Montag, 3. Juni 2019
Nica, Anapurna, Aidan O’Brien, Itobo – viermal ganz großer Sport
Warum wir den Turf lieben? Das lange Wochenende mit spannenden Rennen lieferte für diese Frage genug Antworten. Eine Chronik der tollen Tage in Deutschland und England, eine Tour von Dortmund über Epsom nach Iffezheim bzw. Baden Baden.

Donnerstag: Dortmund
Himmelfahrt-Renntag in Dortmund: 16000 Zuschauer sind laut Dortmunder Rennverein da, es ist so voll, dass es schon keinen Spaß mehr macht. Die Dortmunder Sparkasse verteilt zu diesem Renntag immer massenweise Freikarten, das Ergebnis: Menschentrauben überall. Auf dem Rasen, vor den Wettschaltern, vor den Imbissbuden. Die hohe Besucherzahl ist Fluch und Segen. Die Infrastruktur kommt an ihre Grenzen.
Doch es gab diese magischen Momente. Zum Beispiel im GP der Sparkasse Dortmund: In früheren Jahren war das Listenrennen mal eine schöne Derbyvorprüfung, aber seitdem Baden Baden meint, auch so etwas haben zu müssen, gibt es diese nicht mehr. Seit einiger Zeit treffen sich im Großen Preis ältere Stuten über 1600 Meter.
Madita mit Eddie Pedroza schien den Siegespreis schon in der Taschen zu haben, doch dann kämpfte sich die lange führende Nica mit Carlos Henrique noch mal mit viel Kampfgeist vorbei und gewann noch sicher. Herzschlagfinale und nicht nur weil der Kolumnist Nica gewettet hatte, ein großer Moment. Ihr Trainer Dr. Andreas Bolte ist jemand, der schon seit Jahren exzellente Arbeit leistet und der eigentlich mal ein richtig Top-Pferd verdient hätte. Obwohl Nica schon ordentliche Klasse – Listenrennen – hat.

Freitag: Epsom (Oaks)
Vielleicht hat Frankie Dettori ja am Donnerstag deutsche Rennen geguckt, wahrscheinlich aber nicht. Jedenfalls hatte sein Erfolg in den englisches Oaks (Gruppe 1, 2420 Meter) in Epsom schon gewisse Parallelen mit dem Dortmunder Sieg von Nica. Denn auch Anapurna schien schon von der Favoritin Pink Dogwood aus dem mächtigen Aidan O’Brien-Quartier geschlagen, doch dann zog die Frankel-Tochter auf der anstrengenden Epsom-Gerade noch einmal gewaltig an und hatte am Ende die Winzigkeit eines Halses Vorsprung. Siegentscheidend waren Wille, Kampfgeist und die grandiose Assistenz von Dettori, der auch mit 48 Jahren noch immer erste Klasse ist. Trainer John Gosden hat eine weitere großartige Stute im Stall und nicht immer siegt O’Brien, der die Plätze 2 und 3 belegte.
Anapurna war mein Sieg-Tipp und das war Balsam auf meine schlechte Epsom-Bilanz. Denn die englische Derby-Bahn war in den letzten Jahren wettmäßig eine meiner schlechtesten. Und der Tag begann auch fast wie gewohnt: Im Coronation Cup (Gruppe 1, 2420 Meter) lief Old Persian (auf den ich richtig Mumm hatte) auf dem hügeligen Kurs ziemlich blass und war früh geschlagen. Nach einem perfekt abgestimmten Ritt von Andrea Atzeni überrannte Defoe noch den Favoriten Kew Gardens (natürlich trainiert von O’Brien). Auch das war großes Kino.



Ein weiterer Meilenstein einer großen Karriere: Frankie Dettori triumphiert mit Anapurna in den englischen Oaks

Samstag: Epsom (Derby)
Der Derby-Tag begann wunderbar: Mein Tipp Le Don De Vie gewann leicht das Investec Private Handicap und ich hatte ihn nicht nur Sieg gespielt, sondern auch in eine Siegschiebe mit Bangkok im Derby platziert. Beide Pferde trainiert Andrew Balding und das ist jemand, dessen Pferde ich immer gerne spiele. Doch im Epsom Derby hatte Bangkok schon früh keine Chance, vorne bestimmte die Aidan O’Brien-Armada wie so oft das Geschehen. Am Ende kamen vier der ersten fünf von Ballydoyle – nur der Zweite Madhmoon des irischen Kollegen Kevin Prendergast durchbrach die Phalanx.
Es siegte Anthony van Dyck, der mit Wahnsinns-Stehvermögen die Zielgerade entlang marschierte und der alle Angriffe abwehrte. Im Sattel saß der famose Seamie Heffernan, der seit gefühlt 100 Jahren für Ballydoyle reitet und endlich seinen ersten englischen Derbyerfolg feiern durfte. Dahinter folgten Madhmoon und dann die O’Brien-Schützlinge Japan, Broone und Sir Dragonet, die ersten fünf Kandidaten trennten keine Länge. Es war der siebte Derbysieg für Aidan O’Brien, der Mann ist schon jetzt eine Legende. Seine Fähigkeit, Pferde in den wichtigsten Rennen in Bestform zu bringen, ist phänomenal.
Aber der beste Trainer ist ohne ein fähiges Team nichts – und das weiß der bescheidene O’Brien sehr genau. Und das betont er immer wieder. Die
Freude, die er für seinen siegreichen Jockey empfindet, wirkt aufrichtig.

Sonntag: Baden Baden
Der Sonntag lief dann bei mir eher auf Sparflamme. Obwohl noch ein interessanter dritter Tag in Baden-Baden mit dem Großen Preis der badischen Wirtschaft und dem Derby-Trial auf dem Programm stand. Im Derby-Trial fand ich besonders den hochgehandelten Peppone sowie Moonlight Man interessant. Beide enttäuschten mehr oder weniger, den Sieger Accon habe ich völlig unterschätzt.
Der Große Preis der Badischen Wirtschaft war für mich mehr ein Rennen zum Gucken. Es war ein toller Erfolg von Itobo, einen siebenjährigen Wallach von Trainer Hans Jürgen Gröschel. Das war sein bislang größter Erfolg und auch für Marco Casamento war es nach seinem Hoppegarten-Malheur ein großer Moment. Der Gröschel-Schützling hatte sich durch die Handicaps nach oben gekämpft, sein Trainer hat ihn geschickt aufgebaut. Ist doch schön, dass in der kurzlebigen Flachszene ein Pferd mit sieben so ein Rennen gewinnt.
Itobo schlug immerhin den hochgehandelten Royal Youmzain und den einstigen Derbysieger Windstoß, der einen etwas glücklosen Rennverlauf hatte.



Mittwoch, 29. Mai 2019
Sechs Siege in Serie: King’s Advice trumpft auf
Es war vor etwas mehr als zwei Jahren, da gab an Himmelfahrt auf der Dortmunder Rennbahn ein dreijähriger Hengst mit dem Namen King’s Advice sein Debüt. Der Start war erfolgreich, auch wenn das Pferd noch ziemlich unreif wirkte. Trainer war Andreas Wöhler, der Besitzer Jaber Abdullah. Zwei Jahre später avancierte der Frankel-Sohn in England – nun trainiert von Mark Johnston – zum Seriensieger: Am Samstag triumphierte King’s Advice in einem Class 2-Handicap in Goodwood. Es war der sechste Erfolg in Serie.

Beim Dortmunder Auftaktsieg 2017 war der Kolumnist live dabei. Und natürlich war der damalige Wöhler-Schützling die heimliche Attraktion des Renntages. „Der Papa Frankel das wohl beste Pferd der letzten Jahre in England, die Mutter Queen’s Logic eine mehrfache Gruppe 1-Siegerin – blaublütiger als King’s Advice kann kein Rennpferd gezogen sein“, schrieb diese Kolumne. „Optisch allerdings sieht der Hengst eher durchschnittlich aus, sein Trainer Andreas Wöhler stuft ihn zudem als eher spät ein. Es dauerte auch eine Weile, bis beim King der Groschen fiel, aber dann beschleunigte er noch sehr gut. Die Gegner sollten zudem nicht schlecht gewesen sein, auf die Laufbahnen etwa von Marillion, der Stute Near Big sowie Nachito darf man gespannt sein.“
Die platzierten Pferde blieben dann aber doch mehr oder weniger in den unteren Handicaps stecken. Der Zweite Marillion holte sich immerhin das Auktionsrennen in Hannover, die Bilanz von Near Big – die Dritte – fällt mit einem Erfolg bei 19 Starts und einem besten GAG von 62,5 kg doch eher enttäuschend aus.



2017 im Führring in Dortmund-Wambel: King's Advice (Bild uk)

King’s Advice allerdings schlug sich danach in den Handicaps gegen ältere Konkurrenten meist ganz respektabel. Am 1. Oktober siegte er im Ausgleich 2 in Düsseldorf und zeigte, dass seine Qualitäten auf Distanzen über 2000 m liegen. Beim letzten Start 2017 enttäuschte er jedoch im Ausgleich 2 in Baden-Baden, doch am 20. Mai 2018 in Hoppegarten zeigte sich der Frankel-Nachkomme wieder in guter Verfassung und holte sich einen Ausgleich 2. Das waren solide Leistungen, aber ein Pferd für die Top-Prüfungen war er – trotz seiner blaublütigen Abstammung – nicht.

Seriensieger mit 5
2018 wechselte King’s Advice dann erstmals den Trainer. Eoghan O’Neill, ein gebürtiger Ire, der seit 2009 in Frankreich trainiert, sollte den Hengst weiter verbessern. Doch der einzige Start im französischen Pornichet-La Baule ging fürchterlich daneben. Letzter von zehn, 27 Längen geschlagen – „als wenn etwas nicht gestimmt hätte“, so die Racing Post.
2019 folgte ein erneuter Stallwechsel, mit Trainer Mark Johnston kam der Erfolg auf Distanzen von 2400 und 2800 Metern zurück. Sechs Rennen nacheinander holte sich der inzwischen fünfjährige Hengst seit dem England-Debüt im März 2019, jedes Mal saß Joe Fanning im Sattel. Mit Fanning marschierte Kings‘ Advice durch die Handicaps, von Class 5 in die Class 2. Zuletzt siegte er in einem Class 2-Handicap über 2800 Meter, gegen die Angriffe von What A Welcome musste er hart kämpfen, doch wie viele Mark Johnston-Pferde zog der Hengst unter Druck noch einmal gut an. Eine weitere Stärke: Der Hengst zeigt guten Speed – etwas, was ihn schon in Dortmund beim Erststart auszeichnete.
Ebenfalls typisch für Johnston: King’s Advice läuft gerne von vorne. Geht es noch weiter oben? Je besser die Handicaps, desto stärker die Konkurrenz sowohl quantitativ als auch qualitativ. Vielleicht ist er ja etwas für die Steher-Rennen, denn je länger die Distanz, desto besser. Obwohl er nach Abstammung eigentlich wenig Stamina haben müsste. Theoretisch….
Ulrich König



Mittwoch, 22. Mai 2019
„Hey Manni Manni – Manni Manni Burgsmüller“
Manfred Burgsmüller ist tot. Ich wollte es erst gar nicht glauben, als ich die Meldung las. Aber der erfolgreichste Torschütze der BVB-Bundesligageschichte starb im Alter von 69 Jahren.

Er war der Held meiner Jugend. Und da der jugendliche Kolumnist damals zumindest in Frisur und Haarfarbe Burgsmüller ein wenig ähnelte, war ich immer mächtig stolz, wenn mich jemand auf die Ähnlichkeit ansprach. Allerdings war der Verstorbene der viel, viel bessere Fußballer.
1975 besuchte ich mein erstes Heimspiel von Borussia Dortmund, da spielte Burgsmüller noch bei RW Essen. Im Herbst 1976 – die Borussia kickte inzwischen wieder in der Bundesliga – kam er aus Uerdingen, ausgerechnet gegen seinen alten Verein RW Essen gab er am 29.10 sein Debüt im schwarzgelben Dress. Beim 4:2 traf „Manni“ noch nicht, am nächsten Spieltag in Frankfurt beim 4:1 gelangen ihm gleich zwei Tore. Die anderen Dortmunder Torschützen hießen Erwin Kostedde und Lothar Huber.
Es war der Anfang einer großen Karriere: Für Borussia Dortmund erzielte er 135 Tore in 224 Einsätzen. Damit ist er immer noch der erfolgreichste Torschütze in der Bundesliga für den BVB.

Straßenkicker
Burgsmüller wurde schnell zum prägenden Spieler einer Zeit, in der die Borussia oft in den unteren Tabellenregionen hing. Die Fans auf der Südtribüne erkannten früh sein Potenzial: „Hey Manni Manni, Manni Manni Burgsmüller“ skandierten sie. Noch lange nach seiner Zeit: Immer wenn es beim BVB nicht lief, tauchten diese Sprechchöre auf.
Burgsmüller war noch ein richtiger Straßenkicker, schlitzohrig, „mit allen Wassern gewaschen“, wie man so schön sagt – Eigenschaften, die man nicht in Jugendleistungszentren erwirbt. Er spielte hinten den Spitzen bzw. damals dem Mittelstürmer im vorderen Mittelfeld, war so eine Art zweite Welle und immer da, wo es gefährlich wurde. Der Strafraum war sein Metier: Burgsmüller hatte den berühmten Torriecher, den man nicht lernen kann. Dabei half ihm seine starke Technik.
In Dortmund wurde er Kapitän, galt aber nie als pflegeleicht. Auch ein Grund, warum er nicht mehr als drei Länderspiele für Deutschland machte. Mit manchen Trainern hatte er so seine Probleme. „Die Trainer, mit denen ich gut ausgekommen bin, sind auch heute noch im Geschäft. Die anderen sind verschwunden", erklärte er einst.
Einer, mit dem er gut auskam, war Otto Rehhagel. Der trainierte ihn in Dortmund und holte Burgsmüller nach Stationen in Nürnberg und Oberhausen im Alter von 36 Jahren zu Werder Bremen. Gemäß dem Rehhagel-Motto, dass es keine „junge und alte Spieler, sondern nur gute und schlechte Spieler gibt.“
In Bremen drehte Burgsmüller noch mal richtig auf, wurde 1988 mit Werder Meister und traf auch gerne gegen den BVB. 1990, mit 41 Jahren, beendete er seine Karriere. Später war er dann noch im American Football als Kicker sehr erfolgreich. Und dann waren noch die Helden der Kreisklasse: In dieser Doku des Senders Kabel 1 begleitete Manni Burgsmüller die Kicker des Dortmunder Vereins SSV Hacheney in der Dortmunder Kreisliga. Könnte Kabel 1 eigentlich mal wiederholen.

Lesetipp
Ein interessantes Interview führte das Fanzine Jawattdenn von RW Essen