Mittwoch, 8. Mai 2019
Die nächste magische Klopp-Nacht
Altere Erinnerungen wurden wieder wach. Ex-BVB-Trainer Jürgen Klopp und der FC Liverpool haben ein 0:3 gedreht und 4:0 gewonnen. Nicht gegen irgendwen im Halbfinale der Champions League, sondern gegen den FC Barcelona. Einer der besten Mannschaften Europas mit Superspielern wie Messi, Suarez, Jordi Alba, Ter Stegen oder Busquets.

Der große Motivator Jürgen Klopp lobte nach dem Spiel erstmal seine Spieler. „Es war wirklich schwierig gegen uns zu spielen mit dieser Mischung aus großem Herz und fußballerischer Qualität. Das war wunderbar.“ Er habe den Jungs vor dem Spiel gesagt, dass es eigentlich nicht möglich sei, aber weil sie die „Mentalitäten von Giganten haben“, sei es doch möglich.
Es war ganz großes Kino mit einem Geniestreich vor dem 4:0, als Trent Alexander-Arnold vor einer Ecke den freien Divock Origi sah, diesen schnell anspielte und der unbehelligt von der unsortierten Barca-Abwehr einschoss. So ein Tor habe ich zuletzt in der Kreisliga gesehen, aber da stand es schon 6:0 und der Gegner hatte den Widerstand aufgegeben.



You never walk alone – Liverpool feierte sein Team frenetisch nach dem Sieg gegen Barcelona. Ein Abend, den keiner so schnell vergisst.

Der Doppel-Torschütze Origi wäre im letzten Jahr beinahe noch mit Wolfsburg abgestiegen, die Leihgabe des FC Liverpool machte in der Bundesliga eine eher traurige Figur. Eigentlich spielte er nur, weil die Stammspieler Roberto Firmino und Mohamed Salah verletzt ausfielen. Und Georgino Wijnaldum, der andere zweifache Torschütze, kam in der Pause für den verletzten Andrew Robertson. So schnell geht das im Fußball.

Alte englische Tugenden
„Liverpools Wucht zeigte Barcelona, dass gutes Passspiel alleine nicht ausreicht“, schrieb Jonathan Wilson im Guardian. Klopps Team zeigte alte englische Tugenden wie Physis und Tempo, um ein „dekadentes Barcelona“ zu schlagen.
Na ja, jedenfalls fühlte sich der Kolumnist an große BVB-Tage unter Jürgen Klopps Führung erinnert. Da gab es auch diese magische Momente – in der Champions League gegen Malaga oder Real Madrid, in der Bundesliga gegen Bayern München. Klopp schaffte es immer wieder, seine Mannschaft auf den Punkt genau vorzubereiten.
Hätte ein BVB-Team unter Trainer Jürgen Klopp einen Neun-Punkte-Vorsprung verspielt? Ich glaube nein. Aber glauben heißt nicht wissen. Lucien Favre hat viele Qualitäten, aber ein Motivator ist er nicht unbedingt. Zumindest war er das nicht in der Rückrunde.



Montag, 28. Mai 2018
Champions League zukünftig im Pay-TV – ohne mich
Da kam schon etwas Wehmut auf: Zum letzten Mal Champions-League im ZDF, das Finale zwischen Real Madrid und FC Liverpool im Free-TV. Wobei Letzteres ja dank Rundfunk-Gebühr auch nicht korrekt ist. Jedenfalls läuft die neue Saison der europäischen Königsklasse nur noch bei Sky und DAZN und dafür muss der Interessierte Abos abschließen und extra bezahlen. Der Kolumnist verzichte erstmal.

Tolles Spiel am Samstagabend in Kiew, auch wenn es Ex-BVB-Trainer Jürgen Klopp mit seinem FC Liverpool nicht geschafft hat. Zum dritten Mal in Folge heißt der Sieger Real Madrid. Das ganz große Geld triumphiert in Fußball und seinem wichtigsten Klub-Wettbewerb. Und wer bezahlt den größten Teil der astronomischen Fußballergagen? Das Fernsehen und weil sich die teuren Rechte offenbar durch Werbung nicht refinanzieren, spielt das Pay-TV den Goldesel des globalen Fußballsports.
Auf den Seiten der UEFA gibt es eine interessante Auflistung, welche Stationen das Champions League-Finale übertragen. Es sind zum großen Teil TV-Sender, für die der Kunde extra bezahlen muss. In den großen Fußball-Nationen läuft die europäische Top-Klasse überhaupt nicht mehr im frei empfangbarem Fernsehen. England, Italien, Spanien, Frankreich – alle CL-Spiele laufen im Pay-TV. Fußball gucken in England ist eine teure Angelegenheit. Nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem heimischen Sofa. Da nützt es wenig, wenn der englische Sender BT das diesjährige CL-Finale frei unter anderem auf youtube ausstrahlte.



Irgendwie passend: BT-Werbefigur Gareth Bale entschied das CL-Finale mit seinen zwei Toren für Real Madrid (Bild: BT sport).

Deutschland war in Sachen Champions League immer eine Art Insel der Glückseligen. Denn das ZDF übertrug immer eine Begegnung pro Spieltag. Wenn ich unbedingt BVB sehen wollte und der lief nicht im Zweiten, bin ich in die Kneipe. Da konnte ich gut mit leben.
Die meisten Spiele laufen natürlich auf Sky, Kosten derzeit mit HD-Option rund 20 Euro pro Monat im ersten Jahr, danach 40 Euro. Dazu wird DAZN kommen, kostet auch nochmal aktuell 10 Euro pro Monat. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass DAZN diesen Preis für die Champions League halten wird.
Ich finde diese Entwicklung sehr traurig. Fußball war immer etwas, was die Gesellschaft zusammenkittet – bei aller Kritik an geldgierigen Spielern, Managern und Funktionären sowie korrupten Verbänden. Ich hoffe nur, dass Pay-TV-Programme in Deutschland weiter rote Zahlen schreiben und sich Sponsoren über mangelnde Reichweite beschweren. Gab es alles schon mal in Deutschland – Kirch-Pleite in den 2000er Jahren. Der Kolumnist hat jedenfalls keine Lust, für Fußball im Pay-TV zu zahlen.



Dienstag, 10. April 2018
Warum auch in Liverpool alle Klopp mögen
Natürlich drückt diese Kolumne dem ehemaligen BVB-Trainer Klopp Jürgen Klopp heute Abend die Daumen: Das Rückspiel im Champions League-Viertelfinale gegen Pep Guardiolas Manchester City steht an. Auch in Liverpool herrscht große Euphorie – zumindest bei allen, die ein rotes Herz haben.

Das 3:0 des FC Liverpool im Hinspiel hatte die Fußballwelt verzückt. Auch wenn das Spiel noch nicht entschieden ist, stehen die Chancen sehr gut, dass die Reds das Halbfinale erreichen. Jürgen Klopp hat es auch in Liverpool geschafft, einen alten Traditionsklub wiederzubeleben. Ähnlich wie in Dortmund hat er einen ganzen Klub – Spieler, Verantwortliche, Fans – euphorisiert.
Seine Mannschaft präsentiert den vielleicht mitreißendsten Fußball derzeit. Wie in Dortmund hat er viele Spieler besser gemacht, auch beim FC Liverpool spielen viele Akteure den besten Fußball ihres Lebens.
Dazu kommt die persönliche Art des Trainers. Klopp geht auf die Menschen zu, schätzt die Tradition des Vereins und ist einfach ein netter und witziger Typ. „Jürgen Klopp, der Menschenfänger“, titelte der Berliner Tagesspiegel. Eigentlich wollte ich einen längeren Text über den Trainer schreiben, aber dieser Artikel aus dem Jahr 2015 ist immer noch sehr aussagekräftig.
Und dann habe ich dieses Video auf youtube entdeckt: Jürgen Klopp bowlt mit den älteren Damen und Herren des Holy Trinity Bowling Clubs. Er hat diesen Sport mal als Austauschschüler in England gespielt und jetzt hat ihn die Neugier wieder gepackt. Auch bei den Bowling-Aktiven begeistert er mit seiner unkomplizierten Art, macht ein paar Witze und beantwortet die Fragen zum FC Liverpool ausführlich.
Wie er Mitspielerin Lesley herzt, als wenn er sie schon ewig kennen würde. Ganz großes Kino, die Dame geht immerhin seit 56 Jahren zum FC Liverpool und hat seit 40 Jahren eine Dauerkarte.
Ein ganz normaler Typ, die Damen und Herren des Clubs sind beeindruckt. Und deshalb mögen sie ihn auch in England: Weil er mit dem Herzen dabei ist. Überall.




Donnerstag, 16. November 2017
Italien erlebt die Fußball-Apokalypse
Mir werden die Italiener definitiv fehlen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft ohne die stolze Squadra Azzura ist wie eine Pizza Hawaii – ungenießbar. Allein schon deswegen, weil Deutschland gegen Italien das aufregendste Duell im Weltfußball ist: WM 2006, WM 1982, WM 1970 oder auch die Europameisterschaften 2016 oder 2012 lassen grüßen.

Das ändert nichts daran, dass die italienische Fußballnationalmannschaft bei manchen Weltmeisterschaften den Zuschauer regelrecht quälte. Ihr Fußball war immer ergebnisorientiert, die Kicker aus dem Land des Catenaccios standen nie für Spaß. Was haben sie mich manchmal genervt! 1994 etwa, als sich die Azzuri bis ins Finale gemauert hatten und es im ereignisarmen Endspiel gegen Brasilien nach 120 Minuten 0:0 stand. Der Fußballgott hatte ein Einsehen und ließ Italien im Elfmeterschießen verlieren.
Es war eine komische Begegnung, dieses Playoff-Rückspiel zwischen Italien und Schweden im legendären Giuseppe Meazza-Stadion in Mailand. Italien brauchte nach dem 0:1 im Hinspiel nur ein Tor, doch im Gegensatz zu früheren Tagen, als die Azzuri aus gefühlten null Chancen trotzdem trafen, wollte das Tor nicht fallen. 12:2 Torchancen zählte der Kolumnist, doch die Immobile, Florenzi und El Shaarawy verfehlten das Tor oder scheiterten am schwedischen Schlussmann. Am Ende verkündete Torwart-Legende Gigi Buffon unter Tränen seinen Rücktritt, jubelte Schweden frenetisch und eine Spielertraube zerstörte das mobile Eurosport TV-Studio.
Eines ist klar: Wer in 180 Minuten gegen Schweden nicht trifft, hat die Teilnahme an der Fußball-WM nicht verdient. Auch wenn Schweden im Hinspiel besser war und der Spiegel den Qualifikationsmodus ungerecht findet. Und Italien hatte das Pech, auf Spanien in ihrer Gruppe zu treffen.
Aber der vierfache Weltmeister (1934, 1938, 1980, 2006) ist nicht mehr die Macht von einst. Der italienische Fußball kriselt schon seit Jahren: Bei den Vereinsmannschaften spielt eigentlich nur Juventus Turin eine führende Rolle in Europa, die einst so stolzen Mailänder Clubs Inter und AC versanken zuletzt im Mittelmaß. Nun sind sie im Besitz chinesischer Investoren und hoffen auf bessere Zeiten. Die meisten Stadion sind marode und oft nur mäßig besucht, der Calcio hat seinen Zauber verloren.
Spielerpersönlichkeiten wie Andrea Pirlo oder Francesco Totti haben aufgehört. Das waren Leute, die technisch versiert waren und in der defensiv ausgerichteten Mannschaft immer für einen offensiven Glanzmoment sorgen konnten. Solche Spieler haben sie heute nicht mehr.

Kranker Mann von Europa
Viele Stars kamen auch früher aus dem Ausland, doch die Top-Namen spielen nicht mehr in der Serie A. Viel Mittelmaß aus dem Ausland füllt die Kader, der italienische Nachwuchs fehlt. Die Nationalmannschaft war in den letzten Jahren immer nur gut, wenn sie einen taktisch versierten Trainer wie Antonio Conte, der heute den FC Chelsea trainiert, hatte.
Trainer Gian Pietro Ventura, einem Veteran des italienischen Fußballs, werfen die Kritiker Planlosigkeit vor. Vor dem letzten Gruppenspiel der Qualifikation übernahmen laut Süddeutscher Zeitung Torhüter Gianluigi Buffon und andere Routiniers das Kommando und bestimmten die Taktik.
Auch in Italien ist Fußball mehr als nur Sport. Der Calcio ist der Kitt, der offenbar die Gesellschaft zusammenhält. Die Reaktion in Italien war eine des Entsetzens: „Ende! Das ist die Apokalypse. Italien nach 60 Jahren ohne WM“, schrieb die Gazzetto dello Sport. „Eine brutale Ohrfeige und ein enormer Schaden für ein Land, das vom Fußball lebt und damit atmet“.
In Deutschland war die Nichtqualifikation der Squadra Azzura Zeitungen wie der Süddeutschen oder den Ruhr Nachrichten (bzw. dem Redaktionsnetzwerk Deutschland) einen Kommentar auf ihrer Meinungsseite wert. Das Versagen der Nationalmannschaft wird dabei quasi parallel mit dem Versagen der italienischen Politik und dem ökonomischen Misserfolg gleichgesetzt: Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, die Stimmung im Keller.
Nun war die italienische Politik schon immer ein einziger Sumpf und auch im Fußball liefen finstere Gesellen rum. Die Bereiche waren eng verzahnt: Silvio Berlusconi wurde durch sein Wirken beim AC Milan und seine Medien politisch ganz groß.
An Skandalen fehlte es auch im Fußball nicht. Der Calciopoli ist noch gar nicht so lange her, die Strafen fielen erwartungsgemäß sehr milde aus. Luciano Moggi, der ehemalige Juventus-Manager und einer der Drahtzieher, ist längst rehabilitiert. „Wir sind ein katholisches Land, wir können verzeihen“, betonte Juventus-Boss Andrea Agnelli.




Das war auch Fußball aus Italien. Das berühmte Halbfinale der WM 2006 im schönsten deutschem Stadion. Andrea Pirlo spielte einen genialen Pass auf Fabio Grosso in der 119. Minute. 1:0 für Italien, das 2:0 fiel eine Minute später. Gastgeber Deutschland war draußen, die Squadra Azzura schlug Frankreich im Finale und wurde Weltmeister.



Dienstag, 3. Mai 2016
Die Welt staunt über Leicester City
Es ist eine der größten Sensationen des Fußballs: Leicester City ist Champion der englischen Premiere League. Der große Außenseiter – im letzten Jahr noch so eben nicht abgestiegen - triumphierte in der teuersten Liga der Welt.

Ausgerechnet der FC Chelsea des Roman Abramowitsch machte die Foxes (Transferwert aller Spieler laut Transfermarkt.de 127 Mio Euro) durch das 2:2 gegen Tottenham zum Meister. Vor Tottenham (Transferwert Kader 312,5 Mio), Arsenal (440 Mio), Manchester United (418,25 Mio), Manchester City (501,75 Mio), Liverpool (366,25 Mio.) und eben Chelsea (495,75 Euro). Verglichen mit Deutschland wäre das so, als wenn der FC Augsburg Deutscher Fußball-Meister würde.
Geld schießt eben doch nicht unbedingt mehr Tore. Vor der Saison gab es auf einen Titelgewinn von Leicester City die unglaubliche Wettquote von 5000:1 und auch der neue Trainer Claudio Ranieri hatte schon bessere Zeiten gesehen. Der 64jährige Italiener konnte einige Erfolge mit Teams wie Valencia oder Florenz verbuchen, zuletzt aber hatte er eine schlimme Bilanz als Nationaltrainers Griechenlands und unterlag etwa auf den Faroer-Inseln.
Am Ende aber waren alle glücklich: Leicester City mit dem aus Stoke gekommenen Innenverteidiger Robert Huth und den beiden Bundesliga-Neuverpflichtungen Christian Fuchs (Schalke) und Shinji Okazaki (Mainz) startete einen unglaublichen Siegeszug. Im Tor stand Kaspar Schmeichel, Sohn der Legende Peter Schmeichel und optisch diesem auch sehr ähnlich. Sein Ersatz-Torhüter war der 43jährige Australier Mark Schwarzer, 93facher australischer Nationalspieler, über 500- mal in der Premier League aktiv und zu Beginn seiner Karriere mal in Dresden und Kaiserslautern. Spieler wie Torjäger Jamie Vardy, Riyad Mahrez, Wes Morgan, N’Golo Kante oder Danny Drinkwater schafften das Unmögliche. Und spielen im nächsten Jahr vielleicht gegen Borussia Dortmund in der Champions League.

Lesetipp:
Eine ausführliche „Inside-Story“ aus dem Guardian




Donnerstag, 28. Januar 2016
„Unser Jürgen” und der Spaß in Liverpool
Im Herzen gehört er noch immer zur schwarz-gelben Familie: Jürgen Klopp, von 2008 bis 2015 Trainer bei Borussia Dortmund. Der Mann, der den BVB wieder zu ungeahnter Größe führte und nicht nur dem Kolumnisten die schönsten Jahre seines Fandaseins bescherte. Jetzt also der FC Liverpool in der englischen Premiere League. Auch ein Verein mit großartiger Vergangenheit. Und genau der Klub, den ein Mann wie Klopp zu neuer Größe führen kann. Zeit für eine erste Bilanz nach mehr als 100 Tagen.

Zumindest von den Resultaten war es eine großartige letzte Woche für Liverpools Trainer Jürgen Klopp. Zuerst das hochdramatische 5:4 bei Norwich City, bei dem die Brille in alter Dortmund-Manier zu Bruch ging: 1:3 hinten gelegen, daraus machten die Reds ein 4:3, kassierten in der Nachspielzeit das 4:4 und siegten letztlich durch Adam Lallanas Tor nach 95 Minuten. Und dann der Dienstagabend: Da gab es im Halbfinale des Liga-Pokals ein 6:5 nach Elfmeterschießen gegen Stoke City, das Liverpool ins Finale nach Wembley bringt und bei Klopp natürlich Erinnerungen an 2013 weckt. Damals unterlag sein BVB in der Londoner Kultstätte im Finale der Champions League dem FC Bayern knapp.



Der FC Augsburg freut sich auf Klopp in der Europa League

Es ist zwar nur der League Cup, der Pokalwettbewerb auf der Insel mit dem geringsten Renommee, in den früher Top-Klubs wie Manchester United oder Chelsea meist nur ihre zweite Garnitur schickten. Klopp mag das öffentlich egal sein und auch die Tatsache, dass die Reds spielerisch noch einiges zulegen müssen und allenfalls kämpferisch überzeugten, wird dem Fußball-Lehrer bewusst sein. „Noch ist es ein langer Weg zu alter Größe“, attestierte das Fachblatt kicker dem traditionsreichen Club.

Durchwachsene Bilanz
Seit dem 8. Oktober ist Jürgen Klopp jetzt Manager in Liverpool, löste Brendan Rodgers ab. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz, obwohl diese ein wenig zwiespältig ausfällt. Denn die englische Premiere League kickt seit Oktober durch, eine Winterpause gibt es bekanntlich auf der Insel nicht. Aufgrund des dichten Spielplans mit mehreren Pokalwettbewerben hatten Klopp und sein Trainer-Team eigentlich noch gar keine Möglichkeit, neue Dinge einzustudieren.
Sportlich sieht die Bilanz in Zahlen eher stagnierend aus: In der Liga lag das Team am Ende der Rodgers-Ära auf Platz 10 mit 12 Punkten (Drei Siege, drei Remis, zwei Niederlagen), seit dem Einstieg von Klopp gab es sechs Siege, vier Unentschieden und fünf Niederlagen. Gesamtbilanz: Platz 7, Punkte 34, Torverhältnis 30:32.
Neben dem League Cup sind die Roten auch noch im FA Cup (auch wenn man sich gegen den Viertligisten Exeter City nicht gerade mit Ruhm bekleckerte) und der Europa League (nächster Gegner FC Augsburg).
Taktisch: „Die Reds mit Trainer Brendan Rodgers sind eines der taktisch interessantesten Teams“, schrieben die Taktik-Experten von der Spielverlagerung Ende Juli 2015. Doch die vorherige Saison war sportlich schwach. Gründe unter anderem laut Portal: „Weder das 4-2-3-1 noch das 4-1-4-1 funktionierten. ….Das ballorientierte Verschieben, die Kompaktheit und die Struktur im Übergang ins zweite Drittel sowie das Gegenpressing öffneten den Gegnern viele Möglichkeiten für effektive Angriffssituationen.“
Die Bilanz unter Klopp: „Liverpool präsentiert sich mittlerweile sehr solide im Spiel gegen den Ball. Unterschiedliche Varianten im Pressing und kleinere gegnerspezifische Anpassungen finden regelmäßig Anwendung. Schnelle Umschaltaktionen und Konter bespielen die Reds gut und überzeugen hier vor allem durch freie und passende Bewegungsmuster.“ Als Schwächen nennt das Portal unter anderem zu wenig Torchancen und die Anfälligkeit bei Standardsituationen.

Das Lachen kam zurück
Den größten Eindruck macht allerdings der Typ Jürgen Klopp. Medien und Fans feierten ihn wie den Messias. Schon vorher galt er auf der Insel als Kult-Trainer, „The Normal One“ feuerte das mit Witz und Charme noch an.
Die positive Stimmung blieb vorwiegend. „Er brachte den Spaß zurück nach Anfield“, titelte das Boulevardblatt Mirror. Das Lachen sei zurück in Anfield – und nicht nur beim Fußball. Es folgt eine Lobeshymne von Reporter Jim Boardman. Die hartgesottenen britischen Journalisten mögen den Mann aus Deutschland. Dabei kann Klopp gegenüber Pressemitarbeitern durchaus fies sein, wenn er sich schlecht behandelt fühlt. Aber im Vergleich zu vielen wortkargen englischen Managern, die die Presse als notwendiges Übel ansehen, ist dieser Trainer ganz anders.
Auch viele Fans waren anfangs sehr euphorisch. Allerdings: „Liverpool braucht mehr als nur Jürgen Klopp“, schrieb Fan Duncan Oldham im KopTalk Ende Dezember. „Wunderdinge seien mit diesem Kader allerdings nicht zu erwarten.“
Und ich sage mal, die Stimmung in Dortmund wird Klopp fehlen. Die Atmosphäre in Anfield dürfte deutlich gedämpfter sein: keine Stehplätze, die legendäre Kop ist längst Sitz-Tribüne. Schauderhaft, aber passend für das Event-Publikum, das die hohen Eintrittspreise zahlt. So motzte der Trainer schon über die Zuschauer, die gegen Crystal Palace frühzeitig das Stadion verließen. Das gab es jedoch in Dortmund auch schon – allerdings vor den Klopp-Zeiten.




Montag, 16. November 2015
Die Kraft des Fußballs gegen den Terror
Es fällt derzeit schwer, über Fußball zu schreiben. Die Terror-Anschläge in Paris während des Länderspieles Frankreich gegen Deutschland haben alle geschockt und machen nicht nur mir Angst. Dabei ist das genau das, was diese Terroristen wollen. Darum ist es gut, dass das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande stattfindet. Oder anders gesagt: Ihr könnt uns mal, ihr feigen Verbrecher vom Islamischen Staat.

Eigentlich wollte ich gar nicht gucken am Freitagabend. Freundschaftsspiele der deutschen Nationalmannschaft sind nicht unbedingt mein Ding, weil die sportliche Aussagekraft oft gering ist. Aber so ein Spiel gegen die starken Franzosen ist dann doch mal eine Ausnahme wert.
In den ersten 30 Minuten war es ein selten öder Kick. Beide Mannschaften belauerten sich, Torszenen gab es nicht. Nur zwei laute Knallgeräusche sorgten für Aufmerksamkeit. Da dachte ich schon, es ist was passiert. Es war was passiert und Fußball spielte nur noch eine Nebenrolle. So langsam kamen die Meldungen vom Terror in der französischen Hauptstadt rein, in der zweiten Halbzeit lief zwar der Fernseher, aber der Kolumnist saß vor dem PC und suchte im Netz nach Neuigkeiten.
Es wurde ein bitterer Abend. Mein Mitgefühl gilt allen Opfern der feigen Anschläge und ihren Angehörigen. Diese Kolumne ist bei den Betroffenen.
Nach dem Schock folgte im Laufe des Samstags Wut und Widerstand. Und Fußball kann wirklich ablenken: Am Samstag habe ich ein Playoff-Spiel zur kommenden Fußball-EM in Frankreich geschaut, das skandinavische Duell zwischen Schweden und Dänemark. Es wurde ein Spiel voller Leidenschaft – mit allem, was den Fußball so faszinierend macht. Leidenschaft, Torszenen, zwei toll kämpfende Teams und Zuschauer, die mitleiden und entsprechend Lärm machen. Fair, ohne Hass. Selten hat mich ein Spiel so fasziniert wie das skandinavische Derby – trotz der grandiosen aktuellen Serie von Borussia Dortmund in der Bundesliga.

Ungarn ist dabei
Die Ungarn haben sich auch gefreut an diesem Wochenende. Zum ersten Mal seit 1986 ist das Land wieder dabei bei einem fußballerischen Großereignis wie WM oder EM. Es war eine lange Zeit in der Öde der fußballerischen Bedeutungslosigkeit für ein Land mit einer großen Fußballtradition.
Denn Ungarn ist bekanntlich das Land des einstigen Wunderteams, das 1954 als hoher Favorit im Finale gegen Deutschland unterlag und sich von diesem Schock fußballerisch nie erholte. „Immer wieder Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn“, waren die legendären Worte von Reporter Herbert Zimmermann, bevor Rahn dann schießen musste und Deutschland zum Weltmeister machte. Trotzdem: Puskas, Hidegkuti, Czibor, Kocsis oder der spätere Bundesliga-Trainer Lorant waren damals die großen Namen des Fußballs.
Später gab es noch mal gute Leute wie Nyilasi oder Detari, aber der ungarische Fußball endete unter „ferner liefen“. Vereine wie Honved oder Ferencvaros Budapest, die einst einen guten Klang in Europa hatten, wurden international höchstens drittklassig. Jetzt sind die Magyaren wieder dabei bei einem Großereignis. Mit Trainer Bernd Storck, Assistenztrainer Andreas Möller und den ehemaligen Bundesliga-Veteranen Gabor Kiraly und Tamas Hajnal. Die Kraft des Fußballs – auch Terroristen können ihn nicht brechen. Und auch nicht korrupte Verbandsvertreter. Da verzeiht diese Kolumne den Ungarn auch ihren Idioten von Präsident.

Eine gute Überblick über die Ereignisse von Frankreich gibt wie immer bei Fokus Fußball.



Donnerstag, 9. Juli 2015
Die Demontage der stolzen Selecao
Gestern jährte sich der Tag: Am 8. Juli 2014 siegte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft sensationell mit 7:1 im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen den Gastgeber Brasilien. Eine Sternstunde des deutschen Fußballs. Für die fußballverrückten Brasilianer hingegen eine Schmach ohnegleichen.

Deutschland demontierte Brasilien an diesem Abend in Belo Horizonte mit unglaublicher Präzision. Das Spiel wirkte so, wenn eine örtliche Amateur-Auswahl gegen einen Profi-Bundesligisten spielt. Brasilien waren dabei die Amateure. Besonders die ersten 30 Minuten, nach denen Deutschland bereits 5:0 führte, werden in ewiger Erinnerung bleiben.
Brasilien hat sich heute noch nicht von den Folgen dieser Niederlage erholt. Auch ein Jahr danach helfen nur Selbstironie und Sarkasmus gegen den Schaden, weiß die FAZ fest. Ebenfalls lesenswert: Drei Beteiligte erinnern sich aus deutscher Sicht in der Welt.
Auch sportlich hat sich die Selecao noch nicht erholt: Unter dem neuen/alten Trainer Carlos Dunga scheiterte Brasilien gegen Paraguay im Viertelfinale der Copa America. Und Spieler wie Innenverteidiger Dante von Bayern München wirkten in der letzten Saison alles andere als gefestigt.



Das 1:7 in Comic-Form. Meine Lieblingsszene ist die mit dem Blatter Sepp und der brasilianischen Staatschefin Dilma Roussef (ziemlich am Anfang).



Mittwoch, 3. Juni 2015
Doch nicht der ewige Sepp
Nun ist er doch zurückgetreten, der Blatter Sepp, der mächtige Präsident des Weltfußballverbandes FIFA. Die Kacke, wie man uns beim Ruhrgebiet sagt, war dann doch zu sehr am Dampfen. So sehr, dass der machtbewusste Blatter sein Amt aufgab, in das er noch am Freitag von seinen FIFA-Kollegen gewählt wurde. Ich empfehle einfach mal die Artikel der in Sachen FIFA immer gut informierten Süddeutschen Zeitung.

Der Kolumnist interessiert sich schon sehr lange für das skandalöse Geschäftsgebahren des Weltfußballverbandes. Besser gesagt: seit den neunziger Jahren, als er das Buch „Das Milliardenspiel“ von Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung und Jens Weinreich las.
Da ging es nicht um die FIFA, sondern auch um das International Olympic Committee (IOC). Beide Verbände haben aber etwas gemeinsam: Für viele Funktionäre dient ein hoher Posten in einem Sport-Spitzenverband nur dazu, möglichst viel Geld in die eigene Tasche zu scheffeln.
Die Werke des englischen Journalisten Andrew Jennings brachten zusätzliche Erkenntnisse. Klar wurde: Korruption und Vetternwirtschaft prägten die jüngste Geschichte der FIFA. Spätestens nachdem der Brasilianer Joao Havelange die Geschäft übernahm.



Andrew Jennings in Hochform: Hier möchte er Sepp Blatter nur ein paar Fragen stellen

Gute Freunde kann niemand trennen
Und der Blatter Sepp, er war immer an maßgeblicher Stelle dabei. Erst als Generalsekretär der FIFA und dann, als er 1998 in einer dubiosen Abstimmung (deren Ergebnis offenbar ein paar Briefumschläge mit Geld maßgeblich beeinflussten) den damaligen UEFA-Präsidenten Johansson besiegte und Havelange als Präsident folgte.
Es waren immer die gleichen Namen, die dem Weltfußballverband schlechte Nachrichten bescherten: Joao Havelange, sein Schwiegersohn Ricardo Teixeira, Jack Austin Warner aus Trinidad und Tobago oder Chuck Blazer aus den USA zum Beispiel.
Der schlaue Blatter aber blieb im Hintergrund. Viele Delegierte aus den FIFA-Ländern liebten den Schweizer aus dem Wallis. Weil er der reiche Onkel aus Europa war, der sie reegelmäßig bescherte. Ob das Geld jetzt für den Fußball in den jeweiligen Ländern verwendet wurde oder direkt in die Tasche des jeweiligen Landeschefs wanderte, kontrollierte niemand. So waren sie glücklich, die Landesfürsten aus Afrika, Ozeanien und Mittelamerika und ihr Gönner, der Blatter Sepp von der FIFA. Treu wählten sie ihn immer wieder zu ihrem Präsidenten.
Außerhalb des Weltfußballverbandes schüttelten aber immer mehr Leute ihre Köpfe. Die fortlaufenden Skandale, die Korruption und Selbstbedienungs-Mentalität vieler Mitglieder schickten das Image der FIFA in den tiefsten Keller. Die dubiose Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und noch mehr 2022 nach Katar ruinierte den Ruf vollkommen. Selbst das Fachblatt kicker, früher immer auf Verbandskurs, forderte den Rücktritt von Sepp Blatter. Kistner, Weinreich, Jennings und der Kolumnist so und so. Doch Sepp schien unsterblich, wollte die FIFA von „innen reformieren“ und wurde dann doch erfasst von einem Tsunami der Proteste. Oder noch mehr von der amerikanischen Justiz.



Donnerstag, 25. September 2014
Die Welt des Felix Magath enthüllt
Das war garantiert keine Werbung für die deutsche Trainergilde: Der englische FC Fulham hat sich von seinem deutschen Trainer Felix Magath getrennt. Von einer „Bilanz des Grauens“ sprach das Fachblatt kicker: 20 Pflichtspiele, vier Siege, zwölf Niederlage und der Abstieg aus der Premiere League. Auch in der Championship wurde es für den Klub nicht besser: Sein neu zusammengestelltes Team holte einen jämmerlichen Punkt aus sieben Spielen.

Wenn jemand Felix Magath erwähnt, dann gehen in Deutschland fast nur doch die Daumen runter. Zu groß war das Chaos, das der einst so elegante Internationale an seinen letzten Stationen in Wolfsburg und Schalke hinterließ. In England wird die Reaktion ähnlich sein. Sein Gastspiel beim FC Fulham endete abrupt – und die Methoden des einstigen Meistertrainers stießen auf deutliches Unverständnis in der englischen Öffentlichkeit.
„Fulham sagt Tschüss zu Magath und der verrückten Welt vom Felix, dem Hirnverbrannten“, titelte der Guardian und der ist kein Boulevardblatt. Die Absonderlichkeiten des Magathschen Regimes in der englischen Hauptstadt – und wenn man dem Autoren so glauben darf, dann ähnelt die Atmosphäre eines von Felix Magath trainierten Clubs dem einer Besserungsanstalt für gefallene Profifußballer. Das kann man hier auch schön beim stern auf Deutsch nachlesen.
Ein Textauszug aus dem Guardian-Text: „….manchmal gab es drei Sessions am Tag, einige waren nur dazu, die Spieler so lange laufen zu lassen, bis sie kurz vorm Umkippen waren. Es war bestrafend und primitiv und langsam, aber sicher, stellten die Fulham-Spieler fest, warum Magath früher den Spitznamen „Saddam“ bei einem seiner früheren Clubs trug."

Vorbilder Zebec und Happel
Das hätten die Verantwortlichen des FC Fulham aber schon früher wissen können, als sie den deutschen Übungsleiter im Februar holten. Jeder soll es erstmal der Assistenztrainer richten.
Beim FC Fulham im Londoner Westen habe ich im Sommer 1997 mein erstes Fußballspiel auf englischem Boden gesehen. Fulham war gerade von der vierten in die dritte englische Profiliga aufgestiegen, Harrod-Boss Mohammed Al-Fayed war der neue Besitzer des Clubs und der Gegner Crystal Palace war neu in der Premiere League. Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel in der Vorbereitung war, agierten beide Teams mit viel Leidenschaft. Die Fans waren nett und freundlich, das Stadion schön idyllisch, nur den Eintrittspreis von 12 Pfund fand ich damals etwas teuer. Jedenfalls verfolge ich den Londoner Club seit dieser Zeit mehr oder weniger intensiv.
Die Entscheidung für Magath war jedoch ein Fehler. Dabei hat der Trainer auch schon großartige Zeiten mit seinen Methoden erlebt. 2010 feierte ihn das Fachblatt 11 Freunde beispielsweise als Trainer des Jahres, nachdem er 2009 mit Wolfsburg Deutscher Meister und ein Jahre später mit Schalke 04 ehrenvoller Zweiter wurde.
„Der Alchemist“, titelte das Blatt und schrieb im Vorspann „Seit Jahren verwandelt Felix Magath mittelmäßige Kader in Spitzenteams.“ Im Text erzählt die einstige HSV-Legende Hermann Rieger, wie Magath unter den Trainern Branko Zebec und Ernst Happel zum Musterprofi reifte. „Er hat diesen ganz bestimmten Ton in der Stimme, bei dem Menschen einfach zuhören“, meint sein langjähriger Weggefährte. Diesen Ton werden die meisten Fulham-Spieler wohl nicht vermissen.