Dienstag, 5. Mai 2009
In England gefeuert, in Holland gefeiert
Vom Volldeppen zum Architekten des Erfolges – Steve McClaren, Trainer des holländischen Erstligisten FC Twente Enschede, kennt die Wechselbäder des Trainerlebens.
Das Bild ging um die Welt und wird ihn wohl sein Leben lang verfolgen. November 2007, es regnete in Strömen im Londoner Wembleystadion und Englands damaliger Nationaltrainer McClaren verfolgte den Untergang seiner Mannschaft im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Kroatien zur Fußball-EM 2008 unter einem Regenschirm mit einem Getränkebecher in der Hand. Es war der Anfang vom Ende seiner Zeit als Teamverantwortlicher: Lampard, Beckham, Gerrard und co. verpassten durch ein 2:3 die Qualifikation für die Veranstaltung in Österreich und der Schweiz.
England war entsetzt über das erneute Scheitern. Hauptschuldiger war natürlich der Nationaltrainer – und der besaß auch noch die Unverfrorenheit, sich vor Wind und Wetter mit einem Schirm zu schützen. So ein Weichei! „Der Trottel mit dem Regenschirm“, tönte die Boulevardpresse, zum Beispiel die unsägliche Daily Mail. McClaren wurde gefeuert – und war für die englische Öffentlichkeit fortan die Witzfigur, die England die Europameisterschaft kostete.
Dabei hatten die hochdotierten Stars aus der Premier League schon unter seinem Vorgänger Sven Göran Eriksson bei der WM 2006 „Steinzeitfußball“ gezeigt. Das setzte sich unter McClaren fort – der frühere Assistent von Alex Ferguson bei Manchester United und spätere Manager des FC Middlesbrough war nicht in der Lage, den Three Lions ein erfolgreiches taktisches Konzept zu vermitteln.

Besser als Ajax, Feyernoord und PSV
Im Sommer 2008 wechselte McClaren in die holländische Provinz zum FC Twente Enschede. Der Verein hatte seine größten Momente in den siebziger Jahren, als er 1974 niederländischer Vizemeister wurde und 1975 im UEFA-Cup-Endspiel Borussia Mönchengladbach mit 0:0 und 1:5 unterlag. Ansonsten stand der Club in der Ehrendivisie aber immer im Schatten der großen Drei des niederländischen Fußballs: Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven und Feyenoord Rotterdam. Und von Januar 1996 bis September 1999 wirkte dort ein gewisser Hans Meyer als Trainer.
McClaren übernahm allerdings in Enschede ein funktionierendes Team. Unter seinem Vorgänger Fred Rutten, der nach Schalke wechselte (und dort bekanntlich scheiterte), belegte Twente Rang 4 und qualifizierte sich in der Play-off-Runde zur Champions League durch einen Erfolg gegen Ajax Amsterdam für die europäische Königsklasse. Dummerweise traf der Engländer in der 3. Runde der Qualifikation auf seine Landsleute vom FC Arsenal (obwohl dort ja kaum Engländer spielen). Die Gunners erwiesen sich aber als eine Nummer zu groß und zogen locker mit 4:0 und 2:0 in die Gruppenphase ein.
Doch in der Meisterschaft war der ehemalige englische Nationaltrainer höchst erfolgreich: Einen Spieltag vor Abschluss der Serie qualifizierte sich der FC Twente durch ein 3:0 gegen den bereits feststehenden Meister AZ Alkmaar als Vizemeister für die Qualifikation für die Champions League, weil Ajax Amsterdam sich mit 0:4 gegen Sparta Rotterdam blamierte. Damit steht erstmals seit 1981 kein Vertreter der großen „Drei“ im Europapokal der Landesmeister bzw. der Champions League.
Zudem erreichte das Provinzteam das Pokalfinale und trifft dort auf den SC Heerenveen. Im UEFA-Pokal besiegte Twente unter anderen den FC Schalke mit Trainer Rutten.
McClaren setzte dabei auf das bewährte 3-4-3-System seines Vorgängers und profitierte laut Kicker (Artikel leider nicht online) von der starken Offensive mit Regisseur Kenneth Perez (34) und den Angreifern Eljero Elia (22), Blaise Nkufo (33, ehemals Hannover und Mainz) sowie Marko Arnautovic (20), der im Februar als Kuranyi-Nachfolger in Schalke im Gespräch war.



Neues aus dem Schalker Aufsichtsrat
Zehn Personen sitzen im Aufsichtsrat des FC Schalke 04. Einer davon plauderte in der letzten Woche und erzählte einem Journalisten der Stuttgarter Zeitung (!!!): Felix Magath wird ab der Saison 2009/10 Manager und Trainer auf Schalke. Ursprünglich wollte Clemens Tönnies, Vorsitzender des Aufsichtsrates, erst am 23. Mai bekannt geben, wer der Auserwählte ist, nachdem die Suche nach Trainer und Manager sich ja im März und April zu einer lustigen Posse entwickelt hatte.
Magath, in Personalunion derzeit in gleicher Position beim Tabellenführer VfL Wolfsburg tätig, dementierte die Meldung nicht und sagte nur, dass er sich generell an diesen Spekulationen nicht beteilige. Und er witterte eine Intrige eines Rivalen im Kampf um die Schale. Der VfB Stuttgart habe diese Information bewusst in die Welt gesetzt habe, um seinen VfL im Titelkampf zu schwächen.
Jede Wette darauf: Magath und Clemens Tönnies werden irgendwann nach Ende der Saison mit viel Pathos ihre Zusammenarbeit verkünden. Zumal der Vertrag des Erfolgstrainers bereits in diesem Sommer enden kann und nicht erst am 30. Juni 2010.
Jedenfalls waren die Schalker Spieler aufgrund der neuen Konditionshügel, die „Quälix“ Magath auf dem Trainingsgelände an der Arena errichten wird, so geschockt, dass sie ihr Heimspiel gestern gegen Leverkusen mit 1:2 verloren.
Die Wolfsburger und besonders ihr Stürmer Edin Dzeko ließen sich allerdings nicht beeindrucken, gewannen 4:0 gegen Hoffenheim und verteidigten den Platz an der Sonne.
Felix Magath dürfte allerdings nicht gerade preiswert sein. Das widerspricht wiederum dem Vorhaben, dass die Schalker im nächsten Jahr finanziell ihren Etat herunterfahren möchten. Aber vielleicht hat Sponsor Gazprom die Geldbörse noch mal geöffnet und erhöht dafür demnächst die Gaspreise….

Nachtrag 6. Mai
Magath wechselt zur neuen Saison nach Schalke.



Montag, 27. April 2009
Klinsi hat fertig
In den Redaktionen von Bild und Sport-Bild dürften heute die Sekt- und Champagnerkorken geknallt haben. Der FC Bayern München hat Trainer Jürgen Klinsmann gefeuert – was die Springer-Gazetten ja schon seit Wochen fordern. Die Zusammenarbeit zwischen Klinsmann und dem deutschen Rekordmeister entpuppte sich dann doch als millionenschweres Missverständnis.
Jupp Heynckes und Hermann Gerland sollen die Mannschaft bis Saisonende betreuen. Das neue Dreamteam soll dafür sorgen, dass der FC Bayern im nächsten Jahr weiter gegen Barcelona, Inter und Manchester United in der Champions League spielt und nicht auf Malaga, Cagliari oder Wigan im UEFA-Cup trifft.
Heynckes gewann einst mit Real Madrid die Champions League und trainierte Bayern schon einmal von 1987 bis 1991. Seine letzten Trainerstationen auf Schalke und in Mönchengladbach waren allerdings weniger erfolgreich.
Gerland war früher ein furchterregender Verteidiger beim VfL Bochum und ist seit Jahren verantwortlich für die zweite Mannschaft der Münchener. Besonders freue ich mich schon darauf, wenn der „Tiger“ Schweini, Poldi, Fronk und co. mal richtig zusammensch…t.



Kloppomania
Fünfter Sieg in Serie – und die Euphorie in Dortmund steigt ins Unermessliche. Nach dem ungefährdeten 2:0 gegen den Hamburger SV lagen sich wildfremde Menschen in den Armen. Die Südtribüne feierte die Mannschaft und forderte dann, dass der Trainer kommt. Es war wie beim selbsternannten Mainzer Karnevalswein: Jürgen Klopp stand alleine vor der „gelben Wand“ und bedankte sich. Und ging sofort danach auf die Euphoriebremse. Die Party mit den Fans soll nicht zum Dauerzustand werden.
Klopp hat sich die Ovationen redlich verdient: Nicht nur seine lockere, unkonventionelle Art kommt gut an. Sein Einsatz und seine Identifikation mit der Aufgabe ist entscheidend. Das Publikum im Ruhrgebiet erkennt nämlich „Blender“, die nur große Worte spucken, sehr schnell – und die haben keine Chance.
Klopps größtes Verdienst besteht darin, dass er dem Verein nach jahrelanger Dümpelei neue Perspektiven gibt. Er hat der Mannschaft wieder Leben eingehaucht, die Handschrift seines Trainerteams ist unverkennbar. Borussia im April 2009 präsentiert sich als gut abgestimmtes Team, in dem Laufwege und Spielverständnis stimmen. Die Truppe ist körperlich fit, kann immer wieder zulegen. Das ist der große Unterschied zu Zeiten eines Thomas Doll und eines Bert von Marwijk (zumindest die letzte Phase), als Dortmund „Schema F-Fußball“ im Einheitstempo spielte. Zum ersten Mal seit langer Zeit gibt es wieder so etwas wie Spielkultur beim BVB.
Gegen das Spitzenteam aus Hamburg war das Stadion ausverkauft. Und selbst gegen Karlsruhe und Bielefeld – nicht unbedingt Gegner mit hoher Attraktivität – rechnen die Verantwortlichen mit 80 000 Zuschauern.
Dabei hat sich sportlich nicht viel geändert: Borussia liegt weiterhin fünf Punkte hinter einem UEFA-Cup-Platz, weil die anderen Teams seit Wochen ebenfalls punkten. Selbst der Erzrivale aus Gelsenkirchen steht vor den Schwarz-Gelben: Schalke ist mit den Interimstrainern Mike Büskens und Youri Mulder seit vier Spielen ungeschlagen.



Samstag, 25. April 2009
Borussia, Hennessy und Sangfroid
Wochenende und Sonnenschein: Gut gelaunt geht es heute Nachmittag ins Stadion, in Dortmund sagt keiner Westfalenstadion geschweige denn Signal-Iduna-Park. Borussia Dortmund gegen den Hamburger SV vor ausverkauftem Haus, die große Mehrheit der 80 552 Zuschauer hofft natürlich, dass der BVB seine goldene Serie fortsetzt und zum fünften Mal in Folge gewinnt. Der 1:0-Erfolg gegen Bremen in einem echten „Schweinespiel“ Ende März war die Wende.
Dabei bleib es im sonst oftmals hektischen Umfeld des BVB erstaunlich ruhig, als es nicht lief. Zumal die Mannschaft auch nur einmal verlor, aber sechsmal Remis spielte. Lieber freute man sich in Dortmunder Fankreisen am damaligen Elend des Erzrivalen aus Gelsenkirchen. Leider punkten die Konkurrenten um einen internationalen Wettbewerb auch derzeit alle. Der Hamburger SV hat sogar noch Ambitionen auf den Titel; kann sich jetzt aber auf Bundesliga und UEFA-Pokal konzentrieren. Beim Pokalaus gegen Werder Bremen wirkten die Hamburger ziemlich ausgelaugt; die 120 Minuten gegen den Nord-Erzrivalen dürften zusätzliche Reserven beansprucht haben.
Ex-Borusse Mladen Petric ist verletzt und wird nicht spielen. Guy Demel, ein anderer ehemaliger Dortmunder, ist noch fraglich. Und ob es zum Bruderduell zwischen Kevin Prince (BVB) und Jerome Boateng (HSV) kommt, steht noch in den Sternen, weil der ältere Boateng wahrscheinlich auf der Dortmunder Bank sitzt.
Auf dem Weg Richtung Stadion lege ich einen kurzen Boxenstopp beim Buchmacher meines Vertrauens ein, um zwei Siegwetten und eine Siegschiebe zu placieren. Denn im englischen Sandown Park steht ein hochinteressanter Renntag mit vier Flach- und vier Hindernisrennen an. Das Meeting auf der Bahn in der Nähe von London bildet traditionell den Abschluss der National Hunt-Saison, die aber schon morgen wieder in Ludlow und Wetherby beginnt.
Um 16 Uhr 10 deutscher Zeit laufen 15 Pferde im
Gold Cup Chase
, einem Grade3-Rennen über 5934 Meter. Mein Tipp ist Hennessy mit Championjockey Tony Mc Coy im Sattel. Zweite Siegwette des Tages ist Sangfroid (Jockey Daryl Jacob/ Trainer Nick Williams) im dritten
Rennen
um 15 Uhr 05, ein Handicap über Hürden über 3923 Meter. Weitere Höhepunkte des Programms sind die Mile (Gruppe 2, mit Forthe Millionkiss aus dem Stall von Uwe Ostmann, der allerdings krasser Aussenseiter ist) sowie die Gordon Richard Stakes (Gruppe 3) über 2000 Meter. Hier feiert Tartan Bearer, im letzten Jahr Zweiter im englischen Derby, sein Comeback.

Nachtrag 27. April
Treffer: Sowohl Sangfroid (130:10) und Hennessy (75:10) haben gewonnen. Und auch der BVB bleibt in der Erfolgsspur durch ein ungefährdetes 2:0 gegen den Hamburger SV.



Ein Ausnahmetalent wird erwachsen
Ich gebe es zu: Meine Skepsis war groß, ob Nuri Sahin in Dortmund den endgültigen Durchbruch schafft. Zu groß waren bei allen genialen spielerischen Fähigkeiten die Defizite in Sachen Schnelligkeit und Zweikämpfstärke. Noch beim Rückrundenauftakt gegen Leverkusen, als der 20jährige völlig neben der Spur war, habe ich gedacht: Er packt es nicht, das geht ihm alles zu schnell. Falsch: Seit Wochen gehört Sahin zu den Besten im BVB-Team und ist eine feste Größe im Konzept von Jürgen Klopp. Eine bemerkenswert gute Geschichte über das einstige Ausnahmetalent hat Sascha Fligge, Sportredakteur der Ruhr-Nachrichten, geschrieben. Eine Quintessenz des Textes: Gute Trainer erkennen das Potenzial eines Spielers und finden Wege, seine Defizite zu beseitigen. Schlechte Trainer schicken ihn einfach weg….



Mittwoch, 22. April 2009
„Blaublut“ droht die vierte Liga
2008 arbeitete ich ein halbes Jahr in der Umgebung von Stuttgart. An den Wochenenden, die ich in Stuttgart blieb, spielten meist die Stuttgarter Kickers in der damaligen Regionalliga Süd daheim. Das war zwar kein Ersatz für den BVB, aber irgendwie gefielen mir die Blauen, ihr kleines nettes Stadion und ihre Eigenarten. Die rote Wurst hieß Stadionwurst, weil Rot die Farbe des großen Lokalrivalen VfB unten aus dem Tal ist. Und mit Bashiru Gambo trug auch jemand das hellblaue Trikot, der früher mal in Dortmund beim BVB kickte.
Die Kickers kämpften zu diesem Zeitpunkt verzweifelt um einen Platz in der neuen 3. Liga. Nach einer verpatzten Hinrunde war die Lage alarmierend; ein Abstieg in die Viertklassigkeit gefährde den finanziell schon fast traditionell klammen Verein existenziell, prophezeite der Vorstand.
Mein erster Besuch endete mit einer deprimierenden Niederlage gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern München, ohne das der Bayern-Nachwuchs groß überzeugte. Die Kickers spielten grottenschlecht; wie ein Team, das sich schon längst aufgegeben hatte. Die schwäbische Fußballseele kochte und trauerte zugleich – zumindest die Anhänger, die die Farbe Blau im Herzen hatte. Und wenn der bedächtige Schwabe mal zu Extremen neigt, dann muss die Lage schon verzweifelt sein. Den meisten Stuttgartern war die Lage der Kickers allerdings ziemlich egal. Doch die Mannschaft kämpfte sich heran, bot gegen Aalen und Unterhaching zwei sehr gute Heimspiele und qualifizierte sich am Ende in einem Herzschlagfinale für die 3. Liga
Knapp ein Jahr später ist die Stimmung wieder auf dem Siedepunkt. Dem Traditionsverein droht die Viertklassigkeit. Nach 32 von 38 Spieltagen liegen die Kickers auf dem 20. und letztem Platz, zum rettenden 17. Platz fehlen bereits acht Punkte. Nach dem 0:1 gegen den Mitkonkurrenten Wuppertal sprach Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum vom „gefühlten Abstieg“.
Mit dem Slogan „Blaublut braucht dein Herzblut“ (so ein Schwachsinn kann auch nur von einer Werbeagentur kommen) wollten die Stuttgarter noch einmal ihre Fans mobilisieren. Doch denen fehlt nach der schwachen Saison wohl der Glaube: 2 600 Zuschauer und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger erlebten eine weitere Katastrophenleistung der Heimmannschaft.
Irgendwie sind die Blauen nie in der Liga angekommen. Woran es lag? Keine Ahnung, aus der Ferne ist das nur schwer zu analysieren. Von Beginn an stand das Team fast immer auf einem Abstiegsplatz, die Bilanz: fünf magere Siege, 10 Unentschieden und 17 Niederlagen. Im September 2008 musste Trainer Stefan Minkwitz gehen, sein Nachfolger Edgar „Euro-Eddy“ Schmitt ereilte Mitte des Monats das Aus. Rainer Kraft soll jetzt das Wunder schaffen und den Absturz der Blauen, die immer noch in der ewigen Tabelle der zweiten Liga auf Platz 3 liegen, in die Regionalliga verhindern.



Samstag, 18. April 2009
VfL gegen BVB: Von Derbyfieber keine Spur
Lange Warteschlangen an den Kassenhäuschen der altehrwürdigen Kampfbahn Rote Erde - etwas völlig Ungewohntes bei einem Spiel der Regionalligamannschaft von Borussia Dortmund. Derbyzeit
in Dortmund: Die zweite Mannschaft empfing am Freitag in der Regionalliga West das zweite Team des Erzrivalen FC Schalke 04. Vor über 3600 Zuschauern gewann der BVB-Nachwuchs mit 4:2 (1:2) und übernahm damit die Tabellenführung. Für alle, die mit schwarz-gelb sympathisieren, begann das Wochenende erfolgreich.
Dortmund gegen Schalke – da gehen die Emotionen hoch. Wenn das Revierderby in der Bundesliga auf dem Programm steht, dann wird in den Fanforen heiß diskutiert. Spätestens am Montag vor dem Match beginnt der erste Thread unter dem Titel "Derby-Sieg".
Wenn Borussias erste Mannschaft hingegen in der Nachbarstadt Bochum zum kleinen Revierderby aufläuft, dann bleibt es im Vorfeld eher ruhig. Der kleine Nachbar ist für viele BVB-Fans so interessant wie etwa Bielefeld oder Hannover.
Und auch beim B1-Nachbarn kocht die Stimmung nicht gerade über. Am Freitag waren noch rund 2 000 Stehplatzkarten zu haben, obwohl das Bochumer Stadion nur eine Kapazität von 31 328 Zuschauern hat.
Der VfL hat im Vergleich zu BVB und Schalke keine große Tradition. 1972 schafften die Bochumer erstmalig den Aufstieg in die Bundesliga auf. Lange kämpften sie mit bescheidenen finanziellen Mitteln erfolgreich gegen den Abstieg, der Ausdruck „Unabsteigbar“ wurde ihr Markenzeichen. 1993 war es dann doch so weit, der VfL musste in die zweite Liga. Seitdem geht es stetig auf und ab. Größte Erfolge waren zwei Niederlagen im DFB-Pokalfinale und zwei UEFA-Cup-Teilnahmen.
Und auch in diesem Jahr sah es nach der Hinrunde nicht gut aus. Doch inzwischen hat sich das Team des Schweizer Trainers Marcel Koller gefangen und fünf Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz.
Der BVB konnte nach schwachem Beginn in der Rückrunde drei Siege in Folge verbuchen und überzeugte zuletzt auch spielerisch. So langsam träumt man wieder von einem UEFA-Cup-Platz.
Die Bilanz beim kleinen Nachbarn ist allerdings mit nur vier Siegen, 13 Unentschieden und 14 Niederlagen mehr als durchwachsen. Den letzten Sieg gab es 1999; Lars Ricken erzielte das goldene Tor zum 1:0-Erfolg. Danach folgte nur noch Blech: vier Remis und zwei Niederlagen.



Donnerstag, 16. April 2009
CL-Halbfinale: Die englische Krankheit
Same procedure as last year? Fast, nur dass im Champions League-Halbfinale 2009 der FC Arsenal den FC Liverpool ersetzt. Geld schießt auch weiterhin die Tore in der europäischen Königsklasse: Drei Vertreter aus der englischen Premiere League, dank Murdochs Fernsehgeld die finanzkräftigste der Welt, und der FC Barcelona aus der spanischen Primera Division stehen in der Vorschlussrunde. Schon jetzt einmal eine Sympathie-Vorschau auf das Halbfinale.

FC Chelsea London gegen FC Barcelona
Der neureiche Emporkömmling aus dem Londoner Westen misst sich mit dem FC Barcelona, alter, aber nicht verarmter, katalanischer Adel. Barca schaffte es, dass ich bei der 0:4-Demütigung des FC Bayern im Viertelfinale zum ersten Mal in meinem Leben Mitleid mit den Münchenern hatte. Messi, Xavi, Iniesta und Co. führten den deutschen Rekordmeister in der ersten Halbzeit auf eine Weise vor, dass sogar Udo Lattek weinte. Und wer den hartgesottenen DSF-Stammtischler zu Tränen zwingt, der hat das Finale verdient.
Chelsea sind hingegen eindeutig die Schurken. Oder wer mag Roman Abramovich und seine Millionen, mit denen der Londoner Club endlich die Nummer 1 in Europa werden soll?

Manchester United - FC Arsenal London
Hier fällt die Wahl schwerer. Arsenal hat derzeit wieder einen guten Lauf, ist seit 17 Spielen ohne Niederlage und besitzt mit Arsene Wenger einen schlauen Manager, der an seine junge Mannschaft glaubt. Arsenal spielt spektakulärer als Manchester United, doch die fehlende Erfahrung könnte entscheidend sein.
Das Beste an Manchester United ist Manager Alex Ferguson. Wenn er Interviews gibt, verstehe ich dank seines schottischen Akzents fast gar nichts. Der knorrige Sir zieht seit 23 Jahren sein Ding bei Manchester United durch und lässt sich auch von Glazers dieser Welt nicht in die Karten schauen. Seine Mannschaft, immerhin Titelverteidiger, entwickelt sich in letzter Zeit aber leider zu absoluten Minimalisten. Auch gegen Porto beschränkte sich United nach der frühen Führung weitgehend auf die Kontrolle des Gegners. So sagt das Herz Arsenal, der Verstand aber Manchester.

Und was lernt die Bundesliga von der Premier League, damit nicht spätestens im Viertelfinale Schluss ist? Eintrittspreise drastisch erhöhen (billigste Karte 30 Euro); weg mit der 18 Uhr-Sportschau, dafür eine Zusammenfassung um Mitternacht am Samstag und mehr Geld aus dem Pay-TV; Spiele auch um 11 und 13 Uhr am Samstag und am Samstag abend....
Es geht nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft des deutschen Fußballs.



Mittwoch, 8. April 2009
Michael Meier: Rückkehr einer Reizfigur
Es wird ein Wiedersehen mit vielen Emotionen: Michael Meier, einst Manager von Borussia Dortmund und jetzt in Diensten des 1.FC Köln, kehrt am Samstag ins Westfalenstadion zurück. Im Vorfeld gab er der Dortmunder Tageszeitung Ruhr-Nachrichten ein Interview. Unter der Überschrift „BVB immer im Herzen“ blickte Meier auf „wunderschöne Zeiten mit unglaublichen Erfolgen" zurück – Fragen zur Finanzkatastrophe, die Borussia beinahe die Existenz kosteten, umdribbelte er allerdings mehr oder weniger elegant. Das sorgte nicht nur im Forum des BVB-Fanzines schwatzgelb.de für zornige Reaktionen.
Mit dem gebürtigen Lüner und dem damaligen Präsidenten Dr.Gerd Niebaum sind die größten Triumphe, aber auch der absolute Super-GAU in Form des Beinahe-Unterganges verbunden. 1986 wurde Niebaum Präsident des BVB, der zu diesem Zeitpunkt fast in der zweiten Liga gelandet wäre. Mit dem Juristen kehrte der Erfolg in Dortmund ein, 1989 wachte der BVB mit dem Gewinn des DFB-Pokals endgültig aus dem Dornröschen-Schlaf auf.
Ab 1. Dezember 1989 trat Meier seinen Dienst als Manager in Dortmund an. 1991 kam mit Ottmar Hitzfeld ein Trainer, der den BVB an die Spitze führte. 1992 verpassten die Schwarz-Gelben die Meisterschaft noch denkwürdig knapp. Niebaum und Meier pokerten hoch, holten hochkarätige Spieler aus Italien zurück in die Bundesliga. Das zahlte sich aus: 1995 und 1996 wurde Borussia mit der wohl besten Mannschaft der Vereinsgeschichte Meister. Namen wie Klos, Kohler, Julio Cesar, Sammer, Freund, Möller, Riedle oder Chapuisat sorgen heute noch für eine Gänsehaut. 1997 folgte die absolute Krönung: Dortmund siegte im Champions League-Finale gegen Juventus Turin – ausgerechnet im Münchener Olympiastadion. Die Verantwortlichen des FC Bayern waren grün vor Neid.
Borussia war auf einmal auf Augenhöhe mit Europas Spitzenvereinen wie Real Madrid, Juventus Turin, AC Mailand oder Manchester United – ein ungleiches Duell. Denn rote Zahlen begleichen deren Investoren oder Präsidenten zur Not aus ihrer Privatschatulle.
Zu diesem Zeitpunkt war Gerd Niebaum der ungekrönte König in Dortmund. Das BVB- Management in Dortmund galt als innovativ und vorbildlich; Meier wurde mehrfach von seinen Bundesliga-Kollegen als Manager des Jahres ausgezeichnet.

Das böse Erwachen
1997 begann allerdings auch schon der Niedergang. Sportlich lief nicht mehr viel, unternehmerisch verloren Niebaum und Meier so langsam die Bodenhaftung. So sollte unter anderem die eigene Sportmarke „Goool“ den Giganten Adidas, Nike oder Puma Marktanteile abjagen. Der Börsengang im Oktober 2000 war das nächste Alarmzeichen, brachte aber noch mal dringend benötigtes Kapital nach Dortmund.
Der BVB investierte wieder kräftig in die Mannschaft, holte mit Rosicky, Koller und Amoroso teuere Spitzenkräfte und knackte die eigenen Transferrekorde. 2002 wurde der Verein letztmals deutscher Meister und erreichte das Finale im UEFA-Cup. Ein Jahr später folgte der sportliche Tiefschlag: Zuerst verpasste Dortmund durch ein Unentscheiden gegen Cottbus die direkte Teilnahme an der Champions League und scheiterte in der Qualifikationsrunde am FC Brügge. Die dringend benötigten Einnahmen aus der europäischen Königsklasse fehlten. Irgendwann musste Borussias waghalsiges Finanzkonstrukt zusammenkrachen, zumal der teuere Ausbau des Westfalenstadions aus eigenen Mitteln den Verein zusätzlich belastete.
Am 22. Dezember 2003 berichteten der kicker und die Süddeutsche Zeitung zeitgleich, „dass sich Borussia Dortmund in einem akuten Liquiditätsengpass befindet und frisches Geld benötigt, um riesige Haushaltslöcher im laufenden Geschäftsjahr zu decken.“ Geplant sei eine Anleihe bei einer englischen Investitionsbank über 12 Jahre.
Was dann folgte, war ein Wirtschaftskrimi allererster Güte - nur dass diesmal nicht irgendein anonoymes Unternehmen, sondern der Lieblingsverein der Übeltäter war. Fast im Wochenrythmus gab es neue Schockmeldungen, Fußballfans machten auf einmal einen Crash-Kurs in Sachen BWL und konnten einiges lernen über Kommanditgesellschaften auf Aktien, Kapitalfonds und die Wünsche von Großinvestoren. Es hatte sich ausgeträumt: Im Oktober 2004 trat Niebaum als BVB-Präsident zurück, Meier räumte seinen Stuhl im Juli 2005.

Wer das finanzielle Drama um den BVB noch einmal nachlesen möchte: Die Akte Schwarzgelb von Frank und Sascha Fligge, 2005, erschienen im Medienhaus Lensing Dortmund. Einfach mal googeln, ob es das Buch noch gibt.