Der „wahre“ Fußball wird nicht bei Real Madrid oder Bayern München gespielt. Sondern viel tiefer, wo es nicht um das große Geld geht. Dort, wo noch der Spaß dominiert – in der Kreisliga C. Viel Erfolg haben die Kicker des SuS Hörde derzeit nicht – mit sechs Punkten und einem Torverhältnis von 31:163 sind sie abgeschlagen Tabellenletzter in der Kreisliga C 2 Dortmund. Dennoch sind sie bis auf zwei Spiele jedes Mal angetreten. Respekt!
Am letzten Sonntag ging es für die Hörder zum Tabellenführer Hombrucher SV 2. Gegen den TuS Kruckel, den anderen Aufstiegsgsaspiranten der Liga, war der SuS mit 1:22 untergegangen, doch zumindest anfangs hielt man ganz ordentlich dagegen. Als ich kam, stand es nur 0:1 und die Spieler des Tabellenletzten feuerten sich gegenseitig an. Immerhin waren sie mit 14 Mann angereist, auch wenn einigen anzumerken war, dass sie nicht gerade austrainiert waren. Aber es wurde nicht gemeckert. Auch als es bis zur Pause 4:0 für die Gastgeber stand, gab es kein großes Theater. Im Gegenteil – die Spieler in Rot-Schwarz unterstützten sich gegenseitig.
Hombruch war dennoch in allen Belangen überlegen. In Abschnitt 2 konnte der SuS nicht mehr dagegenhalten, manche Tore des HSV – die allerdings auch eine gute C-Liga-Mannschaft sind – fielen doch sehr einfach. Eigentlich mangelte es an allem: Zusammenspiel, Technik, Organisation, Kondition. Aber sie blieben fair, versuchten ihre Unterlegenheit nicht durch Fouls zu kompensieren. Am Ende hieß es 10:0, fast schien es so, dass die Gastgeber es partout nicht zweistellig machen wollten.
Auch die HSV-Spieler zollten dem Gegner Respekt, weil er trotz der Schlappen immer wieder antritt. Ich hätte früher keine Lust gehabt, fast jeden Sonntag mit deftigen Niederlagen nach Hause zu kommen. Und das in der C-Liga, der untersten Klasse im Dortmunder Amateurfußball.
Immerhin zwei Siege konnten die Rot-Schwarzen in dieser Saison erreichen, zuletzt gab es aber deutliche Schlappen. 2:8 verlor man zum Beispiel gegen den Vorletzten TuS Eichlinghofen 4, davor demontierte der Lokalrivale Hörder SC 3 den SuS mit 14:0.
Abgestürzt
Das Besondere: Es ist die erste Mannschaft des SuS Hörde, tiefer kann man eigentlich gar nicht mehr sinken. Ein Absturz wie manch anderer Traditionsverein in Dortmund auch. Seine Glanzzeit erlebte der 1911 gegründete Klub, als man in den 70er Jahren immerhin in der Landesliga kickte. Später ging es dann in den Ligen runter, aber lange zählte der SuS zum Inventar der Kreisliga A. Erst in den 2000er Jahren ging es runter in die B und dann in die C-Liga.
Berüchtigt war zudem die Sportanlage am Schallacker. Früher gab es daneben ein Freibad, das Gelände gehörte Hoesch, dem ehemaligen Dortmunder Stahlgiganten. Ich habe gegen den SuS in der Jugend nie gerne gespielt. Der Platz in Hörde bestand in der Mitte aus schwarzer Asche und Wiese am Rand. Die Heimmannschaft kannte diese Bedingungen und trat entsprechend aggressiv auf.
Später wurde dann aus schwarzer Asche und Wiese rote Asche. Die haben sie auch heute noch, während ihre Konkurrenten fast alle auf Kunstrasen spielen. Das mag auch ein Grund für den Niedergang sein.
Noch zwei Teams in Dortmund sind übrigens noch schlechter. Eine davon ist die zweite Mannschaft des SuS Hörde.
Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet die Fortuna aus Düsseldorf, der Neuling aus dem Tabellenkeller, bescherte Borussia Dortmund die erste Niederlage in der Bundesliga. Damit hätten wohl die wenigsten gerechnet, auch wenn BVB-Trainer Lucien Favre vor dem Aufsteiger gewarnt hatte.
Der Sieg muss – wenn man den Berichten glauben darf – verdient gewesen sein. Die Fortuna agierte arg defensiv, verdichtete gut die Räume und sorgte im Spiel nach vorne immer wieder für Nadelstiche. Dagegen fand der BVB lange kein Mittel. Gegen stark zurückgezogene Teams – siehe auch Brügge und Freiburg – tat sich Borussia zuletzt immer schwer.
Die Düsseldorfer aber hatten nach dem überraschenden Coup einiges zu feiern. 2:1 gegen Dortmund, davor 3:3 gegen Bayern München mit zwei späten Toren und auch zuletzt 3:0 gegen Freiburg – Fortuna kann in der Liga mithalten. Wenn alles stimmt, wenn alle ihre optimale Leistung abrufen, dann hat das Team von Trainer-Routinier Friedhelm Funkel (65) auch in der nächsten Saison gute Chancen, erstklassig spielen.
Düsseldorf ist ein Ort, mit dem der Kolumnist einiges verbindet. Nicht nur, dass er dorthin jahrelang beruflich gependelt ist, auf dem Grafenberg gibt es außerdem eine schöne Rennbahn. Auch in Sachen Fußball war ich einige Male dort: 1980 spielte Borussia im DFB-Pokal im damaligen Rheinstadion. Keine Ahnung mehr, wie ich dort hinkam, der BVB verlor natürlich – 0:3 im halbleeren Stadion. Dann kam das berühmte dritte Relegationsspiel 1986 gegen Fortuna Köln in der Landeshauptstadt. Dank diverser Staus unterwegs erfolgte die Ankunft erst zur zweiten Halbzeit, in der der BVB richtig aufdrehte und Jean Lörings Fortuna 8:0 abschoss.
Das Rheinstadion war eines dieser typischen Stadien, die für die WM 1974 entstanden. Groß, weitläufig und mit Laufbahn, weil in den Arenen auch Leichtathletik stattfinden sollte. Ein Dach gab es meist nur für die Bonzen auf der Haupttribüne und so kam es, dass die meisten Besucher bei Regen und Schnee ordentlich nass wurden. Das Schlimmste war aber, dass das Spielfeld dank der Laufbahn meilenweit entfernt war und selten echte Stimmung aufkam.
Fernglas notwendig
Bei meinem letzten Besuch im alten Rheinstadion saß ich irgendwo oben in der Kurve, gefühlte 500 Meter vom Spielfeld. Im Januar 1997 fuhr der BVB als hoher Favorit an den Rhein und verlor gegen ein Team, dessen größte Stärken Torwart Georg Koch und Einwerfer Harald Katemann waren. Koch und Katemann spielten nicht, dafür trafen Juran und Dobrowolski. Zwei Russen, die eigentlich eher als teure Fehleinkäufe galten. Zu allem Überfluss regnete es auch noch. Es war ein Abend zum Vergessen.
Auf dem Rückweg ergatterte ich noch ein Fanzine (dessen Namen ich vergesse habe), in denen sich die Fortuna-Fans über die sogenannten Mode-Fans der Borussia amüsierten. Düsseldorf stieg trotz des Sieges am Ende ab, der BVB aber holte sich den Erfolg in der Champions League gegen Juventus Turin. Wenn sich das für Dortmund im nächsten Jahr wiederholt, werden alle Schwarzgelben glücklich sein.
Nun musste ein Anhänger der Düsseldorfer in den Jahren zuvor und danach allerdings auch deutlich mehr erleiden als der gemeine BVB-Liebhaber. Dabei hatte die Fortuna in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre noch starke Mannschaften, die Titel holten. 1979 unterlag die Fortuna im Endspiel des einstigen Europapokals der Pokalsieger nach hartem Kampf dem FC Barcelona. Die Allofs-Brüder, Scharfschütze Gerd Zimmermann, Libero Gerd Zewe oder Stürmer Wolfgang Seel waren gute Spieler.
Doch dann ging es abwärts und es blieb nicht bei Liga 2. Die Fortuna wurde drittklassig und irgendwann sogar mal viertklassig. Der Besuch auf den Sportplätzen in der Provinz an Niederrhein und Mittelrhein schweißte die Fans zusammen, Mode-Fans kamen aufgrund der fehlenden Erfolge erst gar nicht.
„Wenn wir wollen, kaufen wir Euch auf“, skandierten die Düsseldorfer 2004. Es war im leeren Westfalenstadion, denn die Fortuna spielte gegen die Zweite des BVB in der Regionalliga. Damals stand der BVB vor dem finanziellen Abgrund, aber der Fortuna ging es bestimmt nicht besser. Düsseldorf ist wie Dresden und Braunschweig einer der Vereine, den ich sowohl gegen Borussias Erste als auch Zweite habe spielen sehen.
Heute hat auch Düsseldorf eine Arena, benannt nach einem Hersteller von Spielautomaten. Nach langen Jahren der unteren Ligen kommen in diesem Jahr wieder die Großen. Doch Düsseldorf war nie eine Fußballstadt wie etwa Dortmund. Und so sind die 51000 Plätze nur selten komplett belegt.
Düsseldorf war in den achtziger Jahren eine erfolgreiche Pokalmannschaft. 1986 scheiterte hier der FC Bayern München mit 0:3.
Das war schon eine Überraschung am Dienstag: Hannes Wolf wird neuer Cheftrainer beim Zweitligisten VfB Stuttgart und somit Nachfolger des selbst gegangenen Josh Luhukay.
Hannes wer? werden viele gefragt haben, aber in Dortmund ist der Mann bekannt: Seit 2009 arbeitet er als Jugendtrainer bei Borussia Dortmund und feierte mit dem schwarz-gelben Nachwuchs schöne Erfolge. Dazu formte und förderte er den Nachwuchs für die erste Mannschaft: Felix Passlack und Christian Pulisic schafften den Sprung zu den Profis.
In den Jahren davor machte Wolf im Dortmunder Amateurfußball mächtig Eindruck. So war er vier Jahre Spielertrainer und Trainer der ersten Mannschaft des ASC 09 Dortmund. In dieser Zeit führte Wolf den ASC von der Bezirksliga in die Westfalenliga und brachte damit den Großverein aus dem Dortmunder Südosten zu ganz neuen Höhen. Selten prägte ein Trainer einen Verein so wie Wolf den ASC. „Das Ende einer großen Ära“, schwärmte die Westfälische Rundschau 2009 (die zu diesem Zeitpunkt noch eine richtige Zeitung war und nicht dieses „Zombie-Blatt“ wie heute) zum Abschied.
Im idyllischen Aplerbecker Waldstadion - verkehrstechnisch aber ohne eigenes Auto eine Katastrophe - setzte Wolf Akzente. Vielleicht wird er ja noch mal daran denken, wenn er in der Mercedes-Benz-Arena zu Stuttgart steht. (Foto: ASC 09)
Viele im Dortmunder Amateurfußball nennen Wolf einen großen Innovatoren. Sowohl taktisch als auch spieltechnisch brachte er viele neue Ideen in den Feierabend-Fußball. Dass heute zwei Dortmunder Teams – ASC 09 und FC Brünninghausen – in der Oberliga (5. Liga) und vier Mannschaften darunter in der Westfalenliga (6. Liga) spielen, hat auch etwas mit Hannes Wolf zu tun. Denn andere Vereine setzten ebenfalls auf junge und fachlich versierte Trainer. Selten war der Amateurfußball in Dortmund so gut aufgestellt wie jetzt. Zum Vergleich: 2007 kickten die ranghöchsten Dortmunder Amateur-Kicker noch in der Landesliga (7. Liga).
Irgendwann Deutscher Meister
„Hannes hat genaue Vorstellungen von seiner Arbeit und seiner Zukunft. Er weiß, was er will, verfolgt seine Pläne mit einer Konsequenz und Geradlinigkeit, wie man sie in dem Alter selten erlebt”, sagte schon 2007 Miguel Moreira, zu diesem Zeitpunkt ASC-Spielführer und heute Assistenztrainer bei Wolf, der ihn auch nach Stuttgart begleiten wird.
„Was Hannes uns gelehrt hat, war ja ein Novum. Wir haben die Viererkette gelernt, anders nach vorne gespielt. Er ist für jeden Trainer ein Vorbild. Ich habe schon in Aplerbeck immer gesagt, dass Hannes irgendwann Deutscher Meister wird. Ich erinnere mich an Abende, da haben wir zweieinhalb Stunden trainiert und dreieinhalb danach über Fußball geredet“, blickt Giovanni Schiattarella zurück, einst Spieler beim ASC und heute Trainer des Dortmunder Landesligisten Arminia Marten.
Vielleicht sollte der VfB Stuttgart mal Heiner Brune kontaktieren. Der Mann war Fußball-Chef beim ASC und hatte Wolf vom Schwerter Klub Eintracht Ergste verpflichtet. Brune ließ seinen neunen Trainer einfach machen – mit Erfolg.
„So, wie er hier gearbeitet hat”, sagte Heiner Brune später, „kann ich mir bei Hannes alles vorstellen, irgendwann auch den Sprung in den bezahlten Fußball. Sein enormes Fachwissen auf den Punkt genau zu vermitteln, ist seine größte Stärke. Wenn er selbst einen Jürgen Klopp in einem 20 Minuten-Gespräch überzeugt, muss da schon was hinter stecken.”
Alte Bekannte
Klopp holte Wolf dann auch 2009 zum BVB, die sportliche Bilanz kann sich sehen lassen: Drei deutsche Meisterschaften im U17 und U19-Bereich. Jetzt also der Sprung in den Profi-Bereich. Was erwartet den Trainer in Stuttgart beim Traditionsclub? Erst einmal die ehemaligen Dortmunder Mitch Langerak, Kevin Großkreutz und Daniel Ginczek. Doch ansonsten kommt er in einen Verein, der in den letzten Jahren quasi von Katastrophe zu Katastrophe wankte.
In den letzten Jahren machte der VfB eigentlich nur noch negative Schlagzeilen: Seit 2008 – dem Jahr der letzten Meisterschaft des VfB – versuchten zwölf Trainer ihr Glück. Manche scheiterten auch an der Ungeduld einer wenig sachkundigen Führung. Das sportliche Konzept änderte sich mit jedem Trainer. Das konnte nicht gut gehen, der Abstieg in diesem Jahr war die logische Folge.
Vorbild für die Verpflichtung von Hannes Wolf dürfte Julian Nagelsmann (Hoffenheim) sein, der als ehemaliger Jugendtrainer das Profi-Team in der Bundesliga hielt. Auf eines dürfte Wolf aber zukünftig verzichten: auf Einsätze in der zweiten Mannschaft des ASC 09 Dortmund, Kreisliga B.
Während sich im TV der MSV Duisburg und die Würzburger Kickers um den letzten Platz in der Zweiten Liga beharkten, hatte ich mal überlegt: Welche Großstädte in Deutschland haben eigentlich keine Mannschaft im Profifußball, heißt mindest ein Team in Liga 3. Die Top 5 der größten Städte in Deutschland ohne Profi-Fußball (wobei in der Regionalliga natürlich auch viele Profi-Truppen auflaufen).
Essen (Einwohner 573.784, Stand 31.12.2014, Platz 9 der Großstädte in Deutschland): Es ist eine Schande. Essen ist eine der größten Städte Deutschlands mit vielen renommierten Unternehmen, aber fußballerisch ist die Revierstadt seit über 30 Jahren ein sehr trauriges Kapitel. Der Grund heißt Rot-Weiss Essen. In den fünfziger Jahren hatte man mit Georg Melches einen visionären Präsidenten, war Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Helmut Rahn, der Boss und Weltmeister 1954, spielte für den Revierclub. Später kickte RWE auch noch einige Jahre in der Bundesliga, doch diese Zeiten sind längst vorbei.
Präsidenten, Trainer und Spieler kamen und gingen – nur mit dem finanziell permanent klammen Klub ging es stetig abwärts. Sogar bis ins Liga 5. Derzeit dümpelt RWE in der viertklassigen Regionalliga und traf dort auf den kleinen Stadtrivalen FC Kray. In den Glanzjahren wäre das ein Gegner in der Saisonvorbereitung gewesen.
So träumen sie bei RWE von besseren Tagen. Die Bundesliga bleibt Utopie, die zweite Liga ein Traum, die dritte Liga ist vielleicht mal erreichbar, wenn alles glatt läuft. Nur beim Zuschauerschnitt ist RWE immer noch gefühlte Zweite Liga.
Auch der einstige Rivale aus dem reichen Essener Süden, der ETB SW Essen, ist aus dem Rampenlicht verschwunden. Derzeitige Liga: die fünftklassige Oberliga Nordrhein. In den siebziger Jahren spielte der Klub viele Jahre in der zweiten Liga.
Einst auf Augenhöhe, heute trennen sie sportliche Welten: Borussia Dortmund und RW Essen (Foto Dirk Vorderstraße/Wikimedia Commons)
Wuppertal (Einwohner 345.525, Platz 17): Immerhin gibt es mal wieder eine positive Nachricht aus der Wuppertaler Fußballszene: Der Wuppertaler SV, der Vorzeigeverein der Stadt, hat in dieser Saison den Aufstieg geschafft. Zwar nur aus der Oberliga Nordrhein in die Regionalliga West, aber jedenfalls ist man jetzt viertklassig.
So richtig zur Elite im deutschen Fußball zählte der WSV auch nur eine kurze Zeit: Von 1972 bis 1975 war die Bundesliga sportliche Heimat der Oberbergischen. Besonders das erste Jahr wurde zum Triumph: Die Mannschaft von Trainer Horst Buhtz belegte einen starken 4. Platz, Stützen der Mannschaft waren unter anderem Torjäger Günther Pröpper, Libero Emil Meisen und Torhüter Manfred Müller, der später das Tor des FC Bayern München hütete.
Doch das Glück hielt nicht lange. 1975 ging es runter in die 2. Liga, 1980 in die 3. Liga und seit dieser Zeit war – bis auf einige Jahre in zweiter und vierter Liga – der WSV drittklassig.
1991 übernahm der Unternehmer Friedhelm Runge (Emka Beschlagteile) den Verein. Das Ziel war die Zweite Liga. Doch alle Bemühungen Runges, den Verein nach oben zu führen, scheiterten – manche knapp, manche deutlich. 2011 folgte der Abstieg in die viertklassige Regionalliga, 2013 endete die Ära Runge, im gleichen Jahr folgte der Zwangsabstieg durch Insolvenz. Der WSV war fünftklassig. Immerhin das wurde jetzt repariert.
Bonn (Einwohner 313.958, Platz 19): Ein Hochburg des Fußballs war die ehemalige Bundeshauptstadt nie. Der Bonner SC, entstanden 1965 aus den Vereinen Bonner FV und Tura Bonn, schaffte 1976 zwar den Sprung in die Zweite Liga, hielt auch die Klasse, doch am 9. Juli 1977 entzog der Deutsche Fußballbund (DFB) den Rheinländern die Lizenz. Immerhin waren die Bonner damit der erste Klub im bezahlten Fußball, der die Lizenz verloren hat.
Nach Jahren in der Anonymität der unteren Klassen übernahm Mäzen John Viol das Geschäft. In seiner Zeit kickten die Bonner Löwen überwiegend in der Oberliga Nordrhein.
Doch Schlagzeilen machte der umtriebige Mäzen nicht mit sportlichen Erfolgen: So verpflichtete er unter anderem die kubanische Nationalmannschaft, doch der Einsatz der Kicker aus dem Lande Castros scheitert an einer fehlenden Genehmigung. Die Ära Viol endet in der Insolvenz, der Verein landet in der Landesliga. Aber der Sportclub ist ein Stehaufmännchen: Nach drei Mittelrhein-Liga stiegen die Bonner in diesem Jahr in die Regionalliga auf – immerhin vierte Klasse. Wie mit Herrn Viol.
Mannheim (Einwohner 299.844, Platz 22): Freud und Leid liegen oft nicht weit auseinander, in diesem Fall etwas mehr als 50 km. Während der einstige Dorfclub 1899 Hoffenheim dank seines Mäzens Joachim Hopp Bundesliga spielt, heißt die Realität für den einstigen Bundesligisten Waldhof Mannheim die viertklassige Regionalliga Südwest.
In Mannheim haben inzwischen andere Sportarten das Kommando: Eishockey etwa durch die Adler Mannheim oder Handball durch den neuen Meister Rhein Neckar Löwen. Hier gibt es die erste Liga und Spitzensport, Fußball aber dümpelt in der Vierten Liga rum.
Der SV Waldhof Mannheim, Stammverein von Trainerlegende Sepp Herberger und einst Heimat kerniger Abwehrspieler wie Jürgen Kohler, Karlheinz Förster oder Christian Wörns, kann von einer Rückkehr in die Bundesliga nur träumen. Immerhin gab es beim einstigen Bundes- und Zweitligisten nach harten Zeiten in dieser Saison so etwas wie Aufbruchstimmung. Doch das Scheitern gegen die Sportfreunde Lotte in den Aufstiegsspielen zur 3. Liga hat den Frust der Treuen mal wieder erhöht.
Der Traditionsverein VfR Mannheim spielt heute in der Verbandsliga.
Erinnerung an den größten fußballerischen Sohn Mannheims. (Foto Hubert Berberich/Wikimedia Commons)
Lübeck (Einwohner 214.920, Platz 35): In der Saison 2003/2004, da schlug die vielleicht größte Stunde des VfB Lübeck. Im Halbfinale des DFB-Pokals traf der damalige Regionallist mit Trainer Dieter Hecking auf Werder Bremen. Lange Zeit hielt der Underdog gut mit, rang dem favorisierten Bundesligisten immerhin eine Verlängerung ab und verlor in allen Ehren mit 2:3. Es war ein schlechtes Omen: Denn am Ende stieg der VfB aus der Zweiten Liga ab.
In der Bundesliga spielten die Grün-Weißen nie. Einmal erreichte man die Aufstiegsrunde (1969), aber die Erstklassigkeit blieb ein Traum. Die Lübecker pendelten zwischen Zweit-, Dritt- ,Viert- und sogar Fünftklassigkeit, zweimal schafften sie den Aufstieg in die Zweite Liga (1995 und 2002), nach jeweils zwei Jahren ging es wieder runter. Es ist ein hartes Brot auch finanziell in den unteren Ligen: 2008 und 2012 meldete der Klub die Insolvenz an.
2014 gelang die Rückkehr in die viertklassige Regionalliga. In dieser Saison belegte der VfB den siebten Rang und gewann gegen den Drittligisten Holstein Kiel den Landespokal Schleswig-Holstein. Damit nimmt der Klub am DFB-Pokal teil und hofft auf einen attraktiven Bundesligisten in der 1.Runde.
Der einstige große Stadtrivale Phönix Lübeck kickt heute in der Verbandsliga Süd-Ost Schleswig Holstein (sechste Liga).
Meine erste Reaktion war: „Der Arme. Nicht schon wieder“. Der Grund war die erneute Verletzung des Profi-Fußballers Holger Badstuber vom FC Bayern München. Dabei spielt Badstuber bei einem Verein, den ich überhaupt nicht mag. Muss man mit einem gutverdienenden Sportprofi Mitleid haben? Verdienen andere Menschen, die nicht so im Rampenlicht stehen, nicht eher unser Mitgefühl?
Zugegeben, die Verletzungsgeschichte des Innenverteidigers ist schon sehr schlimm. Die Sprunggelenksfraktur ist die fünfte schwere Verletzung, die sich der Nationalspieler seit Dezember 2012 zuzog: Zwei Kreuzbandrisse, ein Sehnenriss, ein Muskelriss und jetzt der Bruch. „Warum immer ich“, wird sich Badstuber fragen – und titelt auch die FAZ. „Der verletzliche Krieger“, meinen die 11 Freunde.
Aber bei allem Pech und Bedauern: Der gut verdienende Profi-Fußballer Badstuber fällt weich. Er ist materiell abgesichert, sein Leben ist nicht bedroht. Mitleid verdienen eher die Opfer des Zugunglücks im bayerischen Bad Aibling. Oder Leute, bei denen auf einmal eine schwere Krankheit wie etwa Krebs diagnostiziert wird. Oder Leute, die ihren Job verlieren und die trotz bester Qualifikation keinen neuen mehr bekommen, weil sie über 50 sind. Von wegen Fachkräfte-Mangel.
Das sind Schicksalsschläge, die die Existenz bedrohen. Dagegen ist die Verletzung von Holger Badstuber eher „Peanuts“ – so hart das klingen mag.
Die Reaktion seiner Bayern-Kollegen war ganz stark. „Wir sind bei dir. Du schaffst es wieder“, stand auf den T-Shirts der Münchner Spieler vor dem Spiel beim FC Augsburg. Und bislang hat es Badstuber immer wieder geschafft, wieder zu kommen. Das zeugt von großartiger Willenskraft. Auch diese Kolumne drückt fest die Daumen, dass Holger Badstuber wieder Fußball spielen kann. Und das er noch einiges erreichen wird in seiner Karriere.
Auf einmal flogen die Tennisbälle aus dem Fanblock auf den Platz, dazu skandierten die BVB-Fans „Fußball muss bezahlbar sein“. Die Dortmunder Fanszene machte mobil gegen die Stuttgarter Preisgestaltung beim DFB-Pokal-Viertelfinale VfB gegen Borussia.
So blieb der Gästeblock 20 Minuten lang leer, gab es auch keine Anfeuerung und wurden die Tennisbälle geworfen. Zum Glück waren es keine Golfbälle. Aber Fußball sei eben kein Tennis, bei dem solche hohen Preise bezahlt werden.
Der Kolumnist mag die Sache mit den Tennisbällen ein wenig pubertär finden, aber die Aktionen der Dortmunder Fans gegen hohe Eintrittspreise fanden sehr viel Aufmerksamkeit.. Bis zu 70 Euro für einen Sitzplatz sind ein ziemlicher Brocken und auch 19,50 Euro für einen Stehplatz sind an der Schmerzgrenze. Selbst der Verein Borussia Dortmund hatte den Protest unterstützt.
„Diese Preise sind seit der Saison 2012/2013 unverändert und aus Sicht des VfB der Bedeutung des Spiels angemessen“, antwortete der VfB vor dem Spiel in den sozialen Medien. So „angemessen“, dass es auch im Besucher-Bereich der Heimmannschaft ziemliche Lücken gab.
Die Proteste waren nicht die ersten. Es gab ähnliche Aktionen der Initiative „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ schon vor Gastspielen der Borussia in Hoffenheim und Hamburg. Drohen also auch in der Bundesliga Verhältnisse wie in der englischen Premiere League?
England sei ein warnendes Beispiel, schrieb Ex-Nationalspieler Didi Hamann im kicker vom 4. Februar. Der Volkssport Nummer 1 entferne sich dort immer mehr von den Menschen. „Stadiontickets von happigen 80 Euro und mehr kann sich schon lange nicht mehr jeder leisten“, so Hamann, auf der Insel als Spieler und Manager tätig. Dazu passt auch die aktuelle Meldung, dass viele Fans des FC Liverpool am letzten Samstag aus Protest über Preiserhöhungen auf 77 Euro und mehr in eben jener Minute das Stadion verließen. Sie verpassten, dass die Gäste aus Sunderland aus einem 0:2 noch ein 2:2 machten.
Die Geschichte von der ach so günstigen Eintrittspreisen in der Bundesliga stimmt jedenfalls schon lange nicht mehr. Der Kolumnist ist selbst in der glücklichen Lage, eine Dauerkarte für die legendäre Südtribüne zu besitzen. Diese ist noch relativ preisgünstig, ist ja auch ein Stehplatz. 207 Euro kostet sie, das macht pro Spiel bei 17 Spielen etwas mehr als 12 Euro. Allerdings: im Vergleich zum Jahr 2005 ist die Stehplatz-Dauerkarte um rund 40 Prozent teuerer geworden.
Preisspirale
„Schluss mit billig“ titelte dann auch das Fußball-Kulturmagazin 11 Freunde bereits im August 2014. Die Tageskarten seien sogar in den letzten zehn Jahren bis zu 100 Prozent teuerer geworden, so eine Botschaft des Textes. Autor ist der im letzten Jahr leider verstorbene Arne Steding, einer der Initiatoren von „Kein Zwanni“ und sehr aktiv beim BVB-Fanzine Schwarzgelb.de. Die Fakten gelten immer noch, denn billiger sind die Tickets auch in der Saison 2015/2016 5 nicht geworden.
Die Bundesliga boomt weiterhin. Fußball ist schon lange kein „Proll-Sport“ mehr. Auch Mittel- und Oberschicht mögen ihn. Nicht nur in Dortmund, sondern auch bei anderen Vereinen wie Bayern, Schalke oder Gladbach sind Tickets Mangelware. Da können die Verantwortlichen die Preisspirale anheizen, es gibt ja genügend Interessenten.
Und: Im Vergleich zur Premiere League steht die Bundesliga immer noch gut dar. Das zeige auch diese beiden Übersichten mit aktuellen Dauerkartenpreisen in Deutschland und England. In Deutschland dämpfen zum Glück die Stehplätze, die es in England bekanntlich nicht mehr gibt, die Preise.
Aber Fußball muss für alle bezahlbar bleiben. Noch ist etwa ein Besuch im Dortmunder Signal Iduna Park ein magisches Erlebnis. Weil dort alle gesellschaftliche Schichten vertreten sind und besonders die riesige Südtribüne mit den vielen Fans fast schon „Fußballkulturerbe“ ist. Das sollte bitte auch so bleiben – die Eintrittsgelder spielen im Etat der Klubs eh’ nur noch eine geringe Rolle.
Die DFB-Sommermärchen-Posse: Die Beteiligten von A-Z
Was wäre eigentlich gewesen, wenn Franz Beckenbauer und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sofort Tacheles geredet hätten? Wenn sie auf einer Bühne vor den Journalisten gesessen hätten und Franz Beckenbauer das Wort ergriffen hätte?
„Ja, es ist Bestechungsgeld geflossen“, hätte der Kaiser gesagt und dabei hätte die Stimme ein wenig gestockt. „Leider mussten wir bei einigen Leuten finanziell nachhelfen, denn sonst hätte es keine Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und damit kein Sommermärchen in Deutschland gegeben.“ Und dann nach einer kurzen Pause: „Jo mei, eine Weltmeisterschaft gibt es nicht ohne Gegenleistung.“ Niersbach hätte seinen Freund umarmt, viele Journalisten Verständnis gezeigt. Der Kaiser hatte nur das Beste im Sinn.
Nicht umsonst verglichen amerikanische Behörden den Weltfußballverband FIFA mit der Mafia. Viele FIFA-Verantwortliche saßen nur im Verband, um sich möglichst die Taschen zu füllen. Ich prophezeie, viele Mitbürger in Deutschland hätten Verständnis für das Handeln der WM-Organisatoren Beckenbauer und Niersbach gehabt. Die Welt ist eben schlecht und das Sommermärchen war a) eine geile Zeit und b) beste Public Relations für Deutschland.
Aber nein, die Realität war bekanntlich eine andere: DFB und Beckenbauer wiesen alle Vorwürfe ab. So tobt seit etwa einer Woche eine Posse mit immer neuen Anschuldigungen und Dementis. Da verliert der Beobachter schnell den Überblick. Zeit für ein A bis Z der wichtigsten Beteiligten.
Franz Beckenbauer: Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, die sowohl Weltmeister als Spieler (1974) und Trainer (1990) wurde. Und dann holt er auch noch die WM nach Deutschland – kein Wunder, dass ihn seine Freunde von der BILD (siehe Alfred Draxler) zur nationalen Ikone machten. Beckenbauer dementierte einen Stimmenkauf, „räumt aber inzwischen Fehler ein.“
Sepp Blatter: Suspendierter FIFA-Boss, der sich trotz aller Korruptions-Vorwürfe nicht geschlagen gibt. In seiner Zeit als Generalsekretär und später als Präsident entwickelte sich der Weltfußballverband zum Selbstbedienungsladen für viele Funktionäre. Blatter aber überstand bislang alle Krisen. Mag die Deutschen nicht besonders und dementierte auch sofort Beckenbauer/Niersbachs-Geschichte über einen eventuellen FIFA-Zuschuss.
Alfred Draxler: Journalist im Dienste der BILD-Gruppe, einst Chefredakteur von BILD und jetzt Boss von Sport-Bild. „Wir Fußball-Fans“, schreibt Draxler gerne, dabei sitzt er doch mit am Tisch der Mächtigen. Guter Freund von Franz Beckenbauer, den er jetzt mit allen Mitteln reinwaschen will. Macht sich dabei aber zunehmend lächerlich.
Wolfgang Niersbach: Einstiger Sportjournalist, der dann beim DFB Karriere machte und als DFB-Präsident den Gipfel erklomm. Guter Freund von Franz Beckenbauer und sein treuer Gehilfe im OK der WM 2006. Sein aktuelles Krisenmanagement verdient die Note ungenügend, seine Pressekonferenz in der letzten Woche sollte zum „Befreiungsschlag werden, entwickelte sich aber zum Fiasko“ (WDR Sport inside). Neues Spiel bei 11 Freunde: „Das Wolfgang-Niersbach-Antworten-Bingo.“
Der Spiegel: Einst ein Enthüllungs-Organ erster Güte, in den letzten Jahren aber ein Magazin mit vielen Enttäuschungen – quasi von selbsternannten „Sturmgeschütz der Demokratie“ zum Schreckschuss-Revolver. Jetzt gab es mal wieder einen Knüller mit dem „geplatzten Sommermärchen“, obwohl in der ersten Titelgeschichte in der letzten Woche doch noch vieles ziemlich vage bleib. Aber dank Theo Zwanziger konnte das Nachrichtenmagazin nachlegen. Und Spiegel online ist natürlich erste Liga.
Jens Weinreich: Freier Journalist, neben Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung der wohl beste deutsche Kenner des FIFA-Sumpfes, den er schon seit Jahren versucht trockenzulegen. Dürfte die treibende Kraft hinter der Spiegel-Geschichte sein, arbeitet ironischerweise mit Theo Zwanziger zusammen, den er einst einen „Demagogen“ nannte und der ihn dann verklagte.
Theo Zwanziger: Ehemaliger DFB-Präsident, dessen Zeit die Mitarbeiter dort als „Schreckensherrrschaft“ empfunden haben. Vorgänger von Wolfgang Niersbach, beide mochten sich schon früher überhaupt nicht. Das wird sich aktuell nicht ändern, denn aktuell nennt Zwanziger seinen Nachfolger einen Lügner. Offenbar der Kronzeuge des Spiegels, allerdings wirft Zwanzigers Verhalten auch einige Fragen auf.
Die einstigen „Himmelsstürmer“ von Westfalia Herne
Früher waren die Ansprüche doch ein wenig anders. Westfalia Herne spielt heute in der Westfalenliga 2, die sechste Klasse von oben gesehen im deutschen Ligasystem. Die Westfalia ist einer dieser Traditionsvereine aus dem Ruhrgebiet mit einer stolzen Vergangenheit und einer eher mauen Gegenwart.
Sonntag Nachmittag, der Sportplatz des SV Brackel 06 im Dortmunder Osten: Die Gastgeber empfangen in der Westfalenliga 2 Westfalia Herne. Es ist ein Duell, das vor Jahren keiner erwartet hätte.
Auf der einen Seite der SV Brackel 06: ein gut organisierter Vorortclub aus Dortmund mit einer starken Jugendabteilung. Früher kickte die 1. Mannschaft jahrelang in der Bezirksliga, in den letzten Jahren aber gab es offenbar zusätzliche Gelder. Neue höherklassige Spieler kamen und so bleib die Landesliga nur eine Zwischenstation. Seit dieser Spielzeit tritt Brackel in der Westfalenliga 2 an, die höchste Liga seit Vereinsbestehen.
Andererseits Westfalia Herne: Für den Club ging es in den letzten Jahren eher abwärts. In der letzten Saison folgte der Abstieg aus der Oberliga.
Rund 150 Zuschauer sind da, ein paar davon aus Herne. Besucher mit Schal und Trikot sind kaum zu sehen. Die Anhänger der Heimmannschaft kommen in Outdoor-Jacken und mit Regenschirm.
Das Spiel ist wie so häufig in der Westfalenliga: Torszenen gibt es wenige, die beiden Mannschaften neutralisieren sich quasi. Erst in der zweiten Halbzeit dreht Herne ein wenig auf, der vorher reichlich unauffällige Mittelstürmer Christian Knappmann – ein Veteran der Halbprofi-Ligen und unter anderem mal bei Borussia Dortmunds Zweiter Mannschaft aktiv – trifft zweimal. Brackel konnte nur noch auf 1:2 verkürzen.
Erinnerungen an bessere Tage: Westfalia Herne.
Herr Goldbach wollte nach oben
Für viele Herner Fans muss diese Spielklasse wie eine Demütigung wirken. Dabei liegen die glorreichen Zeiten weit entfernt. Von 1975 bis 1979 etwa, da spielte die Westfalia in der 2. Bundesliga, hatte eine namhafte Mannschaft und mit Erhard Goldbach einen Sponsor, der mächtig Geld in den Verein pumpte.
„Goldene Zeiten“, titelte das Fußballmagazin 11 Freunde über diese Zeit und zitierte dabei den Journalisten Harald Landefeld. „Wohl dem, der einen Goldbach hat«, schrieb dieser in der längst verblichenen Zeitschrift »Fußball-Woche«. „Was Westfalia Herne heute ist, ist es zweifellos durch diesen Mann geworden, der den Niedergang des Vereins in die Bedeutungslosigkeit radikal gestoppt hat. ‚Männer machen Mannschaften‘ – so hat Goldbach Westfalia Herne gemacht.“
Goldbach hatte die Tankstellen-Kette Goldin aufgebaut und wollte jetzt den maximalen Erfolg auch im Fußball. Die Bundesliga war das Ziel, dafür griff der Unternehmer tief in seine Tasche. Rund 200 000 bis 300 000 DM steckte Goldbach aus der eigenen Schatulle monatlich in den Klub.
Prominente Namen kickten in dieser Zeit am ehrwürdigen Schloss Strünkede: Die ehemaligen Schalker Klaus Scheer, Mittelstürmer Jochen Abel (der später beim VfL Bochum für Furore sorgte) oder Sören Busk, der in Herne zum dänischen Nationalspieler avancierte.
Auch der Trainer dürfte nicht billig gewesen sein: Irvica Horvath trainierte unter anderem den FC Schalke 04 zu Beginn der Siebziger Mannschaft. Eine Schalker Truppe, die vieles versprach, die sich aber durch die Teilnahme am Bundesliga-Skandal die Zukunft ruinierte.
Doch aller finanzieller Protz war vergebens. Herne blieb im Mittelmaß der Zweiten Liga stecken: 1975/1976 war es Platz 10, 1976/77 Platz 11, 1977/78 Platz 14. Erst 1978/79 wurde es mit Platz 5 deutlich besser.
Doch 1979 kam das große Erwachen. Erhard Goldbach hatte jahrelang betrogen und Steuern hinterzogen. Nach einer Razzia durch die Zollfahndung floh Goldbach und tauchte später in der Fahndung im ZDF-Klassiker Aktenzeichen XY auf. Das Zweitliga-Abenteuer von Westfalia Herne war jedenfalls zu Ende.
Vom Kellerkind zum Meister
So krass war der Absturz zu Beginn der sechziger Jahre nicht ganz. Ende der fünfziger Jahre, da war die Westfalia sogar mal die Nummer 1 in Deutschlands Fußball-Westen – vor Schalke 04, Borussia Dortmund oder dem 1.FC Köln.
In der Saison 1958/59 rockten die Herner die damalige Oberliga West. „Das war ein bisschen so wie der amerikanische Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Herne hatte eine junge, sympathische Mannschaft, die begeisternden Fußball spielte. Die Himmelsstürmer waren der Liebling der Presse und des Publikums“, schrieb der Sporthistoriker Ralf Piorr.
Der 1955 gekommene Trainer Fritz Langner hatte den einstigen Abstiegskandidaten von Grund auf umgewandelt und die Mannschaft Jahr für Jahr mit Spielern aus der Umgebung verjüngt. Langner holte unter anderen den späteren Nationaltorhüter Hans Tilkowski aus dem Dortmunder Vorort Husen und Helmut Benthaus, später als Trainer sehr erfolgreich. Weitere Stützen des Teams hießen Alfred Pyka und Gerhard Clement.
Doch die Erfolge bleiben erst einmal aus, erst in der Rückrunde der Saison 1957/58 deutete sich die neue Stärke an. Ein Jahr später feierten die Herner dann den großen Triumph: Mit sechs Punkten Vorsprung vor dem 1.FC Köln und Fortuna Düsseldorf wurde der Underdog Meister der Oberliga West, Dortmund und Schalke landeten im geschlagenen Mittelfeld. Zuhause am Schloss Strünkede blieben die Langner-Schützlinge ungeschlagen. In der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft aber scheiterte Herne. Es wäre auch zu schön gewesen.
Ein Jahr später belegte Westfalia Herne noch mal den zweiten Platz in der Oberliga West. Danach ging es Jahr für Jahr ein Stück abwärts, den Sprung in die Bundesliga 1963 schaffte Herne nicht. Und auch später blieb die Top-Klasse ein Traum – bis dann ein gewisser Erhard Goldbach diesen Traum realisieren wollte. Das Ergebnis ist bekannt.
1986 traf Westfalia Herne als Oberligist im Westfalenpokal auf den Dortmunder Landesligisten FC Merkur 07. Es regnete, das Spiel fand auf einem Aschenplatz statt, der gegen Spielende einer Schlammwüste ähnelte. Am Ende verlor Herne nach Elfmeterschießen und der klassentiefere Klub aus der Dortmunder Nordstadt jubelte. Der FC Merkur hatte auch dank einer exzellenten Nachwuchsarbeit damals eine sehr lange erfolgreiche Periode, zählte zu den erfolgreichsten Dortmunder Amateurvereinen. Heute kickt Merkur in der Kreisliga C, also ganz unten.
Das Bundesliga-Orakel 15/16: Banale Fragen, kluge Antworten
Lange ist auf diesen Seiten nichts mehr in Sachen Fußball passiert. Keine WM, keine EM, nur als kleines Trostpflaster U 21-EM und Frauen-WM. Doch letztere lief überwiegend nachts und fand damit für den Chronisten nur am Rande statt. Aber jetzt geht es wieder los: Die Sonderhefte sind erschienen, Zweite und Dritte Liga kicken wieder und auch die Bundesliga startet am 14. August. Und dieses Wochenende gibt es als passende Vorspeise die erste Hauptrunde im DFB-Pokal. Die wichtigsten Antworten zur Bundesliga-Saison 2015/2016.
Was erreicht Borussia Dortmund in dieser Saison?
Die wichtigste Antwort sofort: Schlimmer als die Hinrunde 2014/2015, als der BVB auf einem Abstiegsplatz überwinterte, kann es nicht mehr werden. Borussia hat bekanntlich einen neuen Trainer namens Thomas Tuchel, der die Gallionsfigur Jürgen Klopp ablöste. Tuchel bekommt von mir viel Zeit, bis mindestens Weihnachten hat er Schonfrist. Ich bin schon gespannt, was der akribische System-Tüftler aus dem BVB-Team herausholt. Aber die Klopp-Jahre waren besonders in den Jahren 2010 bis 2013 die beste Zeit meines schwarz-gelben Fandaseins, das wird schwer zu toppen sein. Die direkte Champions League-Qualifikation wäre dennoch schön und vielleicht kann der BVB ja die Bayern ein wenig ärgern.
Schafft Hendrik Mkhitaryan endlich den Durchbruch beim BVB?
Ein hochbegabter Mittelfeldspieler, doch im letzten Jahr war der Armenier das Sinnbild der BVB-Krise. Besonders in der Hinrunde schlich er meist mit gesenktem Kopf über den Platz. Nichts gelang, eine unendliche Bürde schien sein Spiel fast zu erdrücken. In der Rückrunde wurde es dann es besser, da zeigte er manchmal, welche großartiges Potenzial in ihm technisch und strategisch steckt. Zum Beispiel nach seiner Einwechslung beim DFB-Pokalhalbfinale in München. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz verloren und prognostiziere Mkhitaryan eine starke Saison, die ihn mindestens in die Internationale Klasse der kicker-Rangliste befördern wird.
Steht Bayern München Ostern schon wieder als Meister fest?
Könnte sein, wäre aber nicht schön. Natürlich haben die Münchner den besten Kader aller Bundesligisten, aber ihre Überlegenheit der letzten drei Jahre hat die Bundesliga nicht gerade attraktiv gemacht. Das Schöne an den Bayern ist zudem das Unruhe-Potenzial im Umfeld. Mein Eindruck ist beispielsweise, dass viele Journalisten nur auf Patzer von Trainer Pep Guardiola warten. Dann wird abgerechnet, dann wird der FC Hollywood wieder seinem Namen gerecht. Ist ja auch ein komischer Typ, der Pep. Gibt keine Einzel-Interviews und hat keine Hofjournalisten, den er etwas exklusiv steckt. Da sind BILD und co. ziemlich nachtragend.
Mario Götze: Wird er bei den Bayern noch glücklich?
Der arme Mario! Die meiste Zeit sitzt er bei den Bayern nur auf der Ersatzbank und dann redet Pep noch nicht mal mit ihm. Wer jetzt meint, ich habe Mitleid mit dem ehemaligen Dortmunder, der liegt falsch. Der Wechsel nach München war doch seine eigene Entscheidung (bzw. die seines Beraters) und so richtig überzeugt hat Götze bei den Bayern auch nicht. Der in Sachen FCB meist gut informierte kicker munkelt von einem „Missverständnis“ (weil Guardiola 2013 lieber
Neymar haben wollte) und schreibt, dass ein Wechsel noch in dieser Transfer-Periode (bis Ende August) „wahrscheinlich scheint“.
Was macht Schalke?
Es herrscht ein wenig Aufbruchstimmung auf Schalke. Im wesentlich verantwortlich dafür ist der neue Trainer Andre Breitenreiter, der vom Abstieger Paderborn kam. Sein Vorgänger Roberto di Matteo war ein Fehlgriff, viel schlimmer als unter dem Italo-Schweizer, der immerhin mal die Champions League gewann, kann es aber auch nicht werden. Dazu scheint sich das Team mit Geis, Di Santo und dem Brasilianer Caicara gut verstärkt zu haben, zudem kommen mit Draxler und Goretzka lange verletzte Spieler zurück. Da juchzt das königsblaue Herz und träumt von neuen Großtaten. Doch die Stimmung kann auf Schalke schnell drehen, dann werden vermeintliche Hoffnungsträger schnell zu Buhmännern. Und die Schlagzeilen der BLÖD-Zeitung werden das Klima weiter aufheizen.
Steigt der HSV diesmal ab?
Liebe Hamburger Fans, zweimal mal am Abgrund 2. Liga gekratzt, zweimal mit viel Glück in der Liga geblieben. Eigentlich müsstet ihr doch längst gegen Heidenheim, Sandhausen oder den Lokalrivalen St. Pauli in der 2. Liga spielen. Viele bekannte Namen wie van der Vaart, Westermann oder Jansen sind nicht mehr da, aber diese Leute standen auch für die sportliche Krise des Dinos. Und jetzt wird alles gut? Mal schauen, ob Trainer Bruno Labbadia noch im Amt ist, wenn der HSV im Oktober am Tabellenende ist. Ob dann die gleiche Prozedur wie in den Vorjahren läuft?. Trainer raus, neuer Trainer rein. Oder ob die Verantwortlichen schlau geworden sind und merken, dass erfolgreiche Vereine viel mit Kontinuität verbindet.
Wie schneiden die Neulinge Ingolstadt und Darmstadt ab?
Beide Aufsteiger haben vieles gemeinsam: großartige Trainer wie Ralph Hasenhüttl (Ingolstadt) und Dirk Schuster (Darmstadt), ein ruhiges Umfeld, Kontinuität und einen starken Mannschaftsgeist. „Der Star war hier die Mannschaft“, um den alten Berti-Vogts-Spruch mal wieder wiederzugeben.
Ihr Erfolg ist auch ein Schlag ins Gesicht mancher Traditionsvereine wie etwa Nürnberg oder München 60. Bei diesen Klubs herrscht immer Theater, ein Ergebnis sind permanente Personalwechsel.
Besonders der Aufstieg der Darmstädter ist ein kleines Fußballwunder: 2013 sportlich schon aus der Dritten Liga abgestiegen und nur durch den Lizenzentzug von Kickers Offenbach die Klasse gehalten, 2014 der Aufstieg in die Zweite Liga und jetzt der Durchmarsch in die Eliteklasse. Das mit einem Team von Unbekannten und anderswo Aussortierten, solche Geschichten liebe ich im Fußball. Der Klassenerhalt wäre das nächste Wunder.
Ingolstadt könnte langfristig ähnlich erfolgreich agieren wie der FC Augsburg. Aber dafür muss erstmal die Liga gehalten werden.
Nicht Barca, Chelsea oder der FC Bayern – der FC Midtjylland aus Dänemark ist derzeit der interessanteste Fußballklub in Europa. Das meinen zumindest die Kollegen von The Correspondent aus den Niederlanden. Denn die Verantwortlichen wollen beweisen, dass man einen Klub erfolgreich nur mit Hilfe statistischer Daten führen kann. Alles Subjektive fällt weg, es zählen nur Fakten.
Mit Erfolg: Die heimische Liga führt Midtjylland souverän nach 22 Spieltagen mit 11 Punkten Vorsprung an. Aber lest selbst: eine großartige Reportage.
Auch gegen das Mittelfeld-Team von Hobro setzte der FC seinen Erfolgsweg fort.