Manchmal schaut man als Anhänger des Galopprennsports richtig neidisch auf andere Sportarten. Bestes Beispiel: Das vergangene Wochenende. Turf-Höhepunkt waren die deutschen 1000 Guineas auf dem Düsseldorfer Grafenberg, immerhin ein klassisches Rennen. Zugegeben: Kein Laie kann etwas mit dem Begriff Klassiker bezogen auf den Galopprennsport anfangen. Es ist aber eines der wichtigsten Rennen der Saison, dennoch ist die Medienresonanz bescheiden. Die lokalen Zeitungen aus Düsseldorf berichteten darüber, überregional erschien noch was in der Welt. Wenn ich bei Google-News German 1000 Guineas eingebe, finde ich 36 Beiträge.
Im rund 70 Kilometer entfernten Dortmund war das Rennen zum Beispiel den Ruhr-Nachrichten noch nicht mal eine Meldung wert. Keine Ahnung, ob der Mitbewerber Westfälische Rundschau darüber berichtet hat – eine Abfrage auf der Westen.de ergab jedenfalls kein Ergebnis.
Dabei war es sportlich eher ein Saure-Gurken-Wochenende: Keine Fußball-Bundesliga, keine Formel 1, die Frauenfußball-WM in Deutschland beginnt erst nächste Woche. Eigentlich ideal für Randsportarten – davon profitieren aber andere Sportarten.
Volkssport Dressur
Wie zum Beispiel das Spring- und Dressurreiten. Dort standen in den letzten Tagen die Deutschen Meisterschaften im sauerländischen Balve auf dem Programm. Erster Unterschied: Von langen Übertragungen am Nachmittag im dritten Fernsehprogramm des WDR darf man im Galopprennsport nur träumen. Dort ist man schon froh, dass sich ein Sender wie Sport 1 mal wieder erbarmt, 15 Minuten am Sonntag zu opfern. Die German 1000 Guineas waren dort aber nicht zu sehen.
Auch die Printmedien stehen auf Spring- und Dressurreiten: Den Ruhr Nachrichten (die nicht im Sauerland erscheint) sind die Meisterschaften mehrere Geschichten wie diese wert. Das Blatt hat sogar einen eigenen Redakteur nach Balve geschickt, in der Printausgabe vom Montag waren die Meisterschaften ein großes Thema. Ähnlich sah es bei Westfälischer Rundschau und Westfalenpost (die im Sauerland erscheinen) aus.
Und natürlich facht ein Pferd mit dem Namen Totilas die Medienresonanz an. Der Hengst kostete eine Heidensumme, gilt als weltbestes Dressurpferd und ist ein richtiger Star. Alle stürzen sich auf ihn. Die Suche nach Totilas führt bei Google News zu 323 Meldungen – wohlgemerkt nur für den Montag. Ausgerechnet der elitäre Dressurrennsport, in der Regel das Betätigungsfeld von Sprößlingen sehr reicher Eltern, fasziniert auf einmal alle.
Immerhin können die Galopper etwas daraus lernen: Sie brauchen einen vierbeinigen Star, so eine Attraktion wie Overdose. Da kann man nur hoffen, dass keiner aus der Schlenderhaner Armada das Derby gewinnt, sondern Gereon aus Hoppegarten. Denn der hat all diese Underdog-Qualitäten, die ihn zum Star machen können. Da wäre zum einen ein Trainer, der nur ein paar Pferde trainiert und der noch nie eines dieser Klasse trainiert hat. Dann ist er auch noch Besitzer dieses Pferdes, sitzt zudem im Rollstuhl . Nicht zu unterschätzen ist der Ost-Bonus, kommen die sonst erfolgreichen Pferde doch fast immer aus den gleichen Zentren im Westen. Jetzt muss Gereon nur noch gewinnen - oder ganz unglücklich verlieren. Das macht sich medienmäßig immer gut.
Am Samstag war es wieder so weit: Boxen auf für das Frühjahrsmeeting in Iffezheim. Zwei Wetten habe ich gespielt, beide natürlich erfolglos – wie so häufig. Die Bahn in der Umgebung von Baden-Baden zählte noch nie zu meinen glücklichsten Wettorten, meine persönliche Wettbilanz dort ist wahrlich nicht besonders. Andere Rennbahnen in Deutschland, bringen eher Glück. Zeit also für eine Liste meiner drei wetttechnisch besten und meiner drei schlechtesten Rennbahnen in Deutschland. Allerdings: So viel wette ich nicht mehr in Deutschland, mindestens 80 Prozent meiner Tipps gehen in englischen Rennen. Die Prüfungen dort sind eher durchschaubar, die Quoten gerade in den umsatzstarken Handicaps besser als in Deutschland und zudem gibt es bessere Quellen. Dennoch hat die Liste durchaus ihren Wert, auch heute noch.
Meine drei Top-Bahnen Köln: Ach was bin ich früher gerne nach Köln gefahren. Witzige Menschen und großartiger Sport – Mehl-Mülhens-Rennen, Union und Preis von Europa waren Pflichtprogramm. Besonders faszinierend fand ich immer die knisternde Spannung vor einem großen Rennen, die man regelrecht auf der Bahn fühlen konnte. Zwar gab es auch einige Flops, aber meist stimmte die Bilanz in Weidenpesch. Einer der schönsten Gewinne war ein Einlauf, der über 800 DM zahlte – Union-Rennen irgendwann Ende der 90er, Caitano gewann vor San Suru. Oder die getroffene Schiebewette (beide Sieger nach Zielfoto) schon zu Euro-Zeiten: Der Typ hinter dem Schalter beim Buchmacher auf der Bahn schaute mich an, als hätte ich den ganzen Leben leergeräumt. Dabei zahlte er mir nur rund 120 Euro aus.
Dortmund: Die Heimatbahn, atmosphärisch natürlich nicht mit Köln zu vergleichen. Mein erster Rennbahnbesuch war dort, besonders bei den Grasrennen war Wambel meist ein gutes Pflaster. Unvergessen eine Wette noch zu Studentenzeiten an einem trüben Wintertag, als ich die Dreierwette - geradeaus gespielt - für 2,50 DM traf und diese fast 5000 DM zahlte. Ansonsten habe ich auf der Sandbahn anfangs ziemlich geblutet, so dass ich froh war, wenn irgendwann die Fußballsaison wieder begann. Und später habe ich die Besuche der Winterrennen radikal reduziert.
Mülheim: Heute kaum vorstellbar bei den wenigen Terminen, an denen sie noch veranstalten, aber die Bahn an der Stadtgrenze zu Duisburg hatte mal viele Renntage mit richtig guten Rennen. In den neunziger Jahren war ich dort häufig, zumal am Sonntag die A40 frei war und man in 40 Minuten dort war. Und getroffen habe ich dort meistens auch. Irgendwann ging es dann aber abwärts, Mülheim verlor seine Top-Rennen, der Bratwurstprofi verließ die Bahn. Der ist inzwischen aber wieder da, die guten Rennen jedoch nicht.
Die drei Flop-Bahnen Baden-Baden: Unvorstellbar, dass ich mich heute ins Auto setzen würde, morgens fünf oder sechs Stunden nach Iffezheim hinfahre und abends wieder retour. Es gab andere Zeiten: 1994 zum Beispiel. Damals faszinierten mich die Rennwochen in Baden-Baden, weil sie die Top-Veranstaltungen im deutschen Turf waren und alle von der entspannten Atmosphäre dort schwärmten. So richtig umgehauen hat mich mein Besuch aber nicht, zumal ich mir die Bahn viel größer vorgestellt. 1996 war ich noch mal da: Großer Preis von Baden, am letzten Sonntag der Großen Woche, die Bahn war proppenvoll, zu voll. Immerhin habe ich den großen Pilsudski gesehen und stand in Reichweite von Jockey Mick Kinane, der sich nach getaner Arbeit ein Bier schmecken ließ. Natürlich traf ich bei keinem Besuch, auch in späteren Jahren beim Buchmacher gab es viel Lehrgeld. Es waren meist Leidenstage. Ausnahme: Ein Jahr, ich glaube 1998, wettete ich verstärkt die Pferde des Dortmunder Trainers Uwe Stoltefuß und der war erfolgreich. Später interessierten mich Frühjahrsmeeting und Große Woche weniger, zumal ich zu dieser Zeit arbeiten musste. Vor zwei Jahren hatte ich mal wieder Zeit für die Große Woche im Herbst und schaute mir die Rennen am PC an. Es war das übliche Desaster. Zumal die Rennen, besonders die Handicaps, immer noch schwierig sind. Und wenn ich in Deutschland mal ein Pferd „ausgrabe“ und auf eine gute Quote hoffe, blinkt der als Favorit.
Neuss: Irgendwann Ende der neunziger Jahren gab es mal die Telewette am Samstag auf ntv. Auf dem Nachrichtensender wurden die Rennen übertragen, zwischendurch lief das normale Programm. Im Winter meldete sich dann meist Moderator Klaus Göntzsche von den Winterrennen in Neuss. Es liefen die üblichen Handicaps der unteren Kategorie, dazu kamen ziemlich undurchsichtige Altersgewichtsrennen. Die Rennen sind so und so ziemlich schwer zu wetten, weil die Formen oft nicht stichhaltig sind. Dazu die Kursführung der kleinen Neusser Bahn: Es ist fast unmöglich, aus dem Hintertreffen zu gewinnen. Meine Bilanz war katastrophal, wieso muss ich so einen Mist auch wetten. Später änderte ich die Strategie und konzentrierte mich auf England – die Winterrennen in Neuss sind mir inzwischen ziemlich egal.
München: Ich mag die Stadt München nicht besonders: teuer, protzig, politisch zu viel CSU und dann kommt aus der Stadt auch noch zu allem Überfluss der FC Bayern. Nur die Rennbahn in Riem gefällt mir eigentlich gut aus. Wenn man die Tribüne ganz nach oben klettert, hat man einen fantastischen Blick auf den Zieleinlauf. Leider ist meine Wettbilanz auf der Bahn gar nicht so faszinierend. In mindestens 30 Rennen nacheinander habe ich dort nicht getroffen. Vielleicht ist es aber nur die Rache des Systems: Denn in München gibt es andere Wettscheine als in Dortmund. Bei meinem ersten Besuch traf ich gleich beim ersten Rennen (für 2 Euro ein Einlauf, der maximal 40 zahlte), knickte den Schein und steckte ihn in meine Hosentasche. Als ich meinen Gewinn abholten wollte und den geknickten Schein abgab, sagte die Frau hinter dem Counter, eigentlich dürfe man den Schein nicht knicken. Sie steckte den Schein in den Automaten – und der tat dann gar nichts mehr. Erst ein Techniker löste das Problem.
Im Frühjahr reifen im Galopprennsport die Träume vom Derbysieger, dem Rennen aller Rennen für Vollblüter. Es ist zweifellos die spannendste Zeit im ganzen Rennjahr. nurpferdeundfussball wagt einen ersten Ausblick auf das Deutsche Derby 2011 in Hamburg-Horn.
Noch sind die wichtigsten Vorprüfungen – bis auf den Frankfurter Metzler-Preis – noch nicht gelaufen, noch ist vieles Spekulation im Vorfeld. Aber offensichtlich hat das Gestüt Schlenderhan nach einem schwächeren Jahrgang in diesem Jahr wieder einige chancenreiche Anwärter auf das wichtigste Rennen in Deutschland. Ich favorisiere allerdings einen 200:10-Schuss. Das sind die wichtigsten Kandidaten 2011.
Arrigo (Gestüt Schlenderhan/Jens Hirschberger): Der derzeit Führende im Wettmarkt war erst einmal auf der Bahn, gewann sein Maidenrennen in Hannover über lange 2200 Meter ganz leicht mit acht Längen Vorsprung. Keine Ahnung, wen der Schlenderhaner dort geschlagen hat (der Zweite Glam Rock startet Sonntag in Hannover), aber die Vorstellung sah schon sehr nach Rennpferd aus. Nächste Bewährungsprobe für den Halbbruder des Derbysiegers Adlerflug sind die Bavarian Classic in München.
Sundream (Gestüt Graditz/Andreas Wöhler): Die derzeitige Nummer 2 im Wettmarkt, gewann eimmal gegen Ibicenco und verlor dann zum Saisonauftakt gegen den Schlenderhaner. Das Pferd aus dem Wöhler-Stall konnte allerdings trotz der Niederlage gefallen, zumal die Wöhler-Pferde den ersten Lauf in diesem Jahr meist noch benötigten. Sundream läuft am Sonntag in Hannover. Sollte mit 2400 Metern keine Problem haben.
Ibicenco (Gestüt Schlenderhan/Jens Hirschberger): Beeindruckend wie der Schlenderhaner bei seinem zweiten Lebensstart mit viel Kampfgeist und Stehvermögen gewann. Bei seinem ersten Lebensstart im Oktober 2010 war ein noch ziemlich rückständiger Ibicenco noch chancenlos gegen Sundream, diesmal drehte er den Spieß gegen die Derbyhoffnung aus dem Wöhler-Stall um. Das Bremer Rennen gewannen im übrigen in den letzten Jahren Adlerflug und Wiener Walzer – und sie triumphierten später auch in Hamburg-Horn. Das nötige Stehvermögen sollte da sein.
Earl of Tinsdal (Sunrace Stables/Andreas Wöhler): Drei Starts, drei Siege lautet die bislang makellose Bilanz von Earl of Tinsdal, den damals auf der Auktion niemand haben wollte. Dabei ist er so ein schönes Pferd, das auch noch richtig laufen kann. Besonders beim Erfolg im Frühjahrs-Preis des Bankhauses Metzler in Frankfurt (Gr. 3) imponierte der Black Sam Bellamy-Sohn, als er sich immer wieder erfolgreich gegen Saltas wehrte. Die Mutter gewann zwar nur über 1400 Meter, brachte allerdings mit Easy Tiger ein Pferd mit viel Stamina.
Lindenthaler (Gestüt Ebbesloh/Peter Schiergen): Ebenfalls bereits dreifacher Sieger bei drei Starts und wie Earl of Tinsdal auch zweijährig schon zweifacher Sieger. Zuletzt gewann Lindenthaler das Busch-Memorial (Gr. 3) in Krefeld über 1700 Meter, jetzt geht es nach Frankreich in den Prix Hocquart, einem Gruppe II-Rennen über 2200 Meter in Paris-Longchamp. Die Frage nach dem Stehvermögen ist noch nicht ganz zu beantworten, weil die Mutter nur über 1500 Meter siegte.
Silvaner (Margot Herbert/Peter Schiergen): Der Winterfavorit, enttäuschte allerdings etwas zum Saisonauftakt im Busch-Memorial als Vierter, wo ihm auch das flaue Tempo zum Verhängnis wurde. Nach Abstammung sollte Silvaner die Derby-Distanz können.
Gereon (Christian Zschache/Christian Zschache): Besitzertrainer Christian Zschache träumt von der Triple Crown aus 2000 Guineas, Derby und St. Leger. Die Geschichte von Gereon, vom Gestüt Ebbesloh für 10000 Euro an den ehemaligen Jockey in Hoppegarten, hat schon märchenhafte Züge: Dreimal war er zweijährige am Start und immer erfolgreich, zuletzt triumphierte der Next Desert-Sohn im November im Herzog Ratibor-Rennen in Krefeld. Saisonauftakt im Mehl-Mülhens-Rennen in Köln, den deutschen 2000 Guineas. Die Mutter Golden Time gewann einst für Trainer Norbert Sauer über Hürden, beim Stehvermögen sind aber beispielsweise die Experten von Turf-Times etwas skeptisch.
Sindiaco (Stall Meerbusch/Trainer Waldemar Hickst): Einmal gelaufen, einmal erfolgreich: Sindiaco gewann sein Maidenrennen in Frankfurt überlegen, schlug mit Ametrin und Salut zwei weitere Derbykandidaten und erhielt ein hohes GAG von 79 kg. Jetzt muss der Hengst am Sonntag in Hannover gegen bessere Konkurrenz Farbe bekennen.
Sommernachstraum (Lars-Wilhelm Baumgarten u.a/Waldemar Hickst): Bei zwei Versuchen noch sieglos, aber hier macht der Ton die Musik: Beim ersten Mal unterlag der Hengst über zu kurze 2050 Meter dem sehr guten Impostor (der keine Derbynennung hat), beim zweiten Mal landete Sommernachstraum über 2400 Meter hinter dem speedstarken Dekan (der nach dem Rennen leider tödlich verunglückte). In Bremen hatte der Hickst-Schützling allerdings einen völlig verkorksten Rennverlauf, stellte sich noch reichlich grün an, mehrfach war der Weg versperrt. Als er dann endlich freie Bahn hatte, war es zu spät. Steigerungsfähig und Stehvermögen ohne Ende.
Urteil
Noch sind viele Derbystarter leistungsmäßig nicht richtig erkannt, bleibt vieles noch Spekulation. Deshalb gehe ich mit dem Außenseiter Sommernachtstraum (steht zur Zeit noch 200 bzw. 220:10). Natürlich gewinnen Sieglose nicht das Derby, aber bis Anfang Juli sollte sich Sommernachtstraum zumindest ein Maiden-Rennen geschnappt haben. Und danach kommt dann das Derby..
Bei der Namensgebung stand eindeutig der berühmte Loriot-Klassiker Pate. Relativ neu im Netz ist das Blog „Ja wo liefen sie denn“. Es erzählt die Turfgeschichten der Vergangenheit, berichtet von Pferden wie Mondrian und Mandelbaum oder Jockey-Größen wie Peter Alafi. Alles schön detailliert, gespickt mit persönlichen Erinnerungen der Autorin - Prädikat sehr empfehlenswert.Die Seiten füllen eine etwas bedauerliche Lücke, denn die Historie des Vollblutsports in Deutschland ist ein vernachlässigtes Thema. Als Ausnahme fallen mir nur die absolut lesenswerten Bücher von Traute König ein – nur leider sind diese kaum noch erhältlich.
Empfehlenswert ist natürlich auch die Turf-Legenden-Seite von Turf-Times. Diese fing mit Hein Bollow an und ich hoffe auf weitere interessante Geschichten.
Launige Worte des Präsidenten: Pferderennen in Dortmund sollen wieder Event-Charakter haben. „Wo man hingeht, um zu sehen und gesehen zu werden“, formulierte es Markus Sträter, Präsident des Dortmunder Rennvereins, im Interview mit dem Fachblatt Sport-Welt. Die Gegenwart der Winterrennen in Wambel ist allerdings hart genug und weit von Ereignis-Charakter entfernt. nurpferdeundfussball war am Sonntag vor Ort.
Vergessen wir mal das ganze Event-Gerede: So ganz out sind Galopprennen nicht – auch wenn mancher Zeitgenosse das Gegenteil behauptet. Am Sonntag in Dortmund war das Publikum altersmäßig schon gemischt. Die Studentenclique freute sich tierisch über ihre Gewinne bei der Platzwette freute, auch wenn die ältere Generation dominierte. Das Wetter war zudem in Ordnung: etwas windig, aber trocken und für die Jahreszeit richtig warm.
Bekannt und gelobt: Der Bratwurst-Profi aus Unna
Ich bin mir nicht sicher, ob früher die Winterrennen besser besucht waren. Die Rennvereine nennen ja nie Besucherzahlen, wobei das in Dortmund aufgrund des freien Eintritts eher nicht mehr möglich ist. Am Sonntag füllte sich die Bahn so langsam, richtig voll war es jedoch nicht. Das war es früher aber meist auch nicht, nur die Zeiten, dass ganze Busse aus dem Rheinland anreisten, sind Geschichte.
Definitiv höher war früher der Wettumsatz. Über 130 000 Euro hätte man vor 20 Jahren nur gelacht, so ein Sonntag im Februar hätte mindest 500 000 DM gebracht. Nicht viel hingegen hat sich bei den Preisgeldern getan, die waren vor 20 Jahren fast auf dem gleichen Niveau.
Sportlich dominieren weiter die Handicaps der unteren Kategorie, der „Nützlichkeitssport“, wie die Sport-Welt immer so schön schrieb, dominiert. Nur mit einem Unterschied: In der Vergangenheit gab es meist einen Ausgleich 2 als sportlichen Höhepunkt. Das waren meist schöne Wettrennen. Nur kommen sie heute nicht mehr zustande, weil Pferde dieser Klasse inzwischen lieber in Frankreich Rennen bestreiten, da sie dort viel mehr Geld verdienen können.
Das Elend des Wettscheins
Eine Schönheit war die Dortmunder Rennbahn im Winter noch nie. Es wirkt alles etwas trist, die Wetthalle in der zweiten Tribüne verkörpert die gleiche Trostlosigkeit wie immer. Die unter Denkmalschutz stehende Tribüne ist ansonsten ein Pluspunkt im Winter: Die Glasscheiben bieten Wetterschutz, die Sicht ist auf den meisten Plätzen gut und das Catering funktioniert ebenfalls.
Die meisten Besucher verfolgten allerdings die Rennen draußen vor den Tribünen auf dem Rasen. Mein Geheimtipp ist die mittlere Treppe; auf deren oberen Stufen hat man den besten Blick auf die Allwetterbahn.
Auf Sparflamme kochte am Sonntag hingegen der Service-Gedanken des Dortmunder Rennvereins. So wenige offene Wettkassen habe ich in Dortmund noch nie gesehen, teilweise bildeten sich lange Schlangen vor diesen. Konsequenz: Manche Besucher konnten nicht mehr ihren Schein abgeben, da sie noch an den Kassen anstanden, als die Rennen schon gestartet waren.
Überlegener Sieger: Valenziani aus dem Stall von Mario Hofer gewann das dritte Rennen, so stark waren die Gegner des nobel gezogenen Sohns von Royal Applause aber nicht ...
Für Verzögerungen sorgte außerdem (wie immer) der viel zu komplizierte Wettschein, der selbst Profi zweifeln lässt. Für Neulinge ist der Schein noch erklärungsbedürftiger. Ich weiß nicht, warum man nicht einfach Ansagekassen für die einfachen Wettarten wie Sieg und Platz öffnet. So was wie der Quick-Tipp-Schein in der Viererwette geht da schon in die richtige Richtung.
Immerhin haben sie in Dortmund das Catering halbwegs in den Griff bekommen. Was auch daran liegt, dass der Bratwurstprofi Kratz aus Unna inzwischen präsent ist. Manche meinen ja, dass der Niedergang der Mülheimer Bahn mit der zwischenzeitlichen Abstinenz des Kratz-Wagens direkt zusammenhängt. So weit würde ich nicht gehen, aber die Qualität des Bratwurstprofis ist schon sehr ordentlich und deutlicher besser als das, was früher an den Ständen angeboten wurde. Dennoch bleibt noch viel zu tun…
Wetttechnisch war es übrigens ein ziemlicher Flop-Tag für mich. Was ich am Sonntag in Wambel verloren habe, habe ich allerdings am Samstag in Sandown gewonnen. So ist eben das Zockerleben.
Der gute „Addi Furler“ wäre heute der Verzweiflung nahe. Am Samstag blickte die ARD auf 50 Jahre Sportschau zurück und es waren wehmütige Bilder. Denn diese dokumentierten eindrucksvoll, dass der Pferderennsport – sowohl Galopp als auch Trab - einmal eine bedeutende Rolle in der wichtigsten Sportsendung des „Ersten“ spielte. Daran hatte der Turf-Fan Furler als einer der Moderatoren der Sendung einen großen Anteil. Weil er diese Themen „durchboxte“ und dafür sorgte, dass die Sportschau regelmäßig über die wichtigste Rennen berichtete. Zudem erfand Furler die höchst erfolgreiche Wahl zum „Galopper des Jahres“, wo man richtig schöne Preise gewinnen konnte.
Damals fand ich das jedoch noch eher langweilig. Eigentlich interessierte mich hauptsächlich der Fußball – Galopprennen und Trabrennen waren mir ziemlich egal. Doch Pferdenamen wie Orofino, Wauthi oder Acatenago kannte damals jedes Kind. „Man kam nicht daran vorbei, sich einige Pferdenamen zu merken“, erinnerte sich heutige Handball-Nationaltrainer Heiner Brand als Zeitzeuge.
Glanz und Elend
„Der Addi Furler, der hat sogar richtig gewettet“, blickte sein damaliger Chef Ernst Huberty heute noch ungläubig zurück. Für so einen Beamtentypen wie Huberty, der höchstens mal ein paar Mark im Lotto riskierte, hat das immer noch einen leicht anrüchigen Charakter. Damit steht er jedoch nicht alleine in Deutschland.
Es war ein faszinierender Blick zurück, der allerdings auch eindrucksvoll das aktuelle Elend des Galopprennsports dokumentiert. Denn heute laufen weder Turf noch Trab in der ARD-Sportschau, der deutsche Galopprennsport steckt seit Jahren in der Dauerkrise.
Fehlenden Präsenz in der ARD beklagen heute jedoch nicht nur die Freunde des Turfs. Der Samstag gehörte immer dem Bundesliga-Fußball und seitdem die ARD meint, ihre Sonntags-Sportschau mit irgendwelchen Bundesliga-Nachdrehern und dem dritten Aufguss des Formel 1-Rennens füllen zu müssen, sind eine Menge andere Sportarten aus der Berichterstattung gefallen. Dafür bekommt die ARD zu Recht harte Kritik, die Sonntags-Sportschau habe ich schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen. Und „Addi“ Furler würde es heute viel schwerer haben, Galopprennen ins Programm zu hieven.
Das war wohl der Abschluss einer großen Rennkarriere: Quijano, Turf-Deutschlands erfolgreichster Wallach, verabschiedete sich mit einem 7. Platz im Grand Premio del Jockey Club in Mailand. Zwar hat der achtjährige Acatenango-Sohn noch eine Nennung für Hongkong Ende November, aber wahrscheinlich wird er dort nicht mehr starten, schreibt Galopponline. In Deutschland gab Quijano bereits zwei umjubelte Abschiedsvorstellungen, als er in Baden-Baden (siehe Video) und Köln noch einmal zu großer Form auflief.
40 Starts, 14 Siege, 11 Platzierungen, Gewinnsumme 1 877 266 Euro: Die Bilanz des Wallachs liest sich beeindruckend. Dabei begann alles mit einem Flop am 27. März 2005 auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel: Als 15:10-Favorit ging der dreijährige Quijano bei seinem Lebensdebüt an den Start. Das war nicht verwunderlich, denn er galt als Derbyhoffnung im großen Quartier von Trainer Peter Schiergen. Doch an diesem Ostersonntag lief auf dem weichen Boden gar nichts, Quijano endete weit geschlagen als Letzter im kleinen Feld. Die Verantwortlichen waren nach dem Rennen erstmal etwas ratlos. Kleiner Trost: Der Sieger Kartago entpuppte sich als durchaus gutes Pferd, das unter anderem im Mai den Großen Preis der Sparkasse Dortmund gewann.
Seriensieger
Quijano hingegen hatte nun Pause und tauchte erst wieder als vierjähriger Wallach im nächsten Jahr auf: Am 17. April 2006 siegte er hoch überlegen in einer harmlosen Aufgabe in Hannover. Was dann folgte, war eine Aufsehen erregende Serie: 10 Mal gewann der Wallach nacheinander, zum Abschluss gab es drei Siege gegen starke internationale Gegner in Nad Al Sheba/Dubai. Quijano entwickelte sich zu einem Globetrotter und einer Lichtgestalt des deutschen Turfs, sportliche Highlights waren drei Gruppe 1-Erfolge, zweimal in Mailand, einmal in Baden-Baden. Und da Bilder in diesem Fall mehr aussagen als Worte, empfehle ich diesen schönen Rückblick auf eine sehr erfolgreiche Karriere.
So ganz, ganz langsam geht die große Turfsaison zu Ende. Doch vorher hält der Herbst noch einige richtige Kracher bereit – so zum Beispiel am Sonntag den Preis von Europa (Gruppe 1, 2400 Meter, Gesamtpreisgeld 155 000 Euro) auf der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch. Gut, Gruppe 1 ist nicht Gruppe 1 und zweifellos steht das Kölner Megarennen immer etwas im Schatten des Arcs nächste Woche in Paris-Longchamp. Dennoch ist für deutsche Verhältnisse ein exzellentes Starterfeld zustande gekommen.
Da wäre beispielsweise die großartige Stute Night Magic. Ihren fantastischen Sieg in Baden-Baden kann man nicht häufig genug sehen, dabei hatte ich den Eindruck, dass die Stute des Stalles Salzburg im Bogen am schlechtesten von allen Pferden ging. Doch wie Night Magic auf der Zielgerade außen an allen vorbeizog – das war schon ganz großes Kino. Im Sattel sitzt wieder ihr etatmäßiger Pilot Karoly Kerekes.
Mit dabei ist wieder als Tempomacher der Stallgefährte Northern Glory, der in dieser Funktion in Iffezheim eine starke Partie lieferte und nur hauchdünn für den dritten Platz geschlagen war.
Zweiter in Baden-Baden war Quijano. Der achtjährige Wallach wird nach 38 Starts und einer Gewinnsumme von über 1,8 Millionen Euro seine Abschiedsvorstellung geben. Und nicht nur Rennbahn-Kommentator Manfred Chapman wird ausflippen, wenn der Globetrotter seine großartige Karriere mit einem Sieg krönen würde.
Die Enttäuschung in besagtem Badener Rennen war Wiener Walzer: Nur Platz 6 von 7 Startern für den Derbysieger von 2009. So ganz rund lief es in dieser Saison nicht für den Schlenderhaner: Der zweite Platz in Hamburg war noch in Ordnung, davor lief er auf zu kurzen Wegen in Toprennen in Newmarket und Longchamp. Nach den Wetterprognosen für das kommende Wochenende wird er zudem nicht den passenden guten Boden vorfinden.
Vor Wiener Walzer endete in Iffezheim Allied Powers, der einzige ausländische Starter im Preis von Europa. Davor endete er in Hamburg hinter Wiener Walzer und Quijano, allerdings nicht weit geschlagen.
Formumkehr
Der Gast aus England braucht unbedingt weiches Geläuf, sagt sein Trainer Michael Bell. Seine beste Form zeigte er als Sieger im Grand Prix Chantilly (Gr. II) auf schwerem Boden. Während ich diese Zeilen schreibe, regnet es in Köln. Und das ist sein Wetter.
Auch Scalo hat zuletzt auf schwerem Boden in Frankreich gewonnen. Von den Pferden, die er in Deauville besiegte, war Wealthy, der Zweite aus dem Rennen, danach wiederum Zweiter in einem Gruppe 3-Rennen in Longchamp. Black Spirit, der Rang 3 belegte, ist ein ganz ordentliches Pferd, war aber danach in einem Listed Race geschlagen. Scalo enttäuschte vorher im Derby und in der Union (in der er allerdings einen sehr schlechten Rennverlauf hatte). Und bislang war er nur über 2000 Meter erfolgreich, allerdings galt er schon immer als Steher im Wöhler-Rennstall.
Einen höchst interessanten Starter schickt Trainer Waldemar Hickst mit Tres Rock Danon ins Rennen. Der Hengst gewann in dieser Saison zwei der Top-Steherprüfungen in Deutschland und enttäuschte auch zuletzt in einer anspruchsvollen Aufgabe in Frankreich nicht. Jetzt geht man in der Distanz zurück. Gegen die Spezialisten muss Tres Rock Danon sich weiter steigern, allerdings lief er bislang so, als wenn er noch etwas im Tank hat. Auf schwerem Boden war er mal 2. in Frankreich.
Mit Sicherheit noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten ist ebenfalls der zweite Starter aus dem Hickst-Quartier. Die Aufgabe könnte für Mulan jedoch noch etwas zu früh kommen. Immerhin läuft er wieder auf seiner besten Distanz, die 2000 Meter im Fürstenberg-Rennen waren doch zu kurz.
Zweite Stute im Feld ist Soberania, nach den Vorformen aber nur Außenseiterin. Immerhin war sie im letzten Jahr Zweite im Preis der Diana.
Urteil
Ich gehe mal davon aus, dass der Boden am Sonntag mindestens weich sein wird. Und da tippe ich gegen Night Magic die Bodenspezialisten Allied Powers und Scalo. Der Sieger der Herzen wäre natürlich Quijano, der bei einem Erfolg die Bahn in Köln so richtig zum rocken bringen würde. Bei den Wetterprognosen glaube ich das aber nicht.
Ansonsten bieten die Kölner an diesem Tag mal wieder ein Top-Programm: Neben dem Preis von Europa steht noch die Große Europa-Meile (Gr.2) auf dem Programm, dazu gibt es noch vier Listenrennen.
Es war wieder St. Leger-Zeit auf der Dortmunder Galopprennbahn – das Rennen, mit dem mich viel verbindet. Denn der Klassiker, in den Jahren vorher immer am ersten Oktober- bzw. letzten September-Wochenende, hat mich eigentlich erst richtig für den Turf und das Wetten infiziert, obwohl mein erster richtiger Besuch auf einer Rennbahn an einem dunklen Dezember-Sonntag Mitte der 80er Jahre war.
In den ersten Jahren beim St. Leger lief es auch beim Wetten: Die Siegerinnen Prairie Neba (1986), Gondola (1987) oder ein Jahr später der Einlauf mit Britannia und Obando – das waren Treffer, die mich für kleines Geld stolz machten.
Nur seitdem ist diese Serie gerissen. Gut, ich habe danach wieder angefangen, Fußball im Verein zu spielen und das lief zeitgleich zu den Rennen in Wambel. Doch irgendwann war die Kickerkarriere vorbei, dennoch bleib der Wettfluch des St. Legers. Einmal hätte ich getroffen, 2005 den Einlauf mit El Tango und Harar – nur spielte parallel am Sonntag Abend der BVB und ich habe die Wette nicht beim Bookie abgegeben.
Das Elend setzte sich in diesem Jahr fort: Optimistisch habe ich drei Pferde – Next Vision, Amare und Brusco – im Einlauf kombiniert; nur Favorit Brusco spielte letztendlich eine Rolle und wurde Dritter. Mein auch hier verkündeter Tipp Next Vision wurde Letzter; das Pferd für die Überraschung Amare fand nie ins Rennen und war weit geschlagen.
Quick Pick
Selbstverständlich gewann wie so oft das Pferd, das ich nicht haben wollte: Dabei war Val Mondo einer der Mitfavoriten, hatte sein Stehvermögen schon eindrücklich unter Beweis gestellt und siegte dann auch im Stile eines guten Stehers. Bei dem Lando-Sohn störte mich die wenig aufregende Form von Trainer Uwe Ostmann.
Wie ein Pferd mit viel Stamina lief ebenfalls der Überraschungs-Zweite Burma Gold, der schon im Führring einen hervorragenden Eindruck machte. Dann folgte Brusco und danach kam bereits Saldennähe aus dem Gestüt Wittekindshof von Hans Hugo Miebach, Ehrenpräsident des Dortmunder Rennvereins. Wenigstens bestätigte sich die Regel, dass die Wittekindshofer Pferde in Dortmund immer gut laufen, auch wenn die Form nicht besonders ist. Denn auch die zweite Vertreterin Sworn Pro zog sich achtbar aus der Affäre.
Was brachte der Renntag noch? Prince de la Nuit, Sieger im Auktionsrennen, sorgte dafür, dass der Tag mit einem leichten finanziellen Plus endete. Der Quick Pick in der Viererwette ist eine schöne Sache (auch wenn ich natürlich nicht die Wette getroffen habe). Das Catering nimmt wieder alte Besorgnis erregende Züge an, zumindest in der Wetthalle unter der ersten Glastribüne. Den Kaffee gab es nur im Pappbecher und er schmeckte ganz grauenhaft. Immerhin hatte die Kratz-Bratwurst die gewohnte Qualität – so ganz kann ich aber die Euphorie des Leserbriefschreibers aus der Sport-Welt nicht nachvollziehen, der nicht mehr nach Krefeld fährt, weil dort der Bratwurst-Profi fehlt.
Schauen wir mal, ob sich die fast schon euphorische Stimmung im deutschen Galopprennsport nach der erfolgreichen Großen Woche in Baden-Baden auch auf den Alltag überträgt. Zum Beispiel auf die altehrwürdige Rennbahn in Dortmund, wo am Sonntag (12. September) mit dem Großen DSW 21-Preis – 126. Deutsches St. Leger (2 800 Meter, Gr. III, 55 000 Euro) der letzte Klassiker des Jahres auf dem Programm steht. Aber ist das überhaupt noch ein Klassiker, wo das Rennen doch schon seit einiger Zeit auch älteren Pferden und nicht nur Dreijährigen offen steht? Jedenfalls ist das Termin früher als sonst, weil der erste Oktobersonntag diesmal auf den Feiertag 3. Oktober fällt, dort traditionell Hoppegarten und Mülheim veranstalten. Dem Dortmunder Rennverein wird die Verlegung aber gut gefallen, weil am 3. Oktober am späten Nachmittag in der Fußball-Bundesliga Borussia Dortmund auf den FC Bayern München trifft und das einiges an Besucher gekostet hätte.
Das St. Leger hat deutlich in den letzten 20 Jahren an Prestige verloren, weil Pferde, die über die weite Distanz von 2800 Meter kommen, in der Zucht weniger gefragt sind. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in den europäischen Turf-Großmächten Frankreich, Irland und England. Nur die Engländer (wo das Rennen am Samstag in Doncaster stattfindet) haben das Rennen noch nicht für ältere Vollblüter geöffnet.
Dennoch ist es ein wichtiges Rennen im Turfkalender. nurpferdefussball analysiert die Chancen der 12 Starter im deutschen St. Leger.
Stutensiege sind nicht selten im St. Leger: 2003 triumphierte beispielsweise Royal Fantasy
1 Brusco (Trainer Andreas Wöhler/Besitzer R&B Int.): Vierjähriger Hengst, der sich im Laufe des Jahres in der Spitzengruppe der deutschen Steher etabliert hat. Fünf Starts 2010, drei Siege, zwei zweite Plätze, zuletzt in Köln auf schwerem Boden mit viel Kampfgeist Sieger gegen Val Mondo, den er heute wieder trifft. Davor unterlag er in Hamburg nur dem guten Tres Rock Danon. Bodenunabhängig, besitzt allererste Chancen.
2 Caudillo (Dr. Andreas Bolte/Brunhilde + Horst-Dieter Kuhlmann): Siebenjähriger Hengst, zählt seit Jahren zur deutschen Spitzer-Steherguppe. 2009 Vierter im St. Leger, Formen 2010 waren ganz ordentlich, vom Sieger war er aber immer ein Stück entfernt.
3 Egon (Waldemar Hickst/Stall Domstadt): „Kultpferd“ aus dem rührigen Stall Domstadt, der auch schon über 2950 Meter gewonnen hat. In der besten Steherklasse bekam der vierjährige Hengst aber schon deutlich seine Grenzen aufgezeigt.
4 Next Vision (Jens Hirschberger/Georg Baron von Ullmann): Vierjähriger Hengst, nachgenant nach seinem imponierenden Sieg mit 60 kg im Ausgleich 2 in Baden-Baden. Das zeugt von einigem Vertrauen, aber der Badener Erfolg war leicht und eindrucksvoll. Der große Unbekannte, Distanz ist ein Fragezeichen, die Mutter Night Petticoat war jedoch Zweite im St. Leger und hatte neben Stehvermögen auch herausragende Klasse.
5 Tarkheena Prince (Christian Freiherr von der Recke/BMK Racing): 5jähriger Wallach, im letzten Jahr Dritter im St. Leger. Die Formen des Wallachs in diesem Jahr sind nicht berauschend, kann jedoch den weichen Boden.
6 Sworn Pro (Mario Hofer/Gestüt Wittekindshof): Vierjährige Stute, erst zwei Starts in diesem Jahr, nach diesen Leistungen spricht wenig für sie. Aber für sie gilt auch wie für Saldennähe der Dortmunder „Wittekindshof-Faktor“. Also einen Blick auf den Toto werfen.
7 Burma Gold (Peter Schiergen/Gestüt Ammerland): Dreijähriger Hengst, zuletzt chancenlos gegen die älteren Pferde in einem Gruppe 1-Rennen in Hamburg. Die Formen vorher reichen auch nicht aus, aber ich habe den Eindruck, dass der Java-Gold-Sohn vielleicht noch etwas im Tank hat bei erst vier Starts im Leben.
8 Codor (Peter Schiergen/Klaus Allofs und Stiftung Gestüt Fährhof): Dreijähriger Hengst, zuletzt Vierter auf schwerem Boden in einem Listenrennen über 2400 Meter in Frankreich. Für mich nicht unbedingt ein Pferd, dem die 2800 Meter entgegenkommen. Ist aber die Wahl von Stalljockey Andrasch Starke aus dem Schiergen-Aufgebot.
9 Lamool (Mario Hofer/Eckhardt Sauren): Dreijähriger Hengst, beste Form als 5. im Derby, enttäuschend hingegen zuletzt als 5. in einer viel leichteren Aufgabe. Als Sohn des großen Stehers Mamool müsste ihm eigentlich die lange Strecke entgegenkommen, dennoch eine eher spekulative Wahl.
10 Val Mondo (Uwe Ostmann/Stall Dipoli): Dreijähriger Hengst, der im Ostmann-Quartier schon immer als großer Steher galt. Das untermauerte er mit einer tadellosen Vorstellung in Köln, als er nur Brusco unterlag. Im Derby chancenlos, davor aber mit guten Leistungen gegen Pferde aus der Jahrgangsspitze. Mag als Lando-Sohn erstaunlicherweise weichen oder schweren Boden, den er wahrscheinlich am Sonntag haben wird. Und normalerweise ist der September ein Monat, in dem die Ostmann-Pferde traditionell richtig erfolgreich sind.
11 Amare (Torsten Mundry/Gestüt Ittlingen): Dreijährige Stute, die zuletzt wie ein Pferd lief, das quasi nach einer längeren Strecke „schreit“. Hatte in der Diana einen katastrophalen Rennverlauf, muss sich steigern, könnte aber durchaus überraschen. Noch nicht auf schwerem Grund gelaufen, einmal Dritte zum Debüt auf weichem Boden.
12 Saldennähe (Peter Schiergen/Gestüt Wittekindshof): Dreijährige Stute im Besitz von Hans-Hugo Miebach, langjähriger Präsident des Dortmunder Rennvereins. Und der schickt in der Regel keine chancenlosen Pferde auf seine Heimatbahn. Formen reichen nicht aus, war schon hinter Amare, chancenlos in der Diana und den Oaks Italia.
Urteil:
Eine durchaus offene Sache. Ich entscheide mich für Next Vision gegen die Favoriten Brusco und Val Mondo, eine chancenreiche Außenseiterin ist Amare. Und natürlich sind in Dortmunder die Wittekindshofer Pferde immer zu beachten, auf den Toto bei Saldennähe und Sworn Pro achten.