Freitag, 28. Juni 2019
Im Geiste von Dick Francis
Mord, Wettbetrug, Doping, Erpressung auf der Rennbahn – nicht nur Jockey Rory Gillespie lebt gefährlich. Autor John Francome, ehemaliger Topjockey, liefert in Midnight Express spannende Unterhaltung ab. Kann man gut lesen, gerade im Sommer. Auch wenn die Geschichte im Winter spielt.

Es gibt (nicht nur) in Dortmund diese wunderbare Einrichtung der öffentlichen Bücherschränke. Und in einem solchem fand ich per Zufall das Buch Midnight Express von John Francome. Bei dem Namen dämmerte mir doch etwas. Francome war eim ehemaliger englischer Hindernisjockey, immerhin siebenfacher Championjockey und damit nach Tony Mc Coy (20 Championate) und Peter Scudamore (8) auf Rang 3 in der ewigen Bestenliste. Allerdings war das vor meiner Zeit, später war Francome dann Experte beim TV-Sender Channel 4.
Zudem hat der Mann Bücher geschrieben – und gar nicht so wenige Was mir neu war, denn eigentlich fällt mir in Sachen Literatur und Galopprennen nur der gute Dick Francis ein. Wie viele der Bücher von John Francome in deutscher Sprache erhältlich sind, weiß ich nicht. Auf der Seite eines bekannten Gemischtwarenhändlers findet der Interessent immerhin einige Bücher, jedoch in Englisch.
Midnight Express (Originaltitel Break Neck) liegt aber in deutscher Übersetzung vor und eines dieser seltenen Exemplare ergatterte ich in obigem Bücherschrank. Midnight Express ist der Name eines Hindernispferdes, das zu den Besten des Landes zählt und als Mitfavorit für die Champion Chase in Cheltenham gehandelt wird. Doch dazu kommt es nicht: Denn das Pferd verunglückt tödlich in einem unwichtigen Amateurrennen. Dort läuft es nur, weil es sein Besitzer, der Immobilienmogul Luke Mundy, so will und er es in dieser Amateurprüfung selber reiten kann. Doch der finanziell bankrotte Mundy (der eine hohe Siegwette auf sein Pferd platziert hat) stürzt selber tödlich. Fremde Kräfte halfen dabei: Denn Midnight Express war gedopt.

Gut und Böse
Wettbetrug, Erpressung und Doping – die Welt des englischen Hindernissports ist bei Francome nicht gerade edel. Aber es ist ja ein Krimi und langweilig ist die Geschichte eigentlich nie. Und wie bei vielen Dick Francis-Werken ist auch bei John Francome das detailliert beschriebene Turf-Milieu die große Stärke. Und wenn der Autor kenntnisreich ein Rennen schildert, dann merkt auch der Galopp-Laie, dass der Mann jahrelang sein Geld als Jockey verdient hat.
Im Mittelpunkt stehen der Profi-Jockey Rory Gillespie und die Trainerin Laura Mundy, die Midnight Express trainiert. Beide waren vorher mal ein Paar, doch dann heiratete Rory die scharfe Trainer-Tochter und die aus gutem Haus stammende Laura ehelichte den reichen Aufsteiger Luke. Beide sind jedoch unglücklich in ihrer Ehe, die alte Liebesgeschichte wird wieder aufgewärmt. Laura wird zudem von Scotland Yard verdächtigt, am Doping ihres Pferdes beteiligt zu sein. Jedenfalls ermittelt Rory auf eigene Faust, weil er an die Unschuld von Laura glaubt.
Die Charaktere sind alle ein wenig grob gestrickt, man erkennt schnell, wer Gut und wer Böse ist. Ein krimigeprüfte Leser (oder regelmäßiger Tatort-Gucker) weiß zudem bald, wer der Oberschurke ist. Es sei Francome verziehen – dafür legt er ein schönes Tempo vor, es gibt kaum Längen.
Ärgerlich ist die manchmal etwas ahnungslose Übersetzung. So wird etwa der Rennstall von Laura Mundy durchgehend als Reitstall bezeichnet.



Sonntag, 23. Juni 2019
Dettori und andere Gewinner
Für Nicht-Briten wirkt es immer ein wenig skurril: Da fahren ein paar Kutschen – mit einer gepflegten älteren Dame in der ersten – über das Geläuf und die Masse zückt nicht nur ihre Smartphones, sondern bejubelt auch die alte Dame. Und diese winkt huldvoll zurück. Das königliche Rennfestival Royal Ascot – und natürlich ist die Gastgeberin immer noch live dabei. Nun geht es allerdings nicht nur um die skurrilste Kopfbedeckung und andere Nebensächlichkeiten, sondern auch um Galopprennen der Extraklasse. Die Protagonisten des königlichen Festivals 2019.

Frankie Dettori
1991 schlug im Deutschen Derby der Außenseiter Temporal den Favoriten Lomitas. Vom Sieger war danach wenig zu hören, vom Zweiten umso mehr, am meisten aber vom siegreichen Reiter Frankie Dettori. Denn der damals gerade mal 20jährige Italiener machte als Jockey die große Karriere, schrieb mit den Magnificent Seven in Ascot Geschichte und wirkt wie neugeboren, seitdem die Godolphin-Fesseln weg sind. Am Donnerstag war mal wieder Dettori-Tag in Ascot: Die ersten vier Rennen gewann Dettori, viermal machte er seinen berühmten“flying dismount“. Beinahe hätte es sogar einen fünften fliegenden Abgang gegeben, denn Rennen 5 schien er mit Turgenev fast schon sicher zu haben. Doch dann zog noch Harry Bentley mit Biometric vorbei. Die Buchmacher atmeten auf.
„Wir werden Frankie vermissen, wenn er aufhört“, sagt Ascot-Boss Chris Stickel. „Er ist ein Superstar, reitet diesen Kurs sehr gut und macht die Zuschauer glücklich.“ Doch Schluss ist noch lange nicht. Auch mit fast 50 ist Frankie Dettori Weltklasse. Vielleicht wartet er ja wirklich auf seinen Sohn, bis der so weit ist. Sieben Siege feierte er in der königlichen Woche, natürlich war er der erfolgreichste Jockey.

Stradivarius
Der Schützling von Trainer John Gosden hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem einstigen Top-Hürdler Big Buck’s – nicht nur dass beide Seriensieger und über Steherdistanzen unterwegs sind/waren. Beide gewinnen/gewannen ihre Rennen nie mit großen Abständen, irgendwann muss die Serie doch mal reißen, denkt sich der Kolumnist. Auch weil er ungern Favoriten wettet. Doch beide Pferde haben das gewisse Extra – diesen Willen, ein Rennen nicht zu verlieren. Am Donnerstag gaben Dee Ex Bee, der grandiose Außenseiter Master Of Reality und Cross Counter alles, doch am Ende hieß der Sieger wieder Stradivarius. Es war sein siebter Erfolg in Serie, sein zweiter Ascot Gold Cup. Er ist der König der Steher. Ascot feierte ihn und seinen Jockey Frankie Dettori (siehe oben) frenetisch. Ganz großes Kino.

Japan
Das Pferd, das aus der O’Brien-Armada im Epsom-Derby besonders auffiel, war der Dritte Japan. Zum Schluss machte dieser noch viel Boden gut, ohne den Sieger Anthony Van Dyck letztlich zu gefährden. Aber das sah nach viel Potenzial aus – und das zeigte sich in den King Edward Stakes. Da kam Japan auch spät und gewaltig, doch diesmal gab es keine Opposition. Es war zwar „nur“ ein Gruppe 2-Erfolg, aber ein sehr überlegender. Und er dürfte einige Pferde mit viel Talent geschlagen. Unter anderem meinen Tipp Bangkok, der immerhin seine schwache Derbyvorstellung vergessen ließ.



Als wenn es Training wäre: Japan siegt in den King Edward Stakes

Blue Point
Am Ende kam der anstürmende Dream Of Dreams noch bedrohlich nahe, doch Blue Point mobilisierte noch mal alle Reserven und triumphierte mit einem Kopf Vorsprung. Und damit schaffte der Godolphin-Schützling – trainiert von Charlie Appleby und geritten von James Doyle – das berühmte Gruppe 1-Sprint-Doppel. Er holte sich sowohl die Diamond Jubilee Stakes (1200 Meter) am Samstag als auch die King’s Stand Stakes (1000 Meter) am Dienstag. Zuletzt gelang 2003 dem Australier Choisir das. „Er ist ein echter Champion“, sagte sein stolzer Jockey. Es war Blue Points fünfter Erfolg in Serie, in Ascot gestaltete er fünf seiner sechs Starts erfolgreich.

Hayley Turner
Es war eine Doppelpremiere, dieser Erfolg des 33-1 Schusses Thanks Be in den Sandringham Stakes am Freitag: Der erste Royal Ascot-Sieg sowohl für Trainer Charlie Fellowes als auch Jockey Hayley Turner. Aber Turner gehörte eher die Aufmerksamkeit als dem tüchtigen Trainer Fellowes. Denn sie war die erste Frau nach 32 Jahren und Gay Kelleway, die ein Rennen während des königlichen Festivals gewann. 50,8 kg trug die Siegerin, dafür verzichtete Hayley Turner „auf Frühstück und Mittagessen“. „Es lohnte sich“, sagte sie nach dem Rennen. Und „es war nur eine Frage der Zeit.“ Dabei sind die Top-Erfolge von Frauen im Sattel auch im englischen Rennsport noch eine Ausnahme. Turner aber brach einige Barrieren: die erste Frau mit 100 Siegen in einer Saison (2008), die erste Frau mit einem Gruppe-Sieg. Fast 800 Rennen hat die inzwischen 36jährige in ihrer langen Laufbahn gewonnen. Ende 2015 war aber erstmal Schluss mit Rennreiten, Turner arbeitete unter anderem als TV-Expertin. Doch sie kam aus dem Ruhestand zurück – mit Erfolg.

Daniel Tudhope
Manchmal sieht man schön, was Selbstvertrauen bei einem Jockey ausmacht. Danny Tudhope ist ein solider Jockey, aber die großen Erfolge feiern andere: Ryan Moore, James Doyle oder (siehe oben) Frankie Dettori. Doch Tudhope begann die königliche Woche mit einem Knall, als er mit dem 15:1-Außenseiter und Haudegen Lord Glitters in den Queen Anne Gr.1 Stakes viele höhergehandelte Gegner besiegte. Es war ein kluger Ritt aus der Reserve für seinen alten Boss David O’Meara. Es folgte ein souveräner Erfolg mit Addeybb in der Wolferton Stakes zum Abschluss des ersten Tages.
Und dann kam am zweiten Tag der Triumph mit Move Swiftly wiederum für Trainer William Haggas in den Duke of Cambridge Stakes. Wieder hielt Tudhope sein Pferd anfangs in den hinteren Bereichen, wartete lange auf den richtigen Moment und fand im Gegensatz zu anderen Teilnehmern die Lücken. Es war ein perfekter Ritt. Am Donnerstag war dann wieder Alltag angesagt: Ripon stand auf dem Programm – und nicht Royal Ascot. Am Samstag legte er noch einen drauf und holte sich mit dem 26:1-Schuss Space Traveller die Jersey Stakes.



Donnerstag, 13. Juni 2019
Drei große Vorbilder für Laccario
Das war schon eine sehr beeindruckende Vorstellung, mit der Laccario die Kölner Union gewann. Auch wenn Django Freeman auf den letzten Metern noch mal anzog, hatte Eddie Pedroza auf dem Sieger alles im Griff. Ohne Laccario dabei groß zu fordern. Jedenfalls war der Schützling von Andreas Wöhler der beste Union-Gewinner seit Sea The Moon 2014 und geht damit als Favorit ins Derby. Die Union wird immer von sehr guten Pferden gewinnen. Drei großartige Sieger der letzten zehn Jahre – und ihre weitere Karriere.

Sea The Moon (2014, Trainer Markus Klug): Er ging als klarer Favorit in die Union und Sea The Moon wurde dieser Rolle auch gerecht. Kurz sah es etwas mühselig aus, doch je weiter es wurde, desto leichter zog der Schützling von Markus Klug Rapido (ja, dem Rapido) und Swacadelic davon. Im Derby wurde der Hengst dann von Christophe Soumillon gesteuert, sein vorheriger Jockey Andreas Helfenbein verpasste einen hochüberlegenen Triumph mit elf Längen Vorsprung gegen Lucky Lion.
Es war eine Demonstration purer Klasse und in Deutschland dachten die meisten, ein Pferd der Arc-Güte zu haben. Ein Dämpfer gab es allerdings beim ersten Aufeinandertreffen mit den älteren Pferden, denn Ivanhowe (damals noch ohne Our) besiegte ihn im Großen Preis von Baden sicher. Das war bereits das Ende der Rennkarriere von Sea The Moon, der verletzungsbedingt nach nur fünf Starts in die Zucht wechselte.



Sea The Moon in der Union 2014: Im Derby war er noch besser

Ivanhowe (2013, später Our Ivanhowe, Trainer Jean-Pierre Carvalho): Auch Ivanhowe, damals noch ein Schlenderhaner, ging als Favorit in die Union. Dabei war es erst sein dritter Lebensstart, vorher hatte er gerade mal eine Sieglosenprüfung gewinnen können. Doch die Wetter lagen diesmal richtig: In Köln triumphierte er souverän mit Adrie de Vries, Empoli und den Riesen-Außenseiter Orsello blieben die Plätze 2 und 3. Beim Derby allerdings enttäuschte Ivanhowe und belegte nur Platz 8, der Sieger hieß Lucky Speed.
Doch in Bestform hatte der Hengst sehr gutes Format, was er 2014 eindrucksvoll bewies. Zum Saisonauftakt ein Erfolg im Gerling-Preis, dann jedoch war er ohne bessere Möglichkeiten im Grand Prix de Chantilly. Seine beste Leistung zeigte er wohl im Großen Preis von Baden, als er den frischen Derbysieger Sea The Moon sicher in die Schranken wies. Der Arc war jedoch eine Nummer zu groß, dafür imponierte er zum Saisonende bei seinem sicheren Erfolg im Großen Preis von Bayern (Gruppe 1) in München. 2015 wechselte der Soldier Hollow-Sohn nach Australien und holte sich immerhin noch zwei Gruppe 1-Siege.

Novellist (2012, Trainer Andreas Wöhler): Ungeschlagen kam Novellist nach Köln zum Union-Rennen und selten gab es einen größeren Favoriten. Mickrige 1,20 Euro für einen Euro bekamen die Wetter in der Union, doch der Monsun-Sohn lieferte. Nachdem Jockey Eddie Pedroza die Lücken gefunden hatte, löste sich Novellist locker vom Feld, am Ende hatte er fünf Längen Vorsprung vor Munic Boy.
Im Hamburger Derby gab es die erste Niederlage: Novellist kam außen stark ins Rennen, doch Pastorius rauschte ganz außen mit Terry Hellier vorbei und fing den Favoriten noch ab. Dass der Wöhler-Schützling aber ein hochklassiges Pferd ist, bewies er 2013 eindrucksvoll. Vier Starts, vier Siege lautete die tolle Bilanz des nochmal verbesserten Hengstes: Höhepunkt war der überlegene Sieg mit fünf Längen im King George in Ascot gegen Trading Leather. Dazu gab es zwei Triumphe in Baden-Baden (Großer Preis der badischen Unternehmer, Großer Preis von Baden) sowie ein erster Platz im Grand Prix de Saint Cloud (Gruppe 1) – es war eine grandiose Saison.



“Novellist kicked away“: Sein größter Sieg im Gruppe 1-King George in Ascot. Nach Danedream der zweite deutsche Erfolg in kurzer Zeit in diesem Prestige-Rennen.