Caravaggio war der Beste
Fünf Tage Royal Ascot, dieses Spektakel nimmt einen völlig mit. Galopprennen der Extraklasse in einer extravaganten Atmosphäre – meine persönlichen Höhepunkte 2017.

Es war am Samstag, Tag 5 von Royal Ascot, gegen 17:20 Uhr, da hatte ich endgültig den Kaffee auf: The Tin Man hatte gerade in den Diamond Jubilee Stakes (Gruppe 1, 1200 Meter) gesiegt – vor meinem Tipp Tasleet. Zwei Meter weiter hätte dieser gewonnen. Wieder mal Blech, wieder mal ein Tipp, der gut lief, aber eben nicht die Nase vorne hatte. Pferderennen können für Wetter so grausam sein.
So ging das fast das ganze Festival. Wetttechnisch war das königliche Spektakel diesmal eines zum Vergessen. Hätte ich vorher schon Glück mit meinen Tipps gehabt, hieße der Sieger des Gruppe 1-Sprints Tasleet. Aber grau ist eben alle Theorie.
Sportlich gab es in dem beschaulichen Ort in der englischen Grafschaft Berkshire mal wieder Galoppsport der Extraklasse. Unvorstellbar in Deutschland: Alle Rennen liefen im Free-TV, ITV hat den bisherigen Rechteinhaber Channel 4 abgelöst.
Im vernunftorientierten Deutschland guckt man auf das Festival immer mit einer gewissen Verwunderung. Die Hüte, die Fräcke und die königliche Prozession – das wirkt skurril, typisch britisch und hat etwas von Karneval der Oberschicht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Pferde ein wenig stören beim Feiern. Meine Momente des königlichen Festivals 2017, natürlich ist die Auswahl völlig subjektiv.

Caravaggio im Commonwealth Cup
Der Teufel, so lautet ein (etwas) derber Spruch, scheißt immer auf den größten Haufen. Natürlich ist es völlig despektierlich, die grandiosen Erfolge von Ballydoyle/Coolmore (über 300 Gruppe 1-Erfolge) alleine mit Glück zu erklären. Dazu gehört viel mehr und Aidan O’Brien ist ein Trainer, der es immer wieder schafft, seine Pferde punktgenau in Top-Form zu bringen. Wie viele überragende Vollblüter die Organisation in jeder Saison herausbringt, ist sensationell – auch wenn die Insassen von der Abstammung alle erstklassig sind.
Caravaggio heißt der nächste Überkandidat. Wie er im Commonwealth Cup über kurze 1200 Meter beschleunigte und leicht an Harry Angel und Blue Point vorbeizog, das war atemberaubend. Der Zweite (der besonders) und der Dritte sind ganz tolle Pferde. Doch sie waren keine Gegner. „Er ist das schnellste Pferd, das ich je trainiert habe“, sagt O’Brien über Caravaggio – noch schneller etwa als seine bisherigen Top-Sprinter Mozart und Stravinsky.

Barney Roy in den St. James’s Palace Stakes
Nicht immer siegt ein klarer O’Brien-Favorit. Manchmal gibt es sogar Ausnahmen, manchmal triumphiert sogar Godolphin. Barney Roy gewann in den blauen Farben vor dem O’Brien-Insassen Lancaster Bomber, der gemeinte Kandidat Churchill nahm sich hingegen eine Auszeit nach seinen Triumphen in den englischen und irischen Guineas. Allerdings: Barney Roy ist ebenfalls ein ganz tolles Pferd. Wenigstens da lag der Kolumnist mal richtig.

Big Orange im Gold Cup
Für viele Traditionalisten ist der Gold Cup über lange 4014 Meter das Rennen des Festivals. Weil oftmals Pferde vorne sind, die schon länger dabei sind. Big Orange passt in diese Kategorie. Sechs Jahre alt ist der Wallach inzwischen, im Gold Cup 2017 machte er sein Meisterstück. Wieder auf die harte Art von der Spitze aus: Der Schützling von Trainer Michael Bell wehrte tapfer die Angriffe des Favoriten Order Of St. George (natürlich aus dem O’Brien-Quartier) ab. Die Menge tobte und feierte den Sieger frenetisch.
Ryan Moore, der Jockey des Zweiten, musste nach dem Rennen einige Kritik einstecken, weil er den Vorjahressieger zu spät eingesetzt hätte. Je häufiger ich das Rennen sehe, desto mehr halte ich die Kritik für falsch. Big Orange wollte einfach gewinnen – basta. Order Of St. George wäre an diesem Tag niemals vorbeigekommen.



Dresscode für Royal Ascot. Ob sich das jemals ändern wird?

Lady Aurelia in den King’s Stand Stakes
2016 hatte Lady Aurelia die Queen Mary Stakes für sich entschieden. Damals war die amerikanische Stute zweijährig und deklassierte ihre Gegner von der Spitze aus. Wiederholung unmöglich? Von wegen – in den King’s Stand Stakes marschierte der „Speedball“ von Trainer Wesley Ward wieder von vorne und niemand konnte ihr folgen. Es war eine Vorstellung wie von einem anderen Stern.

Coronet in den Ribblesdale Stakes
Jockey Olivier Peslier begleitet mich gefühlt mein ganzes Turf-Leben lang. 1996 ritt er Borgia zum Erfolg im Deutschen Derby, es war mein erster getroffener Deutscher Derby-Sieger. Der Franzose ist einer der besten Jockeys aller Zeiten. Seine ganze Weltklasse demonstrierte er in den Ribblesdale-Stakes, als er mit Coronet – trainiert von John Gosden – auf den letzten Metern noch die Favoritin Mori niederkämpfte. Ein Finish der Extraklasse oder anders gesagt: Das entscheidende Tor in der 92. Minute.

Permian in den King Edward VII Stakes
Permian war meine Empfehlung für das Englische Derby. Dort lief es bekanntlich für den Schützling von Trainer Mark Johnston nicht so gut, der Kolumnist war danach ein wenig enttäuscht. Nichtsdestotrotz blieb der Hengst erste Wahl in dieser weniger anspruchsvollen Gruppe 2-Prüfung – bis ich mich kurz vor dem Rennen anders entschied und Best Solution aus dem Godolphin-Quartier von Saeed Bin Suroor wettete. Eine selten dumme Entscheidung: Permian wehrte von der Spitze aus alle Gegner ab, Best Solution lief schwach und unplatziert. Selber schuld.