserter Sea The Stars-Sohn, zuletzt zweimal auf schweren Boden erfolgreich. Der letzte Sieg war in einer Gruppe 3-Prüfung in Leopardstown gegen den O’Brien-Vertreter Idaho. „Das Beste kommt noch“, sagte seiner Trainer danach. Zudem dass Harzand quasi nach 2400 Metern „schreie“. Sehr interessanter Teilnehmer, aber leichte Zweifel, ob dieses sehr große Pferd mit dem welligen Epsom-Kurs zurechtkommt.

Humphrey Bogart (Trainer Richard Hannon/Jockey Sean Levey): Sohn eines Sprinters, das Stamina kommt von der Mutter. Seltener Derbystarter aus einem Stall, der eher für schnelle Pferde bekannt ist. Nachgenannt nach seinem Erfolg im Lingfield Derby Trial. Humphrey Bogart kennt zudem die Bahn nach seinem zweiten Platz hinter der Top-Stute So Mi Dar. Dennoch eher Außenseiter.



35 Jahre ist das jetzt her: Shergar, der später viel traurigere Schlagzeilen machte, triumphierte 1981 im Epsom Derby. Sein Trainer: Michael Stoute, damals noch ohne Sir. Im Sattel war der famose Walter Swinburn

Idaho (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Jamie Heffernan): Talentierter Hengst, der aber zuletzt zwei Mal seine Grenzen, unter anderem als Dritter in den Derby Trial Stakes in Leopardstown, erkennen musste. Andere Kandidaten aus dem O’Brien-Quartier sind höher einzuschätzen.

Massaat (Trainer Owen Burrows/Jockey Paul Hanagan): Zweiter in den englischen 2000 Guineas und Zweiter zweijährig in den Dewhurst Stakes. Beides Gruppe 1-Prüfungen, das zeigt schon, dass Massaat zu den besten Pferden des Jahrgangs gehört. Das war aber über die Meile, 2400 Meter sind Neuland. Sein Trainer ist zuversichtlich, die Mutter stammt aber vom Sprinter Acclamation. Vater Teofilo ist ein Galileo-Sohn, der ein großartiger Zweijähriger war, aber dreijährig verletzungsbedingt nicht mehr lief. Immerhin produzierte er einige Nachkommen mit viel Stamina. Die Wundertüte im Rennen.

Moonlight Magic (Trainer Jim Bolger/Jockey Kevin Manning): Überzeugender Sieger des Derby Trials in Leopardstown auf gutem Boden vor Shogun und Idaho, davor floppte er auf schweren Boden in den Ballysax Stakes (Sieger Harzand). Sein erfahrener Trainer hält ihn für ein „echtes Derbypferd“ mit viel Stehvermögen. Ein weiterer Teilnehmer mit Chancen, der Boden sollte aber nicht zu weich sein.

Port Douglas (Trainer Aidan 0’Brien/Jockey Colm O’Donoghue): Sohn der Walzerkönigin, deren Halbbruder Wiener Walzer das Deutsche Derby 2009 gewann. Solider Vertreter aus dem O’Brien-Quartier, zuletzt knapper Zweiter hinter dem höher gehandelten Stallgefährten US Army Ranger in der Chester Vase. Frontrenner mit viel Stehvermögen, aber andere Kandidaten des Quartiers werden stärker eingeschätzt.

Red Verdon (Trainer Ed Dunlop/Jockey Silvestre De Sousa): Fünf Starts, drei Siege, zweimal Zweiter – diese eindrucksvollen Bilanz sorgte dafür, dass der Hengst für das Derby nac hgenannt wurde. Red Verdon zeigte sich von Start zu Start verbessert, muss aber dennoch einen gewaltigen Sprung aus der Handicap-Klasse bewältigen. An mangelndem Stehvermögen wird er definitiv nicht scheitern.

Shogun (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Donnacha O’Brien): Zeigte guten Schlussakkord im Derby Trial in Leopardstown, danach chancenlos in den Irish 2000 Guineas. Außenseiter, erster Derby-Ritt für Trainer-Sohn Donnacha O’Brien.

Ulysses (Trainer Sir Michael Stoute/Jockey Andrea Atzeni): Immer hoch gehandelt im Stoute-Quartier, aber wahrlich kein Frühstarter. Doch jetzt ist der Groschen gefallen, sein Maidensieg in Newbury war ein besserer Trainingsgalopp. Natürlich ist der Sprung ins Derby gewaltig, aber sein erfahrener Trainer weiß, wie er solche Kandidaten aufbaut. Dazu Vater Derbysieger, Mutter Oaks-Erste – so ein Pferd muss doch geboren sein für Großtaten in Epsom.

US Army Ranger (Trainer Aidan O’Brien/Jockey Ryan Moore): Erst zwei Starts, zuletzt Kampfsieger in der Chester Vase gegen den Stallgefährten Port Douglas. Immer ein Pferd mit großartiger Reputation im Ballydoyle-Quartier, Verbesserung wahrscheinlich und die Wahl von Ryan Moore. Auf dem Papier die Nummer 1 von Aidan O’Brien und natürlich mit guten Chancen, aber andere Kandidaten finde ich besser.

Wings of Desire (Trainer John Gosden/Trainer Frankie Dettori): Auch so ein Kandidat, der quasi über den zweiten Bildungsweg gekommen ist. Zuletzt aber ein überzeugender Gewinner der Dante Stakes, als er viel Speed zeigte. Diese Leistung macht ihn zu einem der Favoriten und John Gosden – im letzten Jahr Erster und Zweiter mit Golden Horn und Jack Hobbs – ist ein Meister darin, ein Pferd punktgenau vorzubereiten. Natürlich brandgefährlich.

Urteil
Selten in den letzten Jahren war ein englisches Derby so offen wie in diesem Jahr. Es fehlt das überragende Pferd, für fast jeden Kandidaten lässt sich etwas finden. Darum ist Ulysses schon ein sehr spekulativer Tipp, von der Maidenklasse zum Derby-Gewinn ist ein großer Sprung, aber ein alter Fuchs wie Sir Michael Stoute würde ihn nicht ins Derby schicken, wenn er chancenlos wäre. Lammtarra und Shaamit haben das auch geschafft. Ist nur einige Zeit her.