Samstag, 16:10, Startzeit englisches St. Leger: Eigentlich bin ich zu diesem Zeitpunkt ganz wo anders. Borussia Dortmund spielt im Signal-Iduna-Park gegen die Berliner Hertha und da bin ich als Dauerkarteninhaber natürlich live dabei. Der letzte englische Klassiker auf der Rennbahn in Doncaster stand gar nicht so auf meiner Agenda. Es ist aber eine Prüfung mit toller Besetzung und einigen Alternativen zum großen Favoriten Sea Moon.
Da wäre zum Beispiel Brown Panther: Wer diese Kolumne regelmäßig liest, weiß, welche hohe Wertschätzung der Hengst hier genießt. Im Juni war ich nämlich reichlich beeindruckt, wie überlegen er ein auf dem Papier gut besetztes Handicap in Royal Ascot gewann. Das Pferd von Fußballer Micael Owen und Trainer Tom Dascombe war mein Typ für das Deutsche Derby in Hamburg. Dort wurde der Scirocco-Sohn 5., scheiterte am schweren Boden und einem sehr offensiven Ritt. Die Form danach in einem Gruppe 3-Rennen in Newbury über weite 2600 Meter war in Ordnung. Stehvermögen hat er, erstmals ersetzt Kieren Fallon Richard Kingscote als Jockey.
In die Boxen rückt in Doncaster zudem Census, der letzte Bezwinger von Brown Panther. Der Schützling von Altmeister Richard Hannon präsentierte sich in den besagten Geoffrey Freer Stakes stark gesteigert, nachdem der Hengst in Royal Ascot noch deutlich hinter Brown Panther war. Dazwischen lag Rang 2 – geschlagen mit einem Kopf und noch etwas unreif gelaufen – hinter Masked Marvel in der Bahrian Trophy in Newmarket. Sein Trainer sieht in dem Cacique-Sohn ein zukünftiges „Cup-Pferd“ für die großen Steherrennen wie etwa den Ascot Gold Cup.
Nächste Alternative ist der bereits erwähnte Masked Marvel. Sein Trainer John Gosden gewann bereits dreimal dieses Rennen (unter anderem im letzten Jahr) und auch die Abstammung offenbart Erfreuliches: Die Großmutter heißt Wurftaube, einst unter anderem überlegene Siegerin im deutschen St. Leger. Die letzte Form in Newmarket gegen Census war richtig gut, nachdem zuvor das englische Derby in Epsom noch eine Nummer zu groß war. Seville vertritt den mächtigen Aidan O’Brien-Stall aus Irland. Seine beste Form war der zweite Platz im irischen Derby hinter dem Stallgefährten Treasure Beach. Der Sohn des großen Galileo traf fast immer auf die Creme des Jahrgangs, aber so recht mag ich an ihn nicht glauben. Zumal er in York schon deutlich hinter Sea Moon war.
Drei Mal Gruppe 1
Eher sollte man da schon mit Blue Bunting rechnen. Das Godolphin-Pferd ist die einzige Stute im Rennen und war bereits in drei Gruppe 1-Rennen (1000 Guineas, Irish Oaks, Yorkshire Oaks) erfolgreich. Den einzigen Flop leistete sich ausgerechnet in den englischen Oaks als Vierte, ansonsten ist die Form tadellos. Stallgefährtin Rumh soll das Tempo für sie machen und im Hause Godolphin ist man reichlich optimistisch, dass die Stute den Hengsten Paroli bieten kann. „Sie ist ein wahrer Star“, sagt Goldolphin-Racing Simon Crisford.
Am höchsten schätzen die Wetter allerdings Sea Moon ein. Ein Grund dafür ist sein Trainer Sir Michael Stoute. Denn der Hengst passt genau in das Raster, mit dem Stoute im Laufe seiner langen Karriere große Erfolge feierte. Sea Moon ist mit vier Starts noch wenig geprüft und steigerte sich von Rennen zu Rennen. Die letzte Form in den Great Voltiguer Stakes in York sah natürlich beeindruckend aus, aber wen hat er dort über 2400 Meter geschlagen? Namibian, der stärkste Gegner auf dem Papier, wirkte indisponiert und Seville ist erfasst. Die 2800 Meter sollten ihm entgegenkommen, aber der Kurs ist mir einfach zu niedrig. Urteil: Ein tolles Rennen mit vielen interessanten Teilnehmern und Optionen. Den besten Kurs verspricht Masked Marvel und der ist auch mein Tipp.
Quelle: Sporting Life
Das waren noch Zeiten, als das St. Leger noch Anziehungspunkt für die ganz Großen des Jahrgangs waren: 1970 siegte Nijinsky im Handgalopp und der gewann immerhin englisches Derby, King George und Arc.