Die Leve-Stallform steht: Gestüt Haus Ittlingen schlägt Gestüt Itttlingen
Himmelfahrt ist Großkampftag in Turf-Deutschland: Dortmund, Magdeburg und seit einiger Zeit auch Baden-Baden. Normalerweise stürze ich mich an diesem Tag immer in die Massen auf der Dortmunder Bahn, aber seitdem die Derby-Vorprüfung (weil Baden-Baden meint, sie müssten ein ähnliches Rennen zum fast gleichen Zeitpunkt veranstalten) nicht mehr ist, fehlt ein wichtiger sportlicher Anreiz. Und das restliche Programm war nicht so prickelnd, dass man es unbedingt sehen muss. Obwohl der Dortmunder Rennverein großes Lob verdient, dass er einen Ausgleich 1 als Hauptereignis anbietet, auch wenn Pferde dieser Kategorie heute lieber in Frankreich starten. Aber große Lust auf den Rummel hatte ich nicht.
Also zuhause vor dem PC geblieben, zumal Chester auf der Insel auch ein nettes Programm bot. Doch Chester fiel für mich flach, die Konzentration lag diesmal auf Dortmund und Baden-Baden. Generell: Die Übertragungen von den deutschen Galopprennbahnen sind immer noch nicht gut – verglichen etwa mit dem Standard von Racing UK. Die Bilder sind eindeutig nicht HD, die Farben wirken verschwommen. Wobei Baden-Baden qualitativ besser war als Dortmund und Magdeburg.
Ziemlich amateurhaft wirken manchmal die Kameraeinstellungen, wenn etwa in Magdeburg auf einmal das Feld nicht mehr zu sehen ist. Und dann diese Hintergrundgeräusche: Mal brummt es, mal blökt jemand etwas in ein Funkgerät, mal gibt es Privatgespräche live – im besten Fall lustig, im schlimmsten Fall peinlich. Immerhin waren die Veranstalter einigermaßen pünktlich.
Sportlich setzte natürlich Baden-Baden die Maßstäbe. Höhepunkt des Tages war die Badener Meile, ein Gruppe III-Rennen dotiert mit 55 000 Euro. Auf dem Papier eine offene Sache, zumal ein Gruppe 1-Sieger wie Zazou sich über eine ungewohnte Strecke stellte. Ich hatte einen Einlauf mit Amarillo und Neatico, den beiden Startern aus dem Schiergen-Stall, gespielt.
Am Ende aber hatte der 165:10-Schuss Felician die Nase vorn. Der Wallach setzte damit die großartige Stallform von Ferdinand Leve fort, der für das Gestüt Haus Ittlingen trainiert. Es ist schon erstaunlich, wie gut die Leve-Schützlinge derzeit laufen. So schlecht waren die Formen von Felician nicht, dennoch zählte er zu den Außenseitern. Aber Stallform verleiht offenbar Flügel – und so fand Jockey Lennart Hammer-Hansen, der eigentlich schon aufgehört hatte, die Lücke zum Sieg. Neatico wurde für das Gestüt Ittlingen mal wieder Zweiter; Combat Zone bestätigte als Dritter die gute Hofer-Form.
Die Rennen in Iffezheim sind schon harte Nüsse für die Wetter. Donna Sophia rettete meine Wettbilanz mit ihrem Erfolg in der Nestle Schöller-Trophy, obwohl sie vorher sieglos war, aber immerhin dabei sieben Mal Zweite zwar. Es war ein perfekter Ritt von Filip Minarik, von der Spitze führte er die Stute zum Erfolg. In letzter Zeit hatte ich als Wetter mit Minarik-Ritten wenig Glück, was allerdings überwiegend nicht am Jockey lag. Klagen sollte ich zudem nicht, denn Night Chapparal sorgte in der Japan Association-Trophy für den zweiten Wetterfolg des Tages.
Zukunftsmusik
Aber sonst gab es die üblichen Überraschungen: Just in Front (Toto 157), Belmondo (118, aus dem Stall von Erika Mäder, die früher in BB schöne Erfolge feiern konnte) oder Poly Cross (180) waren in den Handicaps erfolgreich auf den Punkt trainiert.
Sehr eindrucksvoll fand ich den Erfolg von Destor in einem der zwei Dreijährigen-Maidenrennen. Der in Hoppegarten von Uwe Stech trainierte Schimmel hatte zuletzt nur gegen den hoch gehandelten Nuntius verloren und bestätigte diese Form gegen durchaus gut gehandelte Konkurrenten. Dabei wirkte der Sternkönig-Sohn noch etwas heftig. Jedenfalls bin ich gespannt auf seine weitere Laufbahn.
Auch in Dortmund gefiel mir ein Vertreter des Derby-Jahrgangs am besten. Saloon Day triumphierte im Preis des Vermögensmanagements über 2000 Meter und wehrte sich immer wieder hartnäckig gegen die Attacken von Stürmer und Andarta. Auch hier bin ich gespannt auf die weitere Karriere – und auf die von Barcelona (der Ruhrgebietler sagt Batzelona), der als Vierter reichlich grün lief. Das andere Dreijährigen-Rennen gewann Francine aus dem Stall von Andreas Wöhler und konnte auch gefallen.
Im besten Rennen des Tages aber unterlag der Wöhler-Schützling Kahoon knapp dem Hofer-Schützling Primera Vista. Der Große Preis der Sparkasse Dortmund ist inzwischen ein Ausgleich 1 – und leider laufen Pferde dieser Klasse lieber in Frankreich, weil sie dort erheblich mehr verdienen können. In Dortmund gab es nur 15 000 Euro und wenn ich denke, dass es früher Handicaps gab, wo man deutlich mehr verdienen konnte, dann habe ich eindeutig nostalgische Gefühle. So ein Preis der Stadt Mülheim etwa, ein Ausgleich 1 am 1. Mai, das war ein richtiges Wettrennen mit einer Vielzahl starker Pferde. In Dortmund liefen fünf Pferde – das ist die Realität im deutschen Turf 2013.
Immerhin: Die Hofers hatten einen sehr erfolgreichen Renntag. Zwei Erfolge in Dortmund mit Jockey Andre Best (der zudem noch ein drittes Rennen gewann), in Baden-Baden feierte Steffi Hofer zwei schöne Erfolge im Sattel (einen davon für den Stall). Mann des Tages in Dortmund aber war Routinier Dave Mc Cann, der als „Gelegenheitsjockey“ Kinara noch einmal energisch ritt und so noch an La Donosa vorbeizog. „Der Dave ist da“, verkündete Kommentator Pan Krischbin. „Alter schützt vor Können nicht“.
In Dortmund liegen zwar noch die letzten Schneereste, aber Düsseldorf und Mannheim (wobei im Südwesten das Wetter offensichtlich besser ist) trotzen den tiefen Temperaturen. Endlich: Die Grasbahnsaison in Deutschland beginnt am kommenden Sonntag, das Winterelend in Neuss und Dortmund hat ein Ende.
Erstmals seit langer Zeit gibt es so etwas wie eine etwas bessere Stimmung im deutschen Turf, nachdem in den Jahren zuvor doch eher die Untergangs-Propheten das Sagen hatten. Es gibt wirklich positive Initiativen für das Rennjahr 2013: Die Preisgelder wurden sowohl in den Dreijährigen-Rennen als auch im Ausgleich 2 erhöht. Beides ist gut, aber besonders letzteres verdient ein Extralob. Denn gerade gut besetzte hohe Handicaps sind etwas, was dem deutschen Rennsport ungemein fehlte. Pferde dieser Klasse liefen zuletzt immer in Frankreich, weil dort die Preisgelder besser waren. Und damit kommen wir zu meinem perfekten Renntag, der mich zum Beispiel wieder mehr mit dem deutschen Turf verbinden würde. Was müsste das Rennprogramm bieten? Eigentlich sind die Zutaten ganz einfach:
• Ein Hauptrennen, das diesen Namen wirklich verdient und ein echter Höhepunkt des Tages ist: Am besten wäre natürlich ein Kracher – ein Klassiker etwa. Oder ein Grupperennen. Vierbeinige Stars sind immer gut und locken die Besucher. Wäre doch mal schön, wenn diese nicht nur im Ausland laufen würden. Zugegeben – bei den Topstars ist das schwer.
Natürlich kann nicht jede Veranstaltung mit einem Gruppe- oder Listenrennen punkten. Ein Handicap der oberen Kategorie tut es aber auch. Die Zeiten, wo es im Ausgleich 1 in Deutschland wunderbare Wettrennen gab, sind zwar leider vorerst vorbei. Ein deutsches Cambridgeshire oder Ebor-Handicap wird ein Traum bleiben. Aber wenigsten ein Ausgleich 2 sollte es sein, da laufen auch schon gute Pferde. Also bitte, keine Veranstaltung mehr mit einem Ausgleich 3 als vermeintlicher Hauptprüfung.
Wer soll das bezahlen, höre ich schon die ersten Kritiker. Und dem Wetter ist es doch so und so egal, auf was er wettet – Hauptsache kopfstarke Felder. Das stimmt nicht: Ich wette lieber auf sportlich höherwertige Angelegenheiten.
• Mehrere Prüfungen für den Derbyjahrgang: Gerade im Frühjahr sind diese Rennen das Salz in der Suppe. Weil in ihnen unzählige Talente stecken, weil es Spaß macht, die oftmals noch unreifen Pferde zu beobachten. Oftmals ist eine Leistung in einer Maidenprüfung das Ereignis, über das man nach dem Renntag spricht. Früher, als ich noch regelmäßiger das Fachblatt Sport-Welt gelesen habe, habe ich mir immer die Einschätzung der Trainer in der Stallparade notiert. Das war häufig übrigens sehr interessant – besonders, wenn Meinung und Realität noch weit auseinander klafften.
• Handicaps der oberen Kategorie: Siehe oben, aber auch im Rahmenprogramm sollte es Handicaps der höheren Kategorien geben. Zumindest im Ausgleich 3 lassen sich auch sehr starke Felder zusammenstellen. Und selbstverständlich gehören die Ausgleiche der Kategorie IV und die Rennen für die vierjährigen Sieglosen auch zu einem Renntag – aber der Tag sollte nicht nur aus diesen Prüfungen bestehen.
• Hindernisrennen: Bekanntlich ist der Autor ein großer Freund des englischen Hindernissports, der ihm seit Jahren über den Winter hilft. In Deutschland bin ich etwas skeptisch, weil ich oftmals katastrophale Rennen mit schlecht geschulten Pferden gesehen habe. Gut gelaufene Prüfungen über die Hindernisse sind allerdings eine willkommene Abwechslung im Rennprogramm. Es muss einfach nur mehr Rennen für diese Pferde geben, dann laufen dort auch wieder bessere Kandidaten. Und ein Pferd wie Registano gehörte einst zu den Attraktionen auf Deutschlands Rennbahnen.
Wenn dann noch das Wetter einigermaßen stimmt, dann steht einem fast perfekten Renntag nichts entgegen.
Die Queen, Spiel 77 und das Grand National in Hamburg-Horn
Teil 2 unserer (nicht ganz ernstgemeinten) Jahresvorschau 2013. Aber vielleicht kommt es ja wirklich so, wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Teil 1 gibt es hier noch einmal.
Juli
Es ist Derby-Woche in Hamburg-Horn und die Verantwortlichen um Herrn Darboven haben sich etwas Revolutionäres ausgedacht. „Wenn wir schon im Besitz der Original Grand National-Hindernisse sind, dann können wir auch das Rennen bei uns veranstalten.“ Das IDEE Kaffee Hamburg Grand National ist ein großer Erfolg; 50 000 Besucher, davon 49.000 aus England, feiern ein großes Fest und The Giant Bolster gewinnt auch diese Prüfung. Nur Jockey Tony Mc Coy kassiert eine Geldstrafe, weil sein Partner mehr als fünf Peitschenhiebe kassiert. „Das ist mir fucking scheißegal“, betont der Meisterjockey.
Beim Derby, das erstmals an einem Mittwoch nachmittag ausgetragen wird, kann man die Besucher jedoch mit Handschlag begrüßen. Felix Magath, der neue starke Mann des deutschen Turfs, hat die deutschen Top-Trainer wieder begnadigt. Sein Vorschlag, das Derby auf der Zielgerade mit einem zusätzlichen Hindernis aus dem Grand National-Fundus auszustatten, stößt nicht gerade auf Begeisterung. Moscatello, trainiert von Andreas Löwe, gewinnt sensationell das Rennen, auch weil seine Konkurrenten zum größten Teil das Hindernis verweigern. Im Sattel feiert Kevin Woodburn ein eindrucksvolles Comeback.
August
Sommerloch im deutschen Turf: Selbst die Diskussionen um das Derby-Meeting in Hamburg-Horn regt so recht keinen auf. Zumal Hamburg zukünftig alle zwei Jahre das Grand National veranstalten will. Nur im tiefen Süden tut sich etwas: München hat Teile seiner Rennbahn an einem Bauunternehmer verkauft. Dieser stammt allerdings aus Köln, was zu wahren Schlammschlachten in den Internetforen führt.
Zukünftig alle zwei Jahre in Hamburg-Horn? Das Grand National…
September
Hoher Besuch beim Frühjahrsmeeting in Baden-Baden: Die königliche englische Familie ist anwesend und wird begeistert gefeiert. Nur das Ritual mit den Kutschfahrten auf dem Geläuf muss sie unterlassen. „We love germany“, stammelt die Queen unter Tränen, abonniert zukünftig als Geste des Danks die Fachzeitschrift Sport-Welt und wird künftig einige Pferde in Deutschland trainieren lassen. Olaf Schick wird ihr Rennmanager in Deutschland. „Ich lese all seine Wett-Tipps in der Sport-Welt. Er ist ein großartiger Experte“, sagt die Queen und freut sich über Sieger mit den Quoten 16, 20 und 18.
Oktober
„Das ist der Bombenhammer“ jubelt GaloppOnline. Findige Nerds unter Deutschlands Turfexperten haben das Netzwerk von Westlotto geknackt und wissen schon vorher, welche Zahlen im Spiel 77 ausgelost werden. Sie nennen sich die Robin Hoods des Turfs, treffen alle drei Wochen die Gewinnklasse 1 und spenden den Gewinn dann den Armen – also den Rennvereinen in Nordrhein-Westfalen. Westlotto ahnt erst mal gar nichts und wundert sich nur, dass immer die gleichen Leute treffen. Den Arc, der diesmal über 4500 Meter gelaufen wurde, gewinnt natürlich The Giant Bolster
November
Magath polarisiert weiter die Turf-Gemeinde, zumal das von ihm trainierte Fußball-Team des Direktoriums in der Kölner Stadtliga Niederlage um Niederlage kassiert. „Die neue Bahn in Herzlake muss weg“, fordern einige mächtige Besitzer. „Unsinn“, antwortet Magath, sperrt unter anderem Starter der Gestüte Schlenderhan und Ittlingen und verhindert so ihren Start beim Breeders’ Cup in den USA. „Vielleicht sollte er doch wieder irgendwo als Fußballlehrer arbeiten", sinniert DVR-Präsident Albrecht Woeste.
Dezember
Ein Wunder: Auf einmal finden alle die Wintererrennen in Dortmund und Neuss ganz toll. Im Watzke-Zorc-Klopp-Park, wie die Dortmunder Rennbahn seit Anfang des Jahres offiziell heißt, hat man quasi die gelbe Wand des Westfalenstadions nachgebaut und deren Atmosphäre mit einem raffinierten Soundsystem wiedergegeben. So erklingen die BVB-Stadionsongs auf der Rennbahn und die Pferde mögen das, lieben zudem den neuen Kunstrasen. Es sind magische Nachmittage, die Winterrennen sind auf einmal mega-in.
In Neuss haben mutige Leute diese hässliche Tribüne umgebaut und auch hier sind alle begeistert. Nur Felix Magath ist nicht so glücklich: Er tritt von seinem Geschäftsführer-Posten zurück und nimmt ein Angebot als Nationaltrainer von Aserbeidschan an.
Was bringt das neue Jahr dem Galopprennsport? nurpferdeundfussball hat in die Glaskugel schauen lassen – und Erstaunliches über 2013 erfahren. Selbstverständlich alles ohne Gewähr. Und da wir in eine seriöse Glaskugel geblickt haben, gibt es nur eine Prognose für ein halbes Jahr. Die Vorschau auf die restlichen sechs Monate erfolgt demnächst hier.
Januar
Die Diskussionen um die deutschen Winterrennen gehen weiter. Tagelange Regenfälle haben die Sandbahnen in Neuss und Dortmund in Seenlandschaften verwandelt, die Zuschauer bleiben lieber zuhause und schauen Wintersport.
Doch in Dortmund naht Hilfe: Die Lottogemeinschaft des Präsidiums von Borussia Dortmund hat im Spiel 77 gewonnen. „Der Rennverein hat auch in schlechten Zeiten zu uns gehalten“, sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und gibt den Gewinn weiter an die Dortmunder Verantwortlichen. Diese entscheiden sich, die Allwetterbahn mit Kunstrasen zu versehen. Und fordern weitere Hilfen von der Politik. Die Rennbahn in Wambel heißt jetzt „Watzke- Zorc-Klopp-Park.“
Februar
„Die Bombe ist geplatzt“, titelte GaloppOnline. Felix Magath wird neuer Geschäftsführer des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen (DVR) und damit Nachfolger von Andreas Tiedtke. „Ich habe eigentlich keine Ahnung vom Galopprennsport“, erklärte Magath, bislang im Fußball als Trainer, Manager und Spieler zuhause. „Magath gilt als harter Hund. So einen braucht der deutsche Rennsport jetzt in diesen Krisenzeiten“, betonte DVR-Präsident Albrecht Woeste bei der Vorstellung des neuen Mannes. Magath wird sein eigenes Team mitbringen, als erstes geht es in ein Trainingslager in Herzlake. Zudem fordert der neue starke Mann des deutschen Turfs künstliche Berge auf jeder Rennbahn.
März
Der neue Kunstrasen auf der Dortmunder Rennbahn ist ein großer Erfolg. Selbst die Delegation aus Dubai zeigt sich begeistert und deutet vage ein neues Festival namens Dortmund Carnival an.
In England und Irland allerdings brennt im Vorfeld des Cheltenham Festivals der Baum. Immer mehr Hindernisjockeys verlassen die Insel mit unbekanntem Ziel: AP Mc Coy, Richard Johnson, „Choc“ Thornton, Paddy Brennan. Nur Ruby Walsh bleibt nach langem Überlegen zuhause. Alle rätseln, wohin die Jockeys denn gehen, da kommt die Lösung nach dem Cheltenham Festival: Felix Magath kauft mit Hilfe eines Freundes aus der Automobilindustrie alle siegreichen Pferde des Cheltenham Festivals, die Reiter sind quasi Part des Deals.
„Nur die Elite hilft dem deutschen Turf, nach vorne zu kommen“, sagt er. Leider erfährt er zu spät, dass die überwiegend Wallache für die Zucht weniger wertvoll sind.
Nun braucht Deutschland nur noch eine Hindernisbahn: Nicht Hamburg macht das Rennen, sondern Herzlake. Dort entsteht mit Hilfe des Automobilbauers ein neuer Rennkurs, das Typische sind diverse künstliche Berge. „Auch Profifußballer können hier ihre Trainingslager abhalten“, betont der neue Geschäftsführer. In den Foren bei Facebook wird heftig diskutiert. Doch Schachliebhaber Magath bleibt hart und nennt seine Gegner „notorische Dauernörgler, die nach Nordkorea gehen sollen.“
Steht für den neuen Geist im deutschen Turf: Herzlake mit seiner neuen Rennbahn, die leider auf dem Foto noch nicht zu sehen ist.
April
Die ersten Renntage auf Gras in Deutschland sind ein großer Erfolg. 15 000 Besucher in Köln, fünfstellige Besucherzahlen auch in Hannover und Hoppegarten. In Köln gewinnt Peter Schiergen fünf von zehn Rennen und widmet seinen Erfolg Felix Magath. „Er hat mich und mein Team in Herzlake fit gemacht“, blickt der Erfolgstrainer zurück. Als er wieder zurück war, kaufte er erst einmal zehn Medizinbälle für den Stall.
In England machten militante Tierschützer ernst: Sie klauen die berühmten Grand National-Hindernisse von der Bahn, Scotland Yard ist aufgrund dieser Frechheit ratlos. Am nächsten Tag treffen Bekennerbriefe bei der Rennbahn in Aintree ein, unterschrieben von Namen wie The Chair, Bechers Brook oder Canal Turn. „Wir sind ein Grand National-Hindernis und haben eine neue Heimat gefunden, in der wie nicht dreimal im Jahr von schimpfenden Reitern und fallenden Pferden belästigt werden.“ Eine Befreiungsaktion zu Pferd scheitert kläglich, das Grand National 2013 wird als National Hunt Flat Race gelaufen. Ohne Komplikationen, die BBC will jedoch nicht mehr übertragen.
Mai
Die ersten Klassiker stehen vor der Tür, doch in Deutschland wird nur über die neue Hindernisbahn in Herzlake gesprochen. Die Cheltenham-Sieger sind dort schon stationiert, betreut werden sie von Martin Pipe, der dafür aus dem Ruhestand gekommen ist. Das Mehl-Mülhens-Rennen wird dort bereits gelaufen, es siegte überraschend The Giant Bolster mit Tony Mc Coy. Der Gold Cup-Sieger 2013 ist zwar schon deutlich älter als drei Jahre, eine Wild Card ermöglichte aber den Start. „Unser Sport braucht Stars und keine künstlichen Altersbegrenzungen“, betont Magath.
Die führenden deutschen Trainer boykottierten hingegen das Rennen und ermittelten einen eigenen Sieger in Köln. Es triumphierte Nuntius aus dem Wöhler-Stall. Magath handelt sofort: Er verbannt die Trainer Wöhler, Hofer, Dzubasz, Schiergen, Hickst, Klug, Hirschberger, Smrczek und Figge in die zweite Mannschaft. Ihre Pferde dürfen nicht mehr an den besseren Rennen teilnehmen.
Juni
Die Stimmung im deutschen Turf ist auf dem Nullpunkt: Ein besseres Rennen nach dem anderen wird von den ausländischen Gästen gewonnen, weil die deutschen Top-Trainer gesperrt sind. Die blauen Godolphin-Farben dominieren das Frühjahrsmeeting in Baden-Baden.
Die verbannten Deutschen gewinnen hingegen eine wichtige Prüfung nach der anderen im Ausland, so dass es schon zu Protestmärschen französischer Trainer kommt. Doch Magath bleibt hart, ein Kompromiss ist nicht in Sicht.
Auch in England herrscht Ernüchterung. Erstmals in der Geschichte fällt Royal Ascot aus, weil das Königshaus mit Geburtsvorbereitungen beschäftigt ist. Zudem sind alle Kutschen in der Reparatur. Nichtsdestotrotz pilgern täglich mehr als 50 000 Menschen auf den Rennkurs und feiern, was das Zeug hält. „Wir brauchen dafür keine blöden Pferderennen“, weiß ein junger Besucher. Das englische Königshaus zeigt sich empört und kündigt als ersten Schritt alle Abos der Fachzeitschrift Racing Post.
In Hamburg sind vor dem Derby-Meeting auf einmal die gestohlenen Grand National-Hindernisse aus Aintree aufgetaucht.
Wenn die Pferde so wüßten, was die Menschen alles wegen ihnen so machen. Hier guckt zumindest All Shamar, Sieger im Preis der Dortmunder Wirtschaft 2012, in die Kamera.
Da haben wir es mal wieder: Eddie Ahern, englischer Jockey, soll zusammen mit anderen Personen Rennen manipuliert haben. Ahern soll Insider-Informationen an Wetter verkauft haben, dazu wird ihm vorgeworfen, dass er sein Pferd Judgethemoment nicht auf Sieg geritten habe. Ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind, wird sich herausstellen, aber das Thema Manipulation ist dem Turf seit Urzeiten treu verbunden.
Zwei Spezies Mensch sind mir in meiner Anfangszeit auf Rennbahnen und bei Buchmachern am meisten auf den Geist gegangen. Die eine Gruppe sind die Zeitgenossen, die alles wissen und meinen, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Alle anderen sind doof und nur sie haben Ahnung von Ross und Reiter.
Die zweite Gruppe war zahlenmäßig etwas kleiner, aber durchaus meinungsstark. Für die war jedes Rennen geschoben – ob hochdotiertes Grupperennen oder kleines Handicap. Jeder ein Betrüger, aber wenn einer dieser hartgesottenen Veteranen dann aber mal aber konkret werden sollte, dann wurden diese auf einmal relativ kleinlaut. Namen nannte niemand gerne, zumal man ja keine Beweise hatte.
Wird im Turf also generalstabsmäßig manipuliert? Natürlich nicht. Zumal die Zahl der Betrugsfälle, die aufgedeckt werden, in Deutschland und England relativ gering ist – im Vergleich zur Zahl der Rennen, die gelaufen werden. Die Stewards vor Ort schauen da schon genau hin.
Zumindest die Rennen mit sportlich großer Bedeutung wie das Derby etwa sind sportlich korrekt. Davon bin ich fest überzeugt, auch weil die Godolphins, Magniers oder Abdullas dieser Welt so viel Geld haben, dass sie nicht unbedingt mit ihren Pferden zocken müssen. Zudem stehen diese Rennen vielmehr im Fokus der Öffentlichkeit. Die größte Gefahr kommt da von außen, wenn Leute versuchen, dem Starter ein unerlaubtes Mittel zu injizieren. Soll ja schon alles vorgekommen sein. Aber das ist ein anderes Thema.
Das System lädt ein
Je sportlich schlechter die Prüfungen sind, desto weniger überzeugt bin ich von meiner obigen These. Ein Ausgleich 4 etwa auf Sand in Dortmund oder Neuss im Winter interessiert nur wenige. Schon die Kombination aus Handicaps, Wetten und niedrigen Preisgeldern garantiert Ungereimtheiten. Manchmal ist der Übergang zwischen legal und illegal fließend.
Zum Beispiel, wenn es um die richtige Handicapmarke geht. Die wenigsten Trainer/Besitzer werden erfreut sein, wenn vor einem besser dotierten Handicap das Pferd ein weniger bedeutendes Rennen gewinnt und ein entsprechendes Aufgewicht bekommt. Da war es dann besser, unplaciert zu bleiben, war die Lücke auf einmal dicht oder wurde das Pferd elegant im Feld versteckt.
In Deutschland konnte man das früher vor den großen Meetings in Hamburg und Baden-Baden beobachten, weil dort die Prüfungen deutlich besser dotiert waren. Manche Trainer gelten etwa in England als regelrechte Handicap-Spezialisten, weil das Pferd die Höchstform gerade in den hochdotierten Prüfungen abruft - mit niedrigem Gewicht. Da ließ man seinen Schützling vorher schon mal etwa über unpassende Distanzen laufen.
Allerdings: Manchmal ist im Rennen wirklich die Lücke dicht. Oder hat das Pferd einfach einen schlechten Tag, passt der Boden nicht etc. Wenn ein Pferd schwach läuft, hat das meist nichts mit Vorsatz zu tun.
Die Kombination aus Wetten und niedrigen Preisgeldern lädt natürlich auch manche Besitzer ein. Da wartet man doch lieber, bis sein Pferd höher am Toto steht, placiert eine entsprechende Siegwette und kassierte dann doppelt – ist aber in der Realität schwerer als in der Theorie. Beweise habe ich natürlich auch nicht, aber das System animiert eben zu kleinen Betrügereien. Und irgendwie kalkuliert man das als Wetter mit ein.
Manchmal waren sie nur schwer zu finden, aber es gab sie: die positiven Geschichten im deutschen Rennsport. nurpferdeundfussball unterstützt auch diese Initiative von Jürgen Langrock, die beste Leistung im deutschen Turf zu honorieren. Vorschläge also bitte in den entsprechenden Foren bei Facebook (Galopperforum, Turf-Treff, Vollblut) posten oder per E-Mail an positiv@galopp-notizen.de schicken. Einsendeschluss ist der 23.12, 23:59 Uhr.
Machen wir uns nichts vor: 2012 war ein Jahr, in dem der deutsche Turf für eine ganz Menge negative Schlagzeilen sorgte. Manches davon war etwas unglücklich, anderes hingegen wie etwa die Posse um den Derby-Standort Hamburg reichlich peinlich und dilettantisch. nurpferdeundfussball unterstützt die Initiative von Jürgen Langrock, erstmals die Graue Zitrone für die schlechteste Leistung im deutschen Turf zu verleihen. Vorschläge also bitte in den entsprechenden Foren bei Facebook (Galopperforum, Turf-Treff, Vollblut) posten oder per E-Mail an nominierung@galopp-notizen.de schicken. Einsendeschluss ist der 23.12, 23:59. Der Beste möge gewinnen.
Zwischen Genie und Wahnsinn: Woodburn macht Schluss
Kevin Woodburn sagt dem Galopprennsport ade. Das ist nicht neu, denn den Entschluss kündigte er schon im Sommer an. Doch jetzt sattelte er mit Cabanello in Frankfurt seinen letzten Starter.
Als Trainer lief es nicht so gut, als Jockey war er hingegen Extraklasse. Andere mögen in den neunziger Jahren mehr gewonnen haben (wie etwa Peter Schiergen), aber keiner siegte oft so spektakulär wie Woodburn. Dabei pendelte er manchmal zwischen Genie und Wahnsinn.
In den 90er Jahren war es bei mir immer ein gutes Zeichen: Wenn Kevin Woodburn den Führring betrat und mit der Peitsche spielte, dann standen die Zeichen auf Erfolg. So häufig machte er das natürlich nicht, aber damals war ich noch nicht so ein mit allen Wassern gewaschener Turfzyniker und leichter zu beeindrucken. Und Woodburn konnte man zusammen mit seinem damaligen Trainer Harro Remmert immer wetten. Zum einen zahlten ihre Starter im Schnitt meist mehr als die Schützlinge der Trainer Jentzsch und Schütz, zum anderen trafen sich zwei absolute Spitzenleute: der akribische Trainer Remmert, der fast immer das richtige Gespür für seine Pferde hatte, und der herausragende Jockey Woodburn.
Der gebürtige Engländer war nicht nur ein gewiefter Taktiker, der fast immer die richtige Spur fand – nicht nur bei seinem berühmten Ritt im Schlamm in Mülheim auf Tsarina. Woodburn war zudem ein fantastischer Endkampfreiter.
Ich kann mich heute noch an einen Samstag im April 1994 erinnern, als er sich in Köln im Sattel des späteren Union-Siegers Twen einen grandiosen Zweikampf mit Mark Rimmer, damaliger Stalljockey bei Bruno Schütz und auch kein schlechter Endkämpfer, lieferte. Mal war Woodburn vorn, mal Rimmer – so ging das fast 200 Meter. Am Ende siegte – natürlich Twen.
Derbysieg Nummer 2: All my Dreams und Woodburn triumphieren 1995 leicht
Der verpasste Derbysieger
Und dann war noch All my Dreams, der spätere Derbysieger und auf ewig verbunden mit seinem Jockey Kevin Woodburn. Den habe ich bei seinem Debüt in Mülheim siegen sehen und dachte, dass könnte doch ein Pferd für das Derby sein. Drei Tage später bin ich bei meinem Buchmacher und schaue mir die Festkurse für das Derby an. All my Dreams steht da über 150, doch so richtig traute ich mich nicht. Der Hengst gewinnt sein nächstes Rennen und ist auf einmal Mitfavorit. Nur mir steht er zu tief. Das Ende der Geschichte – All my Dreams triumphierte im deutschen Derby, nur ich war nicht dabei.
Doch irgendwie umwaberte Woodburn auch immer etwas das Image des „Unseriösen“. Kaum vorstellbar, dass etwa ein Peter Schiergen einem am Führring stehenden Bekannten aus dem Sattel zuruft, dass Pferd XY das Rennen gewinnt. Bei Woodburn einst in Dortmund gesehen und es war nicht das Pferd, auf dem er saß, dass er ansagte. Ich war etwas überrascht und dachte an die Brigade beim Buchmacher, die immer sagt, dass so und so jedes Rennen geschoben sei. Was natürlich völliger Bullshit ist. Am Ende siegte allerdings weder Woodburns Tip noch sein Ritt.
„Trainer werde ich bestimmt nicht, da müsste ich zu viel telefonieren“, sagte er einst den Machern der Seite Jockeys in Deutschland. Dann wurde Woodburn doch Trainer, doch es funktionierte nicht so recht, weil er einfach zu wenig Pferde hatte. Es sind aber auch schlechte Zeiten für Trainer. Alles Gute Kevin Woodburn und vielen Dank für einige große Momente auf der Rennbahn.
So war es 2011: Fox Hunt siegt im St. Leger vor Fair Boss. Und danach lief God Save the Queen – aber nicht die Version der Sex Pistols
Die Tage werden kühler – und schon steht der letzte Klassiker der deutschen Turfsaison auf dem Programm. Das St. Leger in Dortmund am Sonntag ist zwar schon lange offen für ältere Pferde, die Top-Pferde des Jahrgangs laufen dort auch nicht mehr, dennoch freue ich mich jedes Jahr auf die Prüfung. Zum einen ,weil sie auf meiner Heimatbahn Dortmund stattfindet, zum anderen bin ich mit dem Leger quasi turfmäßig aufgewachsen. Und alte Freunde begleiten einen eben durchs Leben. Die Starter 2012 im Überblick:
Altano (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Eduardo Pedroza): War schon einmal St. Leger-Sieger, aber in Italien. 2011 einer der Aufsteiger, in Dortmund im Leger aber etwas enttäuschend. Die letzten Formen waren nicht so stark, dennoch kann er immer mitmischen.
Araldo (Paul Harley/Martin Harley): Einer der Aufsteiger der Turfsaison 2012, gut gesteigerter High Chapparal-Sohn, erst fünf Lebensstarts, in diesem Jahr in drei Rennen noch ungeschlagen. Zuletzt gab es einen überzeugender Siegen im Badener Listenrennen über die Leger-Distanz. Auch hier ein Kandidat mit ersten Chancen.
Donn Halling (V. Luka jr./Martin Seidl): Mehrfacher Sieger aus Tschechien, die Form hinter Araldo in Baden-Baden war nicht übel. Ein weiterer Kandidat, den man nicht unterschätzen sollte.
Earlsalsa (Christian von der Recke/Jozef Bojko): Inzwischen achtjähriger Wallach, in Toprennen erprobt, in diesem Jahr aber erst der dritte Start. Erfolgreiche Generalprobe in Bad Doberan, hier sind die Gegner aber erheblich stärker, in Bestform jedoch immer gefährlich.
Tahini (Wilhelm Giedt/Rene Piechulek): Einer aus dem Schlenderhaner Jahrgang 2008, der heute in der ganzen Welt verstreut ist. So schlecht sah der 5. Platz in Baden-Baden hinter Araldo und Donn Halling gar nicht aus, dennoch war er deutlich geschlagen. Kann sich vielleicht steigern, dennoch Außenseiter.
Tidespring (Henri Pantall/Fabrice Veron): Es ist wie häufig bei Pferden von Trainer Pantall: Die französischen Formen hauen einen wahrlich nicht um, doch in Deutschland drehen seine Schützlinge auf. So war der zweite Platz hinter Tres Rock Danon in Hamburg eine starke Form und allein diese Leistung gibt der Tochter des in dieser Woche verstorbenen Monsun eine gute Chance.
Nexius (Waldemar Hickst/Alexander Pietsch): Dreijähriger Hengst, der häufig gegen die Jahrgangsspitze lief. So richtig hatte er gegen diese aber keine Chance. Auch die Distanz ist Neuland. Für mich eher ein Streichkandidat.
Nymphea (Peter Schiergen/Dennis Schiergen): Eine der besten Stuten des Jahrgangs 2009, zweite im Preis der Diana in Düsseldorf. Die Distanz ist noch ein kleines Fragezeichen, lief aber immer so, als wenn sie durchaus noch Stehvermögen hat. Hochinteressante Teilnehmerin.
Wilddrossel (Markus Klug/Eugen Frank): Eine weitere dreijährige Stute, der die lange Dortmunder Zielgerade entgegenkommen dürfte. Denn auf der kurzen Düsseldorfer Zielgerade kam sie in der Diana ins Rollen, als vorne schon alles gelaufen war. Die Röttgenerin galt in ihrem Quartier schon immer als große Steherin, hatte lange sogar eine Derbynennung. Mehr als das Pferd für die Überraschung, zumal der Stall von Trainer Markus Klug weiterhin gut in Form ist.
Urteil
Sehr offenes Rennen. Eigentlich lässt sich für die meisten Kandidaten etwas finden, ich entscheide ich mich allerdings für Wilddrossel, weil die Stute quasi nach einer langen Distanz auf einer Bahn mit einer langen Zielgruppe schreit. Andere Kandidaten haben auf dem Papier bessere Karten, aber die Stute aus dem Klug-Quartier ist ein Pferd, dessen Grenzen noch nicht zu sehen waren.
Die menschliche Psyche geht manchmal schon komische Wege. Der Motzfaktor ist beispielsweise viel höher ausgeprägt als der Lobfaktor. Gibt es etwas zu kritisieren, melden sich viele zu Wort, umgekehrt ist das bei einem Lob. Positives ist selbstverständlich, da muss man oder Frau nicht extra noch loben.
Im Netz wird diese Maxime extrem befolgt – zu sehen immer wieder schön in den Foren, den quasi basis-demokratischen Spielwiesen im Internet. Da kam zum Beispiel am Samstag die Meldung auf den Tisch, dass die ARD den Großen Preis von Baden übertragen wird. Das Ganze zudem nicht als Konserve, sondern Live mit entsprechenden Vorberichten von 16:50 bis 17:05. Das gab es schon lange nicht mehr – das Erste zeigt Pferderennen live, da denken viele an den legendären Addi Furler aus Sportschau-Gründungszeiten, der für den Turf immer Sendezeit freischaufelte.
Auch diese Kolumne hat immer wieder die fehlende Präsenz des besten aller Sports im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bemängelt. Jetzt haben wir sie – und ich finde es Klasse. Doch wer meint, jetzt breche der große öffentliche Jubel im Turfvolk aus, der irrt. Komischerweise gab es zu diesem Thema nur fünf Diskussionsbeiträge im Galopperforum von Facebook, empört hätten sich - jede Wette – viel mehr Netzbewohner. Der Shitfaktor eben – motzen ist viel schöner als loben. Allerdings: Es ist natürlich auch ein hoch attraktives Rennen, wenn Arc und King George-Heldin Danedream auf den Derbysieger Pastorius und den Derby-Zweiten Novellist treffen würde.
Shitstorm
Nächstes Beispiel gefällig? Am 15. August war Feiertag in Bayern und dem Saarland und auf der Galopprennbahn in Saarbrücken gab es ein interessantes Programm mit überwiegend Galopp- und wenigen Trabrennen. 15 000 Menschen sind auf der Rennbahn, die Ministerpräsidentin ist auch da und der Saarländische Rundfunk präsentiert eine 30minütige Sendung über den Renntag. Der Hinweis auf die Hüte durfte zwar nicht fehlen, aber ansonsten war es eine wirklich gelungene Sendung mit tollen Bildern, interessanten Interviews und kundigen Kommentaren. Besonders die Nahaufnahmen vom Endkampf bekommt man in Deutschland ansonsten in dieser Qualität nicht geliefert. Feedback im Galopperforum: Nur drei User (einer davon der Autor dieser Zeilen) äußerten sich, alle durchweg positiv. Welcher Sturm wäre allerdings ausgebrochen, wenn die Sendung fehlerhaft gewesen wäre.