kicker-Sonderheft CL: Viel Nutzwert, wenig Feuilleton
Es war ein denkwürdiger Abend: Nach neun Jahren Abstinenz feierte Bprussia Dortmund sein Comeback in der Champions League. Die Zutaten stimmten: Flutlicht, ein packendes Spiel gegen den FC Arsenal und ein spektakuläres Tor von Ivan Perisic zum 1:1, das die gute Leistung des BVB wenigstens halbwegs belohnte. Die europäische Königsklasse fasziniert – besonders wenn man solange wie der Champions League-Gewinner von 1997 nicht mehr mit am Tisch saß.
Früher gab es im Westfalenstadion (das damals wirklich noch so hieß) mal Pfiffe beim Ertönen der Champions League-Hymne. In den neunziger Jahren kritisierten viele Fans auf diese Weise den Kommerzfußball, den die neue Eliteklasse so wunderbar symbolisierte. Nostalgiker sehnten sich nach dem alten Europapokals der Landesmeister mit seinem K.o-System.
Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Natürlich gibt es in der Königsklasse viel Geld zu verdienen, natürlich gewinnen immer die gleichen Reichen, dennoch ist das Image bemerkenswert gut. Nur drei von vielen Gründen: Das Spielniveau ist sehr hoch, der Zuschauer sieht dort die besten Fußballer der Welt und der Modus mit nur einer Gruppenrunde und den folgenden K.o-Spielen verspricht viel Spannung.
Seit Mitte der neunziger Jahre begleitet das Fachmagazin kicker Sportmagazin mit seinem Sonderheft das Geschehen. „Uns ging es nicht darum, als Erster auf dem Markt zu sein, sondern für Sie das beste Heft zu produzieren“, verkündet Chefredakteur Klaus Smentek im Editorial des Heftes 2011/12. Der späte Erscheinungstermin hat seine Vorteile: So sind die Kader aktuell, weil der Transferschluss vor dem Redaktionsschluss lag, Wobei das mit der Konkurrenz in diesem Jahr nicht so dramatisch sein dürfte: Die Sport Bild, stärkster Rivale, wirft in diesem Jahr kein Heft auf den Markt.

Inhalt
Wie bei seinem Bundesliga-Sonderheft setzt der kicker auch in der Saison 2010/11 auf Bewährtes, Veränderungen gibt es höchstens marginal. Warum auch nicht, warum soll man erfolgreiche Dinge nicht fortführen? Es gibt also wieder ein Interview mit einem Top-Spieler, in diesem Jahr Andres Iniesta vom Sieger FC Barcelona. Ambitionen und Ziele der drei deutschen Teams werden auf jeweils zwei Seiten (inklusive Kurz-Interview mit einem der Spieler der Klubs) vorgestellt. Für die restlichen Klubs gibt es eine Seite Redaktion. Hinzu kommen Mannschaftsfotos und eine Seite Statistik mit Spielerdaten, Vereinserfolgen etc. aller Teilnehmer. Im hinteren Teil bietet der kicker dann noch einmal ein paar Seiten zur Euroleague mit längeren Texten zu den deutschen Klubs und Kurzvorstellungen der Gegner.

Positiv
Der kicker ist ein Fachmagazin und verzichtet glücklicherweise auf boulevardeske Reißereien. Wie auch in den Jahren zuvor ist das Heft ein guter Begleiter während der CL-Saison. Nicht nur wegen der umfangreichen Daten und Statistiken: Die Texte zu den ausländischen Teilnehmern sind klar strukturiert: Die Autoren informieren über den Verein, die Taktik sowie Stärken und Schwächen. Dazu wird der nach Meinung der Autoren herausragende Spieler der Mannschaft noch einmal extra vorgestellt. Weiterhin gibt es eine Wunschelf und eine Bewertung der Teilnehmer mit Sternen. Das ist alles schon nutzwertig und bietet viele kompakte Informationen. Der kicker profitiert von seiner guten Vernetzung, die fachliche Qualität ist hoch.

Negativ
Das Positive hat auch einen negativen Effekt: Es wirkt alles etwas monoton, ein paar weitere Reportagen wie die über den SSC Neapel würden dem Heft gut tun, das Ganze etwas auflockern und den Lesefluss fördern. Natürlich wirkt manches etwas floskelhaft, das lässt sich offensichtlich in der Sportberichterstattung nicht vermeiden. Und das Iniesta-Interview ist leider durch zu viele PR-Quellen gegangen. Es ist wie in vielen Gesprächen mit großen Namen: Sie sagen eigentlich nicht sehr viel.

Urteil
Solide deutsche Facharbeit vom kicker, eigentlich wie immer. Optimal wäre eine Mischung aus kicker und 11 Freunden: Die Fakten aus Nürnberg, dazu einige Reportagen im Stil des Berliner Magazins für Fußballkultur - man wird ja noch einmal träumen dürfen.