Donnerstag, 14. April 2016
So viele TV-Zuschauer wie ein Tatort
Aus deutscher Sicht klingt das wie ein Märchen: Fast zehn Millionen Zuschauer haben am letzten Samstag das Grand National auf dem englischen Sender Channel 4 gesehen. So viele Zuschauer schauen am Sonntagabend in Deutschland etwa den Tatort, selbst manche Fußballspiele erreichen niedrigere Werte.

Das muss man erst einmal wirken lassen. Auch wenn dies zehn Millionen in der Spitze waren und dieser Wert nicht von Dauer war. Aber lass’ es mal sechs oder sieben Millionen gewesen sein, die die ganze vierstündige Übertragung gesehen haben. Das ist immer noch gigantisch: Diese Menschen schalten den Fernseher wegen eines Pferderennens an. In Deutschland wären es vielleicht 50 000. Oder weniger.
Zugegeben, das Grand National gehört in England zum sportlichen Kulturgut. Es ist die Prüfung, bei der auch Menschen eine Wette tätigen, die nie etwas mit Pferderennen zu tun haben. Sonst haben die Turf-Sendungen von Channel 4, der seit 31 Jahren Rennen überträgt und 2012 die noch verbliebenen Rechte von der BBC übernahm, viel geringere Quoten.
Im Vergleich zu vergangenen BBC-Zeiten ist die Resonanz in den letzten Jahren deutlich gesunken. Das Derby 2015 schauten in der Spitze 1,47 Millionen Zuschauer, mehr als die Hälfte weniger als bei der letzten Übertragung durch die BBC. Fast schon deutsche Verhältnisse gab es beim letzten King George am zweiten Weihnachtstag, als gerade mal durchschnittlich 475 000 vor ihren TV-Geräten die Übertragung verfolgten.
Die gefallenen Quoten sind auch ein Grund dafür, dass ab 2017 ITV die Senderechte von Channel 4 übernimmt. Viele englische Galopp-Anhänger kritisieren Channel 4, dass die Rennen zu sehr in den Hintergrund rücken und Nebensächlichkeiten wie Mode und Society zuviel Raum einnehmen. Das mag bei Veranstaltungen wie Royal Ascot oder Glorious Goodwood richtig sein, wo der Modemensch und die Society-Tante (Standardsatz: You look gorgeous, übersetzt: du sieht fantastisch aus) auf die Dauer gewaltig nerven.

Großes Kino
Beim Grand National-Meeting fehlen die beiden jedoch. Als Deutscher an TV-Diät in Sachen Turf gewohnt, kann man nur staunen. Allein am Samstag war Channel 4 vier Stunden auf Sendung, alles mit hohem personellen Aufwand. Zur Crew zählten unter anderem die Ex-Top-Jockeys Tony McCoy und Mick Fitzgerald als fachliche Verstärkung.
Das Programm war so vollgepackt, dass die Analyse fast ein wenig zu kurz kam. Aber McCoy machte seine Sache eigentlich ganz gut. Und die Bilder, die Channel 4 lieferte, waren grandios, ganz großes Kino. Aus deutscher Sicht klingt Kritik so und so komisch – bei der tristen Lage in unserem Heimatland.
Ansonsten scheint das Grand National in Deutschland umstrittener als auf der Insel zu sein. Jedenfalls war es am Samstag auf weich-schwerem Boden ein gutes Rennen, alle kamen einigermaßen heil nach Hause. Die Veränderungen 2012 haben sich bewährt.
Nur der Kolumnist hat immer noch keinen Sieger im Grand National getroffen. Dabei sah es diesmal so gut aus: The Last Samuri lief ein großartiges Rennen, sprang fantastisch über die immer noch gigantischen Hindernisse und als der Kolumnist schon dachte, alle sind abgeschüttelt, kam 340:10-Schuss Rule The World und triumphierte. Knapp vorbei ist auch daneben.



Freitag, 8. April 2016
Nur vorsichtige Pferde siegen im National
Spätestens um 18:30 deutscher Zeit wissen wir am Samstag, wer das Grand National in Aintree gewonnen hat. Ob es ein gutes Rennen ohne irgendwelche Zwischenfälle war. Und ob der Kolumnist endlich mal den Sieger getroffen hat.

11 Grade 1-Prüfungen, vierbeinige Top-Stars wie Cue Card, Annie Power oder Thistlecrack – doch im Mittelpunkt des dreitätigen Aintree-Meetings steht ein profanes Handicap. Das Grand National – jedes Jahr am zweiten Samstag im April auf der Bahn nahe Liverpool ausgetragen – kennen auch Menschen, die sich sonst nicht mit Galopprennen beschäftigen.
Auf der Insel zählt das Spektakel zum sportlichen Kulturgut und ist zudem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Bei keiner anderen Prüfung wird mehr gewettet. Experten schätzen den Wettumsatz nur für dieses Rennen auf rund 150 Millionen Pfund, jeder vierte erwachsene Engländer soll eine Wette laufen habe. Durch die spätere Laufzeit in diesem Jahr soll zusätzlicher Wettumsatz generiert werden. Die Rennbahn in Aintree ist ausverkauft, auch wenn die Eintrittspreise so hoch wie bei einem Pop-Konzert sind.

Becher’s und The Chair
„Faszination und Abscheu“, habe ich 2009 über das National getitelt. Es war einer meiner ersten Texte für diesen Blog. „Das Grand National ist eine Mischung aus Faszination und Abscheu. Faszination, weil es eines der schwersten Rennen der Welt ist, höchste Anforderungen an Pferd und Reiter stellt und es schon eine Leistung ist, über die schweren Sprünge überhaupt das Ziel zu erreichen. Abscheu, weil Pferde stürzen, sich verletzen und manche ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen“, schrieb ich damals.



Die National-Legende: Red Rum

Und weiter hieß es dort: „Auch wenn die Hindernisse vor einigen Jahren entschärft wurden, fordern „Becher's Brook“, „Foinavon“ oder „The Chair“ den Teilnehmern alles ab. Solche Hindernisse gibt es auf keiner anderen Rennbahn – und am Start sind wohlgemerkt ältere Pferde, die viel Erfahrung über Jagdsprünge haben. Erschwerend sind zudem die Marathondistanz von 7 141 Metern (so weit wie in keinem anderen Rennen) und die hohe Starterzahl von rund 40 Pferden“. Das alles gilt heute noch, auch wenn sich manches besserte.
2012 hatte ich mal die Nase voll. Nach einem Rennen voller Zwischenfälle wurden die Hindernisse noch mal entschärft. Seitdem lief alles glatt, es gab keine weiteren Todesfälle mehr.

Nervensache
Channel 4 überträgt das komplette Meeting und trotz des hochklassigen Rahmenprogramms dreht sich dort vieles um das Grand National. Eine Idee der Fernsehmacher: ein spezielles National-Dinner, Aintree a la Carte. Unter Moderation des heutigen Sir Anthony Mc Coy sitzen dort weitere Koryphäen, die alle schon einmal in diesem Marathon erfolgreich waren: Oliver Sherwood, Trainer des letztjährigen Siegers Many Clouds, Trainer-Legende Martin Pipe (83 Starter – 1 Erfolg), Trainer Paul Nicholls, Jockey Davy Russell und Katie Walsh als erfolgreichste weibliche Reiterin. Sie essen und trinken, die geäußerten Weisheiten sind manchmal nahe am Phrasenschwein, aber eben auch ziemlich ergiebig. „Er war vorsichtig“, sagt Nicholls über seinen Sieger 2012 Neptune Collonges. Und manche Pferde verlieren schon am Start, weil sie den Aufregungen nervlich nicht gewachsen sind.
Wer gewinnt also 2016? Es ist das übliche Rätsel, mit Vorjahressieger Many Clouds und King George-Sieger Silviniaco Conti sind Top-Pferde dabei. Aber es ist ein Handicap und der Kolumnist steht auf The Last Samuri: Ein Pferd mit viel Stehvermögen und bei weitem noch nicht erfasst, also günstig im Handicap. Die zweite Wahl fiel sehr schwer, Morning Assembly ist nur eine von mehreren Alternativen. Die Buchmacher aber fürchten nur einen Mann: Jockey Leighton Aspell und einen möglichen Hattrick.



Montag, 22. Februar 2016
Ruby und der verdammte letzte Sprung
Dieses Wochenende lief alles glatt für Ruby Walsh: Mit Boston Bob siegte er sogar in der Bobbyjo Chase in Fairyhouse, dem besten Rennen des Tages in Irland. Dabei profitierte der Reiter auch vom Sturz des Favoriten Mala Beach. Aber dennoch ist Walsh derzeit bei manchen Wettern nicht gerade beliebt. Der Grund: Der irische Top-Jockey fiel zuletzt mit einigen gut gewetteten Pferden am letzten Hindernis.

Schon schreien manche Zeitgenossen Betrug und Schwindel, denn ihre Wetten waren nun natürlich kaputt. Walsh arbeite ja auch als Kolumnist für einen großen irischen Buchmacher. Dieser sei natürlich froh, argumentieren die Walsh-Gegner, wenn er nicht auszahlen muss. Denn alle Walsh-Ritte, in der Regel klare Favoriten aus dem Willie Mullins-Stall, wurden vorher kräftig gewettet. Sind diese Verschwörungstheorien also Humbug oder steckt hinten ihn doch ein Stück Wahrheit?
Beginnen wir mit den Fakten: Das letzte Desaster passierte am Sonntag vor einer Woche in Navan, als er mit dem klaren Favoriten Black Hercules stürzte. In der Woche davor fiel Valseur Lido in bester Haltung am letzten Hindernis im großen Jagdrennen in Leopardstown. Beide Pferde wirkten hoch überlegen.
Viele Wetter erinnern sich noch an die Vorfälle mit Un de Sceaux und Annie Power. Auch diese Ritte standen in der Zockergunst ganz oben, auch sie waren auf der Siegerstraße, auch sie gingen am letzten Hindernis zu Boden. In jedem Fall sparten sich die Buchmacher große Auszahlungssummen.
Das Fachblatt Racing Post nennt Zahlen an: Mit Walsh im Sattel fielen mehr Pferde als etwa mit den Kollegen A P Mc Coy und Richard Johnson im Zeitraum 2005 bis heute. Allerdings: Das sind gerade mal ein Prozent aller Ritte von Ruby Walsh. Also eher Peanuts.

Nur Pech
Die Gründe für die Stürze sind vielschichtig, manchmal ist es einfach nur Pech. Sagt auch Ex-Jockey Peter Scudamore gegenüber der Racing Post. „Ruby ist einer der besten Reiter, die ich je gesehen habe“, meint der ehemalige Champion. Wenn er technisch etwas falsch machen würde, würde er (Scudamore) das bemerken. Aber das sei nicht der Fall.
Der Vater von Jockey Tom Scudamore nennt das Beispiel Annie Power im letzten Jahr in Cheltenham. Das sei einfach nur Pech gewesen, ein Schatten hätte die Stute irritiert. „Diese Dinge passieren in einem Jockey-Leben“. Wichtig sei es, nicht das Selbstvertrauen zu verlieren.
Nun wirkt Ruby Walsh immer für den Kolumnisten wie jemand, der Selbstvertrauen ohne Ende besitzt. So viel, dass das für den Beobachter schon fast arrogant wirkt. Jedenfalls gehen viele Pferde für Walsh optisch immer sehr gut, sitzt er lange still und ist oft der Letzte, der sich im Sattel bewegt. Cool bis zum Limit. Das mag natürlich an der Klasse seiner Ritte liegen, aber bei Ruby sieht Rennreiten nie nach Arbeit aus. Auch das mag die Häme mancher Kritiker hervorrufen. Walsh ist eben Champions League.
Damit sind wir bei der Frage, ob irgendwelche Manipulationen im Spiel seien? Ich bin nicht naiv und glaube schon lange nicht mehr an den unbelasteten Sport. Aber ein Hindernisjockey, der freiwillig vom Pferd fällt und für Geld schwere Verletzungen riskiert, muss schon reichlich dämlich sein. „Fallen mit Absicht ist Schwachsinn“ meint der ehemalige Kollege Robbie McNamara, der nach einem schweren Sturz nicht mehr aktiv sind. Leider ist diese Meinung nur für registrierte Nutzer der Zeitschrift Irish Field nachlesbar. Aber dennoch ist dem nichts hinzufügen. Ruby Walsh hat so etwas doch auch gar nicht nötig – bei seinen vielen Erfolgen.



So geht es auch: die wunderbare Auferstehung von Killultagh Vic und Ruby Walsh



Mittwoch, 17. Februar 2016
Goodbye Flakey Dove
Es gibt Pferde, die vergisst man sein ganzes Leben nicht. Flakey Dove ist so eine Kandidatin. Eine Stute, die sehr erfolgreich über Hindernisse lief und als Krönung 1994 die Champion Hurdle in Cheltenham gewann. Sie bleibt dem Kolumnisten auch ewig im Gedächtnis, weil sie eine der ersten Wett-Treffer beim Cheltenham Festival war. Spätestens seitdem grassiert an vier (bzw. früher an drei) Tagen im März ein gewisser Wahnsinn, der alle anderen Dinge in den Hintergrund stellt. Flakey Dove starb jetzt im hohen Alter von 30 Jahren.

1994 – lang ist es her. Persönlich ging es mir damals nicht so gut, zwei Jobs nach erfolgreichem Studium erwiesen sich als der berühmte Griff ins Klo. Jedenfalls hatte ich damals viel Zeit, aber leider auch wenig Geld.
Immerhin hatte ich einen neuen Zeitvertreib: englische Pferderennen. Die liefen seit etwa zwei Jahren beim Buchmacher meines Vertrauens. Der Kommentator war eine Wucht: Sätze wie „Finger in der Nase“ und „….sitzt noch wie im Kino“ wurde schnell zu Insidergags. Ich war fasziniert.
Im Winter gab es fast ausschließlich Hindernisrennen. Eine neue Welt: Zu dieser Zeit sah es im deutschen Hindernissport zwar besser als heute aus, dennoch spielte er nur eine kleine Rolle. Auf der Insel aber, da liefen Top-Pferde mit großartigen Jockeys wie Peter Scudamore und Richard Dunwoody.
Zudem konnte man beim Bookie die Racing Post kaufen, eine ganz andere Liga als die damals textlich und gestalterisch reichlich angestaubte Sport-Welt.
Jedenfalls konnte ich 1994 das Cheltenham-Festival in voller Breite erleben. Die Champion Hurdle wurde zum ersten Höhepunkt. Flakey Dove gewann mit Mark Dwyer letztlich souverän gegen Oh So Risky und Large Action. Der Kolumnist freute sich über 50 DM, seine Stimmung stieg merklich.

David schlägt Goliath
„Als die kleine Stute inmitten ihrer nobleren und solideren Rivalen paradierte, sah sie aus wie ein unwürdiger Teilnehmer. Auf der Bahn aber war das eine andere Geschichte”, schrieb 1994 der Independent. Es war die klassische Außenseiter-Geschichte: Ihr Trainer war ein Farmer aus Leominister in der englischen Grafschaft Herefordshire, der Rinder und Schafe besaß und nebenbei ein paar Pferde trainierte.
Die „schuppige Taube“ (frei übersetzt) war das beste Pferd, das Richard Price je besaß und betreute. „Sie nahm uns mit zu all den Top-Rennbahnen und lief immer sehr ordentlich“, erinnerte sich Price.
Insgesamt lief Flakey Dove 44 mal sowohl über die Hürden als auch über die Flachbahn, siegte in 14 Rennen und verdiente fast 250 000 Pfund Preisgeld.
Doch dieser 14. März 1994 war der Tag ihres größten Triumphs. Sie war die erste und letzte Stute nach der legendären Dawn Run im Jahre 1984, die sich die Champion Hurdle sicherte.
Ein Jahr später beendete Flakey Dove ihre Laufbahn. Natürlich bleib sie bei Richard Price in der Zucht, doch keiner ihre Nachkommen hatte ihr Format auf der Rennbahn. Flakey Dove starb am 13. Februar im Alter von 30 Jahren.



Der Buchmacher-Vertreter hatte die richtige Vorahnung: Flakey Dove schlägt Oh so Risky in der Champion Hurdle 1994



Freitag, 22. Januar 2016
Die Dominanz des Willie Mullins
Sie siegen und siegen und siegen – die Schützlinge von Trainer Willie Mullins. Viele sind absolute Top-Pferde und ihr Betreuer ein wahrer Meister. Nur der Kolumnist findet das nicht so gut. Weil zu viele 18:10-Sieger nicht sein Ding ist.

Irgendwie sprach aus diesem Post schon ein wenig Verzweiflung. „Ich kann es nicht länger ertragen: Mullins gewinnt alles. Wo sind die Gegner? Langweilig“, postete der Kolumnist im englischen Cheltenham-Forum auf Facebook. Es war der letzte Samstag. Gerade hatten zwei Schützlinge des irischen Trainers Willie Mullins in einer Grade 2-Hürdenprüfung im englischen Warwick ihre englischen Kontrahenten deutlich abgehängt. Bereits zwei Rennen vorher hatte Black Hercules ein Jagd-Listenrennen mit dem berühmten „Finger in der Nase“ gewonnen.
Dabei handelt es sich bei den siegreichen Pferden zwar um leistungsstarke Kandidaten, aber nicht unbedingt um die erste Garde aus dem mächtigen irischen Quartier. Auch ihre englischen Gegner waren zwar talentiert, aber keine Top-Klasse.
Selten dominierte ein Trainer so den englisch-irischen Hindernissport wie der 59jährige Willie Mullins. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass etwa ein Martin Pipe oder später ein Paul Nicholls zu den seligen Zeiten von Kauto Star, Big Bucks oder Denman so die Szenerie beherrscht haben.

Legenden
Der Mann aus dem irischen Closutton im County Kildare kommt aus einer Rennsport-Familie, sein Vater war der legendäre Trainer Paddy Mullins. Aber der Sohn ist selbst auf dem Weg zur Legende. Schon im letzten Jahr feierten die Mullins-Starter beim Cheltenham-Festival gigantische acht Siege.
In diesem Jahr scheinen die Karten noch besser zu sein. Es könnte sein, dass Mullins alle Grade 1-Prüfungen des Festivals gewinnt.
Manche Buchmacher auf der Insel haben schon Alpträume am ersten Meetings-Tag, wenn manche Wetter die große Mullins-Sieg-Schiebe durchbekommen würden. Diese würden bestehen aus Min (Favorit in der Supreme Novices Hurdle, Racebets-Kurs 2,37), Douvan (Arkle Chase, Rb-Kurs 1,66), Faugheen (Champion Hurdle, Rb-Kurs 1,57) und Annie Power (Rb-Kurs 1,80, David Nicholson Mares Hurdle). Ergebe bei 10 Euro Einsatz rund 111 Euro.
Auch sonst hat Mullins allererste Chancen beim Gipfeltreffen der besten Hindernispferde im März. Un De Sceaux (Champion Chase, Rb-Kurs 2,5), Vautour (Ryanair Chase Rb-Kurs 2,5) sind weitere heiße Kandidaten. Dazu kommen weitere potenzielle Stars in den Novice-Hurdle-Prüfungen und dem Champion Bumper. Und selbst im Gold Cup sind mit Djakadam (Kurs 4,5) und Don Poli (Kurs 6,5) Mullins-Pferde an der Spitze des Wettmarkts.

Tierarzt
Woher kommt diese Dominanz? Seit Jahren geht es nur noch aufwärts, in Irland ist Willie Mullins schon seit Jahren unangefochten Champion. Auch in England beherrschen die Mullins-Pferde die Festivals in Cheltenham und Aintree.
Zum einen profitiert der Trainer davon, dass führende englische Quartiere in diesem Jahr relativ schwach an vierbeinigen Stars sind: Nicky Henderson etwa hatte schon deutlich stärkere Teams, bei Paul Nicholls sieht es noch düsterer aus. Und auch David Pipe hat bislang eine eher ruhige Saison.
Doch der entscheidende Grund für diesen Aufstieg sind Besitzer wie Rich Ricci, Graham Wylie oder Ryanair-Chef Michael O’Leary, dessen Pferde unter dem Namen Gigginstown Stud laufen. O’Leary hat allerdings auch Pferde bei anderen Trainern wie etwa Gordon Elliott.
Eng mit dem Aufstieg verbunden ist etwa Rich Ricci. Der Vorname ist hier Programm. Ein ehemaliger Banker, der mit einer Riesenabfindung in den Ruhestand ging. In den Nach-Zeiten der Bankenkrise kam das damals nicht gerade gut an.
Ricci hält sich zu diesem Thema eher bedeckt und investierte lieber in Pferde wie Faugheen, Douvan oder Annie Power. Dabei zeigt er Konsequenz: Alle seine Pferde werden in Irland und von Willie Mullins trainiert.
„Was mich am meisten an Willie beeindruckte, dass er mich nie wie einen weiteren Idioten mit Geld behandelte“, sagte Ricci über seinen Trainer. „Er war geduldig, offen, konnte nicht hilfsbereiter sein, nahm sich Zeit, Dinge zu erklären.“ Zum Beispiel über die Anatomie von Pferden. „Er könnte auch Tierarzt sein”. Es ist eine Beziehung mit beidseitigem maximalen Nutzen: der Trainer erkennt die Talente, der finanzkräftige Besitzer kauft die Pferde.

Teamwork
Mullins Fähigkeiten, Pferde zu entwickeln und dann zur Spitze zu führen, gelten als unvergleichlich. Hinzu kommt ein starkes Team zuhause und draußen.
„Harold Kirk wählt unsere Pferde aus. Er ist einer dieser heimlichen Helden bei Willie“, sagt Ricci. Er sei brillant, der Erfolg spreche für ihn.
Natürlich ist der Mullins-Stall der FC Bayern München des Hindernissports. Aber Geld alleine macht nicht erfolgreich. Manche Pferde entwickeln sich ungemein: Min etwa, der Favorit in der Supreme Novice Hurdle, lief bei zwei Starts in Auteuil eher schwach, kam für gerade mal 6 000 Euro nach Irland und wurde dort zur Nachwuchskraft der besonderen Güte. Aber so schön finde ich diese Dominanz bei allem Respekt nicht. Weil ich etwa ungern Unter-Pari-Favoriten für kleines Geld wette. Weil nicht immer der Favorit gewinnen muss. Sechs Leute mochten das immerhin bei Facebook.



Charmante Dokumentation aus Frankreich über den Champion-Trainer. Acht lohnende Minuten



Mittwoch, 23. Dezember 2015
Don Cossack der Tipp in einem tollen King George
Am zweiten Weihnachtstag um 16:10 deutscher Zeit schon was vor? Eine Alternative zu Printen und Plätzchen ist wie immer die King George VI Chase (natürlich Grade 1, Distanz 4.828 m) auf der Rennbahn in Kempton. 2015 ist die Prestigeprüfung so offen wie schon lange nicht mehr. Starter und Chancen.

Al Ferof (Trainer Dan Skelton): Der markante Schimmel war in den letzten Jahren zweimal Dritter im King George, jedes Mal deutlich hinter dem damaligen Stallgefährten Silviniaco Conti. Damals trainiert von Paul Nicholls, seit dieser Saison aber heißt der Betreuer Dan Skelton. Überzeugende Generalprobe in der Peterborough Chase, profitierte aber auch vom Sturz seines stärksten Gegners. Ein Top-Pferd, das aber noch nie über drei Meilen gewonnen hat.

Ballynagour (Trainer David Pipe): Immer hoch geschätzt im Pipe-Stall, aber auch in Bestform immer ein Stück hinter den Besten. Stärkste Form war ein zweiter Platz in der Aintree Bowl hinter Silviniaco Conti. Zuletzt jedoch wieder deutlich geschlagen in Haydock in der Lancashire Chase (Gr.1).

Cue Card (Trainer Colin Tizzard): Ob es am neuen Stallgebäude liegt? Oder beflügelt der neue Steuermann Paddy Brennan? Cue Card präsentiert sich in dieser Saison so gut wie noch nie. Man muss nur das Strahlen in den Augen von Trainer Colin Tizzard sehen, wenn er über den Wallach spricht. Zwei Erfolge zuletzt und besonders der Treffer in den Lancashire Oaks gegen Silviniaco Conti war eine grandiose Vorstellung. Es ist der vierte Versuch in der King George Chase, das beste war bislang ein zweiter Platz. Das soll besser werden, der Tizzard-Stall ist zudem gut in Form.



Ein Blick zurück ins Jahr 1999: Es siegte der hochklassige See More Business mit Jockey Mick Fitzgerald. Es war sowohl der zweite Erfolg für See More Business als auch Trainer Paul Nicholls nach 1997. Nicholls blieb bekanntlich nicht bei zwei King George-Triumphen stehen

Don Cossack (Trainer Gordon Elliott): In acht seiner letzten neun Starts blieb Don Cossack teilweise sehr überlegen vorne, nur in der Ryanair Chase in Cheltenham langte es nach einem Fehler und einem schlechten Rennverlauf „nur“ zu Platz 3. 200 Meter weiter und er hätte gewonnen, so beschleunigte er noch. Danach aber machte der im Gestüt Etzean aufgewachsene Sholokhov-Sohn keine „Gefangenen“ mehr, siegte unter anderem gegen Cue Card und Al Ferof. Zwei leichte Erfolge in dieser Saison, die Distanz sollte passen.

Irish Cavalier (Trainer Rebecca Curtis): Talentiertes Pferd, kommt aus dem Nachwuchs-Bereich und zeigte dort einige gute Formen. Mit seinen sechs Jahren steht er zudem am Anfang seiner Karriere. Die King George Chase ist die bislang schwerste Aufgabe, der Wallach müsste sich schon deutlich steigern. Zudem scheiterten die zwei Versuche über drei Meilen. Immerhin läuft es am Stall wieder besser.

Silviniaco Conti (Trainer Paul Nicholls): Spezialist, der den dritten Sieg in Folge im King George anstrebt. Trainer Paul Nicholls ist zudem der Experte für diese Prüfung, denn davor war das Prestige-Rennen fest in Händen des mächtigen Kauto Star. Aber ist Silvianico noch so gut wie in den Jahren zuvor? Die diesjährigen Vorstellungen waren in Ordnung, allerdings war er beispielsweise in Haydock deutlich hinter Cue Card. Auch die Trainerform war schon mal besser.

Smad Place (Trainer Alan King): Das Pferd mit dem besten Stehvermögen im Feld, immer hoch eingeschätzt im Stall. Der Schimmel lieferte seine bislang beste Vorstellung mit einem Start-Ziel-Erfolg im Hennessy in Newbury ab. Das Rennen mag zwar nur ein Handicap sein, aber wird in der Regel von sehr guten Pferden gewonnen. Davor war der King-Schützling mehrmals in Grade 1-Aufgaben deutlich geschlagen. Zudem könnte Smad Place auf dem flachen Kurs in Kempton gegen Pferde mit mehr Speed den Kürzeren ziehen.

Valseur Lido (Trainer Willie Mullins): Ein Sohn des einst in Frankfurt von Dave Richardson trainierten Anzillero. Auch schon Grade 1-Gewinner in der Novice-Klasse, kommt mit soliden Formen, war aber mehrfach hinter dem Stallgefährten Vautour.

Vautour (Trainer Willie Mullins): Letzte Saison ein überragender Newcomer, gewann die J L T Novices Chase in Cheltenham wie ein Pferd anderer Klasse. Kennt nur die Plätze 1 und 2, der Saisonauftakt war eher ein Arbeitssieg. Jetzt geht es gegen die großen Jungs. Die Klasse sollte Vautour haben, die Distanz ist aber so weit wie noch nie.

Urteil
Silviniaco Conti wäre natürlich ein Champion der Herzen, wenn er den Hattrick in diesem Rennen schaffen würde. Sein Trainer ist ein Meister, wenn es darum geht, Pferde punktgenau zu trainieren. Doch im Vergleich zu den Vorjahren sind die Rivalen besser in Form: Cue Card und Smad Place kommen mit großartigen Formen, Vautour sollte noch längst nicht alles gezeigt haben. Aber mein Tipp heißt Don Cossack, ebenfalls gut in Schuss und ein Kandidat mit weiteren Reserven.



Freitag, 11. Dezember 2015
Ein Lob der Stallform
Außenstehende schütteln darüber oft den Kopf, aber die These stimmt: Läuft eines oder laufen mehrere Pferde gut und gewinnen sogar, dann zieht das auch ihre Artgenossen mit. Diese siegen dann ebenfalls, auch wenn andere Mitbewerber vielleicht bessere Vorformen haben. Am letzten Wochenende gab es in England ein gutes Beispiel für gute Stallform: Sieben Pferde sattelte Trainer Gary Moore Freitag und Samstag in Sandown. Sechs Mal triumphierte das Quartier aus Lower Beeding, West Sussex.

Manchmal wären Tipps von außen ganz nützlich. Zum Beispiel am Samstag vor einer Woche. „Mein Freund“, hätten ihnen eine Stimme von außen zugeflüstert, als sie gerade das Rennprogramm des Tages begutachteten. „Wette die Pferde von Gary Moore in Sandown. Flute Bowl, Ar Mad und zur Krönung des Ganzen Sire De Grugy in der Tingle Creek Chase. Neben Siegwetten machst du noch eine Siegschiebe auf die drei. Der Trainer hat großartige Form, gestern hat er mit drei Startern drei Rennen gewonnen.“
Hätte man diese Tipps befolgt und eine Siegschiebe für fünf Euro gespielt, hätte man fast 1950 Euro gewonnen. Keine schlechte Rendite, aber natürlich blieb die Stimme von außen ungehört.
Weil es gegen jedes dieser Pferde auch Gegen-Argumente gab: Flute Bowl lief etwa in einem sehr ausgeglichen besetzten Stuten-Handicap, Ar Mad traf in der Henry VII Chase (Gr. 2) auf hoch eingeschätzte Kandidaten prominenter Stelle und Stallcrack Sire De Grugy enttäuschte beim Saisonauftakt wie in der Saison zuvor.

Familiensache
Trainer Gary Moore gilt als harter Arbeiter, zählt aber nicht zu den Großen der Branche. Der Stall ist ein Familienbetrieb – Vater Coach, die Söhne Jamie und Joshua reiten, ein weiterer Sohn ist der Top-Flachjockey Ryan Moore, trainiert werden sowohl Hindernis- als auch Flachpferde. Karinga Bay war zu Beginn der neunziger Jahre ein bekanntes Pferd, das unter anderen den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann. Aber in der Regel betreute Moore schwächere Kandidaten, die Erfolge von Sire De Grugy in den Grade 1-Prüfungen waren die bislang größten seiner Karriere.
Aber am Samstag lief alles optimal: Flute Bowl gewann sicher, Ar Mad sprang und galoppierte die Kontrahenten von der Spitze aus müde und der Sire profitierte auch ein wenig vom Pech seines Rivalen Special Tiara, überstand zudem eine Überprüfung. Der Kolumnist hängte sich zumindest beim Sire mit einer Wette rein, obwohl Special Tiara sein Mumm war. Aber die Frage stellt sich dennoch: Hat der Moore-Schützling, das überragende Pferd der Saison 2013/2014 über die kurze Jagdstrecke, wieder an die Bestform anknüpfen können? Oder haben ihn die guten Leistungen seiner Kollegen beflügelt?

Spezialisten
Für Außenstehende ist das Thema Stallform schon ein Phänomen: Warum sollten Pferde auf einmal schneller als die Konkurrenz laufen, nur weil der Stallgefährte auf einmal siegte. Den Kollegen, den sie eigentlich gar nicht kennen?
Erklärungen sind schwer, doch Beispiele, dass sich Pferde eines Stalles beflügeln können, existieren viele. Die andere Seite: Alle Pferde eines Quartiers laufen schlecht. Dafür gibt es eher Gründe: Etwa ein Virus im Stall, der alle Insassen beeinträchtigt.
Beim Thema Stallform fällt einem der Begriff Meeting-Spezialist ein – etwas, das sich auch in Deutschland beobachten lässt. In Baden-Baden fällt da etwa der Name Hans Jürgen Gröschel, dessen Starter oft durch die Bank gut laufen. Vor ein paar Jahren räumten mal dort die Handicapper von Besitzer-Trainer Christian Peterschmitt, ebenso die Pferde von Nadine Verheyen vom Stall Molenhof. Die leider verstorbenen Dortmunder Trainer Uwe Stoltefuß und Norbert Sauer waren jahrelang ebenfalls Spezialisten, dessen Starter auf den Meetings in Baden-Baden und Hamburg zu beachten waren und oft sehr gut liefen.
Manche Trainer sind erwiesene Frühstarter, bei anderen kommen die Pferde erst im Herbst in Bestform. Und andere haben eben nur an einem Tag ihre Pferde in Top-Form. Jedenfalls hat es sich in den Jahren bewährt, bei Tipps die Stallform einzubeziehen. Manchmal funktioniert es nicht – in den meisten Fällen aber doch.
Alle kamen bei Trainer Moore übrigens auch nicht durch: Leo Lunar endete im letzten Rennen im englischen Sandown im geschlagenen Feld. Obwohl die Wetter das Pferd ziemlich runter im Kurs gewettet hatten, wurde es nicht mit dem vierten Sieg für das Quartier. Aber sonst war es ein Wochenende, dass der englische Hindernis-Trainer und sein Team ihr Leben lang nicht vergessen werden. „Sandown ist die beste Rennbahn der Welt – zumindest für uns“, sagte ein glücklicher Moore.



Donnerstag, 26. November 2015
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“
Die Nachricht kam doch ziemlich überraschend: Red Cadeaux ist an den Folgen seiner Verletzung im Melbourne Cup gestorben. Kleiner Schock am Sonntagmorgen: Denn eigentlich schien der Wallach nicht mehr gefährdet, von einem Ruhestand inmitten anderer Legenden in Australien war die Rede. Nachruf auf ein großartiges Rennpferd, das nicht nur Down under die Massen bewegte.

Das Problem bei vielen guten Flachrennpferden? Sie sind einfach viel zu kurz aktiv – ein Jahr, maximal zwei. Bestes Beispiel ist Golden Horn, aktueller englischer Derbysieger und Arc-Triumphator. Leider tanzte er nur eine Turf-Saison. Das liegt natürlich am System Rennsport und Vollblutzucht. Denn es folgt eine lukrative Karriere als Deckhengst, weitere kleine Golden Horns lassen ihre Besitzer hoffen und viel Geld bezahlen. Doch leider werden Helden der Rennbahn nicht in zwei Jahren gemacht.
Es sind die erst Unscheinbaren, die diese Rolle übernehmen. Die Pferde, die dreijährig im klassischen Alter gar nicht entdeckt waren, weil ihre Leistungen noch nicht gut genug waren. Wie Red Cadeaux: ein fuchsfarbener Hengst (damals noch). Der Vater war ein guter Sprinter namens Cadeaux Genereux. Die Mutter Artiste lief dreimal, wurde einmal in einem Rennen mit nur drei Startern weit geschlagen Zweite. Das war ihre beste Leistung. Auch ihre späteren Nachkommen hinterließen keine großen Spuren.
Ron Arculli kaufte den jungen Red Cadeaux für 55 000 Guineas und schickte ihn zu Ed Dunlop ins Training. Dunlop ist ein bekannter Name im englischen Turf, schon Vater John Dunlop feierte schöne Trainer-Erfolge. Das beste Pferd von Sohn Ed war die grandiose Stute Ouija Board. Dunlop junior gilt als Trainer, der seinen Pferden Zeit lässt.
So war das auch mit Red Cadeaux: Das Debüt absolvierte er dreijährig am 13. April 2009 in den Toteplacepot Maiden Stakes in Yarmouth über die Meile. Favoriten waren andere, das Pferd von Besitzer Ron Arculli wurde als 50:1-Schuss Sechster. Auch der nächste Start in Kempton erneut über die Meile brachte keine Verbesserung: Wieder landete Red Cadeaux als 50:1-Chance im Mittelfeld.
Erst beim vierten Start auf der Allwetterbahn in Wolverhampton platzte im Handicap über lange 2400 Meter der Knoten: Der Fuchs siegte deutlich vor Decorum, später übrigens in Deutschland trainiert von Sascha Smrczek. „Ein fortschrittlicher Typ, der noch weiter nach oben klettern sollte“, analysierte die Racing Post. Das Fachblatt sollte Recht behalten.

Löwenherz
Weitere gute Leistungen folgten und vierjährig hatte sich Red Cadeaux weiter verbessert. Er gewann ein besseres Handicap in Lingfield und lief in guten Rennen. Zum ersten Mal fiel der Fuchs dem Kolumnisten auf, als er im Old Borough Cup, einem Heritage Handicap über 2800 Meter und dotiert mit rund 70 000 Pfund, Zweiter wurde. Schon damals zeigte er viel Kampfgeist, doch es reichte nicht ganz. Einige Wochen später wurde er wiederum Zweiter im Cesarewitch Trial in Newmarket.
Je länger die Strecke war, desto besser wurde der Sohn eines Sprinters. Dazu erreichte er erst mit fünf, sechs und sieben Jahren den Zenit seines Leistungsvermögens. Aber es waren nicht unbedingt die Siege, für die Red Cadeaux bekannt wurde.
Denn sieben Erfolge bei 54 Starts sind keine Bilanz eines Siegertypen, obwohl er einige schöne erste Plätze feierte. Zum Beispiel der Curragh Cup auf der gleichnamigen irischen Bahn, der erste Gruppe-Sieg. Oder der auch finanziell sehr lukrative Triumph in der Hong Kong Vase im Dezember 2012, übrigens sein letzter Erfolg.



Fette Beute: Der Treffer in der Hong Kong Vase

Doch es waren die zweiten Plätze, mit denen Red Cadeaux die Herzen des Rennvolks eroberte. Im Sport liebt man oft den knapp geschlagenen Verlierer mehr als den Gewinner. Die drei zweiten Plätze im Melbourne Cup – dem Rennen, bei dem ein ganzer Kontinent stillsteht – machten Red Cadeaux zum Helden. 2011 mit Nase von Dunaden geschlagen, 2013 eine drei-viertel Länge gegen Fiorente unterlegen und dann 2014 mit acht Jahren ehrenvoller Zweiter hinter Protectionist – das ist eigentlich die Bilanz eines Siegers.
Leider wurde dann auch der Melbourne Cup quasi sein Schicksal. Das Bild vom weinenden Jockey Gerald Mosse ging um die Welt, als er den verletzten Red Cadeaux angehalten hatte. Fast fünf Millionen Pfund galoppierte Red Cadeaux in seiner sechsjährigen Karriere ein. Er lief in England, Schottland, Irland, Dubai, Frankreich, Hongkong, Singapur, Japan und Australien.
„Er hatte das Herz eines Löwen und wusste nie, wann er aufgeben sollte“, sagte sein Trainer Ed Dunlop. „Das ist der traurigste Moment in meinem Leben“, so der Trainer nach dem Tod von Red Cadeaux. „Er war ein vielgeliebtes Mitglied unserer Familie.“
„Er liebte Australien und Australien liebte ihn“, erklärte Victoria Racing Club Chief Executive Simon Love. Natürlich findet der Vielgeliebte seine letzte Ruhestätte auf der Rennbahn in Flemington, dem Ort des Melbourne Cups.

Die Tribut-Seite der Racing Post



Mittwoch, 18. November 2015
Sieben NH-Jockeys für das Notizbuch
Es wird die erste englische National Hunt-Saison ohne Dauerchampion AP Mc Coy. An guten und eisenharten Jockeys mangelt es jedoch nicht. Barry Geraghty, Richard Johnson, Ruby Walsh, Aidan Coleman oder Brian Hughes etwa. Aber auch Andere leisten hervorragende Arbeit. nurpferdeundfussball nennt sieben Jockeys, die am Start einer vielversprechenden Karriere stehen bzw. nicht so sehr im Rampenlicht stehen.

Der Newsletter Aufgalopp hatte es in der letzten Woche gut erfasst: „Der Rennsport-Freund bekommt feuchte Augen, wenn er auf die Insel schaut“, schrieb der morgendliche Wachmacher der Fachzeitschrift Sport-Welt und meinte die englische Hindernissaison: In Cheltenham gab es drei Tage Top-Sport beim Open Meeting, in den nächsten Wochen gibt es Höhepunkte nicht nur in Ascot und Newbury. Und so geht es weiter bis ins späte Frühjahr.
Im Blickpunkt: die Jockeys. Es ist ein knüppelharter Job mit Gefahren aller Art. Bei manchen Stürzen stockt dem Betrachter der Atem. Doch diese Jungs stehen oft wieder auf und reiten im nächsten Rennen, als wenn nichts passiert wäre. Und es gibt nicht nur die obengenannten großen Namen. Hier sind sieben Reiter, auf die man ebenfalls achten sollte.

Nico de Boinville: Der Aufsteiger unter den englischen Hindernisjockey. Bereits in seiner ersten professionellen Saison 2014/2015 siegte er mit Coneygree im Cheltenham Gold Cup, dazu kamen erneut mit Coneygree und Whisper zwei weitere Erfolge auf höchster Ebene. Der 26jährige begann relativ spät professionell, war ein erfolgreicher Amateur und ritt bei Nicky Henderson jahrelang in der Arbeit, unter anderem Sprinter Sacre. Und weil Barry Geraghty jetzt die Mc Manus-Pferde reitet, dürften sich bei Top-Trainer Henderson zukünftig viele Chancen bieten.

Daryl Jacob: Den 32jährigen Iren noch als Geheimtipp zu bezeichnen, ist zugegeben ein wenig übertrieben. Denn Jacob zählt schon seit Jahren zur Spitze und war auch mal erster Jockey bei Paul Nicholls. Doch irgendwie stimmte die Chemie nicht mehr, die Saison 2013/2014 war auch nicht die Beste des Quartiers. Zudem war es nicht einfach, einen Ausnahmekönner wie Ruby Walsh zu beerben. Dabei ist Jacob selbst ein großartiger Jockey: Stark im Finish und mit einem guten taktischen Verständnis. Für mich ist der Ire immer eine Wette wert.

Harry Skelton: Sohn des bekannten Springreiters Nick Skelton und die Familie spielt auch bei Harry Skelton eine wichtige Rolle. Meist reitet er für Bruder Dan Skelton, der seit 2013 trainiert und einen hervorragenden Start hinlegte. Beide Skelton-Bruder lernten das Geschäft bei Paul Nicholls – Harry als Conditional Jockey, Dan als Assistenztrainer. Das bürgt für Qualität, auch wenn der Grade 1-Erfolg den beiden noch fehlt. Der 26jährige Harry Skelton gewann immerhin schon den Irish Grand National.

Paul Moloney: Schon lange im Geschäft (37 Jahre, fast 6000 Ritte), aber für mich einer der meist unterschätzten Jockeys. Dabei ist Moloney gerade in Jagdrennen ein famoser Jockey, der seine Pferde geduldig einsetzt. Das mag auch an seinem Patron Trainer Evan Williams liegen, der häufig spätreife Pferde trainiert, die erst mit zunehmender Routine besser werden. Dafür ist Moloney der passende Mann im Sattel.

Will Kennedy: Auch einer dieser eher unbekannten Helden des Sports. Vor einigen Jahren galt Kennedy mal als der kommende Mann, aber Verletzungen verhinderten die große Karriere. Jetzt ist er 34, die meisten Ritte macht er für Ian Williams und Dr. Richard Newland. Zwei Trainer der eher mittleren Kategorie, aber Kennedy macht seinen Job gut. Besonders über die großen Sprünge hat er oft das richtige Timing. Und das auf Pferden, die nicht unbedingt zu den Top-Favoriten zählen.



„Es ist ein Extremsport“, sagt Jockey Will Kennedy. Eine starke Selbstdarstellung des Jockeys.

David Bass: So vor zwei, drei Jahren war das immer eine erfolgversprechende Strategie in den großen Hürden-Handicaps: Man tippe das Pferd mit David Bass, denn der war seine Erlaubnis als Auszubildender immer wert. Zumal sein Ausbilder Nicky Henderson immer wieder Pferde in diese Prüfungen schickte, die noch Reserven hatten. Bass „vollstreckte“ immer ziemlich cool, positionierte seinen Partner meist im Vordertreffen und entschied dann das Rennen. Als die Azubi-Erlaubnis weg war, tat sich Bass wie viele andere Jockeys etwas schwer. Doch in der letzten Saison ging es wieder aufwärts, besonders die Partnerschaft mit Trainer Kim Bailey verspricht Erfolg.

Sean Bowen: Sohn von Trainer Peter Bowen und mit 18 Jahren der jüngste in dieser Runde. In der letzten Saison wurde er Champion der Nachwuchsreiter und manche sehen ihn schon als „neuen AP“. Auch sein sonst sehr kritischer Ausbilder Paul Nicholls ist voll des Lobes. Das sind natürlich aVorschusslorbeeren, aber spätestens nach seinem Erfolg mit Just A Par im bet365 Gold Cup Chase in Sandown kann ich die Huldigungen nachempfinden.



Montag, 19. Oktober 2015
Der tolle Nachwuchs des Markus Klug
Es war ein großes Turf-Wochenende mit Highlights in Baden-Baden (Sales und Race-Festival) und Ascot am Champions Day. Eine persönliche Nachlese.

Millowitsch: Was wird die Kölner Rennbahn im nächsten Jahr beben, wenn dieses Pferd – benannt nach dem Kölner Volksschauspieler – das Mehl-Mülhens-Rennen gewinnen würde. Noch ist Millowitsch nur ein sehr guter Zweijähriger, der bislang alles richtig gemacht hat und sich am Freitag mit dem Ferdinad-Leisten-Memorial, dem BBAG-Auktionsrennen, eine weitere lukrative Prüfung holte. Noch zeigte er reichlich Unreife, driftete über die halbe Bahn nach links.
„Ich habe das Gefühl, dass Millowitsch die Badener Kursführung nicht mag, denn wenn er in die Zielgerade kommt, und kein Pferd rechts neben sich hat, tendiert er zur Außenseite, das war auch im Zukunftsrennen so“, meinte sein Trainer Markus Klug. Immerhin ist er jetzt Deutschlands gewinnreichster Zweijähriger. Das würde dem Kölner Willi M. auch gefallen.

Dhaba: Bei den Youngstern scheint Markus Klug auch so gut aufgestellt. Dhaba triumphierte am Sonntag in der Winterkönigin und machte dabei nicht nur den Kolumnisten glücklich, der die Stute gewettet hatte. Es war eine beeindruckende Vorstellung: Als Adrie de Vries im Sattel ernst machte, war die Sache gelaufen. Eigentlich, weil die Stewards den Rennvorlauf noch mal überprüften, weil die Stute in die Spur der Zweitplatzierten Serienholde lief. Aber das Ergebnis blieb, die Siegerin zeigte schönen Speed.
„Noch vor vier Monaten hätte ich nicht gedacht, dass Dhaba so etwas gewinnen kann. Dann hat sie sich allerdings prächtig entwickelt. Der weiche Boden kam ihr heute wie zuletzt bei ihrem Sieg im Dortmunder Auktionsrennen entgegen“, sagte Klug nach dem Rennen. Die Kasse für den Winterurlaub sollte gut gefüllt sein.


Winterkönigin 2015: Dhaba (Foto: Rühl/German Racing)

Sam: In der Regel sind besonders die unteren Handicaps in Iffezheim eine knifflige Sache. Eine Menge Pferde, viele davon in guter Form, andere extra für so eine Prüfung aufgespart, der Wetter steht oft vor schwer zu entschlüsselnden Rätseln. Doch Sam machte den Preis der VR Bank Mittelbaden (Agl.IV) am Sonntag zu einer Prozession. Drei Längen Vorsprung waren es am Ende und Jockey Steffi Hofer schien selbst überrascht, wie leicht der Wallach sich löste. Der Kolumnist war hingegen verärgert, weil er Sam quasi übersehen hatte. Dabei stand das Pferd nach allen Formen zum Sieg und rechtfertigte das eindeutig. Vier Starts hatte der Wallach der Besitzertrainerin Sabine Gossens in dieser Saison absolviert, der Formspiegel lautete 2-2-3-2. Die Siegquote von 88:10 war ein Geschenk.

Muharaar: Sprinter, so lautet eine Turf-Weisheit, werden mit dem Alter erst richtig gut. Entsprechend viele ältere Wallache tummeln sich in der Spitzenklasse der ganz schnellen Pferde. Doch keine Regel ohne Ausnahme (und von denen gibt es einige): Der dreijährige Muharaar gewann sein viertes Gruppe 1-Rennen in Folge. Zuletzt musste der Oasis Dream-Sohn zwei Mal kämpfen, doch sein Erfolg am Samstag in den British Champion Sprint Stakes war mal wieder reine Magie. Da konnte der starke Twilight Son noch so viel Speed zeigen, am Ende hatte er zwei Längen Rückstand auf Muharaar. „Er ist das beste Pferd, das ich je trainiert habe“, lobte Charlie Hills, der Trainer des Siegers. Angus Gold, Racing Manager von Besitzer Hamdan Al Maktoum, stellt den Hengst auf eine Stufe mit Sprint-Größen wie Dayjur und Oasis Dream.
Es war der letzte Rennbahn-Auftritt von Muharaar, denn er geht Ende dreijährig in die Zucht. Schade, aber was will er vierjährig auch noch gewinnen. So ist das mit den erfolgreichen Flachpferden. Von wegen, Sprinter werden erst im Alter richtig gut.

Solow: Von einem eventuellen Rücktritt war bei Solow nach seinem Erfolg in den Queen Elizabeth II Stakes beim britischen Meister-Tag keine Rede. Kein Wunder, auf den markanten Schimmel wartet ja keine Deckhengst-Karriere. Fünf Jahre ist der Wallach inzwischen und diese Saison steigerte sich der Schützling von Trainer Freddie Head noch mal gewaltig. Es war der fünfte Gruppe 1-Sieg in Serie und sein französischer Betreuer charakterisiert seinen Schützling schlichtweg als „brillant“. Schade nur, dass der Zweikampf mit Gleneagles nicht richtig stattfand. Aidan O’Brien ließ seinen klassischen Gewinner zwar starten, aber der Boden war leider viel zu weich. So endete Gleneagles im geschlagenen Feld.