Ein Neuling schlägt die Stars und gewinnt den Cheltenham Gold Cup. 2015 war es zum Erstaunen vieler, als Novice Coneygree das Feld Start-Ziel dominierte und im wichtigsten Rennen des englischen Hindernissports triumphierte. Mutig, athletisch und fehlerfrei – ein unvergessener Cheltenham-Moment. Doch nur für Jockey Nico de Boinville war es der Startschuss einer großen Karriere.
Zum Schluss flossen Tränen bei Trainerfrau Sara Bradstock. Jockey Nico de Boinville hatte Coneygree vor dem zweitletzten Hindernis angehalten, nachdem er wie immer von der Spitze das Feld in der Swinley Chase in Ascot dominiert hatte. Es war der letzte Auftritt eines großartigen Athleten. „Er ist sehr glücklich und ich denke, er wollte uns mitteilen „genug ist genug“, so Bradstock. Die Besucher in Ascot gönnten ihm noch mal eine Ehrenrunde.
Am 13. März 2015 gab es auch Tränen – aber solche des Glücks. Denn da zeigte Coneygree eine großartige Leistung im Cheltenham Gold Cup, Start-Ziel dominierte der Wallach das Feld. Es war eine Vorstellung, die begeisterte: Coneygree mit Nico de Boinville sprang tadellos, sein Jockey hatte sich das Rennen sehr gut eingeteilt. Hinter ihm landeten tolle Pferde wie Djakadam, Road to Riches, Holywell, Many Clouds oder Silviniaco Conti.
Nicht alle hatten es dem Sieger zugetraut. Denn es war erst sein vierter Start über die großen Sprünge, im Vergleich zu den anderen war er noch ein richtiges Greenhorn. Der erste Novice, der seit Captain Christy 1974 im Gold Cup triumphierte.
Dazu kam dieses Gefühl von Pokalsensation. Ein kleiner Trainer wie Mark Bradstock schlägt im wichtigsten Rennen der Saison die „großen Jungs“ – die Mullins, Hendersons oder Nicholls.
Furchtlos
„Er hatte vor nichts Angst – darum haben wir ihn im Gold Cup laufen lassen“, sagte Sara Bradstock. Ihr Mann Mark trainierte ihn, ihr verstorbener Vater Lord Oaksey züchtete ihn. Halbbruder Carruthers war schon ein spektakulärer Frontrenner von gutem Format, doch Coneygree – dessen Vater Karinga Bay einst den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann – entpuppte sich als noch besseres Pferd.
Auch er lief bevorzugt von vorne, war schon ein guter Hürdler und entwickelte sich zu einem noch besseren Steepler. Nach drei Siegen in Newbury, Kempton und wiederum Newbury (zweimal Grade 2, einmal Grade 1) hätte sein Team auch die Royal Alliance Chase beim Cheltenham Festival ansteuern können. Doch sie wählten die schwerere Route – und wurden belohnt. Coneygree war allerdings nicht nur hochtalentiert, sondern auch sehr verletzungsanfällig. Der Lauf in Ascot war erst sein achter Start seit seinem Gold Cup-Gewinn 2015, so eine Top-Leistung schaffte er auch wegen seiner vielen Verletzungen nicht mehr. Einmal blitzte noch mal das alte Format auf, als er im April 2017 im Punchestown Gold Cup als Dritter gegen Sizing John (der 2017 den Cheltenham Gold Cup holte) und Djakadam ein grandioses Rennen lief.
Insgesamt siegte Coneygree in neun seiner 18 Starts und gewann 526.589 englische Pfund an Preisgeld. Doch wer 2015 dachte, den Top-Steepler der nächsten Jahre gesehen zu haben, lag leider falsch – eben wegen der vielen Verletzungen. Auch der Stall von Trainer Mark Bradstock blieb überschaubar. Nur für Jockey Nico de Boinville war es der verdiente Karrieresprung.
Wie die Zeit vergeht. Es muss 1992 gewesen sein und erstmals wurde mir richtig bewusst, welche Bedeutung das Cheltenham Festival für die englisch-irische Hindernis-Gemeinde hat. Bald ist es wieder soweit, das Cheltenham Festival 2019 naht. Grund genug für uns, an große Momente des Festivals zu erinnern. Folge 1: Well Chiefs Erfolg in der Arkle Challenge Trophy Chase 2004.
Große Stunde: Well Chief gewinnt den Arkle 2004 während des Cheltenham-Festivals
2004 war das Cheltenham-Festival ein Wettdesaster. Es war das einzige Jahr, an dem ich ohne einen Sieger blieb. Und das ganze Elend begann eigentlich bereits im zweiten Rennen des Dienstags, der Arkle Challenge Trophy Chase. Da triumphierte Well Chief und der war doch ein alter Bekannter. Denn dreijährig gewann er 2002 am Himmelfahrtstag in Dortmund den Großen Preis der Stadtsparkasse Dortmund, die damalige Derby-Vorprüfung, und natürlich war ich an diesem Tag live vor Ort.
In Deutschland trainierte Ralf Suerland den Fuchs, mit klassischen Ehren wurde es aber nichts. Zumal er – wenn ich mich recht erinnere – gar keine Derbynennung hatte. Dafür machte Well Chief aber über Hindernisse in England große Karriere. Denn er wechselte in den Hindernisstall von Trainerlegende Martin Pipe, trug die berühmten blau-grünen Farben von David Johnson und entpuppte sich als sehr talentierter Hürdler. Unter anderem belegte der Wallach Platz 2 in der Triumph Hurdle.
Doch das Ziel waren die schweren Sprünge. Er siegte auch zur Premiere in Taunton, aber überzeugend sah anders aus. Dann kam die Arkle Challenge Trophy Chase am ersten Cheltenham-Tag und ich hätte ihn eigentlich wetten müssen. Zumal ich schon in Deutschland immer gern die Pferde von Trainer Suerland gespielt habe.
McCoy steuert zum Sieg
Jetzt saß Tony McCoy im Sattel, aber ich entschied mich für Caracciola, auch einem ehemaligen Deutschen. Selber schuld, denn McCoy ritt Well Chief mit viel Vertrauen aus hinteren Regionen, sein Partner sprang sicher und ökonomisch und McCoy startete seinen Angriff genau richtig. Vor dem letzten Hindernis lag der Pipe-Schützling an der Spitze, kurze Schrecksekunde nach einem Wackler am letzten Sprung und Kicking King ihm noch mal nahe kam, doch McCoy wäre nicht der große Jockey, wenn er nicht sein Pferd noch mal mobilisieren kann. Well Chief siegte mit einer Länge – und ich machte dicke Backen.
Der Arkle-Sieger aber mischte künftig in der Steepler-Champions-League über zwei Meilen kräftig mit. Er hatte nur das Pech, auf andere sehr gute Pferde zu treffen. Es waren immer packende Duelle und Well Chief zeigte dabei viel Herz und großen Kampfgeist. „Er war Teil einer goldenen Ära mit Moscow Flyer, Azertyuiop und ihm“, sagte David Pipe, der seinem Vater als Trainer folgte. „Er war ein echter Charakter und ein sehr gutes Pferd. Er hätte einige Queen Mother Champion Chases gewonnen, wenn die Konkurrenz nicht so stark gewesen wäre.“
Zweimal kam er nach Bein-Verletzungen zurück, allein das ist schon eine große Leistung. 2010 beendete der Night Shift-Sohn seine Karriere, 2017 starb er an einer Kolik.
So manche Sprüche begleiten einen ein ganzes Leben. „Von Ihnen gibt es wahrscheinlich 50.000 in Deutschland, von uns vielleicht 500, die in der Bundesliga spielen können. Wir bekommen das Geld dafür und bieten auch die Leistung dafür“, sagte einst Fußball-Profi Michael Rummenigge am Telefon zu einem Schlosser, der die hohen Fußballer-Gehälter kritisiert hatte.
1984 war das, Michael Rummenigge, geboren am 3. Februar 1964, war damals gerade 20 Jahre alt und auf dem besten Weg, eine ähnlich große Karriere wie sein großer Bruder Karl-Heinz beim FC Bayern München zu machen. Ein junger Mann, leistungsorientiert, elitär und ein wenig forsch, seine Popper-Tolle macht ihn auch nicht gerade sympathisch.
Der WDR-Film, den Arnd Zeigler dankensweise wieder ausgegraben hat, war am nächsten Tag Gesprächsthema bei mir und meinen Freunden. Und Rummenigge kam da nicht gerade positiv weg. Später wechselte der gebürtige Lippstädter zum BVB, vor seiner Verpflichtung gab es auch wegen besagtem Spruch einige Proteste von Dortmunder Fans. Diese verstummten aber recht schnell, weil Rummenigge den BVB fu0ballerisch gut verstärkte. Doch ein Liebling der Massen wurde er nie, da bevorzugten die Borussen-Anhänger doch eher rustikale Kämpfertypen.
Der Film ist sehenswert. Weil Rummenigge authentisch rüberkommt und wenn man seinen Vater und Mutter hört, erfährt der Zuschauer schnell, in welchem bürgerlichen Mileu im westfälischen Lippstadt er und sein großer Bruder Karl Heinz groß wurden. Die Rummenigges arbeiteten hart, die Mutter war Hausfrau, Extravaganzen waren verpönt. Wie das damals oft so war. Und jetzt die beiden Söhne, die Karriere im Profifußball machen.
Heute verdienen Fußballer noch viel mehr und so ein ehrlicher Film wäre in der gelackten Berater- und Social Media-Welt gar nicht mehr möglich. Leider.