Jockeys ohne Zusatz
War das Cheltenham Festival 2019 der Durchbruch für weibliche Jockeys im englischen Hindernissport? Bryony Frost, Rachael Blackmore, Lizzie Kelly – sie alle gewannen Top-Rennen beim Festival. Aber vielleicht ist die Frage auch falsch gestellt. Vielleicht sollte man einfach nur sagen, dass die drei Top-Jockeys sind. Deren Weg an die Spitze nur etwas schwerer war.

Am Wochenende war wieder Alltag angesagt: Bryony Frost pausierte verletzt, Lizzie Kelly war auch nicht im Einsatz. Nur Bridget Andrews ritt zwei eher chancenlose Kandidaten in Newbury. Und in Kelso saß zweimal Rachael Mcdonald für Trainer Sandy Thomson im Sattel. Am Sonntag siegten immerhin Mcdonald und Lucy Gardner, Kelly hatte zwei chancenreiche Ritte in Exeter und belegte einmal Platz 2. Rachael Blackmore ritt viermal in Naas und Downpatrick – ohne Erfolg. Die Konkurrenz unter den Hindernisjockeys ist eben gewaltig.
Beim großen Festival in Cheltenham sah die Welt für die Frauen im Sattel deutlich besser aus: Selten habe ich so einen Gänsehaut-Moment in Cheltenham erlebt wie den nach dem Erfolg von Bryony Frost mit Frodon in der Ryanair Chase. Sieger werden dort immer groß zelebriert, aber an diesen Donnerstag bebte die Bahn. Es waren magische Bilder: Frodon, im Sattel steht seine famose Reiterin, um sie herum nur glückliche Menschen. Aber haben die Leute Frost gefeiert, weil sie eine Frau ist? Ich denke nein. Eher, weil sie ein fantastischer Jockey ist und ihre offene Art zudem die Öffentlichkeit verzaubert. Zumindest ersteres Argument trifft auch auf Blackmore und Kelly zu, die beim Festival glänzten.

„Rhythmus gewinnt Rennen“
Das meint auch Pat Smullen, der irische Top-Jockey. „Ich denke, die Zeit ist gekommen, in der Frauen nicht mehr als weibliche Jockeys bezeichnet werden sollten“, schreibt er in diesem Beitrag für TDN. Denn „Rachael Blackmore, Bryony Frost und Lizzie Kelly reiten auf höchstem Level so gut wie jeder andere Jockey.“ Sie verdienen es, einfach Jockeys genannt zu werden.
Und Smullen räumt mit einem anderen Urteil auf. „Körperliche Stärke ist ein wichtiger Faktor beim Rennreiten, aber er ist nicht der, der über Sieg oder Niederlage entscheidet.“ Sehr wichtig sei etwa, Pferde auf die Hindernisse einzustellen. Oder ein „Renn-Gehirn“ . „Rhythmus gewinnt Rennen“, nennt es Frost. Allerdings sagt Smullen auch, dass Frost, Blackmore und Kelly im Endkampf mit ihren männlichen Kollegen mithalten können.
Dennoch haben es Frauen immer noch schwer im Hindernissport – trotz der guten Vorarbeit etwa von Nina Carberry oder Katie Walsh. Die aber beide Amateurinnen blieben. In der englischen Rangliste taucht irgendwann auf Platz 30 oder höher Bryony Frost auf, es folgen in Abständen Lizzie Kelly, die (in meinen Augen völlig unterbewertete) Bridget Andrews oder Lucy Alexander. Die Ranglisten werden zu 99 Prozent von Männern geprägt. Und auch im Nachwuchsbereich dominieren die männlichen Kollegen. Auffällig: Kelly, Andrews und Alexander reiten fast nur für ein Quartier, Frost ist da vielseitiger aufgestellt, unter anderem mit Ritten für Paul Nicholls und Neil King.
Immerhin liegt Rachael Blackmore derzeit auf Platz 2 in der irischen Jockey-Statistik in Irland. Hinter Paul Townend, aber vor Davy Russell oder Ruby Walsh. Eine famose Entwicklung, die auch Top-Trainern wie Henry de Bromhead oder Willie Mullins nicht verborgen blieb. Aber auch sie ist die Ausnahme – in den Top 20 gibt es keine anderen weiblichen Jockeys.



Magische Momente: nicht nur Vater Jimmy Frost ist stolz auf Tochter Bryony