Freitag, 4. Juni 2010
Sir Michael oder endlich Godolphin im Epsom-Derby
Es ist mal wieder soweit: Am Samstag steht auf dem berühmt-berüchtigten Kurs in Epsom die „Mutter aller Galopprennen“, das englische Derby, auf dem Programm. nurpferdeundfussball spielt wieder Racing Post, Timeform und Sporting Life, stellt die wichtigsten Protagonisten vor und verrät natürlich, wer die Nase vorn haben sollte.

Al Zir (Trainer Saeed Bin Suroor/Jockey Kieren Fallon): Fallon reitet für Godolphin, auch nicht gerade eine alltägliche Kombination. Nach Rang 9 in den 2000 Guineas und Platz 3 in der Racing Trophy ist Al Zir aber nur Außenseiter. Stehvermögen mehr als fraglich, bester Kurs 20/1.

Azmeel (John Gosden/William Buick): Das sah gut aus, wie Azmeel die Dee Stakes in Chester gewann. Hier trifft er aber auf stärkere Gegner, andere haben bessere Perspektiven. Kommt wahrscheinlich über die Distanz von 2400 Metern, auch wenn es in der Familie einige gute Sprinter und Meiler gab, bester Kurs 12/1.

Bullet Train (Henry Cecil/Tom Queally): Der gute Henry Cecil. Alle gönnen ihm einen weiteren klassischen Erfolg, obwohl er aus der Distanz so gar nicht wie ein Mann aus dem Volk wirkt. Jedenfalls sattelt der Meister mit Bullet Train einen höchst chancenreichen Starter, der bei seinem Erfolg im Lingfield Derby Trial mächtig imponierte. Zudem sollte Bullet Train noch nicht das Ende seines Leistungsvermögens erreicht haben. Wenn er über die Distanz kommt (als Sohn von Sadler’s Wells sollte er), dann hat er gute Möglichkeiten haben, bester Kurs 7/1.

Coordinated Cut (Michael Bell/Jamie Spencer): Sieger trotz Behinderung in der hochdotierten Tattersalls Timeform Trophy, danach Dritter in den Dante Stakes in York hinter Cape Blanco (startet im französischen Derby) und Workforce. Eine Formumkehr ist schwer vorstellbar, auch wenn er mit der Strecke keine Probleme haben sollte, bester Kurs 20/1

Jan Vermeer (Aidan O’Brien/Johnny Murtagh): Löste in der letzten Woche den Stallgefährtenn St. Nicholas Abbey (der nicht läuft) als Derbyfavoriten bei den Buchmachern ab. Ist die Wahl von Ballydoyle-Stalljockey Johnny Murtagh. Schon zweijährig Gruppe 1-Sieger, siegte dreijährig leicht in den Gallinule Stakes in The Curragh und beschleunigte wie es nur gute Rennpferde können. Aber wen hat der Montjeu-Sohn dort geschlagen? Das unschlagbare Ding, für den ihn manche halten, ist er definitiv nicht. Stehvermögen für 2400 Meter vorhanden, mütterlicherseits ist einiges an Speed vorhanden, bester Kurs 9/4.

Midas Touch (Aidan O’Brien/Colm O’Donoghue): Zweite Waffe aus dem O’Brien-Quartier, chancenlos zweijährig in Frankreich gegen Jan Vermeer, aktueller Sieger des Derringtown Stud Trials (Gr.2) in Leopardstown. So viel scheint die Form nicht wert zu sein, andere Kandidaten haben bessere Meriten. Kein Problem mit den 2400 Metern, bester Kurs 7/1.

Rewilding (Mahmood Al Zarooni/Frankie Dettori): Noch nie hat Godolphin das englische Derby gewonnen. Rewilding dürfte die beste Chance seit Jahren sein, kommt aus dem Andre Fabre-Stall in Chantilly und gewann beim Debüt für Königsblau imponierend in Goodwood. Das war zwar nicht der beste Derby Trial, dennoch ein höchst interessantes Teilnehmer. Kommt aus einer Familie mit ganz viel Stehvermögen und viel deutschem Einfluss: Vater ist ein gewisser Tiger Hill, das herausragende Pferd der Endneunziger in Deutschland, beste Quote 7/1.

Ted Spread (Mark Tompkins/Michael Hills): Verdiente sich seinen Derbystart durch eine kämpferische Glanzleistung in der Chester Vase über 2474 Meter. Muss sich natürlich steigern, aber es wäre doch mal schön, wenn ein Trainer wie Mark Tompkins in Epsom triumphieren würde…., beste Quote 33/1

Workforce (Sir Michael Stoute/Ryan Moore): Erst der dritte Lebensstart und Trainer Sir Michael Stoute hätte ihm gerne noch einen Start mehr gegönnt. Imposantes Debüt in Goodwood und wenn sein erfahrener Trainer nach nur einem Start ihn zu einem Derbypferd macht, dann muss da etwas dran sein. Zweiter hinter Cape Blanco im Dante, lief noch reichlich grün, zeigte aber seine Veranlagung. Muss sich natürlich steigern, aber erinnert an andere Stoute-Starter, die danach triumphierten. Mütterlicherseits viel Stehvermögen dabei, in York lief er auch wie ein Pferd, der mit der längeren Strecke keine Probleme hat, beste Quote 5/1.

Urteil: Eine offene Angelegenheit, der Favorit Jan Vermeer ist besiegbar. Workforce und Rewilding sind meine Favoriten, brandgefährlich ist natürlich Bullet Train.

Nachtrag 5.6.: Was war das für eine grandiose Vorstellung von Workforce: Der Hengst gewinnt das englische Derby mit sieben Längen Vorsprung.



Sonntag, 30. Mai 2010
Ballydoyle sucht einen wie Galileo
Noch sechs Tage bis zum englischen Derby auf der Galopprennbahn in Epsom: Das einstmals wichtigste Pferderennen der Welt hat zwar einiges von seinem Glanz verloren, strahlt aber immer noch reichlich Faszination aus. Favorit bei den Buchmachern sind mal wieder Pferde aus dem irischen Ballydoyle-Quartier von Trainer Aidan O’Brien. Und selbstverständlich opferte die Racing Post ihre Titelseite für die Tatsache, dass Jan Vermeer jetzt neuer Derbyfavorit ist. Grund war eine etwas schwächere Arbeit seines Stallgefährten St. Nicholas Abbey, der bislang an der Spitze des Wettmarktes stand. Und schon reagierten die Buchmacher, zumal sich Stalljockey Johnny Murtagh auch noch nicht endgültig entschieden hat.
Zudem steht noch gar nicht fest, welche Ballydoyle-Vertreter im englischen Derby laufen. Zumindest Mitte nächster Woche weiß das Turfvolk mehr.
Zweimal siegte der irische Trainer bislang im englischen Derby, den letzten Sieg gab es 2002 mit High Chaparral. Eines der beste Pferde, das O’Brien je trainierte, machte 2001 den Anfang: In diesem Jahr triumphierte Galileo – und mit welcher Autorität er das Rennen gegen Golan machte, zeigt das Video eindrucksvoll. Sechs seiner acht Rennen (darunter auch das irische Derby) gewann der höchst blaublütig gezogene Hengst – Vater Sadler’s Wells, Mutter die Arc-Siegerin Urban Sea.
Auch als Deckhengst im eigenen Coolmore-Stud überzeugte Galileo. 23 Gruppe I-Rennen gewannen seine Nachkommen wie Rip Van Winkle oder New Approach bislang, damit ist Galileo einer der meist gefragten Vererber im internationalen Turf.




Freitag, 28. Mai 2010
Der Start-Ziel-Virtuose Richard Hills
Es war ein beeindruckender Erfolg: Akmal aus dem Stall von Trainer John Dunlop und im Besitz von Hamdan Al Maktoum gewann gestern auf der Galopprennbahn im englischen Sandown Park die Blue Square Henry II Stakes, ein Gruppe II-Rennen über weite zwei Meilen. Der vierjährige Wallach siegte Start-Ziel – und hatte dafür den richtigen Mann im Sattel. Denn Richard Hills ist einer der besten Jockeys, wenn es darum geht, ein Rennen von vorne zu gestalten. Weil er es meisterhaft versteht, sich ein Rennen einzuteilen und die Signale seines vierbeinigen Partners richtig zu deuten weiß. Ich kenne keinen Reiter in England oder Deutschland, der diese Taktik besser beherrscht.
Der Ritt auf Akmal zeigte all diese Qualitäten eindrucksvoll: Hills diktierte das Tempo, verschärfte es zwischendurch, ließ den Fuchs mit der markanten Blesse mal kurz durchpusten und kitzelte dann aus diesem immer neue Reserven heraus, als Ryan Moore mit Saptapadi angriff. Nie hatte man den Eindruck, dass die Kombination Akmal-Hills das Rennen verlieren könnte. Auch der Godolphin-Neueinkauf Darley Sun, der im letzten Jahr das große Steher-Handicap Cambridgeshire gewonnen hatte, blieb chancenlos. 14:1 geben die meisten Buchmacher jetzt für den Dunlop-Schützling im Ascot Gold Cup, 50:1 lautete die Quote vorher.
Weitere Beispiele gefällig, warum der 47-jährige Hills so gut von der Spitze aus reitet? Der Sieg mit Fareer während des diesjährigen Dante-Meetings in York in einem Listenrennen und natürlich der klassische Triumph mit Ghanaati in den letztjährigen englischen 1000 Guineas.



Dienstag, 18. Mai 2010
Paco Boy ist ein guter Junge


Weil Racing UK mal wieder rumzickt und es nicht erlaubt, das Video hier zu zeigen, verweise ich einfach einmal auf die Ergebnisseite der Sporting Life. Dort gibt es seit kurzem auch bewegte Bilder und Enthusiasten des gepflegten Rennsports können so noch einmal die grandiose Vorstellung des Paco Boy genießen.

Manchmal wirkt die Reitweise von Jockey Richard Hughes schon reichlich arrogant. Zum Beispiel in den Lockinge Stakes, Gruppe 1-Prüfung im englischen Newbury über die Meile: Während die anderen Teilnehmer schon reichlich bemüht werden, sitzt Hughes auf dem 17:10-Favoriten Paco Boy immer noch seelenruhig. Weil er weíß, auf was für einem Klassepferd er sitzt. Alles deutet auf einen problemlosen Erfolg des Hengstes aus dem Quartier von Richard Hannon hin, ohne dass sein Jockey groß arbeiten muss.
Doch dann wird es doch noch Arbeit: Richard Hills forciert auf einmal mit Ouqba das Tempo und erwischt – so scheint es auf den ersten Blick – Hughes und Paco Boy quasi auf dem falschen Haus. Doch die zwei haben eine Antwort und was dann folgte, war ganz großes Kino: Der Hannon-Schützling beschleunigt wie es nur große Rennpferde können und zieht mühelos an Ouqba vorbei. Eine beeindruckende Vorstellung und vielleicht die bislang beste der englischen Flachsaison. „Eine Vorstellung, die hinreisst, aufregt und erfreut, wird dringend benötigt“, schrieb Lee Mottershead in der Racing Post vom Samstag und bezog sich auf eine bislang wenig aufregende Flachsaison. Nicht nur Mottershead bekam sie….
Der Sohn von Desert Style machte zudem die Schmach vom Vorjahr weg, als er als haushoher Favorit nur Vierter hinter Virtual wurde. Über die Meile winken nun packende Duelle mit Rip Van Winkle oder Goldikova.



Donnerstag, 6. Mai 2010
Ein Flugzeug namens Zafonic


Immer wieder ein beliebter Zeitvertreib vor oder nach großen Rennen: Die Kollegen aus dem englischen Racingforum haben darüber diskutiert, wer die fünf besten Sieger der letzten 15 Jahre in den englischen 2000 Guineas waren. Und irgendwann fiel natürlich der Name Zafonic, auch wenn dessen Triumph 1993 auf der Rowley Mile in Newmarket nicht mehr ganz in dieses Zeitfenster passt. Der französische Hengst war ein Meiler mit unglaublichem Speed.
Es war eine Zeit, in der ich begann, mich für englischen Rennsport zu interessieren. Seit einiger Zeit liefen die Rennen von der Inseln über SIS bei den Buchmachern – und von Zafonics Triumph (im Video ist das Rennen 3, vorher gibt es den Prix de la Salamandre und die Dewhurst Stakes) war ich mächtig beeindruckt. Diese Beschleunigung und mit welcher Leichtigkeit er ein Top-Pferd wie Barathea stehen ließ – das war ganz großes Kino. „Das ist ein Flugzeug“, schwärmte der legendäre SIS-Kommentator Derek Stripplin (keine Ahnung, ob der Name richtig geschrieben ist. Aber wer ihn kennt, weiß, wen ich meine). Jockey Pat Eddery konnte an diesem Tag das machen, was er am besten kann: Einen Sieger elegant nachhause reiten.
Die Engländer wussten allerdings schon, was für ein Kaliber der französische Toptrainer Andre Fabre da sattelte: Der Hengst im Besitz des saudi-arabischen Prinzen Khaled Abdullah blieb zweijährig ungeschlagen, triumphierte unter anderen in den Dewhurst Stakes in Newmarket, dem wichtigsten Rennen für zweijährige Hengste in England. Die Generalprobe für die 2000 Guineas vermasselte er aber, als er überraschend im Prix de Djebel geschlagen wurde.
Und ein Start nach den 2000 Guineas war dann schon Schluss mit der Rennkarriere: Zafonic verletzte sich in den Sussex Stakes in Goodwood. Nach nur sieben Rennen wechselte er in die Zucht und zeugte immerhin Gruppe 1-Sieger wie Xaar oder Iffraaj, aber auch mit Dupont und Pacino zwei Gewinner des Mehl-Muelhens-Rennen, dem deutschen Pendant zu den 2000 Guineas.
Sein Ende war tragisch: 2002 verletzte er sich tödlich auf der Koppel in Australien, wo er seine Laufbahn als Deckhengst fortsetzen sollte.



Montag, 26. April 2010
Warum Erfolge von der Spitze so schön sind
Der Veteran Church Island und der Youngster Barizan sorgten für meine Höhepunkte des Rennwochenendes.

Church Island (Trainer Michael Hourigan/Jockey Adrian Heskin), Sieger im bet365 Gold Cup Chase Handicap (Grade 3), 5 900 m, Sandown Park (GB)
Wettechnisch war die NH-Saison 2009/2010 nicht unbedingt der große Renner. Da ist es doch ein kleiner Trost, dass das letzte große Rennen die Saison mit einem Bang endet. Satte 210:10 gab es auf den Erfolg des bereits 11jährigen Wallachs Church Island – und das kompensiert etwas für die permanente zweiten Plätze, auf denen meine Tipps meist landeten.
Es war eines dieser Rennen, bei dem ich die letzten Hindernisse quasi mit gesprungen bin. An diesem Tag war Church Island allerdings eine Klasse für sich, flog meist wie ein Hirsch über die schweren Sandown-Sprünge und bekam das Rennen von seinem jungen Piloten glänzend eingeteilt. Der Schützling von Trainer Michael Hourigan aus dem irischen County Limerick war immer an zweiter Stelle platziert und als sich seine Co-Pilotin Piraya nach hinten verabschiedete, übernahm Jockey Adrian Heskin selbst das Kommando. Und der junge Mann und sein Anhang mussten nicht zittern: Church Island stapfte unangefochten zum Sieg.
Von den diesjährigen Formen konnte man ihn nicht unbedingt spielen. Allerdings lief der Wallach diesmal auf passendem Boden und Stehvermögen hat er ohne Ende. Immerhin war er Vierter in diesem Rennen 2009 und auch mal Zweiter im Irish Grand National.

Barizan (Trainer Evan Williams/Jockey Jason Maguire), Sieger in der Airshow 100 Champion Four Year Old Hurdle, 3200 Meter, Punchestown (Irland)
Wenn Jockey Jason Maguire irgendwann mal seinen Enkel von seiner Karriere im Sattel erzählen wird, dann dürfte das Jahr 2010 einen besonderen Raum einnehmen. Und einer dieser Höhepunkte war der Erfolg mit Barizan im irischen Meisterschaftsrennen für die vierjährigen Nachwuchshürdler während des Punchestown-Fstivals, dem irischen Pendant zu Cheltenham und Aintree. Denn dieser Barizan, Stolz seines walisischen Trainers Evan Williams, war bislang immer eher ein „Sieger der Herzen“ gewesen. In Cheltenham und Aintree hatte er ein halsbrecherisches Tempo an der Spitze vorgelegt, doch am Ende am Ende fing ihn aber immer noch ein anderes Pferd ab. In Punchestown drückte Maguire, der erstmalig den Wallach ritt, ebenfalls kräftig auf das Gaspedal und galoppierte damit seine Gegner quasi aus den Hufen. Am Ende hatte er 12 Längen Vorsprung auf Carlito Brigante und verdiente sich damit redlich nach drei harten Rennen innerhalb eines Monats auf den großen Festivals seinen Sommerurlaub.



Mittwoch, 21. April 2010
Ein Hauch von Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Twist Magic


Manchmal wäre es wirklich wünschenswert, wenn Pferde reden könnten. Zum Beispiel Twist Magic, dieser Wallach aus deutscher Zucht, der in Bestform zur absoluten Elite in den Top-Jagdrennen über zwei Meilen zählt und in dieser Saison bereits zwei Grade 1-Prüfungen gewinnen konnte.
Nur ist dieser Twist Magic manchmal etwas launisch. Gestern war mal wieder so ein Tag, an dem er sein zweites Gesicht zeigte: Bei der Champion Chase in Punchestown , dem irischen Pendant zum Cheltenham-Festival, blieb er am Start einfach stehen und würde dort jetzt noch stehen, wenn ihn sein Reiter AP Mc Coy nicht weggeführt hätte.
„Mr. Nicholls“ hätte Twist Magic vielleicht seinem Trainer Paul Nicholls gesagt. „schon wieder über diese hohen Sprünge. Mir schmerzen immer noch die Beine von diesem Rennen auf dieser Sch..bahn in Cheltenham, die ich so hasse, weil es dort immer rauf und runter geht. Und außerdem habe ich dieses Jahr schon genug gewonnen.“ Und Nicholls hätte ein Einsehen gehabt und Twist Magic in die Sommerferien geschickt.
Leider war das nicht so: Nicholls sattelte ihn in Irland, zumal der Wallach in den letzten Jahren nach den Enttäuschungen von Cheltenham immer siegreich war – unter anderem 2008 in obigen Rennen in Punchestown.
Und vielleicht sollte man auch mal einige tröstende Worte für das Pferd mit dem schönen Namen Forpadydeplasterer finden. Denn der wurde zum sechsten Mal in Serie Zweiter in diesen Grade 1-Prüfungen. Diesmal erwies sich Golden Silver als zu gut. Das Erstaunliche: Der Sieger aus dem irischen Championstall von Willie Mullins galt bislang immer als Pferd, das auf schwerem Boden seine besten Leistungen zeigt. Und jetzt triumphiert er auf gutem Geläuf. Wenn Pferde doch reden könnten...



Samstag, 10. April 2010
McCoy versaut meinen Grand National
Zuerst gab es einen Klaps vom Denis O’Regan, dem Reiter des Zweitplacierten Black Apalachi, und dann brachen alle emotionalen Dämme in Aintree: Tony McCoy gewann im 15. Versuch mit Don’t Push It sein erstes Grand National und beseitigte damit einen der letzten weißen Flecken in seiner alle Rekorde brechenden Jockey-Karriere.
Nicht nur für McCoy war es ein höchst emotionaler Tag: Auch Trainer Jonjo O’Neill, einst ein höchst erfolgreicher Hindernisjockey und als Trainer schon einige Zeit im Geschäft, feierte seinen ersten Erfolg im härtesten Rennen der Welt. Und selbst Besitzer J P Mc Manus, einer der großen Persönlichkeiten der Szene und laut Wikipedia mit über 400 Pferden der größte Besitzer im National Hunt-Sport, triumphierte noch nie im National. Mc Manus würde man in Deutschland übrigens zur Suchtberatung schicken, in Irland gilt der passionierte Wetter bei vielen als Volksheld.
Und diesmal mussten die Buchmacher nach eigenen Angaben richtig bluten: Rund 10 Millionen Pfund soll sie der Erfolg von Don't Push It gekostet haben. Denn der Dauerchampionjockey McCoy ist das, was früher auf der Flachen Lester Piggott war: der Hausfrauen-Favorit. So wurde Don’t Push It im Laufe des Tages von 20:1 auf 10:1 heruntergewettet, eben weil der gute „AP“ darauf saß. Kein Vergleich zum letztjährigen Sieger Mon Mome, der die Bookies 2009 in Champagnerlaune versetzt hatte. „Nun bleibt uns nur Wasser und Brot", kommentierte nach dem Renenn ein Sprecher von Ladbrokes, einem der größten Buchmacher auf der Insel. Der arme Mann, mir kommen wirklich die Tränen.
Mc Coy hat mir allerdings schön die Tour vermasselt: Denn meine zwei Siegtipps Black Apalachi und State of Play landeten auf den Plätzen 2 und 3. Der zweite Platz von Black Apalachi konnte allerdings nicht mit den Dramen von 2004 und 2007 konkurrieren, als Clan Royal (2004) und Mc Kelvey (2007) nur sehr, sehr unglücklich unterlagen. Der Zweite 2010 segelte zwar wunderschön über die Furcht erregenden National-Hindernisse, hatte letztendlich aber keine Chance gegen den an diesem Tag einfach besseren Gewinner.
Immerhin 14 der 40 gestarteten Pferde kamen ins Ziel. Zum Glück kamen alle einigermaßen unversehrt aus dem Rennen, auch wenn einem bei manchem Fall der Atem stockte.
Wie das Grand National 2010 gelaufen wurde: Das Rennvideo.



Freitag, 9. April 2010
Das Grand National 2010: Vier gegen das Feld
Die John Smith’s Fox Hunters Chase am ersten Tag zeigte mal wieder den gnadenlosen Charakter der National-Hindernisse: Nur neun der 21 Starter kamen ins Ziel, der Rest warf seinen Reiter ab, stürzte oder wurde angehalten. Am Ende triumphierte der 510:10-Schuss Silver Adonis.
Heute begann das dreitägige Aintree-Meeting auf der Rennbahn in der Nähe von Liverpool. Drei Wochen nach Ende des Cheltenham-Festivals trifft sich in Aintree wieder alles, was Rang und Namen im englischen National Hunt-Sport hat. Einmal am Tag geht es über die berüchtigten schweren Hindernisse auf dem National-Kurs. Der Höhepunkt folgt natürlich am Samstag: Das Grand National, das wohl berühmteste und (umstrittenste) Pferderennen der Welt.
Gemetzel oder Spektakel? Das National ist beides. Zu schwere Hindernisse, zu viele Starter (40), die lange Distanz von 7200 Metern – gegen das National spricht einiges. Besonders wenn die Pferde noch nicht ihren Rhythmus gefunden haben und an den ersten Hindernissen reihenweise ihre Jockeys zu Boden befördern bzw. spektakulär fallen, wirkt das Rennen wie die klassische Anti-Werbung für den Rennsport.
Dennoch ist das Meeting ein Muss. Zum anderen gibt es im Rahmenprogramm exzellenten Sport, zum anderem ist das Grand National bei aller Kontroverse ein Ereignis, in dem Legenden geboren werden. In England zählt es zur großen Sporttradition. Jeder, auch wenn er sonst nicht viel mit Pferderennen am Hut hat, riskiert eine Wette und hat eine Meinung dazu.
Beispiel gefällig? 2005 war ich in der Nähe von Liverpool und am Donnerstag auf der Rennbahn in Aintree. Am Freitag vor dem National waren wir in einem Pub in einem Waliser Dorf. Auf einmal ging ein Hut mit 40 Papierschnitzeln, auf denen die Namen der Teilnehmer des Grand Nationals notiert waren, rum. Für zwei Pfund Einsatz konnte man ein Papierschnitzel ziehen – und der Glückliche, dessen Papier den Namen des Siegers trug, durfte sich am nächsten Tag über 80 Pfund freuen. Ist so etwas in Deutschland zum Beispiel vor dem Derby vorstellbar? Definitiv nicht!
Das Grand National ist das Rennen mit den höchsten Wettumsätzen auf der Insel. Letztendlich freuen sich zwar meist die Buchmacher, wenn wie 2009 ein 1010:10-Außenseiter wie Mom Mome triumphiert.


Eine der Legenden des Grand Nationals: Red Rum gewinnt 1973 nach einem dramatischen Rennen gegen Crisp. Red Rum triumphierte auch 1974 und 1977, seine Reste liegen am Zielpfosten von Aintree.

Becher’s und The Chair
Mom Mome ist auch in diesem Jahr wieder am Start, steht aber erheblich kürzer. Meine Idee eines Siegers ist er nicht, obwohl der Schützling von Venetia Williams zuletzt im Gold Cup ungefähr zwei Minuten später als respektabler Dritter hinter Imperial Commander und Denman ins Ziel lief.
Wer gewinnt also 2010? 40 Pferde laufen, der Faktor Glück spielt eine entscheidende Rolle. Black Apalachi schwebte im letzten Jahr lange quasi über die schweren Sprünge, bis er dann in der zweiten Runde an Becher’s kapitulierte. Sein Trainer Dessie Hughes hat ihn genau für dieses Rennen vorbereitet und seine schwache Phase mit einem Sieg am letzten Wochenende in Fairyhouse beendet.
Im letzten Jahr Vierter war State of Play und auch er kommt relativ geschont an den Start, lief nur einmal in dieser Saison. Das macht gar nichts, denn der Hennessy-Sieger 2006 absolviert seine besten Rennen frisch. Zudem steht er im Handicap noch günstiger als im letzten Jahr.
Interessant finde ich zudem Niche Market (die Aintree-Hindernisse könnten ihm liegen) und den "alten Ganoven" Character Building. Der lief zuletzt in Cheltenham schlecht, aber das Ziel von Trainer John Quinn in diesem Jahr ist das National. Der Wallach hat zudem mit Cheveley Park Stud einen neuen Besitzer und die haben ähnliches schon mal mit Party Politics geschafft, den sie ebenfalls kurz vor dem Rennen gekauft hatten. Nicht so begeistert bin ich allerdings über den Jockeywechsel: Nichts gegen die famose Nina Carberry, aber James Codd hat Character Building im letzten Jahr bei seinem Erfolg in Cheltenham ein Rennen nach Maß serviert, als er wartete und wartete und dann seinen Vorstoß genau zum richtigen Zeitpunkt ansetzte.



Dienstag, 16. Februar 2010
Das Mc Coy-Denman-Desaster
Der 13. Februar 2010 dürfte ein Tag sein, den National Hunt-Championjockey Tony Mc Coy vielleicht später einmal als den Tiefpunkt seiner ansonsten tadellosen Karriere bezeichnen wird: Sein erster Ritt auf Denman, zweiter Favorit für den Cheltenham Gold Cup am 18. März, endete in der Aon Chase in Newbury mit einem Desaster. Der 11:10-Favorit beförderte nach einem Fehler am drittletzten Hindernis seinen Jockey zu Boden.
Und Mc Coy stand nach dem Rennen im Kreuzfeuer der Kritik. „…als wenn ein vollbeladener Öltanker Feuer gefangen hat“, formuliert es etwas dramatisch ein unbekannter Schreiber im englischen Racingforum.
Denn bereits im Vorfeld war eine lebhafte Debatte ausgebrochen: Die Entscheidung von Trainer Paul Nicholls und der Besitzer Harry Findlay und Paul K. Barber traf auf heftige Kritik. Mc Coy hatte Sam Thomas abgelöst, der „The Tank“ unter anderem zum Sieg im Cheltenham Gold Cup 2008 gesteuert hatte, allerdings inzwischen im Nicholls-Camp in Ungnade gefallen war.
„Mc Coys aggressiver, no-nonsense Stil passt nicht zum Stil von Denman“, sagt obiger Schreiber aus dem englischen Racingforum. Auch ich bin der Meinung, dass der Wallach keinen Jockey braucht, der ihn groß antreibt, sondern den sicheren Springer einfach im Rhythmus hält. Die große Stärke des Wallachs ist sein Galoppiervermögen, mit denen er an guten Tagen seine Gegner demoralisiert – gut zu sehen im Hennessy Gold Cup 2007.

Schuldlos
Nach dem Rennen war der Championjockey für viele der Buhmann. Allerdings: Lange sah es am Samstag so aus, dass Mc Coy und Denman ein neues Traumpaar bilden. Der Nicholls-Schützling sprang fast fehlerfrei, alles deutete auf einen lockeren Sieg des Favoriten hin.
Erst vier Hindernisse vor Schluss passierte das erste Malheur: Denman touchierte das Hindernis, sein Reiter konnte sich nur noch mit Mühe im Sattel halten. Niche Market zog vorbei und Mc Coy fing an zu reiten. Das gefiel Denman überhaupt nicht: Am nächsten Sprung verlor er völlig die Balance und beförderte seinen Jockey zu Boden. Beide verletzten sich glücklicherweise nicht.
Und Mc Coy trifft keine Schuld, wie das Rennvideo zeigt. Das Pferd war einfach müde war, die Konzentration fehlte. Ähnlich war es in Aintree im April 2009: Als Sam Thomas begann, den müden Denman energisch zu reiten, patzte dieser am Hindernis und warf seinen Reiter ab.
Für Trainer Paul Nicholls war der Verlauf der Aon Chase kein Grund zur Panik. „Denman ist 100 Prozent ok“, sagte er nach dem Rennen. In fünf Wochen im Gold Cup werde man ein anderes Pferd sehen. Nicholls gewann übrigens das Rennen mit seinem zweiten Starter Tricky Trickster, der Niche Market noch auf der Linie im Stile eines großen Stehers abfing.
Und auch für Tony Mc Coy war nicht nur Düsternis angesagt: Mit Get Me Out Of Here siegte er in der hochdotierten Totesport Trophy.