Zweitligist FC St. Pauli hat einen neuen Trainer: Ewald Lienen löst Thomas Meggle ab. Der wird jetzt Sportdirektor und ersetzt den entlassenen Rachid Azzouzi. Das ist nicht verwunderlich, denn der Kiezklub ist aktuell Tabellenletzter. Der Abstieg droht, da greifen Klubs gerne zu solchen Maßnahmen.
Im Fachblatt kicker klang St. Pauli-Präsident Oke Göttlich am Montag aber noch ganz anders: Da sprach er von Werten, von Kontinuität, Team-Gedanken und ähnlich schön Klingendem. Und wies Veränderungen noch weit von sich.
Das sagte Göttlich kicker-Redakteur Sebastian Wolff.
Ein Ergebnis der letzten Jahre? „Wir hatten in den vergangenen vier Jahren vier Trainer, die alle Schwierigkeiten hatten, ihre Ideen vom Fußball erfolgreich bei uns umzusetzen. Es gab also einen ständigen Wechseln, ohne dass sich der erhoffte Erfolg eingestellt hat…..Jetzt wieder handelnde Personen auszutauschen und für noch mehr Verunsicherung zu sorgen, wäre das völlig falsche Signal. Im Klassenkampf benötigen wir alle im und um das Team.“
Zur Position von Sportdirektor Rachid Azzouzi „Rachid ist doch im Moment der unglücklichste Mensch hier. Und gleichzeitig derjenige, der Tag und Nacht damit verbringt, nach Lösungen zu suchen, sehr hart für den Verein arbeitet. Es wäre falsch und nicht unseren Werten gemäß, einen neuen Sportdirektor in einer heißen Phase zu installieren, der Zeit braucht, um die Herausforderungen erst wieder analysieren zu können.
Nun muss man Oke Göttlich zu gute halten, dass er noch nicht lange Präsident ist und er das Interview vor dem letzten Heimspiel gegen Darmstadt 98 gab. Dieses verlor der FC St. Pauli mit 0:1 und lieferte dabei einen spielerischen Offenbarungseid ab, auch wenn der Neuling aus Hessen eine der best organisierten Einheiten der Zweiten Liga ist. Null Torchancen notierte übrigens der kicker für St. Pauli.
Doch wie sagte der Alt-Internationale Paul Breitner einst: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“ Göttlich ist zudem kein Einzelfall der Branche. Denn wenn der Kolumnist eines gelernt hat: Lobeshymnen für erfolgloses Personal sind häufig ein sicheres Zeichnen für personelle Veränderungen. Die Wechsel beim Zweitligisten waren außerdem das Ergebnis langer Debatten.
Jedenfalls ist Ewald Lienen der dritte Trainer der Hamburger in dieser Saison. Lienen bekommt in der Öffentlichkeit nicht die Anerkennung, die er verdient hat. Wenn ich schon immer diesen Mist von „Zettel-Ewald“ lese, nur weil der Mann sich fleißig Notizen macht. Diese Kolumne wünscht ihm viel Glück. Weil sie auch den FC St. Pauli mag.
Manchmal nerven Medien und Öffentlichkeit einfach nur. Zum Beispiel wenn sie den Moralapostel mimen und das Verhalten anderer brandmarken. Etwa die Tatsache, dass der Fußball-Fan abtrünnige Spieler wie Mario Götze und Manuel Neuer bei ihrer Rückkehr an die alte Wirkungsstätte nicht mehr auspfeifen soll. Das ist totaler Humbug – die Fans, die im Gegensatz zu diesen Söldnern ihrem Verein auch in schlechten Zeiten folgen, haben ein Recht zu pfeifen.
Zum Beispiel Mario Götze. Der hochbegabte Nationalspieler und neuerdings „WM-Held“ gilt nach seinem dubiosen Wechsel von Borussia Dortmund zum Erzrivalen Bayern München quasi als unerwünschte Person in Dortmund. Und zu Recht: Götze stärkte mit seinem Wechsel einen Mitkonkurrenten und verdient keine Nachsicht. Wenn er nach Madrid oder Manchester gewechselt wäre, dann wäre das in Ordnung gewesen. Aber FC Bayern? Vielleicht betrachtet er das Mehrgeld, das er dort verdient, einfach als eine Art Schmerzensgeld. Und mit Pfiffen muss er als Profi leben. Da kann BVB-Boss Hans-Joachim Watzke noch so sehr um Nachsicht betteln. Auch in den nächsten Jahren bleibt Mario Götze ein rotes Tuch bei Schwarz-Gelb.
Ob Weltmeister oder nicht
Zum Beispiel Nationalkeeper Manuel Neuer, seit 2011 ebenfalls beim Rekordmeister aus München. Auch heute pfeifen ihn die Schalker Anhänger immer noch aus, wenn er mit dem FC Bayern in die Arena zurückkehrt. „Fies und kleingeistig“ nennt Hermann Beckfeld diese zuschauer.
Beckfeld ist Chefredakteur der in Dortmund erscheinenden Tageszeitung Ruhr-Nachrichten und schreibt in der Wochenend-Ausgabe des Blattes immer Briefe an bekannte Personen. Die sind ein Highlight der Ausgabe und immer eine lohnende Lektüre, weil Beckfeld ein sehr guter Schreiber ist. Inhaltlich teile ich nicht alles – und in Sachen Neuer liegt der Herr Chefredakteur einfach mal falsch.
Zumal er schon am Anfang ziemlich auf die Emotionen seiner Leser schielt. „Lieber Manuel…..„für die (Schalker Fans) waren Sie der Judas, der Schalke verraten, der seine Leidenschaft für die Knappen verkauft hat.“
Dann geht es richtig auf die Tränendrüse. Der Weltmeister, der immer ein Schalker geblieben ist. Der heute noch zu den Schalker Fans winkt. Der Junge, der einst in der Nordkurve stand. Der extra früher ins Stadion kam, um Jens Lehrmann beim Aufwärmen zu sehen. Tja, mein lieber Hermann Beckfeld, wenn man schon so lange auf Presse- und VIP-Tribünen sitzt, dann weiß man nicht, dass die Fanblöcke schon gefüllt sind, wenn die Torhüter ca. 40 Minuten vor Anpfiff den Rasen betreten.
Der Brief ist eine einzige peinliche Anbiederung an Manuel Neuer – vom beruflichen Aufsteiger quasi zum sportlichen Emporkömmling. Da ist man schon gerne mal auf einer Wellenlänge.
Königsklasse
Aber wenn Neuer immer noch ein Schalker ist, warum ist er dann nicht dort geblieben? Vielleicht, ganz zaghaft angemerkt, spielt doch das liebe Geld eine Rolle. Champions League kann er doch auch mit Königsblau spielen und wenn er dann mal Meister werden würde (ein ganz starker Dortmunder Konjunktiv), dann würde es eine epochale Feier geben und nicht so einen müden Ringelpiez wie in München. Ein großartiger Schlussmann war unser Herzens-Knappe auch schon auf Schalke. Manche Experten meinen zwar, er habe sich beim FCB weiter verbessert, doch diese schreien ja auch bei jeder halbwegs passablen Parade sofort Weltklasse.
Und dann noch das Argument mit dem Weltmeister, auf die wir doch so stolz sein können. Meine Güte, Vereinsfußball ist etwas anderes als die Nationalmannschaft. Meine zweite Reaktion nach dem 2:1 durch Mario G. im WM-Finale war „Ausgerechnet der Götze“.
Wenn Götze und Neuer mit der Nationalmannschaft nach Dortmund und Gelsenkirchen kommen, muss man natürlich nicht pfeifen. Ist ja Nationalmannschaft…
kicker-Rangliste: Hummels Weltklasse, Reus wahrscheinlich auch
Ranglisten-Zeit im Fachblatt kicker. Oder wie es genau heißt: „Die Rangliste des deutschen Fußballs“, seit 1956 fester halbjährlicher Bestandteil des Magazins und eines der Markenzeichen des Blattes. Die Rangliste der ersten zwei Positionen – Torhüter, Innenverteidiger – erschien am Montag, mit Manuel Neuer und Mats Hummels erhielten zwei Spieler das Prädikat Weltklasse. Wer schafft noch den Sprung in die höchste Kategorie? Und wie schneiden die Spieler von Borussia Dortmund ab? nurpferdeundfussball wagt eine Prognose.
Wer das Prozedere nicht kennt: Die Rangliste enthält vier Kategorien – Weltklasse, Internationale Klasse, im weiteren Kreis und Blickfeld. Entscheidend sind die Leistungen im letzten Halbjahr und nicht Qualität, Potenzial oder Marktwert des Spielers. Neben Torhütern und Innenverteidigern gibt es noch die Positionen Außenbahn defensiv und offensiv, Mittelfeld defensiv und offensiv sowie Stürmer. Dazu werden noch die im Ausland tätigen deutschen Profis bewertet.
In der aktuellen Rangliste spielt natürlich die gerade beendete Weltmeisterschaft eine wichtige Rolle. Allerdings sind nicht alle Weltmeister automatisch Weltklasse. Insgesamt acht Spieler stuft die kicker-Redaktion in die höchste Kategorie ein, sechs davon waren im Finale von Rio de Janeiro dabei. Und da kein Spieler aus Argentinien in der deutschen Bundesliga aktiv ist, sind es Akteure des Weltmeisters.
Weltklasse
Manuel Neuer und Mats Hummels waren für mich nach ihren herausragenden Weltmeisterschaften die unstrittigsten Kandidaten für die höchste Kategorie und beide führen verdient die Rangliste an. Aber wer noch? Meine Kandidaten aus dem Weltmeister-Team wären Thomas Müller (ganz sicher), Philipp Lahm, Toni Kroos (beide so an der Grenze zwischen Weltklasse und Internationaler Klasse) sowie als Überraschungskandidat Andre Schürrle, der als Joker bei der WM immer für viel frischen Wind sorgte und auch bei Chelsea nicht schlecht spielte. Nicht in die Weltklasse gehören für mich Bastian Schweinsteiger (nicht so konstant in der Bundesliga) und Mario Götze, der bis zu seinem goldenen Tor eigentlich enttäuschte und auch beim FC Bayern nicht konstant agierte.
Leichter fiel die Suche nach den zwei restlichen Kandidaten. Arjen Robben ragte sowohl bei Bayern als auch der WM heraus; Dortmunds Marco Reus spielte eine brillante Rückrunde und verpasste leider durch Verletzung in der Vorbereitung die WM.
Dortmund
Wo landen die Kandidaten des BVB? Die ersten Einschätzungen waren in Ordnung: Torwart Roman Weidenfeller an Position 3 in der internationalen Klasse hinter Fährmann und Leno; Innenverteidiger Mats Hummels schaffte verdient den Sprung in die Weltklasse. Sein Kollege Sokratis hätte allerdings die Einstufung in die Internationale Klasse verdient gehabt. Der Grieche – eingeschätzt im Weiteren Kreis – agierte auch bei dieser WM höchst zuverlässig.
Die Prognosen für die anderen Dortmunder Kandidaten: Lukasz Piszczek: Nach seiner langen Verletzung noch lange nicht in alter Form, keine Einstufung. Marcel Schmelzer: Ein Seuchenjahr, viel verletzt, WM verpasst, zuletzt leicht aufsteigende Form, aber höchstens Blickfeld. Erik Durm: Der Aufsteiger und dann auch Weltmeister (aber ohne Einsatz), aber relativ wenig gespielt. Höchstens Blickfeld. Kevin Großkreutz: Dortmunds Allrounder und ebenfalls Weltmeister ohne Einsatz. Beim BVB in der Rückserie meist im offensiven Mittelfeld unterwegs, in der Bundesliga mit Licht und Schatten, in der Champions League stark. Blickfeld oder weiterer Kreis. Pierre-Emerick Aubameyang: Zu unbeständig, kein Platz in der Rangliste Sven Bender: Leider verletzt, das kostete dem nimmermüden Kämpfer die WM und die Rangliste. Sebastian Kehl: Wenn er gespielt hat, dann meistens überzeugend. Zumindest Blickfeld hätte der BVB-Kapitän verdient. Nuri Sahin: solide, aber nicht herausragend. Dennoch ein Kandidat für den weiteren Kreis. Henrik Mkhitaryan: Das Potenzial für die Weltklasse ist da, aber einige Aussetzer. Im weiteren Kreis, im nächsten Jahr mindestens Internationale Klasse. Oliver Kirch und Milos Jojic: beide zuletzt sehr stark, aber wahrscheinlich zu wenig benotete Einsätze. Marco Reus: Weltklasse, siehe oben im Text.
Die Liste wächst. Nach Fortuna Düsseldorf, Dynamo Dresden, dem 1.FC Saarbrücken, dem FC St. Pauli und Eintracht Braunschweig ist der SC Paderborn 07 der nächste Verein, den ich sowohl gegen die erste als auch die Zweite Mannschaft von Borussia Dortmund erleben werde. Herzlich willkommen SC Paderborn 07 im Oberhaus des Fußballs.
Als Bewohner der Ruhrgebiets- und Fußball-Metropole Dortmund ist Paderborn eher ein Ort für dumme Scherze. Generell gilt Paderborn als tiefste ostwestfälische Provinz, Bauern-Metropole eben. Hinzu kommt der Spruch „schwarz, schwärzer, Paderborn", weil die Stadt erzkatholisch und Sitz des Erzbistums ist.
Auch fußballerisch nahmen die wenigsten einen Klub wie den SC Paderborn richtig ernst. Ungeachtet der Tatsache, dass der Verein seit einigen Jahren in der zweiten Liga eine gute Rolle spielt. Aber Paderborn hat keine Fußballtradition, es fehlen die Erfolge der Vergangenheit. Wer hochklassigen Fußball sehen wollte, der musste nach Dortmund fahren. Oder Gelsenkirchen. Oder früher nach Bielefeld.
Ja, liebe Freunde des SC Paderborn, mit dieser Geringschätzung musstet ihr immer leben. Und jetzt gibt es auf einmal Lob von allen Seiten. Das kleine Paderborn mit einem Etat von etwas mehr als sechs Millionen hat sie alle – bis auf den 1.FC Köln – in der zweiten Liga abgehängt und ist aufgestiegen. Vor den Namen mit großer Fanbasis wie Kaiserslautern, 1860 München, St. Pauli oder Dynamo Dresden.
Ab August geht es gegen die Großen wie Bayern München, Dortmund, Schalke oder Mönchengladbach. Dabei verbuchten die Ostwestfalen schon einen Achtungserfolg gegenüber dem Rekordmeister aus München. Während im Paderborner Regen 20 000 Fans ihre Aufstiegshelden feierten, waren es am Samstag auf dem Marienplatz in München nur 15000 (Quelle kicker), die ihre Meister hochleben ließen.
Kein Fußballwunder
Statistisch war der Aufstieg eigentlich logisch: Denn seit dem Wiederaufstieg im Jahr 2009 waren die geraden Jahre immer die besten: 2010 belegte man Platz 5, 2012 belegte Paderborn mit Trainer Roger Schmidt erneut Platz 5 und mischte lange mit im Aufstiegskampf. Und 2014 – das Ende ist bekannt.
Dabei waren vor der Saison 2013/2014 die Erwartungen eher gering: Klassenerhalt lautete dass Ziel, der neue Trainer Andre Breitenreiter sollte den Negativtrend der Vorsaison drehen. Das gelang nach anfänglichen Schwächen: In der Rückrunde drehte das Team richtig auf, mit 39 Punkten war der SC das beste Rückrundenteam – noch vor dem 1.FC Köln.
Mit dem Budget lag Paderborn immer im unteren Drittel der Liga. Vielfach kamen die Spieler aus der dritten Liga oder den zweiten Mannschaften der Bundesliga und entwickelten sich in der Provinz. Dazu hatten die Ostwestfalen um Mäzen und Präsident Wilfried Finke sowie Manager Michael Born ein Händchen für junge Trainer, die in Paderborn durchstarteten: Jos Luhukay zum Beispiel. Oder Roger Schmidt, zuletzt Red Bull Salzburg, demnächst Bayer Leverkusen. Und nun Andre Breitenreiter, ein einstiger Profi (unter anderem Hannover und HSV), als Trainer bislang nur beim Regionalligisten Havelse tätig.
In der Bundesliga gibt es ein Wiedersehen mit einigen alten Bekannten, die bei Borussia Dortmund meist in der zweiten Mannschaft aktiv waren: Uwe Hünemeier, Marvin Bakalorz, Mario Vrancic und Mahir Saglik waren wichtige Stützen der Aufstiegsmannschaft.
Der größte Paderborner beim BVB bleibt allerdings Günter Kutowski. Der kam vom Vorgängerverein 1.FC Paderborn, war ein furchtloser Abwehrspieler und bestritt von 1984 bis 1996 288 Bundesligaspiele für Borussia Dortmund. Und kassierte deutlich mehr gelbe Karten als er Tore schoss.
Kennen Sie noch Hans Walitza? Oder Hans-Peter Lehnhoff? Oder erinnern sie sich vielleicht noch an Mark Strudal? All diese Namen vereint, dass sie einst in der Fußball-Bundesliga spielten und nun auf der Seite bundesligalegenden portraitiert werden.
Sasa Snepanovic und sein „Italo-Sidekick“ DJ Bellanova rühren noch mal in Erinnerungen. Es ist eine nette Zeitreise mit vielen Aha-Erlebnissen. Dabei sind es nicht nur große Namen, die dort auftauchen. Auch längst vergessene Akteure wie etwa der ehemalige Bielefelder Sonny Silooy oder der einstige Saarbrücker Jean-Santos Muntubila rücken noch mal ins Blickfeld.
Hans Walitza übrigens stürmte einst für den VfL Bochum und den 1.FC Nürnberg; Hans-Peter Lehnhoff war für die rheinischen Rivalen Köln und Leverkusen aktiv. Und Mark Strudal? Den holte Borussia Dortmund Ende der 80er Jahre als Konkurrent für die damaligen Stürmer Norbert Dickel und Frank Mill. Der Däne Strudal spuckte sofort ein paar große Töne, doch auf dem Platz entpuppte er sich eher als Papiertiger. Eine große Nummer war er definitiv nicht in Dortmund.
Die großen Mysterien des Fußballs: Zum Beispiel, warum Mannschaften nach einem Trainerwechsel auf einmal Spiele gegen offenbar übermächtige Gegner gewinnen.
Jüngstes Beispiel ist der Hamburger SV. Der abstiegsbedrohte Bundesliga-Dino triumphierte am Samstag mit 3:0 gegen Borussia Dortmund. Gegen diese Borussia, die zuletzt vier Mal in Serie siegte, dabei spielerisch durchaus überzeugte und die deutlich stärkere Mannschaft stellt. Abstiegsangst traf Champions League-Ambition.
Ausgerechnet der HSV: Mirko Slomka ist der dritte Trainer des Traditionsvereines in dieser Saison. Unter seinem Vorgänger Bert van Marwijk hatte die Mannschaft acht mal in Serie verloren und dabei den Eindruck erweckt, dass diese Spieler die größte Ansammlung von Trotteln sind, die jemals das HSV-Trikot getragen haben. Eine Mannschaft, die zuletzt in der Bundsliga mehrfach regelrecht gedemütigt wurde. Eine Truppe, die zum Gespött der Liga wurde.
„Manchmal gibt es Dinge, die man nicht erklären kann“, sagte Bruno Labbadia, als ich zufällig am Sonntag beim unsäglichen Doppelpass bei Sport 1 landete. Wir versuchen es dennoch.
Hörner
„Wir haben gewisse Dinge klar analysiert und vor allem bei den schlechten Laufwerten angesetzt“, sagte Torhüter Rene Adler im kicker-Interview. „Wir hatten in jedem Training Vollgas, waren danach richtig kaputt, aber wir hatten auch Spaß an der Arbeit, am Laufen.“ Und man habe sich der Angst gestellt nach der Niederlagenserie, habe sie „bei den Hörnern“ gepackt.
Na ja, an der Laufleistung kann es nicht gelegen haben. Da war Borussia Dortmund mit gesamt 116,2 km Teamlaufleistung vorne gegenüber den Hamburgern mit 114,6 km Teamlaufleistung (Quelle kicker opta).
Natürlich hatte Slomka die Mannschaft umgebaut. Auf einmal standen Leute auf dem Platz, die unter van Marwijk keine Chance mehr hatten und eigentlich schon als ausgemustert galten. Doch Slomka vertraute den Innenverteidigern Johan Djourou und Slobodan Rajkovic sowie den Mittelfeldspielern Tomas Rincon und Petr Jiracek. Mit Erfolg: Die Mannschaft wirkte stabiler, der tschechische Nationalspieler Jiracek zählte zu den Torschützen.
„Der HSV wollte den Sieg mehr als der Gegner, fightete beseelt und gewann trotz eines Dortmunder Chancenplus verdient“, analysierte das Fachblatt kicker.
Selten habe ich BVB-Trainer Jürgen Klopp so sauer gesehen wie bei dieser Begegnung. „Es gibt diesen alten Spruch: Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“, erklärte der Erfolgstrainer. „Den hasse ich wie nichts anderes. Ich finde, ein Pferd hat so hoch zu springen, wie es kann. Wir haben heute geguckt, wie hoch wir springen müssen. Und als wir festgestellt haben, dass es nicht so hoch ist, waren wir im Hintertreffen.“
Borussia fand überhaupt keine Einstellung zu Spiel und Gegner. Das wurde an diesem Tag bestraft.
Und nicht immer kehren neue Besen gut. Zweitligist Energie Cottbus hat am Montag Trainer Stephan Schmidt entlassen. Schmidt hatte Anfang November Rudi Bommer abgelöst. Seine Bilanz ist niederschmetternd: Neun Spiele, acht Niederlagen, ein Unentschieden, null Siege. Der ehemalige Bundesligist Cottbus liegt abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Inzwischen kann man sagen „Alle Jahre wieder“. 11 Freunde, das selbst ernannte Magazin für Fußballkultur, hat zur Bundesliga-Saison wieder ein knackiges kleines Heft der normalen Ausgabe beigelegt, das bequem in die Jackentasche passt. Es enthält nicht nur wunderbare alte Mannschaftsbilder, sondern auch die Antworten verschiedener Fans auf die immer gleichen Fragen. Borussia Dortmund vertritt ein Mann von schwatzgelb.de. Das ist nicht schlecht, denn dann kann ich meine Antworten auf die leicht modifizierten Fragen hier loswerden.
Die neue Saison wird legendär, weil … der BVB die Champions League gewinnt. Ernsthaft: Der BVB hat in den letzten Jahren so restlos überzeugt, das ist eigentlich kaum noch zu toppen. Zumindest wird es schwer.
Wenn ich an die vergangene Saison denke, dann …ist endgültig die Kuschelzeit mit dem FC Bayern München vorbei. Erst das Werben um Lewandowski, dann der Abgang von Mario Götze zum FC Bayern. Damit schwächen die Münchner in alter Tradition mal wieder ihren größten Mitbewerber - egal, ob sie die Spieler brauchen oder nicht.
Wenn ich einen durchgeknallten russischen Milliardär kennenlerne, dann schenke ich meinem Verein…: Das Letzte, was dem BVB fehlt, ist ein durchgeknallter russischer Milliardär.
Mein schlimmster Albtraum ist…, dass der FC Bayern München die Bundesliga so dominiert, dass der Meister schon wieder zu Ostern feststeht
Mein Held vergangener Jahre: Lukasz Piszczek, der beste rechte Defensivmann der Liga. Gemeinsam mit Jakub Błaszczykowski bildet er auf rechts ein Duo, das sich perfekt ergänzt und blind versteht. Dass „Kuba“ endlich sein großartiges Talent ausschöpft, liegt auch an seinem kongenialen Partner. Mal schauen, wie Borussia die Verletzungspause von Piszczek kompensiert. Es wird zumindest schwer, ihn zu ersetzen.
Interessanter Nachwuchsmann: Marvin Duksch, wuchtiger Stürmer und sehr torgefährlich. Zudem ein Ur-Dortmunder, kommt vom BSV Fortuna Dortmund, Luftlinie zum Westfalenstadion ca. 1 km.
Auf Auswärtsfahrten darf nie fehlen: Die Eintrittskarte
Ich gehe nie wieder ins Stadion, wenn …es keine Stehplätze mehr gibt und der Spieltag aus neun verschiedenen Spielterminen besteht, damit das Pay-TV übertragen kann.
Mit einer Klatschpappe kann man prima: Klatschpappe, was ist das?
Unser aktuelles Trikot ist... durchaus gelungen, aber immer noch viel zu teuer.
Wenn Pep Guardiola nicht mindestens vier Titel holt, dann... holt er drei oder zwei. Der alte Fuchs Heynckes hat eben richtig vorgelegt.
Meine Wunsch-Schlagzeile des Sommers: Kagawa und Barrios – wieder zurück beim BVB.
Fußball gucke ich am liebsten...im Stadion
Die erste Liga verlässt nach unten: Alle sagen Braunschweig, aber die Eintracht schafft auch dank ihrer großartigen Fans das Fußballwunder. Verdient hätten es andere aus dem Norden wie der HSV oder Wolfsburg, aber das Leben ist leider nicht gerecht. Neben Braunschweig werden Augsburg, Nürnberg, Hertha und Werder um den Klassenerhalt kämpfen.
Es ist ja nicht so, dass es an diesem Wochenende nur negative Schlagzeilen über den FC Schalke 04 gab. Die Bild ließ dafür sogar ihren Chefredakteur (der früher über den FC Schalke für das Boulevardblatt geschrieben hatte) in die Tastatur greifen. „Schalke holt seinen toten Meisterstürmer nach Hause“, titelte das Boulevardblatt am Sonntag. Es ging um Adolf Urban, einer der Idole der goldenen Schalker Epoche in den 30er und 40er Jahren und im zweiten Weltkrieg in Russland gefallen. Für diese rührende Geschichte war die Jahreshauptversammlung der Bild am Sonntag print hingegen nur eine relativ kleine Meldung wert.
Ja, es war eine turbulente Versammlung in der Arena, die an alte, längst vergessene Skandaltage erinnerte. Die Kooperation des Vereins mit der umstrittenen Ticketbörse Viagogo erzürnte viele Fans heftig.
„Wirtschaftlich ist es für uns ein lukrativer und sinnvoller Sponsoringvertrag, für den im Übrigen der Vorstand in der persönlichen Haftung und Verantwortung steht. Mal eben auf 3,6 Millionen Euro zu verzichten – so dicke hat es der FC Schalke 04 auch nicht“, rechtfertigte Marketing-Vorstand Alexander Jobst die Kooperation. Zumal es feste Regeln für die Ticketbörse gebe. Keine Karte dürfe mit mehr als 100 Prozent Aufpreis verkauft werden.
Das kann die Gegner nicht besänftigen. „Mir bricht da das blau-weiße Herz auseinander. Da gehen 10 mal 300 Karten an einen Schwarzmarkthändler, statt lieber 10 mal 300 Karten für Kumpel und Malocher zur Verfügung zu stellen, die sich das Fußball-Event Schalke 04 nicht leisten können“, erklärte Schalke-Fan Stefan Barta.
Immer mehr sagen Nein
Der Widerstand bündelt sich in der Initiative „viaNogo“. „Der Deal mit „viagogo“ stinkt einer immer größer werdenden Anzahl von Fans ganz massiv. Nehmen wir als Beispiel den FC Schalke 04. Ein Club, der seinen Mythos, seine Tradition und seine soziale Ausrichtung wie eine Monstranz vor sich herträgt. Was er aber momentan tut, widerspricht all diesen Ideen, die erst jüngst im sogenannten „Leitbild“ des Clubs fixiert wurden“, schreiben die Gegner. Durch die hohen Ticketpreise werden viele Leute ausgegrenzt, der Verein profitiere durch die Kooperation letztendlich vom Schwarzmarkt.
Recht haben sie, die Fans. Nicht alles ist in einem hochsensiblen Gebilde wie einem Traditionsverein vermarktbar. Und wenn ich als Vorstand eines Vereines, der sich permanent auf seine Wurzeln als Arbeiterverein beruft, nicht merke, dass ich mit dieser Partnerschaft einem Großteil der Fans auf die Füße trete, dann habe ich die Seele des Klubs nicht verstanden. Oder ich möchte andere Zuschauer – etwa das sogenannte Eventpublikum, das aber beim nächsten „guten Ding“ weiterzieht.
Bei Schalke nennt viagogo bislang noch keine Preise, für den Erzrivalen Dortmund, dessen Stadion auch fast immer ausverkauft ist, gibt es schon eine Preisliste für die neue Spielzeit. Das Preisniveau ist heftig.
Nachtrag 9.7. 2013
Der FC Schalke 04 hat den Vertrag mit Viagogo fristlos gekündigt.
„Dein Blog solltest mal etwas über die Saison 2012/2013 des BVB schreiben“, forderte vor kurzem ein Leser per E-Mail. Mache ich doch gerne, aber eigentlich wissen wir doch alle, wie es war: Borussia Dortmund rockte bekanntlich die Champions League und scheiterte erst im Finale in einem deutsch-deutschen Duell an einem unsympathischen Verein aus Bayern. Aber Amsterdam, Manchester, Donezk, Malaga und zweimal mal Madrid – das war schon ganz großes Kino.
In der Bundesliga fiel die Bilanz etwas durchwachsener aus: Platz 2 ist in Ordnung, aber manchmal hakte es schon etwas. Der Rückstand auf den FC Bayern war zu groß. Aber selbst diese Kolumne muss einräumen, dass der FC Bayern München eine überragende Saison gespielt hat. Obwohl er mit dem Kauf von Mario Götze die BVB-Fanseele empfindlich traf. Und dann vielleicht noch Robert Lewandowski, aber der Angreifer bleibt ja offenbar noch eine Spielzeit.
Aber so ist das Geschäft. Was soll beispielsweise der SC Freiburg sagen? Dessen großartige Saison wurde in der Weise belohnt, dass es vier Offensivkräfte zu finanzkräftigeren Klubs zog.
Und Dortmund hat ja noch Trainer Jürgen Klopp. Unsere Freunde von sportlive haben auch in diesem Jahr die besten Momente des Fußball-Lehrers dokumentiert. So lustig können Pressekonferenzen sein. Aber Vorsicht, lieber potenzieller Journalisten-Nachwuchs: Klopp macht auch gerne Späße über die Pressevertreter.
Es gibt Tage, die beginnen einfach nur bescheiden. „Dortmunder, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein“, verkündete Moderator (und Dortmunder) Peter Großmann im ARD-Morgenmagazin. „Mario Götze wechselt zum FC Bayern München. Das meldet die BILD-Zeitung.“
Nun steht das Boulevardblatt nicht unbedingt für glaubhaften Journalismus, aber in diesem Falle funktionierte die alte Verbindung zwischen BILD und dem FC Bayern München. Mario Götze, das Jahrhundert-Talent im Trikot von Borussia Dortmund, geht wirklich nach Bayern – für 37 Millionen Euro, er hatte irgend so eine Klausel im Vertrag. Offensichtlich stand der Deal schon etwas länger fest.
Nicht zufällig hat der FC Bayern gerade zu diesem Zeitpunkt der BILD diese Geschichte gesteckt. Dieser Wechsel bestimmt natürlich die Schlagzeilen und lenkt vom Steuerskandal ihres Präsidenten Uli Hoeneß ab. Strategisch wohl platziert – vielleicht gab es ja auch einen Deal zwischen dem Klub und dem Springer-Blatt: „Ihr bekommt die Götze-Geschichte, dafür lasst ihr unseren Präsidenten in Ruhe“. Natürlich ist das Spekulation, aber ich bin nicht der einzige, der so denkt.
Ansonsten sind nur wir Fans, die ihr Geld für Dauerkarten und ähnliches verbraten, für die Abteilung Fußball-Romantik zuständig. Profifußball ist ein Geschäft, in dem es nur ums Geld geht. Was will Götze in München? Sportlich fällt mir da wenig ein, außer dass er dort wahrscheinlich jedes Jahr mit großem Abstand Deutscher Meister wird. Dafür bekommt er deutlich mehr Geld und sein Berater kann sich einen neuen Porsche kaufen.
Ich will auch gar nicht groß jammern: Für 37 Millionen Euro geht der BVB shoppen bei Vereinen wie Gladbach (Hallo Herr Reus), Leverkusen oder Frankfurt und die holen sich ihre neuen Spieler dann wieder bei Vereinen wie Mainz, Freiburg oder Augsburg. Fußball ist eben wie ein Raubfischbecken – die Großen fressen die Kleinen.
Wenn Mario Götze mal Langeweile hat, dann kann er wunderbar bergwandern in Bayern. So toll kann er das im Sauerland nicht.
Hoffen auf Barca
Was soll zum Beispiel ein Anhänger des SC Freiburg denken? Die spielen eine großartige Saison und zur Belohnung verlassen Leistungsträger wie Kruse, Rosenthal und Caligiuri den Klub. Die Freiburger haben ein Problem – der BVB nicht. Borussia hat in den letzten Jahren jeden Spieler adäquat ersetzt – ob Sahin, Barrios oder Kagawa. Das wird bei Mario Götze genau so sein, auch wenn sein Abgang weh tut.
Übrigens zeigt der Götze-Transfer, dass die Gedanken des Uli Hoeneß vor zwei Wochen reine Folklore waren. Der Bayern-Präsident hatte nämlich befürchtet, dass Bayern und Dortmund die Bundesliga zu sehr dominieren und die anderen Vereine den Anschluss verlieren. Die Lösung wäre einfach: Die Münchner geben ihre teueren Ergänzungsspieler wie Gomez, Pizarro, Rafinha oder Shaqiri an andere Klubs ab.
Es hätte so eine schöne Festwoche des Fußballs werden können: Halbfinale der Champions League, heute Bayern gegen Barca, am Mittwoch der BVB gegen Real Madrid. Der FC Bayern hat mir den Spaß verdorben, heute abend bin ich Barca-Fan! Mit Barcelona verbindet der Bayern-Fan zwei der größten Demütigungen der letzten Zeit: das Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United und die legendäre 0:4-Klatsche aus dem Jahre 2009. So soll es wieder sein.
Einen noch härteren Ton schlägt Ulrich Homann, alter Kämpfer der Reviersport, an. Manchmal ein wenig übertrieben, aber lesenswert. Bei den Kommentaren fällt auf, wie plump die meisten Bayern-Fans argumentieren. Kein Wunder, dass früher niemand mit denen spielen wollte.