Derzeit läuft am Montag immer das gleiche Ritual ab: Ich nehme den
kicker aus dem Briefkasten und noch auf der Treppe blättere ich die ersten Seiten des Innenteils durch. Was mich so brennend interessiert, sind die Noten der Bundesligaspieler. Ich spiele mit beim Bundesligatrainer der
Ruhr-Nachrichten. Die Zensuren sind die Basis des Wettbewerbs – und bislang kann ich mich nicht beklagen. Platz 102 mit 335 Punkten bei über 6 000 Teilnehmern ist schon ganz ordentlich. Fleißigste Punktesammler des von mir zusammengestellten Teams waren bislang die Sportkameraden Simunic, Özil, Ze Roberto und Amanatidis, meine BVB-Akteure wie Santana, Sahin und Valdez blieben bislang etwas unter den Erwartungen.
Ob
Kicker, Ruhr-Nachrichten, Reviersport oder
Bild – alle spielen sie nach dem jeweiligen Bundesligaspieltag den Lehrer und benoten die Leistungen der Akteure. Und da stellt sich die Frage: Sind Journalisten überhaupt fachlich in der Lage, die Leistungen der Spieler richtig einzuschätzen? Wenn man sich mit so manchem altgedienten Sportredakteur unterhält oder einigen Journalisten beim
DSF-Doppelpass lauscht, dann kommen schon einige Zweifel.
Die Noten des
kickers gelten in der Branche als die meist objektiven. Die Redakteure des Fachblatts haben eine Notenskala von 1 bis 6 zur Verfügung und können Zensuren im 0,5-Abstand festlegen. Warum Spieler XY nun eine 4,5 und Spieler ZY eine 3,5 erhält, erscheint mir – wenn ich das gleiche Spiel gesehen habe – manchmal mehr als rätselhaft. Zudem werden Abwehrspieler in der Regel besser bewertet als Stürmer (warum eigentlich), die besten Zensuren erhalten allerdings die Torhüter – außer sie patzen spielentscheidend, dann gibt es die 5. Keine Rolle bei der Bewertung spielt die Tatsache, dass der Schlussmann vorher beispielsweise 5 hundertprozentige Torchancen des Gegners verhindert hat.
Die
SportBild errechnet ihre Noten aus den Werten des
Kickers, der
Bild (wo der emotionale Aspekt eine wichtige Rolle spielt und es schon mal eine kollektive 6 gibt) und von
Impire. Deren Werte errechnen sich nach eigenen Angaben aus den „Fakten“ wie Zweikämpfen, Passgenauigkeit oder Toren. Und es ist manchmal erstaunlich, wie die Werte differenzieren. Mario Gomez vom FC Bayern München bekam beispielsweise von
Impire für seine Leistung in Mainz eine 2,9, von
Bild erhielt der Bayern-Neuzugang eine glatte 6, der
kicker entscheid sich für eine 5,0.
Offiziell sind Spielern und Trainern die Noten egal, inoffiziell haben sie schon daran Interesse. So mancher Sport-Redakteur erzählt von sonntäglichen Telefonanrufen, in denen Spieler um ihre Zensuren hart feilschten.