Donnerstag, 7. März 2019
Imperial Commanders Sternstunde
Kauto Star oder Denman – es war wie so oft in diesen Jahren. Vor dem Cheltenham Gold Cup 2010 fokussierten sich alle auf das Duell der beiden vierbeinigen Top-Athleten. Doch dann kam alles anders: Imperial Commander, trainiert von Nigel Twiston-Davies, triumphierte. Denman wurde Zweiter, der große Kauto Star fiel am viertletzten Hindernis. Große Cheltenham-Momente, Teil 3.

Diese Kolumne hatte 2010 schon eine Vorahnung. „Kaum vorstellbar, dass sie (Kauto Star und Denman) geschlagen werden“, schrieb der Kolumnist. Aber: „Wenn es einen Kandidaten gibt, der dafür vielleicht in Frage kommt, dann Imperial Commander aus dem Stall von Trainer Nigel Twiston-Davies. Vergessen wir mal die grässliche Form aus dem King George, aber davor in Haydock hatte er Kauto Star bei dessen ersten Jahresstart immerhin am Rand einer Niederlage, auch wenn dieser da noch nicht seine Bestform hatte. Zudem ist Cheltenham die Lieblingsbahn des Wallachs: Fünf seiner sechs Erfolge feierte er dort, zuletzt in der Ryanair Chase während des letzten Festivals.“
Hätte ich meinen Tipp doch mal beherzigt. Kauto Star ging als klarer Favorit ins Rennen, es folgten im Wettmarkt Denman und dann kam schon der Commander. Doch die Anhänger des Favoriten erlebten früh ihre erste Schrecksekunde, als der sonst so sprungsichere Wallach einen Fehler machte. Denman diktierte gemeinsam mit Carruthers das Tempo und auch Paddy Brennan hatte Imperial Commander im Vordertreffen platziert.
Während die vorderen Pferde noch gut gingen, musste Ruby Walsh hingegen schon arbeiten. Und dann kam vier Hindernisse vor Schluss der Schock, laute Rufe des Entsetzens begleiteten ihn: Kauto Star fiel. An der Spitze baute Carruthers ab, aber Denman – erstmals mit Tony McCoy im Sattel – marschierte in bewährter Manier Richtung Zielpfosten.
Doch im Schatten des Tanks ging noch ein Pferd besser: Imperial Commander. Nach kurzem Kampf zog Paddy Brennan vorbei, je näher der Zielpfosten kam, desto überlegener wurde der Commander. Am Ende waren es sieben Längen, Denman hatte immerhin noch 23 Längen Vorsprung auf den Dritten Mon Mome, den Sensations-Grand Nationalsieger des Vorjahres.



Ein Rennen voller Emotionen: der Gold Cup 2010

„Heute ist der schönste Tag in meinem Leben. Mir fehlen die Worte“, jubelte ein überglücklicher Brennan. Es gibt wunderschöne BBC-Bilder der Siegesparade in Guiting Power, einem beschaulichen Dorf bei Cheltenham. Imperial Commander trinkt einen Schluck aus dem Siegespokal, Brennan und Twiston-Davies strahlen um die Wette. Mein Favorit: Der Trainer balanciert den Gold Cup-Pokal auf den Kopf, in der Hand ein Bierglas.
Nigel Twiston-Davies erlebte einen großartigen Gold-Cup-Tag: Denn sein zu diesem Zeitpunkt 17jähriger Sohn Sam gewann mit Baby Run im Rennen danach die Foxhunters Chase.
Sam Twiston-Davies wurde bekanntlich ein erfolgreicher Jockey. Imperial Commander lief nach seinem Triumph noch sechs Mal und siegte einmal. Wegen vieler Verletzungen konnte er an seine Top-Leistung nicht mehr anknüpfen. 2017 starb er im Alter von 16 Jahren.



Mittwoch, 27. Februar 2019
Coneygree: Ein Greenhorn düpierte die Stars
Ein Neuling schlägt die Stars und gewinnt den Cheltenham Gold Cup. 2015 war es zum Erstaunen vieler, als Novice Coneygree das Feld Start-Ziel dominierte und im wichtigsten Rennen des englischen Hindernissports triumphierte. Mutig, athletisch und fehlerfrei – ein unvergessener Cheltenham-Moment. Doch nur für Jockey Nico de Boinville war es der Startschuss einer großen Karriere.

Zum Schluss flossen Tränen bei Trainerfrau Sara Bradstock. Jockey Nico de Boinville hatte Coneygree vor dem zweitletzten Hindernis angehalten, nachdem er wie immer von der Spitze das Feld in der Swinley Chase in Ascot dominiert hatte. Es war der letzte Auftritt eines großartigen Athleten. „Er ist sehr glücklich und ich denke, er wollte uns mitteilen „genug ist genug“, so Bradstock. Die Besucher in Ascot gönnten ihm noch mal eine Ehrenrunde.
Am 13. März 2015 gab es auch Tränen – aber solche des Glücks. Denn da zeigte Coneygree eine großartige Leistung im Cheltenham Gold Cup, Start-Ziel dominierte der Wallach das Feld. Es war eine Vorstellung, die begeisterte: Coneygree mit Nico de Boinville sprang tadellos, sein Jockey hatte sich das Rennen sehr gut eingeteilt. Hinter ihm landeten tolle Pferde wie Djakadam, Road to Riches, Holywell, Many Clouds oder Silviniaco Conti.
Nicht alle hatten es dem Sieger zugetraut. Denn es war erst sein vierter Start über die großen Sprünge, im Vergleich zu den anderen war er noch ein richtiges Greenhorn. Der erste Novice, der seit Captain Christy 1974 im Gold Cup triumphierte.
Dazu kam dieses Gefühl von Pokalsensation. Ein kleiner Trainer wie Mark Bradstock schlägt im wichtigsten Rennen der Saison die „großen Jungs“ – die Mullins, Hendersons oder Nicholls.

Furchtlos
„Er hatte vor nichts Angst – darum haben wir ihn im Gold Cup laufen lassen“, sagte Sara Bradstock. Ihr Mann Mark trainierte ihn, ihr verstorbener Vater Lord Oaksey züchtete ihn. Halbbruder Carruthers war schon ein spektakulärer Frontrenner von gutem Format, doch Coneygree – dessen Vater Karinga Bay einst den Großen Preis der Dortmunder Wirtschaft gewann – entpuppte sich als noch besseres Pferd.
Auch er lief bevorzugt von vorne, war schon ein guter Hürdler und entwickelte sich zu einem noch besseren Steepler. Nach drei Siegen in Newbury, Kempton und wiederum Newbury (zweimal Grade 2, einmal Grade 1) hätte sein Team auch die Royal Alliance Chase beim Cheltenham Festival ansteuern können. Doch sie wählten die schwerere Route – und wurden belohnt.
Coneygree war allerdings nicht nur hochtalentiert, sondern auch sehr verletzungsanfällig. Der Lauf in Ascot war erst sein achter Start seit seinem Gold Cup-Gewinn 2015, so eine Top-Leistung schaffte er auch wegen seiner vielen Verletzungen nicht mehr. Einmal blitzte noch mal das alte Format auf, als er im April 2017 im Punchestown Gold Cup als Dritter gegen Sizing John (der 2017 den Cheltenham Gold Cup holte) und Djakadam ein grandioses Rennen lief.
Insgesamt siegte Coneygree in neun seiner 18 Starts und gewann 526.589 englische Pfund an Preisgeld. Doch wer 2015 dachte, den Top-Steepler der nächsten Jahre gesehen zu haben, lag leider falsch – eben wegen der vielen Verletzungen. Auch der Stall von Trainer Mark Bradstock blieb überschaubar. Nur für Jockey Nico de Boinville war es der verdiente Karrieresprung.



Ruhm und Ehre: Coneygree siegt im Gold Cup 2015



Mittwoch, 20. Februar 2019
Well Chief: Aus Weidenpesch zum Arkle-Triumphator
Wie die Zeit vergeht. Es muss 1992 gewesen sein und erstmals wurde mir richtig bewusst, welche Bedeutung das Cheltenham Festival für die englisch-irische Hindernis-Gemeinde hat. Bald ist es wieder soweit, das Cheltenham Festival 2019 naht. Grund genug für uns, an große Momente des Festivals zu erinnern. Folge 1: Well Chiefs Erfolg in der Arkle Challenge Trophy Chase 2004.



Große Stunde: Well Chief gewinnt den Arkle 2004 während des Cheltenham-Festivals

2004 war das Cheltenham-Festival ein Wettdesaster. Es war das einzige Jahr, an dem ich ohne einen Sieger blieb. Und das ganze Elend begann eigentlich bereits im zweiten Rennen des Dienstags, der Arkle Challenge Trophy Chase. Da triumphierte Well Chief und der war doch ein alter Bekannter. Denn dreijährig gewann er 2002 am Himmelfahrtstag in Dortmund den Großen Preis der Stadtsparkasse Dortmund, die damalige Derby-Vorprüfung, und natürlich war ich an diesem Tag live vor Ort.
In Deutschland trainierte Ralf Suerland den Fuchs, mit klassischen Ehren wurde es aber nichts. Zumal er – wenn ich mich recht erinnere – gar keine Derbynennung hatte. Dafür machte Well Chief aber über Hindernisse in England große Karriere. Denn er wechselte in den Hindernisstall von Trainerlegende Martin Pipe, trug die berühmten blau-grünen Farben von David Johnson und entpuppte sich als sehr talentierter Hürdler. Unter anderem belegte der Wallach Platz 2 in der Triumph Hurdle.
Doch das Ziel waren die schweren Sprünge. Er siegte auch zur Premiere in Taunton, aber überzeugend sah anders aus. Dann kam die Arkle Challenge Trophy Chase am ersten Cheltenham-Tag und ich hätte ihn eigentlich wetten müssen. Zumal ich schon in Deutschland immer gern die Pferde von Trainer Suerland gespielt habe.

McCoy steuert zum Sieg
Jetzt saß Tony McCoy im Sattel, aber ich entschied mich für Caracciola, auch einem ehemaligen Deutschen. Selber schuld, denn McCoy ritt Well Chief mit viel Vertrauen aus hinteren Regionen, sein Partner sprang sicher und ökonomisch und McCoy startete seinen Angriff genau richtig. Vor dem letzten Hindernis lag der Pipe-Schützling an der Spitze, kurze Schrecksekunde nach einem Wackler am letzten Sprung und Kicking King ihm noch mal nahe kam, doch McCoy wäre nicht der große Jockey, wenn er nicht sein Pferd noch mal mobilisieren kann. Well Chief siegte mit einer Länge – und ich machte dicke Backen.
Der Arkle-Sieger aber mischte künftig in der Steepler-Champions-League über zwei Meilen kräftig mit. Er hatte nur das Pech, auf andere sehr gute Pferde zu treffen. Es waren immer packende Duelle und Well Chief zeigte dabei viel Herz und großen Kampfgeist. „Er war Teil einer goldenen Ära mit Moscow Flyer, Azertyuiop und ihm“, sagte David Pipe, der seinem Vater als Trainer folgte. „Er war ein echter Charakter und ein sehr gutes Pferd. Er hätte einige Queen Mother Champion Chases gewonnen, wenn die Konkurrenz nicht so stark gewesen wäre.“
Zweimal kam er nach Bein-Verletzungen zurück, allein das ist schon eine große Leistung. 2010 beendete der Night Shift-Sohn seine Karriere, 2017 starb er an einer Kolik.