Fünf Städte im fußballerischen Abseits
Während sich im TV der MSV Duisburg und die Würzburger Kickers um den letzten Platz in der Zweiten Liga beharkten, hatte ich mal überlegt: Welche Großstädte in Deutschland haben eigentlich keine Mannschaft im Profifußball, heißt mindest ein Team in Liga 3. Die Top 5 der größten Städte in Deutschland ohne Profi-Fußball (wobei in der Regionalliga natürlich auch viele Profi-Truppen auflaufen).

Essen (Einwohner 573.784, Stand 31.12.2014, Platz 9 der Großstädte in Deutschland): Es ist eine Schande. Essen ist eine der größten Städte Deutschlands mit vielen renommierten Unternehmen, aber fußballerisch ist die Revierstadt seit über 30 Jahren ein sehr trauriges Kapitel. Der Grund heißt Rot-Weiss Essen. In den fünfziger Jahren hatte man mit Georg Melches einen visionären Präsidenten, war Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Helmut Rahn, der Boss und Weltmeister 1954, spielte für den Revierclub. Später kickte RWE auch noch einige Jahre in der Bundesliga, doch diese Zeiten sind längst vorbei.
Präsidenten, Trainer und Spieler kamen und gingen – nur mit dem finanziell permanent klammen Klub ging es stetig abwärts. Sogar bis ins Liga 5. Derzeit dümpelt RWE in der viertklassigen Regionalliga und traf dort auf den kleinen Stadtrivalen FC Kray. In den Glanzjahren wäre das ein Gegner in der Saisonvorbereitung gewesen.
So träumen sie bei RWE von besseren Tagen. Die Bundesliga bleibt Utopie, die zweite Liga ein Traum, die dritte Liga ist vielleicht mal erreichbar, wenn alles glatt läuft. Nur beim Zuschauerschnitt ist RWE immer noch gefühlte Zweite Liga.
Auch der einstige Rivale aus dem reichen Essener Süden, der ETB SW Essen, ist aus dem Rampenlicht verschwunden. Derzeitige Liga: die fünftklassige Oberliga Nordrhein. In den siebziger Jahren spielte der Klub viele Jahre in der zweiten Liga.



Einst auf Augenhöhe, heute trennen sie sportliche Welten: Borussia Dortmund und RW Essen (Foto Dirk Vorderstraße/Wikimedia Commons)

Wuppertal (Einwohner 345.525, Platz 17): Immerhin gibt es mal wieder eine positive Nachricht aus der Wuppertaler Fußballszene: Der Wuppertaler SV, der Vorzeigeverein der Stadt, hat in dieser Saison den Aufstieg geschafft. Zwar nur aus der Oberliga Nordrhein in die Regionalliga West, aber jedenfalls ist man jetzt viertklassig.
So richtig zur Elite im deutschen Fußball zählte der WSV auch nur eine kurze Zeit: Von 1972 bis 1975 war die Bundesliga sportliche Heimat der Oberbergischen. Besonders das erste Jahr wurde zum Triumph: Die Mannschaft von Trainer Horst Buhtz belegte einen starken 4. Platz, Stützen der Mannschaft waren unter anderem Torjäger Günther Pröpper, Libero Emil Meisen und Torhüter Manfred Müller, der später das Tor des FC Bayern München hütete.
Doch das Glück hielt nicht lange. 1975 ging es runter in die 2. Liga, 1980 in die 3. Liga und seit dieser Zeit war – bis auf einige Jahre in zweiter und vierter Liga – der WSV drittklassig.
1991 übernahm der Unternehmer Friedhelm Runge (Emka Beschlagteile) den Verein. Das Ziel war die Zweite Liga. Doch alle Bemühungen Runges, den Verein nach oben zu führen, scheiterten – manche knapp, manche deutlich. 2011 folgte der Abstieg in die viertklassige Regionalliga, 2013 endete die Ära Runge, im gleichen Jahr folgte der Zwangsabstieg durch Insolvenz. Der WSV war fünftklassig. Immerhin das wurde jetzt repariert.

Bonn (Einwohner 313.958, Platz 19): Ein Hochburg des Fußballs war die ehemalige Bundeshauptstadt nie. Der Bonner SC, entstanden 1965 aus den Vereinen Bonner FV und Tura Bonn, schaffte 1976 zwar den Sprung in die Zweite Liga, hielt auch die Klasse, doch am 9. Juli 1977 entzog der Deutsche Fußballbund (DFB) den Rheinländern die Lizenz. Immerhin waren die Bonner damit der erste Klub im bezahlten Fußball, der die Lizenz verloren hat.
Nach Jahren in der Anonymität der unteren Klassen übernahm Mäzen John Viol das Geschäft. In seiner Zeit kickten die Bonner Löwen überwiegend in der Oberliga Nordrhein.
Doch Schlagzeilen machte der umtriebige Mäzen nicht mit sportlichen Erfolgen: So verpflichtete er unter anderem die kubanische Nationalmannschaft, doch der Einsatz der Kicker aus dem Lande Castros scheitert an einer fehlenden Genehmigung. Die Ära Viol endet in der Insolvenz, der Verein landet in der Landesliga. Aber der Sportclub ist ein Stehaufmännchen: Nach drei Mittelrhein-Liga stiegen die Bonner in diesem Jahr in die Regionalliga auf – immerhin vierte Klasse. Wie mit Herrn Viol.

Mannheim (Einwohner 299.844, Platz 22): Freud und Leid liegen oft nicht weit auseinander, in diesem Fall etwas mehr als 50 km. Während der einstige Dorfclub 1899 Hoffenheim dank seines Mäzens Joachim Hopp Bundesliga spielt, heißt die Realität für den einstigen Bundesligisten Waldhof Mannheim die viertklassige Regionalliga Südwest.
In Mannheim haben inzwischen andere Sportarten das Kommando: Eishockey etwa durch die Adler Mannheim oder Handball durch den neuen Meister Rhein Neckar Löwen. Hier gibt es die erste Liga und Spitzensport, Fußball aber dümpelt in der Vierten Liga rum.
Der SV Waldhof Mannheim, Stammverein von Trainerlegende Sepp Herberger und einst Heimat kerniger Abwehrspieler wie Jürgen Kohler, Karlheinz Förster oder Christian Wörns, kann von einer Rückkehr in die Bundesliga nur träumen. Immerhin gab es beim einstigen Bundes- und Zweitligisten nach harten Zeiten in dieser Saison so etwas wie Aufbruchstimmung. Doch das Scheitern gegen die Sportfreunde Lotte in den Aufstiegsspielen zur 3. Liga hat den Frust der Treuen mal wieder erhöht.
Der Traditionsverein VfR Mannheim spielt heute in der Verbandsliga.



Erinnerung an den größten fußballerischen Sohn Mannheims. (Foto Hubert Berberich/Wikimedia Commons)

Lübeck (Einwohner 214.920, Platz 35): In der Saison 2003/2004, da schlug die vielleicht größte Stunde des VfB Lübeck. Im Halbfinale des DFB-Pokals traf der damalige Regionallist mit Trainer Dieter Hecking auf Werder Bremen. Lange Zeit hielt der Underdog gut mit, rang dem favorisierten Bundesligisten immerhin eine Verlängerung ab und verlor in allen Ehren mit 2:3. Es war ein schlechtes Omen: Denn am Ende stieg der VfB aus der Zweiten Liga ab.
In der Bundesliga spielten die Grün-Weißen nie. Einmal erreichte man die Aufstiegsrunde (1969), aber die Erstklassigkeit blieb ein Traum. Die Lübecker pendelten zwischen Zweit-, Dritt- ,Viert- und sogar Fünftklassigkeit, zweimal schafften sie den Aufstieg in die Zweite Liga (1995 und 2002), nach jeweils zwei Jahren ging es wieder runter. Es ist ein hartes Brot auch finanziell in den unteren Ligen: 2008 und 2012 meldete der Klub die Insolvenz an.
2014 gelang die Rückkehr in die viertklassige Regionalliga. In dieser Saison belegte der VfB den siebten Rang und gewann gegen den Drittligisten Holstein Kiel den Landespokal Schleswig-Holstein. Damit nimmt der Klub am DFB-Pokal teil und hofft auf einen attraktiven Bundesligisten in der 1.Runde.
Der einstige große Stadtrivale Phönix Lübeck kickt heute in der Verbandsliga Süd-Ost Schleswig Holstein (sechste Liga).