Es war so wie immer: Nach fünf Minuten gab es den ersten Werbeblock. ran ist wieder da – unter dem Namen seiner einstigen Bundesliga-Sendung überträgt SAT 1 ab dieser Saison die Spiele der Champions League und der neuen Europa League, dem Nachfolger des UEFA-Cups. Im letzten Jahr war SAT 1 zwar auch schon Free-TV-Sender der europäischen Königsklasse, doch da war man nur Abspielstation für Premiere: Bilder, Moderatoren und Reporter kamen vom Pay-TV.
Jetzt setzt der Privatsender wieder auf eigenes Personal und hat dafür tief in die Schatulle griffen: Moderieren wird neben Oliver Welke der unvermeidliche Johannes B. Kerner, frisch vom ZDF verpflichtet, als Experte wird ein gewisser Franz Beckenbauer seinen Senf dazu geben.
Gestern war die „richtige“ Premiere, nachdem SAT 1 schon die Qualifikation des VfB Stuttgart gegen die Rumänen aus Timisoara übertragen hatte. Der excellente Wolf Fuß kommentierte den Auftritt der Stuttgarter gegen die Glasgow Rangers und sparte nicht an Kritik, nachdem die Schwaben nach gutem Beginn und schneller 1:0-Führung harmlose Schotten richtig stark machten. Am Ende hatte der VfB sogar Glück, dass die Rangers nicht noch das 2:1 schossen.
Der sachliche Stil von Reporter Fuß passte eigentlich nicht zum ran-Stil, mit dem der Privatsender in den neunziger Jahren die Fußball-Präsentation ziemlich veränderte oder „revolutionierte“, so der damalige ran-Chef Reinhold Beckmann.
Boulevard
1992 erwarb der Privatsender die Erstverwertungsrechte der Fußball-Bundesliga und was dann folgte, war eine ziemliche Kulturrevolution in der Art, wie über Fußball berichtet wird. Glich die Sportschau in ihrem sachlichen und manchmal drögen Stil dem kicker, kam SAT 1 mit ran im Boulevard-Stil von Bild oder Sport-Bild in die Wohnzimmer: bunt, schrill – und meist ziemlich nervend.
Der erste Schock für den Zuschauer waren die zahlreichen Werbeunterbrechungen, die sich über die Sendung verteilten. Das kannte der nämlich nicht von den öffentlich-rechtlichen Sendern. In der ARD-Sportschau waren in 60 Minuten die Spiele ohne Werbung durch, ran am Samstag dauerte über zwei Stunden.
Einer der größten Nervensägen bei ran war Reporter Jörg Dahlmann. Hier flippt er allerdings mal zu recht aus – das Tor von Jay Jay Okocha war wirklich sehenswert.
Beckmann und seine Truppe machten den Fußball zur bunten Unterhaltungsshow, blähten jeden noch so müden Kick zum Wahnsinnsevent auf. Zahlreiche Kameras dokumentierten nicht nur das Geschehen auf dem Spielfeld. Tore wurden in unzähligen Wiederholungen regelrecht zelebriert – inklusive Tor- und Trainerjubel. „Wer genau hinschaut und konditionell auf der Höhe des Privatfernsehens ist, der kann zwischen Werbespots, dem organisierten Frohsinn im ran-Studio und all den nichtssagenden Interviews Rudimente von Fußball entdecken“, urteilte 1996 die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).
Mich nervte die Sendung irgendwann so sehr, dass ich sie am Samstag gar nicht mehr geschaut habe, dafür die Spiele abends im ZDF-Sportstudio bzw. am Sonntag bei Bundesliga pur im DSF guckte. Eine Dauerlösung war das allerdings nicht – irgendwann landete ich als damaliger Fußballjunkie wieder in der bunten ran-Welt.
2001 gab es den ersten Dämpfer: Damit Premiere mehr Abos verkauft, begann ran zu Beginn der Saison 2001/2002 erst um 20:15 Uhr. Nur die Zuschauer machten nicht mit – die Einschaltquoten waren katastrophal, nach drei Spieltagen begann die Sendung um 19 Uhr und endete um 20:15 Uhr. Nur 75 Minuten Sendezeit hatten den großen Vorteil, dass man sich auf das Spiel konzentrieren musste und nicht irgendwelche Nebensächlichkeit aufgebauscht werden konnten.
2003 verlor SAT 1 die Rechte für die Bundesliga, Geld verdient hatte der Sender mit ran in keinem Jahr. Doch wer heute eine Sportsendung in Deutschland sieht, der merkt schnell, dass der ran-Stil inzwischen inzwischen fast überall in die Berichterstattung eingeflossen ist.