Mittwoch, 6. September 2017
Die Lehren der Großen Woche 2017
Die große Woche 2017 in Baden-Baden ist Geschichte. Immer noch ein wichtiges – manche meinen sogar das wichtigste – Meeting im deutschen Turf. Ein paar Anmerkungen.

145. Großer Preis von Baden
Das Prestigerennen des Meetings, auch wenn die heutige Dotierung von 250000 Euro den Niedergang des deutschen Turfs dokumentiert. Denn vor 11 Jahren gab es noch 780000 Euro, davor sogar 800000 Euro, an Preisgeldern. Alle sprachen vorher vom Duell des aktuellen Derbysiegers Windstoß mit dem Vorjahreshelden Iquitos, doch die Prüfung war schon im Vorfeld mehr als ein Zweikampf. Gruppe 1-Sieger Guignol, der Union-Triumphator (und spätere Derby-Favorit) Colomano sowie die beiden Godolphin-Kandidaten Best Solution und Prize Money waren alles andere als Feldfüller.
Doch dieser Tag gehörte dem Pferd aus dem Stall Ullmann: Guignol gewann Start-Ziel, fand zum Schluss noch mal einen Extra-Gang und siegte überzeugend. Kompliment an Jockey Filip Minarik, der dem Hengst ein perfektes Rennen servierte und Trainer Jean-Pierre Carvalho, der Guignol auf den Punkt genau in Top-Form brachte. Iquitos mühte sich auf Platz 2, für Colomano und Windstoß blieben die Positionen Drei und Vier.

Schwache Dreijährige?
Colomano und Windstoß schlugen sich eigentlich ganz achtbar, eine richtige Siegchance hatten sie jedoch nicht. Allerdings sind Guignol und Iquitios neben Dschingis Secret auch die absoluten Top-Pferde Deutschlands über Distanzen ab 2000 Metern.
So gut haben die dreijährigen Hengste in den letzten Jahren im Großen Preis von Baden zudem nicht abgeschnitten. Im Vorjahr landeten Boscaccio und Dschingis Secret im geschlagenen Feld, selbst der im Vorfeld quasi als „unschlagbar“ geltende Derby-Triumphator Sea The Moon unterlag 2014 Our Ivanhowe (trainiert und geritten vom Sieger-Team 2017). Kamsin war 2008 der letzte erfolgreiche Derby-Held.
Sehr schade, dass die so großartig gesteigerte Diana-Gewinnerin Lacazar ihre Nennung im Großen Preis nicht wahrgenommen hat. Die Stute hätte für mich erste Chancen gehabt, zumal das Schiergen-Quartier gute Stallform hat. Zudem hatten die Ladies in den letzten Jahren eine gute Bilanz: Pagella war 2016 Dritte, Nightflower sogar 2016 und 2015 Zweite. Die grandiose Danedream triumphierte 2011, ehe sie dann bekanntlich zur Arc- und King George-Gewinnerin wurde.



Palace Prince bei seinem Erfolg im Gruppe 2-Rennen am ersten Tag.
(Bild Rühl/German Racing)


Andere Helden in den Top-Rennen
Geschichte wurde nicht geschrieben: Denn Palace Prince mit der bewährten Kombination Minarik/Carvalho verpasste nach seinem Samstags-Erfolg im Preis der Sparkassen-Gruppe den historischen Doppelsieg. Fünf Tage später im Darley-Oettingen-Rennen war der Bahnspezialist Pas de Deux zu gut, Palace Prince, einst Zweiter im Deutschen Derby, landete auf dem Ehrenplatz und zeigte dennoch eine starke Leistung.
Zwei Pferde aus dem Quartier von Peter Schiergen imponierten besonders am zweiten Samstag der Großen Woche: Sound Check war ein überlegener Sieger im Steher Preis, Ashiana triumphierte knapp zwei Stunden später im Zastrow-Stutenpreis.
Leider blieben in der einstmals Internationalen Woche Starter aus dem Ausland eine Rarität. Das ist schade, allerdings sind die schwachen Dotierungen der deutschen Rennen auch nicht gerade anziehend. Henri Pantall aus Frankreich ist das jedoch seit Jahren egal: Sein Son Cesio darf sich nach seinem Erfolg in der Goldenen Peitsche jetzt dreifacher Gruppe-Sieger nennen. Obwohl er hart gegen Daring Match kämpfen musste.

Handicap-Helden
Generell sind die Ausgleich-Rennen in Baden-Baden deutlich leichter für den Wetter geworden. Denn sie sind bei weitem qualitativ und quantitativ nicht mehr so überragend besetzt wie in früheren Jahren. Das macht die Auswahl einfacher. Überraschungen gab es dennoch: Zephir (204) oder Danon Perth (146, von mir für ganz kleines Geld getroffen) waren die Helden mit den besten Quoten. Immerhin schafft es Baden-Baden, weiterhin einigermaßen vernünftig besetzte Handicaps der Kategorie 1 und 2 zu veranstalten.

Jockey-Helden
Minarik auf Guignol, Martin Seidl auf Oriental Eagle – nur zwei von vielen Klasse-Ritten der Großen Woche. Aber meine Heldin der Woche heißt Sonja Daroszewski, die zwei quasi perfekte Ritte auf Perfect Swing hinlegte und damit einen Doppelerfolg mit dem Wallach für Trainer Christian von der Recke schaffte. Daroszewki fällt mir seit geraumer Zeit positiv auf – eine Reiterin mit Mut und viel Gefühl für die richtige Renn-Strategie. Sie reitet sowohl Hindernis- als auch Flachrennen ganz stark. Nur schade, dass die Rennen über die Sprünge in Deutschland zur Rarität werden.

Wen ich verpasst habe
Katzenberger und Glööckler. Und noch andere „Promis“. Muss man diese Privat-TV-Kandidaten eigentlich kennen? Was kann Katzenberger, was kann der sogenannte Modedesigner? Na ja, wer es mag.



Mittwoch, 16. August 2017
Permian: Gedenken an ein grandioses Rennpferd
Da verbringt man mal ein Wochenende ohne Turf, checkt am Montag die Neuigkeiten und bekommt eine Schocknachricht. Der dreijährige Permian brach sich das Bein nach seinem enttäuschenden Rennen in Arlington/USA und war leider nicht mehr zu retten. Nun ist generell jedes tote Pferd zu bedauern, aber dieser Galopper aus dem Stall des englischen Erfolgstrainers Mark Johnston war einer der Favoriten des Kolumnisten. Weil er alles hatte, was ein Rennpferd braucht: Klasse, Härte und Kampfgeist.

Nicht umsonst war der Teofilo-Sohn mein Tipp im englischen Derby, immerhin hatte er die wichtigste Derby-Vorprüfung in York gewonnen. Doch an diesem ersten Juni-Samstag ging nicht viel im englischen Klassiker: 400 Meter vor Schluss war Permian geschlagen, das Rennen entschieden andere und die kamen mit Wings Of Eagles und Cliffs Of Moher aus dem Quartier von Aidan O’Brien. Doch danach unterstrich der Johnston-Schützling weiter sein Format: Der Triumph in den King Edward VII Stakes in Royal Ascot war eine beeindruckende Kombination aus Klasse und Härte und auch der zweite Rang im Grand Prix de Paris in Saint Cloud – geschlagen nur mit einer Nase von Shakeel – war aller Ehren wert.
Permian war ein typisches Produkt seines Stalles. Denn viele Pferde aus dem Johnston-Quartier laufen gerne von vorne; an ihnen vorbei zu kommen, fällt den Kontrahenten oft schwer. Härte und Kampfgeist zeichnen fast alle Vollblüter des gelernten Veterinärs Johnston aus. Dazu verfügt der Stall mit Joe Fanning und Francis „Franny“ Norton über zwei Jockeys, die das Reiten von der Spitze aus perfekt beherrschen.
Permian, im Besitz von Sheikh Hamdan Bin Mohammed Al Maktoum, war jedoch deutlich besser als ein guter Handicapper. Wie viele Johnston-Pferde war er zweijährig schon sehr fleißig: Sechs Starts, drei Siege. Bessere Konkurrenz sah er erstmals zum Saisonende 2016 in den Zetland Stakes (Listenrennen) in Newmarket über 2000 Meter: Der dritte Platz – geschlagen nur eine dreiviertel Länge – hinter der späteren Ribblesdale-Siegerin Coronet war eine ausgezeichnete Leistung. Da konnte der Beobachter schon ahnen, dass da etwas Gutes heranwächst. Vierter in diesem Rennen war übrigens der spätere englische Derbysieger Wings Of Eagles.

Stark verbessert
So richtig in mein Bewusstsein rückte Permian jedoch erst im Derby Trial in Epsom. Vor dem Rennen sprachen alle über Cracksman aus dem Stall von John Gosden. Ein Frankel-Sohn, über den wahre Wundergeschichten im Umlauf waren, obwohl er zu diesem Zeitpunkt gerade mal erst sein Maidenrennen gewonnen hatte. Cracksman, später Dritter im englischen und Zweiter im irischen Derby (also schon hochklassig), siegte dann auch, aber Permian entpuppte sich als tapferer und harter Gegner, der nur hauchdünn besiegt wurde.




Es folgte ein überlegener Sieg in einem Listenrennen in Newmarket und dann standen die Dante Stakes in York (Gruppe 2) auf dem Programm. Cracksman wäre der heiße Favorit gewesen, doch für ihn war der Boden zu weich. Permian stand bei 110:10, ich wettete den O’Brien-Starter Exemplar – was eine schlechte Entscheidung. Natürlich gewann das Pferd von Mark Johnston, beschleunigte großartig und wehrte tapfer alle Angriffe von Benbatl und Crystal Ocean ab. Eine grandiose Vorstellung des Siegers, nur Exemplar war nirgendwo.
Der Rest ist bekannt: Derby-Flop, Royal-Ascot-Triumph, beinahe Gewinn in Frankreich und dann der Schrecken ohne Ende in den Secretariat Stakes in Arlington/USA. Nicht nur für Mark Johnston und sein Team ein echter Schock. Der Trainer allerdings wehrte sich nach dem tragischen Tod seines aktuell besten Pferdes vehement gegen Vorwürfe auf Facebook und Twitter, dass das Pferd verheizt wurde durch zu viele Starts – nachlesen kann man das hier und länger hier. Allein schon die Fakten widerlegen die Nörgler: Permian lief seit seinem Debüt im Juni 2016 14 mal – völlig normal.
„Permian war ein außergewöhnlich gesundes Pferd, weil er nie einen Tag wegen Krankheit aussetzen musste“, sagte Johnston. Er hätte nie damit gerechnet, dass er so schwer verletzt würde. Die Leute seien auch von ihm fasziniert gewesen, weil er sich quasi nach oben gearbeitet habe. Es sei einfach nur lähmend. „Das war ein Pferd, das allen Freude bereitet hat“, erklärt der Trainer. Und der Hengst wäre auch noch im nächsten Jahr gelaufen. Wirklich schade.



Dienstag, 8. August 2017
Trübe Bilder vom Galopprennsport
Manchmal sind es die sogenannten kleinen Dinge, die den Renn-Fan in Deutschland ärgern. Etwa keine Bilder vom Stuten-Klassiker Preis der Diana, weil beim Wett-Anbieter Racebets der Stream ausgerechnet jetzt ausfiel. Auch sonst kann so ein Sonntagnachmittag am PC mit deutschen Rennübertragungen ziemlich nervend sein. Wenn zum Beispiel die Pferde gerade im Ziel waren, der Zuschauer sehnsüchtig auf die Wiederholung wartet, die Bilder aber in den leeren Führring des anderen Rennortes wechseln.

Es war ein schönes Rennen in stimmungsvoller Atmosphäre – der Preis der Diana, das Deutsche Stutenderby in Düsseldorf. Lacazar hieß die Siegerin, Andrasch Starke fand rechtzeitig die Lücke im wichtigsten Rennen für die dreijährigen Ladies und gewann seine sechste Diana. Für Peter Schiergen war es der vierte Erfolg in seiner Trainer-Karriere, die tapfer kämpfende Megera aus dem Quartier von Andreas Wöhler blieb mit Jim Crowley „nur“ der zweite Platz. Der Favoritin Wuheida aus dem Godolphin-Stall von Charlie Appleby wurden dann doch die 2200 Meter auf dem Grafenberg zu lang, immerhin belegte sie noch Platz 3.
20 000 Zuschauer kamen auf die Bahn und erlebten einen spannenden Renntag mit packenden Endkämpfen. Der Preis der Diana hat zudem mit Henkel einen treuen und potenten Sponsor – in Zeiten, in denen sich die schlechten Nachrichten aus dem deutschen Turf mal wieder ballen, ist das positiv. Aber warum assoziiere ich Galopprennsport in Deutschland irgendwie auch mit Dilettantismus? Dieser Begriff gilt selbstverständlich nicht den vier- und zweibeinigen Aktiven, es sind die Rahmenbedingungen, die einen nerven.
Am Sonntag gab es mal wieder keine Livebilder aus Düsseldorf beim Wettportal Racebets. Kurze Zeit funktionierten die Streams, das Zweijährigen-Rennen zu Beginn der Karte konnte noch verfolgt werden. Doch als ich zum Fritz-Henkel-Rennen, der Listenprüfung mit toller Besetzung, den Stream wieder einschalten wollte, passierte nichts. Der Bildschirm mit den Rennbildern blieb schwarz, diese Tatsache änderte sich auch nicht zum Preis der Diana.
Da steht das wichtigste Rennen für Stuten auf dem Programm und beim ehemaligen Partner des deutschen Rennsports gab es keine Livebilder. Nun wird das Racebets auch am Umsatz gespürt haben (keine Bilder, keine Wette), aber auch sonst ist das nur peinlich und ein dicker Imageschaden für den Wettanbieter. Wobei das Problem diesmal auch beim Mitbewerber pferdewetten.de nach Aussage einiger Facebook-Nutzer bestanden haben soll.
Nicht funktionierende Streams sind allerdings nicht neu, schon beim Derbymeeting in Hamburg gab es manche Wackelpartien, und auch früher blieb der Bildschirm manchmal ohne Live-Bilder von den Rennbahnen. Auf meine Facebook-Anfrage antwortete Racebets, dass man sich des Problems schon bewusst sei. Bereits seit dem Derby sei man mit dem Streaming-Partner in intensivem Kontakt, um die Probleme zu beheben. „Leider mahlen solche Mühlen, vor allem wenn es dann an externe und Partnerfirmen weitergegeben werden muss, äußerst langsam“, heißt es wörtlich. Der Wettanbieter bietet weiterhin um Geduld.
Die Antwort ist wenig befriedigend. Wenn ein Partner seine eigentliche Aufgabe – Bilder zu liefern – nicht erfüllt bzw. immer wieder Pannen auftauchen, dann ist dieser überfordert und arbeitet wenig professionell. Folge: Der Zuschauer ärgert sich und schimpft auf den unfähigen deutschen Galopprennsport.

Ohne Sinn und Verstand
Nun ist so ein Sonntagnachmittag mit den Übertragungen von mehreren deutschen Rennplätzen auch nicht unbedingt ein Vergnügen. Die Bilder sind zwar etwas besser geworden, im Hintergrund krächzt auch nicht mehr der Traberkanal, aber manchmal hat der Betrachter den Eindruck, dass in der Regie ein Praktikant sitzt, der quasi „Learning on the job“ macht und dabei wenig Gefühl für den Sport zeigt.
Die Schalten wirken oft willkürlich. Das passiert es schon mal wie zuletzt in München, als sofort nach dem Ende des Gruppe 1-Dallmayr-Pokals der leere Führring in Bad Harzburg gezeigt wurde. Dabei hätte auch ich gerne noch mal dem Sieger Iquitos applaudiert, der eindrucksvoll zeigte, dass er eines der Top-Pferde des Landes ist. Interviews mit Siegern und Besiegten nach großen Prüfungen? Es wäre schön.
Vom englischen Übertragungs-Standard wie bei Racing UK können wir leider in Deutschland nur träumen. Aber es muss nicht ja nicht unbedingt das Personal-und Kamera-Großaufgebot sein, mit dem der Rennsender große Meetings wie Royal Ascot oder Glorious Goodwood bestückt.
Sinnvolle Schalten sollten jedoch auch in Deutschland möglich sein. Ich will Bilder der Sieger und Besiegten sehen, möchte das Rennen noch mal in Ruhe verarbeiten und die Wiederholung verfolgen, weil ich wissen will, wo meine favorisierten Pferde gelandet sind. Ist doch eigentlich einfach.
Immerhin kann man Racing UK oder Attheraces bei Racebets verfolgen. Diese Streams fallen fast nie aus. Profis eben.