Irgendwann in der letzten Woche habe ich mal im Netz geschaut, ob es noch Karten für das DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und Dynamo Dresden gab. Erstaunlicherweise waren sehr viele Tickets bereits verkauft, obwohl das Spiel live im ZDF zu sehen war.
Die Südtribüne war bereits vollbesetzt, freie Plätze gab es jedoch noch auf der Nordtribüne – in unmittelbarer Nähe der Gästeblocke im Signal-Iduna-Park.
Ich habe dankend darauf verzichtet, weil ich die Dresdener Fantruppe bereits zwei Mal bei Spielen der zweiten Mannschaft des BVB erlebt habe. Da waren aus Sicherheitsgründen fast mehr Polizisten als Zuschauer im Stadion, um den Dresdener Anhang zu kontrollieren. Teile der Dynamo-Anhänger machten einen ziemlich durch geknallten Eindruck. Außerdem ging mir diese „Wir armen Ossis – Ihr bösen Wessis“-Attitüde mancher Dresdener ziemlich auf den Geist.
Die Fanszene der Sachsen hat einen ziemlich gewalttätigen Ruf. Da sich auf der Nordtribüne Dortmunder und Dresdener Fans ungehindert begegnen können und ich keine Lust auf Stress hatte, bin ich zuhause geblieben.
Fernhalten
Es war eine weise Entscheidung: Denn die Dynamo-Fans bestätigten „eindrucksvoll“ ihren schlechten Ruf. 17 Verletzte, 15 Festnahmen, vermeldete die Polizei nach diesem Abend, laut BVB entstand ein Sachschaden von 150 000 Euro Schaden im Signal Iduna Park. Angeblich seien von den 12 000 Dresdener Anhänger 4000 gewaltbereit gewesen, heißt es in der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung.
Das kommt mir zwar reichlich viel vor, dennoch: Ich kann mich nicht an so schlimme Szenen im Dortmunder Stadion erinnern – und ich gehe seit 30 Jahren zum BVB. Unbeteiligte Zuschauer in den Nachbarblöcken wurden attackiert, Eltern flohen mit ihren Kindern aus dem Stadion, weil sie Angst vor dem gewalttätigen Mob hatten. Ein Revierderby Dortmund gegen Schalke scheint dagegen das reinste Friedenscamp.
„Ausschließen! Auf unbestimmte Zeit“ kommentierte Freddie Röckenhaus in der Süddeutschen Zeitung und forderte, Dynamo-Fans von Auswärtsspielen künftig fernzuhalten, falls es weiterhin nicht gelänge, den gewaltbereiten Kern zu isolieren. „Der Verein Dynamo Dresden wird die Resozialisierung von großen Teilen seiner Anhängerschaft nicht alleine bewältigen können. In Dresdens Szene gilt Gewalt als akzeptierter als irgendwo sonst“, so Röckenhaus.
Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen: Es war ja nicht das erste Mal, dass Dynamos Anhang aus der Reihe fiel. Natürlich würden unter so einer Maßnahme die friedlichen Supporter leiden, aber vielleicht gibt es endlich ein Umdenken in der Szene. Dem eh’ schon finanziell geplagten Verein Dynamo Dresden schaden die Gewalttäter jedenfalls mächtig.
Er wird wissen, was er sich da antut: Thorsten Fink wird neuer Trainer des krisengeplagten Fußball-Bundesligisten Hamburger SV und verlässt damit die beschauliche Schweiz. Wobei so ruhig dürfte das Arbeiten beim FC Basel, dem Topklub der Eidgenossen, auch nicht gewesen sein. Erfolgreich war er zumindest dort: 2010 und 2011 Schweizer Meister, 2010 zudem Schweizer Pokalsieger.
In der Alpenrepublik ist man voll des Lobes über den 43jährigen. „Fink gewinnt nicht nur Titel, er lässt sogar noch einen spektakulären Fußball spielen“, zitiert der kicker Marcel Rohr, den Sportchef der Basler Zeitung. Der FC Basel untermauerte das zuletzt mit einer eindrucksvollen Vorstellung in der Champions League bei Manchester United, als das Team erst in der Schlussphase das 3:3 kassierte und Fink quasi den Trainer-Ritterschlag in Form eines Lobes von Alex Ferguson erhielt. „Ich habe in zweieinhalb Jahren kein schlechtes Wort über den Trainer gehört. Das habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt“, meint Alex Frei, einst in Diensten von Borussia Dortmund, über den gebürtigen Dortmunder.
Beim HSV, dem letzten Gründungsmitglied der Bundesliga, erwartet ihn eine schwierige Aufgabe. Dem Bundesliga-Dino droht der Abstieg und wie ein Absteiger präsentierte sich die Mannschaft auch in den ersten sieben Spielen. Zehn Trainer haben die Hanseaten in den letzten zehn Jahren verschkissen, zuletzt musste Michael Oenning gehen, der diesen Job auch erst seit März 2011 innehatte.
Spätestens nach dem Abgang von Dietmar Beiersdorfer leistete sich die HSV-Führungsspitze Peinlichkeiten im Dauerpack.
Seit Sommer ist der neue Manager Frank Arnesen da, die Mannschaft befindet sich im Neuaufbau. Der verläuft allerdings schwierig: Die etablierten Spieler wie etwa Aogo, Westermann, Janssen, Jarolim oder Petric enttäuschten bislang, die geholten Nachwuchsleute kommen so in ein nicht funktionierendes Mannschaftsgefüge. „Ich bin ein echter Ruhrpottler, ich habe gelernt zu kämpfen“, sagt Thorsten Fink.
Technisch gut, aber zu weich
Und damit sind wir bei dem, was Fink für diese Kolumne interessant macht. Denn ich verfolge den Weg des einstigen Mittelfeldspielers schon seit seinen Anfängen bei Borussia Dortmund. Besonders intensiv seit Ende der achtziger Jahre, nachdem ein Studienkollege, der Thorsten Fink aus der Berufsschule kannte, diesen als „arroganten, hohlen Schönling“ bezeichnete.
Fink begann seine Karriere beim längst vergessenen Dortmunder Vorortklub Roland Marten (der 1993 mit dem etablierten Ortsrivalen Arminia fusionierte) und wechselte dann zu Borussia Dortmund. Dort wurde er deutscher B-Juniorenmeister, spielte in der Jugend und in der Amateurmannschaft (die damals auch noch so hieß). Er galt damals als „technisch begabt, aber zu weich“, den Sprung ins Profiteam schaffte er nicht.
Erst bei Wattenscheid 09 gelang ihm der Durchbruch in der Bundesliga, etablierte sich beim Karlsruher SC und setzte sich dann überraschend beim FC Bayern München durch. Der FC Bayern hatte damals eine völlige „Unsympathentruppe“ mit Matthäus, Kahn, Effenberg oder Jancker, die ich regelrecht gehasst habe. Weil sie so erfolgreich waren, weil sie so arrogant auftraten, weil der BVB zu diesem Zeitpunkt mit den Bayern konkurrierte - vieles sprach dafür, den bayerischen Klub nicht zu mögen. Jedenfalls gewann er mit den Münchenern 2001 die Champions League, war aber auch maßgeblich am berühmten 1:2 gegen Manchester United im Champions League-Finale 1999 beteiligt.
Als Trainer ist Fink in Deutschland kaum zu bewerten: Er stieg zwar mit dem FC Ingolstadt 04 2008 in die 2. Liga auf. Im April 2009 wurde er dort allerdings nach einer Negativserie gefeuert, die Ingolstädter stiegen dennoch ab.
Fink bevorzugt den Offensivfußball. Das erstaunt wiederum, weil einer seiner Lehrmeister in Salzburg Giovanni Trappatoni war. Und der gilt nun wahrlich nicht als Prophet der gepflegten Attacke.
Viele Anhänger von Borussia Dortmund blicken seit einiger Zeit interessiert nach Cottbus. Besonders die Leute, die kontinuierlich die zweite Mannschaft und den Nachwuchsbereich verfolgen. Denn beim Zweitligisten Energie kicken mit Markus Brzenska, Marc Andre Kruska (beide seit 2009) sowie Uwe Hünemeier (seit 2010) drei Spieler aus dem Dortmunder Nachwuchsbereich. Während Brzenska (27) und Kruska (24) immerhin beide fast 100 Bundesligaspiele für den BVB bestritten, kam Hünemeier (25) nur auf ganze fünf Bundesligaspiele. Dabei hatte der Innenverteidiger von den dreien eigentlich die besten fußballerischen Voraussetzungen.
Der gebürtige Ostwestfale, der mit 14 Jahren nach Dortmund kam, ist das klassische Beispiel, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt. Oder er hatte einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Denn spätestens seit Beginn der Ära Jürgen Klopp ist der BVB auf der Innenverteidiger-Position mit Mats Hummels und Neven Subotic sehr gut aufgestellt. Da bleibt selbst einem Spieler wie Felipe Santana, der fast in jeder anderen Bundesliga-Mannschaft im Zentrum gesetzt wäre, nur die Ersatzbank.
Gegen diese Hochkaräter, die zudem jünger waren, hatte Hünemeier keine Chance – trotz herausragender Leistungen in der 2. Mannschaft in Liga 3 und Regionalliga. Dennoch schaut er nicht im Zorn zurück. Er sei weder „traurig noch neidisch“ etwa auf Mats Hummels, verriet er im Spox-Interview. „Ich verfolge den Weg der Jungs (vom BVB) mit Freude. Man muss ja auch festhalten, dass er (Hummels) und Subotic ein überragendes Niveau haben. Sie sind zu Recht dort, wo sie sind.“
Offensivstark
In Cottbus fühlt sich Hünemeier wohl. Nach kurzen Anfangsschwierigkeiten akklimatisierte er sich schnell: Mit einem Notenschnitt von 3,27 im Fachblatt kicker zählt er zu den besten Abwehrspielern in Liga 2. Besondere Stärke: die Torgefährlichkeit bei Standardsituationen. Neun Tore in 30 Spielern sind für einen Defensivspieler außergewöhnlich.
In dieser Saison läuft es bislang ganz ordentlich, obwohl sein Partner Brzenska derzeit nach einem Achillessehnen-Abriss ausfällt. Energie steht auf Platz 4 mit vier Siegen, einem Remis und einer Niederlage. Nur die 0:5-Heimniederlage gegen 1860 München stimmte Energie-Trainer Klaus-Dieter, genannt „Pele“, Wollitz etwas missmutig. Vielleicht schafft ja Cottbus mit den drei Ex-Dortmunder Nachwuchskickern wieder den Sprung in die Bundesliga. Zumal mit Dimitar Rangelov ein weiterer ehemaliger Borusse das Energie-Trikot trägt. Der Bulgare spielte allerdings nie beim BVB-Nachwuchs, dafür aber schon mal von 2007 bis 2009 in der Lausitz.
Arnd Zeigler hat gestern schon darüber abgelästert und dem kann ich mich nur anschließen. Es geht um den Spieler-Radar, mit dem Bild am Sonntag und Bild zukünftig ihre Berichterstattung der Fußball-Bundesliga aufpeppen wollen. Nun könnte mir das eigentlich egal sein, aber am Sonntag greife ich doch sehr häufig mangels Alternative zur Bild am Sonntag (die jedoch bei weitem nicht so vulgär ist wie ihre hässliche Schwester Bild).
Jedenfalls verkündete die BamS jetzt ganz stolz: „In Zusammenarbeit mit unserem Grafik-Dienstleister Impire bieten wir Ihnen Grafiken, die sie bisher in keiner Zeitung finden konnten.“ Der Leser könne den Laufweg des Spielers über die kompletten 90 Minuten verfolgen, unterschiedliche Farben zeigen das jeweilige Tempo.
In der Praxis gleicht das dann aber eher dem Gekritzel eines Kindergarten-Kindes und wirkt leicht psychedelisch angehaucht. Schön zu sehen an den Laufwegen von Mario Götze am Freitag gegen den HSV. Ein wüstes Mischmasch aus grünen, gelben, orangen und roten Linien – und der gute Mario ist doch wahrlich über den ganzen Platz gelaufen. Oder Torwart Roman Weidenfeller – der sprintete doch tatsächlich bis zur Mittellinie, um den Torschützen Kevin Großkreutz zu gratulieren (Grafik 3). Aber die meiste Zeit hielt er sich in seinem Tor auf. Wahnsinn!
Aber immerhin errechnet diese neue Bild-Exklusiv-Schöpfung auch, welchen Spieler am meisten und welcher am wenigsten im Spiel läuft. Da kann das Boulevardblatt dann schöne Schlagzeilen über faule Spieler generieren und Stimmung machen. Aber Vorsicht, liebe Bild-Redakteure: Torhüter laufen in der Regel weniger als Feldspieler.
Im Ernst: Wer wirklich etwas über Taktik erfahren möchte, dem empfehle ich diese diese oder diese Seiten. Und nicht solche Gimmicks wie den Spieler-Radar. Zumal es immer noch Fußball spielen statt Fußball laufen heißt…..
Ich solle doch mal in meinem Blog eine Vorschau auf die Bundesliga-Saison machen, meinte kürzlich ein Bekannter von mir. Also: Dortmund landet vor Schalke; Meister wird wahrscheinlich diese Verein aus dem Süden Deutschlands, der immer so teuere Spieler kauft und der Elan von BVB-Trainer Jürgen Klopp ist lange noch nicht erschöpft. Besser können das aber die Kollegen von Sportradio 360 in ihrem Podcast.
Da gibt es unter anderem eine neue Rubrik namens Liga-Globus, in der Blogger und andere Fans Stellung nehmen zu den wichtigsten Fragen der Liga vor Saisonbeginn. Sehr empfehlenswert, zumal auch der Verfasser dieser Zeilen dabei ist. Um was es geht? Natürlich um den Elan von Jürgen Klopp…
War doch klar, dass er wieder auftaucht: Der Mode-Fan. Jetzt wo Borussia Dortmund kurz vor der Krönung einer grandiosen Saison (der besten aller Zeiten) steht, schauen sich manche Stammbesucher im Stadion etwas verwirrt um. Weil um sie herum auf einmal Leute sind, die ansonsten da nicht stehen oder sitzen. Manchmal verhalten sich diese dann auch noch abseits des Fan-Mainstreams. Das Urteil ist dann schnell gefällt: Mode-Fan. Der wahre Fan führt dann gerne entsprechende Diskussionen in den einschlägigen Fan-Foren.
Denn niemanden verachtet der echte Fan mehr wie den Mode-Fan. Der echte Fan ist immer dabei, egal wie gut oder schlecht es dem Verein geht. Sein Fandasein ist für ihn eine Herzensangelegenheit und hat nichts mit Tabellenständen zu tun. Der Mode-Fan kommt hingegen nur, wenn es etwas zu Feiern gibt. Der schnöde Alltag ist ihm so ziemlich egal – Hauptsache Party.
Statussymbol
Nun ist das mit den Mode-Fans in Dortmund so eine Sache. Denn in dieser Stadt hat jeder zu Borussia Dortmund eine Meinung. Selbst wenn die Mannschaft – wie zum Beispiel in den Jahren vor Jürgen Klopp in der unsäglichen Doll-Ära – wirklich grottenschlecht und uninspiriert Fußball spielt, kommen immer noch über 70 000 Zuschauer in den Tempel - mindestens. Die Kracher gegen Bayern und Schalke sind selbstverständlich ausverkauft. Wenn der BVB dann noch wie 2007 Schalke die Meisterschaft versaut, dann gilt die Saison sogar als gelungen.
Die BVB-Dauerkarte ist auch in schlechten Zeiten ein absolutes Muss und für viele ein Statussymbol. Dass dies einige Mode-Fans anzieht, ist leider eine unbestrittene Tatsache. Nur ihre Zahl ist in Hochburgen wie Dortmund im Gegensatz zu anderen Städten wie Stuttgart und Berlin noch recht moderat und durchaus erträglich. Wenn es wie nach den Meisterschaften 1995 und 1996 vorkommt, dass sich ausgewiesene Fans des FC Bayern München Dauerkarten für das Westfalenstadion holten, dann kamen diese aus dem Sauerland. Und die Bayern-Fan waren dann nach ersten Mißerfolgen schnell wieder verschwunden.
Noch ein Höhepunkt in diesen Gaga-Trainer-Wechsel-Wochen in der Fußball-Bundesliga: Christoph Daum ist neuer Trainer von Eintracht Frankfurt und löst damit den armen Michael Skibbe ab. Der Hessische Rundschau (das ist dieser Sender, bei dem einst Jürgen Emig Sportchef war) änderte dafür extra sein Programm und übertrug das erste Training von Daum live, die 11 Freunde tickerten dazu live. „Der Tage habe nun 25 Stunden“, sagte der „Undurchsichtige mit dem stechenden Blick“ (Süddeutsche Zeitung) und „Visionen schaffen Fakten".
Erst einmal muss aber Daum die Eintracht vorm Abstieg retten. Dann steht einer neuen Männerfreundschaft mit Eintracht-Manager Heribert Bruchhagen nichts mehr im Wege. Die Bundesliga darf sich auf in jedem Fall auf zukünftige Auftritte wie diesen einst in Kölner Diensten freuen.
Was für eine Posse mal wieder auf Schalke! Da steht der Ruhrgebietsverein heute Abend in der Champions League vor einem der wichtigsten Spiele der Saison – und just am Morgen des Rückspiels gegen Valencia vermelden die Zeitungen der WAZ-Gruppe (WAZ, NRZ, Westfälische Rundschau, Westfalenpost) das Aus von Trainer Felix Magath zum Saisonende. Guter Stil sieht anders aus, zumal Magath am Vormittag von der Geschichte laut kicker noch gar nichts wusste. Auch von offizieller Schalker Seite gibt es bislang noch kein Statement.
„Spätestens zum Saisonende wird für Magath die Mission Schalke beendet sein“, schrieben die WAZ-Blätter am Morgen und berufen sich auf sichere Quellen. „Die Entscheidungsgremien trauen dem 57-Jährigen nicht mehr zu, seinen Masterplan, der den Gewinn der Meisterschaft bis spätestens zum Ablauf seines Vertrages im Jahr 2013 vorsah, in die Tat umzusetzen.“ Magaths Führungsstil, der auf Allmacht und Autorität basiert, schlug einen tiefen Riss in den Klub, heißt es weiter im Text.
„Fanvertreter sehen Magath als Symptom der Schalker Krise“, lautet die Überschrift eines weiteren Textes auf der westen, dem Internetportal der WAZ-Gruppe. Zitiert wird dort Artur Saager vom Schalker Fanclub-Verband. „Ihre (die Fans) Proteste gegen die kraftlosen Auftritte der Mannschaft, ihre Warnungen, Magath zerstöre mit seiner ausufernden Transferpolitik die Identifikation der Fans mit dem Verein, und ihre Rufe gegen einen Trainer Magath, den viele Fans als allmächtig und autoritär, manchmal sogar als arrogant den eigenen Anhängern gegenüber wahrnahmen – sie wurden kaum gehört. „Irgendwann bist du als Fan hilflos“, sagt Saager.
Interessant sind die Kommentare zu beiden Texten. Geschätzte 90 Prozent der Schreiber plädieren für Magath und distanzieren sich von ihren Fanvertretern. Das verspricht einen explosiven Champions League-Abend. Mal schauen, ob sich der Riss, der durch die Schalker Fangemeinde geht, auf den Rängen widerspiegelt.
Karimi und Charisteas
Abgesehen vom Zeitpunkt der Verkündung ist der Magath-Rausschmiss zum Saisonende durchaus verständlich. Zwar steht Königsblau im Finale des DFB-Pokals und hat gute Chancen, das Viertelfinale der Champions League zu erreichen. In der Bundesliga enttäuschte das Team allerdings und ohne den überragenden Torhüter Manuel Neuer würde Schalke noch tiefer in der Tabelle stehen.
Hinzu kommt Magaths Transferpolitik: Die Verpflichtungen beispielsweise von Charisteas und Karimi, die bislang sportlich keine Rolle spielen, sehen eher nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für alt gediente Profis aus. In Schalke schaut man neidisch zum Erzrivalen Dortmund, der in dieser Saison mit einer jungen Mannschaft die Maßstäbe in der Bundesliga setzt.
Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Kritik am Führungsstil von Felix Magath. Besonders von Seiten der Offiziellen: Denn Magath war immer autoritär und allmächtig. Das wussten die Schalker Verantwortlichen um Clemens Tönnies. Und so einen Trainer wollten sie ja auch als Nachfolger des eher weichen Fred Rutten.
Mit seinem Stil hatte Magath großen Erfolg – auch im letzten Jahr auf Schalke, als das Team völlig überraschend Vizemeister wurde. „Vereinsschädigend“ kommentiert die Welt und bezeichnet das Verhalten der Schalker Führungsspitze als lächerlich.
Nachtrag: Noch ein aufschlussreicher Artikel zum Thema Schalke und Magath, diesmal aus der Süddeutschen Zeitung. Rehhagel ante portas, würde der Lateiner sagen.
Der kicker beschäftigt sich seit einigen Wochen mit sportlich abgestürzten Traditionsklubs. Nach Rot-Weiss Essen und Lokomotive Leipzig porträtierte das Fachblatt in dieser Woche Waldhof Mannheim. Inzwischen kickt der Klub nach einem „beispiellosen Selbstzerstörungsprozess mit Insolvenz (2003), zweimaligem Lizenzentzug (2003,2010) und mehrfachem Abstieg“ (kicker) in der fünftklassigen Oberliga Baden-Württemberg. Gut, dass Sepp Herberger, der berühmteste Spross des Vereins aus dem Mannheimer Arbeiterviertel, diesen Absturz nicht mehr miterleben durfte. Der Alt-Bundestrainer spielte dort in den zwanzigen Jahren. In dieser Zeit stand der Waldhof laut kicker für „präzises Flachpassspiel auf hohem technischen Niveau“.
Jüngere erinnern sich eher an die Jahre 1983 bis 1990, als die Mannheimer in der Bundesliga kickten. Da ging es eher rustikal bei den Waldhof-Buben zu. Ich verbinde mit Waldhof Mannheim einige der ödesten Spiele, die ich je im Dortmunder Westfalenstadion gesehen habe. Zum Beispiel aus der Saison 1983/84 ein fürchterliches 0:0, das in der Saison danach von einem noch schlimmeren 0:0 getoppt wurde. Der Höhepunkt war allerdings ein trostlosen Nachmittag im Dezember 1987: Es regnete ununterbrochen, Waldhof hatte wie üblich richtig Beton angerührt, stand mit neun Mann am eigenen Strafraum und kam im ganzen Match einmal vor das Dortmunder Tor. Das reichte zu einem 1:0-Sieg – eine Begegnung, die mich noch lange verfolgt hat, weil sie so grauenhaft war.
Irgendwie war der Verein damals richtig unsympathisch. Schon der Trainer nervte mit seinem Gebrabbel, das man nur rund um Mannheim und Darmstadt verstand, und seinem albernen Pepita-Hut. Klaus Schlappner, kurz „Schlappi“ genannt, setzte auf Tugenden wie Kampf und Willen. Passend zum Zeitgeist, denn im deutschen Fußball dominierten in dieser Zeit die Renner und Kämpfer, Fußball wurde gearbeitet und „nicht gespielt“. Strikte Manndeckung lautete das Motto – zur Not folgten die Abwehrspieler ihren Gegenspielern noch auf die Toilette.
Bollwerk
„Schlappis“ Truppe baute auf eine kompakte Abwehr: Dort standen mit Dieter Schlindwein, Dimitrios Tsionanis und Roland Dickgießer kompromisslose Gesellen – wüste Grätscher, die nur das Spiel zerstörten und denen dabei jedes erlaubte und nicht erlaubte Mittel recht war. Technisch waren die Schlindwein, Tsionanis und Dickgießer eher einfach aufgestellt, offensive Fähigkeiten musste ein Manndecker aber damals auch nicht haben.
Überhaupt ist der SV Waldhof in den siebziger und achtziger Jahren die „Grätscher-Schule“ der Nation. Aus dem Klub kamen einige der kompromisslosesten Abwehrspieler Deutschlands, die allesamt zu Nationalspielern wurden – zweikampfstark, kampfkräftig, aber eben auch spielerisch limitiert. Es begann mit Karlheinz Förster, der in der Waldhofer Jugend spielte, bevor er dann beim VfB Stuttgart zum Nationalspieler avancierte. Auch sein älterer Bruder Bernd kickte ein Jahr bei den Mannheimern, bevor er dann ebenfalls zum VfB Stuttgart wechselte. Es folgte dann Paul Steiner, der später zum 1.FC Köln wechselte.
Die größte Karriere von allen machte wohl Jürgen Kohler, der in Waldhof seine fußballerische Ausbildung erhielt und dann in Köln, München, Turin und Dortmund Titel und Ruhm einheimste. Und auch Christian Wörns, sein späterer Mitspieler in der Nationalmannschaft und beim BVB, stammt aus der Waldhof-Schule. Mit einem Unterschied: Die Italiener brachten Kohler das Fußballspielen bei, in Dortmund war der „Fußballgott“ durchaus auch spielerisch gereift.
Wer noch immer nicht genug hat vom SV Waldhof: Hier gibt es eine durchaus sehenswerte Reportage über den Verein, lief wohl in der ZDF-Sportreportage und ist viel bessser als das, was der Sender heute im Sport abliefert.
Kommt er nun oder kommt er nicht? Wird Matthias Sammer, derzeit noch als Sportdirektor in Diensten des DFB, neuer Sportchef des Hamburger SV? Noch weiß das Sammer selbst noch nicht, schreibt der in Sachen DFB meist gut informierte kicker.
Dennoch ein willkommener Anlass für diese Kolumne, mal auf das Wirken von Matthias Sammer bei Borussia Dortmund zurückzublicken. Denn der gebürtige Dresdener prägte von 1993 bis 2004 als Spieler und später Trainer entscheidend die Entwicklung des BVB in dieser Zeit.
1993 kam Sammer nach einem eher missglückten Gastspiel bei Inter Mailand nach Dortmund. Dort entwickelte er sich schnell zu einem Führungsspieler, bestimmte als Libero maßgeblich das Spiel der Millionentruppe von Trainer Ottmar Hitzfeld. Der Nationalspieler wurde schnell einer der Macher im Team und glänzte durch herausragende Leistungen. Pflegeleicht war der überehrgeizige Sammer aber nicht: Gerne stauchte er schon mal - wenn es nicht so lief und oder seine Kollegen es etwas lässiger angehen wollten - seine Mitspieler wie Andy Möller auf dem Feld zusammen.
Auch Trainer Hitzfeld hatte es nicht immer leicht mit dem mündigen Spieler Matthias Sammer, der seinen Trainer häufig hinterfragte. Der Erfolg heilte jedoch lange Zeit alle Differenzen: 1995 und 1996 wurde Dortmund Deutscher Meister, 1997 folgte der Champions League-Triumph gegen Juventus Turin – ausgerechnet im Münchener Olympiastadion, der Heimat des damaligen Rivalen FC Bayern München.
Vom Retter zum Buhmann
Zum Schluss seiner aktiven Laufbahn war Sammer häufig verletzt. Als es dann als Spieler nicht mehr weiterging, wurde er – nicht gerade gewollt – Trainer. In der Saison 1999/2000 hatte die Borussia nach dem ersten Spieltag der Rückrunde Trainer Michael Skibbe entlassen und unter seinem Nachfolger Bernd Krauss schlitterte Borussias Millionenelf unaufhörlich Richtung Abstieg. Was nicht nur an Krauss lag: Die Mannschaft präsentierte sich als zerstrittener Haufen, viele Spieler hatte ihre beste Zeit hinter sich oder konnten ihre Leistung abrufen. Der BVB-Vorstand unter Präsident Gerd Niebaum zog die Notbremse; Sammer übernahm mit Altmeister Udo Lattek gemeinsam das Traineramt, zusammen schafften sie den Klassenerhalt.
Zu Beginn der Saison 2000/2001 rückte Sammer allein in die Verantwortung. Es ging wieder aufwärts, auch weil der BVB – auch wenn er es sich finanziell gar nicht mehr leisten konnte – die Mannschaft teuer verstärkte. Unter anderem kamen Jan Koller, Tomas Rosicky und Marcio Amoroso. 2002 wurde Dortmund dann Meister, profitierte davon, dass Bayer Leverkusen Nerven zeigte. Zudem war das ein Dortmunder Team, mit dem man Erfolg haben musste – so gut war dieses üersonell besetzt. Überspitzt formuliert: Auch der Zeugwart wäre mit dieser Truppe Meister geworden.
Danach ging es abwärts: Sammer wurde immer mehr zum Freund einer vorsichtigen Taktik. Das sah dann meist so aus: Langsamer Spielaufbau, die Mannschaft spielte mehr quer als nach vorne. Ziemlich ideenlos wurde das Mittelfeld überbrückt, in dem der Ball von hinten auf den langen Koller geschlagen wurde – trotz eines Tomas Rosicky im Mittelfeld, einem klassischen Spielmachertyp, dem Sammer mit Defensivaufgaben den Spaß am Spiel nahm. Folgerichtig verpasste Dortmund mit Rang 3 die direkte Qualifikation für die Champions League – der erste Rückschlag für den damals finanziell schon ziemlich angegriffenen BVB.
Die nächste Spielzeit begann mit einem Schock, als die Westfalen in der Champions League-Qualifikation am FC Brügge scheiterte. In der Bundesliga wurde es noch trostloser: Die Spiele wurden immer grauenhafter. Sammer, so der Eindruck, hatte der Mannschaft jegliche Spielfreude ausgetrieben, das Pfeifkonzert zur Halbzeitpause gehörte zum guten Ton im Westfalenstadion. Die Ehe Sammer – BVB war am Ende; Mit Platz 6 verpasste Dortmund das internationale Geschäft. Matthias Sammer ging als Trainer zum VfB Stuttgart und wurde dort nach einem Jahr entlassen. Grund: die wenige attraktive Spielweise, das schwäbische Publikum rebellierte angeblich. Doch die Herren Staudt und Hundt im VfB-Vorstand zeigten damals schon ihre „fachlichen“ Qualitäten: Als Nachfolger verpflichteten sie ausgerechnet Giovanni Trappatoni, den Defensivspezialisten aus Italien.