Montag, 25. März 2019
Jockeys ohne Zusatz
War das Cheltenham Festival 2019 der Durchbruch für weibliche Jockeys im englischen Hindernissport? Bryony Frost, Rachael Blackmore, Lizzie Kelly – sie alle gewannen Top-Rennen beim Festival. Aber vielleicht ist die Frage auch falsch gestellt. Vielleicht sollte man einfach nur sagen, dass die drei Top-Jockeys sind. Deren Weg an die Spitze nur etwas schwerer war.

Am Wochenende war wieder Alltag angesagt: Bryony Frost pausierte verletzt, Lizzie Kelly war auch nicht im Einsatz. Nur Bridget Andrews ritt zwei eher chancenlose Kandidaten in Newbury. Und in Kelso saß zweimal Rachael Mcdonald für Trainer Sandy Thomson im Sattel. Am Sonntag siegten immerhin Mcdonald und Lucy Gardner, Kelly hatte zwei chancenreiche Ritte in Exeter und belegte einmal Platz 2. Rachael Blackmore ritt viermal in Naas und Downpatrick – ohne Erfolg. Die Konkurrenz unter den Hindernisjockeys ist eben gewaltig.
Beim großen Festival in Cheltenham sah die Welt für die Frauen im Sattel deutlich besser aus: Selten habe ich so einen Gänsehaut-Moment in Cheltenham erlebt wie den nach dem Erfolg von Bryony Frost mit Frodon in der Ryanair Chase. Sieger werden dort immer groß zelebriert, aber an diesen Donnerstag bebte die Bahn. Es waren magische Bilder: Frodon, im Sattel steht seine famose Reiterin, um sie herum nur glückliche Menschen. Aber haben die Leute Frost gefeiert, weil sie eine Frau ist? Ich denke nein. Eher, weil sie ein fantastischer Jockey ist und ihre offene Art zudem die Öffentlichkeit verzaubert. Zumindest ersteres Argument trifft auch auf Blackmore und Kelly zu, die beim Festival glänzten.

„Rhythmus gewinnt Rennen“
Das meint auch Pat Smullen, der irische Top-Jockey. „Ich denke, die Zeit ist gekommen, in der Frauen nicht mehr als weibliche Jockeys bezeichnet werden sollten“, schreibt er in diesem Beitrag für TDN. Denn „Rachael Blackmore, Bryony Frost und Lizzie Kelly reiten auf höchstem Level so gut wie jeder andere Jockey.“ Sie verdienen es, einfach Jockeys genannt zu werden.
Und Smullen räumt mit einem anderen Urteil auf. „Körperliche Stärke ist ein wichtiger Faktor beim Rennreiten, aber er ist nicht der, der über Sieg oder Niederlage entscheidet.“ Sehr wichtig sei etwa, Pferde auf die Hindernisse einzustellen. Oder ein „Renn-Gehirn“ . „Rhythmus gewinnt Rennen“, nennt es Frost. Allerdings sagt Smullen auch, dass Frost, Blackmore und Kelly im Endkampf mit ihren männlichen Kollegen mithalten können.
Dennoch haben es Frauen immer noch schwer im Hindernissport – trotz der guten Vorarbeit etwa von Nina Carberry oder Katie Walsh. Die aber beide Amateurinnen blieben. In der englischen Rangliste taucht irgendwann auf Platz 30 oder höher Bryony Frost auf, es folgen in Abständen Lizzie Kelly, die (in meinen Augen völlig unterbewertete) Bridget Andrews oder Lucy Alexander. Die Ranglisten werden zu 99 Prozent von Männern geprägt. Und auch im Nachwuchsbereich dominieren die männlichen Kollegen. Auffällig: Kelly, Andrews und Alexander reiten fast nur für ein Quartier, Frost ist da vielseitiger aufgestellt, unter anderem mit Ritten für Paul Nicholls und Neil King.
Immerhin liegt Rachael Blackmore derzeit auf Platz 2 in der irischen Jockey-Statistik in Irland. Hinter Paul Townend, aber vor Davy Russell oder Ruby Walsh. Eine famose Entwicklung, die auch Top-Trainern wie Henry de Bromhead oder Willie Mullins nicht verborgen blieb. Aber auch sie ist die Ausnahme – in den Top 20 gibt es keine anderen weiblichen Jockeys.



Magische Momente: nicht nur Vater Jimmy Frost ist stolz auf Tochter Bryony



Montag, 11. März 2019
Presenting Percy und andere Fragezeichen
Es ist das große Gipfeltreffen: Beim Cheltenham-Festival (12. bis 15. März) laufen die besten Hindernispferde aus England und Irland gegeneinander. Vier Tage Sport vom Feinsten. nurpferdeundfussball beantwortet vier wichtige Fragen zum Cheltenham-Festival 2019.

Wie gut ist Presenting Percy?
Es ist schon komisch: Das führende Pferd im Gold Cup-Wettmarkt lief zuletzt (erfolgreich) über Hürden, über die großen Hindernisse war er noch gar nicht in dieser Saison am Start. Dennoch sagen viele, dass Presenting Percy den Gold Cup gewinnen wird. Das Pferd von Trainer Patrick Kelly sei der künftige Superstar des National Hunt-Sports, glauben nicht nur irische Experten.
Fakt ist: Presenting Percy siegte überlegen in der RSA-Chase 2018 und schlug dabei mit Elegant Escape und Monalee Rivalen von gutem Format. Kelly gilt zudem als ein Trainer, der seinen Schützling auf den Punkt genau vorbereiten kann. Den Start über Hürden absolvierte der Wallach siegreich und besiegte starke Gegner.
Andererseits kommen Konkurrenten wie Clan Des Obeaux und Kemboy mit viel besserer Form an den Start. Auch sie könnten noch weiteres Potenzial nach oben haben. Vorjahressieger Native River ist schon aufgrund seines großen Stehvermögens in Cheltenham immer zu beachten. Und nicht nur TV-Presenter Matt Chapman findet, dass Jockey Richard Johnson und Native River perfekt zusammenpassen.

Wird es das Festival von Trainer Joseph O'Brien?
Der einstige Top-Jockey, jetzige Trainer und Sohn des großen Aidan O'Brien hatte schon auf der Flachen einen starken Start hingelegt, siehe Melbourne Cup 2017 und Irish Derby 2018. In dieser Saison sorgen auch seine National Hunt-Pferde für Aufsehen.
Besonders bei den Nachwuchs-Hürdlern scheint der junge O'Brien gut gerüstet. Sir Erec in der Triumph Hurdle, Fakir D‘oudairies in der Supreme Novices Hurdle, Band Of Outlaws in der Fred Winter Juvenile Handicap oder Meticulous im Champion Bumper werden hochgehandelt. Da lässt es sich verkraften, dass mitLe Richebourg der Mitfavorit der Arkle Chase wegen einer Verletzung passen muss.

Hält die gute Form von Trainer Paul Nicholls?
Es waren erfolgreiche Wochen für den Stall von Trainer Paul Nicholls. Besonders der 16. Februar war grandios – acht Sieger sattelte Nicholls allein an diesem Samstag. Auch danach lief es gut, am letzten Samstag gewann noch Malaya den Imperial Cup in Sandown.
Skeptiker könnten jetzt sagen, dass diese Form vielleicht etwas früh kommt. Aber Nicholls geht mit so guten Chancen wie lange nicht mehr ins Festival. Es erinnert fast schon an die seligen Zeiten der grandiosen Kauto Star, Denman oder Big Buck‘s.
In 43 Rennen siegte der 10fache englische Champion-Trainer bislang beim Cheltenham-Festival. In den letzten Jahren war es jedoch etwas ruhiger. In den Top-Rennen fehlten die Starter. Oder waren chancenlos.
2019 hat Nicholls aber wieder Kandidaten für die besten Prüfungen. Clan Des Obeaux im Gold Cup, Grand Sancy in der Supreme Novices‘ Hurdle, Topofthegame in der RSA Chase oder JLT Novices‘ Chase, Frodon in der Ryanair Chase (oder im Gold Cup), Quel Destin in der Triumph Hurdle – nur ein paar Namen, die einiges versprechen.

Triumphiert Paisley Park in der Stayers Hurdle?
Eine der Entdeckungen dieser Saison heißt Paisley Park, trainiert von Emma Lavelle. Die Trainerin hatte in den letzten Jahren wechselhafte Saisons erlebt, doch derzeit läuft es wieder.
Zu diesem Revival leistete dieser Paisley Park einen großen Beitrag. Vier Siege in Serie – darunter zuletzt die Cleeve Hurdle (Grade 2) in Cheltenham und die JLT Hurdle in Ascot (Gruppe 1) – machten ihn zum Favoriten der Stayers Hurdle. Besonders der Erfolg in Cheltenham war große Klasse. Leicht zog er auf der Zielgeraden West Approach und Black Op davon.
Die englische Konkurrenz sollte der Oscar-Sohn damit im Griff haben, aber was ist mit den Gästen aus Irland? Da könnte mit Faugheen, dem einstigen Champion Hurdler, und Supasundae (wenn er denn nicht in der Champion Hurdle läuft) ernste Konkurrenz unterwegs sein. Besonders Letzterer ist einen Hinweis wert. Denn Supasundae, im Vorjahr Zweiter in der Stayers Hurdle, kann Distanzen von 3000 bis 5000 Metern und kennt eigentlich nur Top-Formen in der besten Klasse.



Donnerstag, 7. März 2019
Imperial Commanders Sternstunde
Kauto Star oder Denman – es war wie so oft in diesen Jahren. Vor dem Cheltenham Gold Cup 2010 fokussierten sich alle auf das Duell der beiden vierbeinigen Top-Athleten. Doch dann kam alles anders: Imperial Commander, trainiert von Nigel Twiston-Davies, triumphierte. Denman wurde Zweiter, der große Kauto Star fiel am viertletzten Hindernis. Große Cheltenham-Momente, Teil 3.

Diese Kolumne hatte 2010 schon eine Vorahnung. „Kaum vorstellbar, dass sie (Kauto Star und Denman) geschlagen werden“, schrieb der Kolumnist. Aber: „Wenn es einen Kandidaten gibt, der dafür vielleicht in Frage kommt, dann Imperial Commander aus dem Stall von Trainer Nigel Twiston-Davies. Vergessen wir mal die grässliche Form aus dem King George, aber davor in Haydock hatte er Kauto Star bei dessen ersten Jahresstart immerhin am Rand einer Niederlage, auch wenn dieser da noch nicht seine Bestform hatte. Zudem ist Cheltenham die Lieblingsbahn des Wallachs: Fünf seiner sechs Erfolge feierte er dort, zuletzt in der Ryanair Chase während des letzten Festivals.“
Hätte ich meinen Tipp doch mal beherzigt. Kauto Star ging als klarer Favorit ins Rennen, es folgten im Wettmarkt Denman und dann kam schon der Commander. Doch die Anhänger des Favoriten erlebten früh ihre erste Schrecksekunde, als der sonst so sprungsichere Wallach einen Fehler machte. Denman diktierte gemeinsam mit Carruthers das Tempo und auch Paddy Brennan hatte Imperial Commander im Vordertreffen platziert.
Während die vorderen Pferde noch gut gingen, musste Ruby Walsh hingegen schon arbeiten. Und dann kam vier Hindernisse vor Schluss der Schock, laute Rufe des Entsetzens begleiteten ihn: Kauto Star fiel. An der Spitze baute Carruthers ab, aber Denman – erstmals mit Tony McCoy im Sattel – marschierte in bewährter Manier Richtung Zielpfosten.
Doch im Schatten des Tanks ging noch ein Pferd besser: Imperial Commander. Nach kurzem Kampf zog Paddy Brennan vorbei, je näher der Zielpfosten kam, desto überlegener wurde der Commander. Am Ende waren es sieben Längen, Denman hatte immerhin noch 23 Längen Vorsprung auf den Dritten Mon Mome, den Sensations-Grand Nationalsieger des Vorjahres.



Ein Rennen voller Emotionen: der Gold Cup 2010

„Heute ist der schönste Tag in meinem Leben. Mir fehlen die Worte“, jubelte ein überglücklicher Brennan. Es gibt wunderschöne BBC-Bilder der Siegesparade in Guiting Power, einem beschaulichen Dorf bei Cheltenham. Imperial Commander trinkt einen Schluck aus dem Siegespokal, Brennan und Twiston-Davies strahlen um die Wette. Mein Favorit: Der Trainer balanciert den Gold Cup-Pokal auf den Kopf, in der Hand ein Bierglas.
Nigel Twiston-Davies erlebte einen großartigen Gold-Cup-Tag: Denn sein zu diesem Zeitpunkt 17jähriger Sohn Sam gewann mit Baby Run im Rennen danach die Foxhunters Chase.
Sam Twiston-Davies wurde bekanntlich ein erfolgreicher Jockey. Imperial Commander lief nach seinem Triumph noch sechs Mal und siegte einmal. Wegen vieler Verletzungen konnte er an seine Top-Leistung nicht mehr anknüpfen. 2017 starb er im Alter von 16 Jahren.