Donnerstag, 5. Juli 2012
Ein Held der 2. Liga: Das Leben des Ansgar Brinkmann
Er war technisch herausragend – doch die große Karriere im Profifußball machte Ansgar Brinkmann nicht. „Der letzte Straßenfußballer“ stand sich oftmals selbst im Weg. Gerade deshalb besitzt er in manchen Kreisen Kultstatus. „Der Weiße Brasilianer“ heißt die Biographie, die Brinkmann zusammen mit Bastian Henrichs verfasst hat.
Nur 59 Bundesligaspiele für Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld hat er absolviert: Die Profiwelt des Ansgar Brinkmann war eher die 2. Liga oder die Regional- und Oberliga. Vereine wie Osnabrück, Preußen Münster, Mainz 05 oder FC Gütersloh waren die Stationen des Technikers, der eigentlich in den 90er Jahren gar nicht in diese Ligen passte. Denn die 2. Liga etwa galt als „Klopperliga“, in der mehr gekämpft als gespielt wurde. Ein Akteur wie der unermüdliche Kämpfer Willi Landgraf, der in fast jedem Spiel eine gelbe Karte kassierte, steht als Rekordspieler stellvertretend für diese Epoche.


Und Brinkmann? Der sorgt als junger Wilder für Aufsehen, lässt kein Fettnäpfchen aus, legt sich mit Gott und der Welt an und verpasst so den frühzeitigen Sprung in die erste Liga. Er bekam den Spitznamen „Trinkmann“ , weil er sich von 17 Uhr bis 6 Uhr morgens in seiner Stammkneipe aufhielt.

Ladendieb aus Hunger
Chronologisch blickt der Angreifer auf sein Leben zurück, richtig los geht es mit der A-Jugendzeit bei Bayer O5 Uerdingen. Der Krefelder Verein kickte seinerseits in der Bundesliga und war zudem für seine gute Jugendarbeit bekannt. Bayer holt Brinkmann aus Ostwestfalen ins Rheinland – und der fühlt sich ziemlich alleingelassen, weil sich niemand vom Verein außerhalb des Fußballs um ihn kümmert. Geld gibt es auch keines und so ernährt sich das Talent hauptsächlich von Mutters Konserven. Wenn die alle sind, klaut er Nudeln und Thunfischdosen aus dem Supermarkt. Talentförderung in den achtziger Jahren – so war das damals. Immerhin wird Brinkmann in Jahr 2 mit den Uerdingern Deutscher A-Jugendmeister.
Auch sonst gibt es einige witzige Szenen. Wie beispielsweise beim damaligen Oberligisten BV Cloppenburg, als Kapitän Brinkmann auf der Weihnachtsfeier eine Rede hielt. „Meine Damen und Herren, ich möchte niemanden zu nahe treten. Aber ob bei uns der Trainer auf der Bank oder der Busfahrer sitzt, das ist ungefähr das Gleiche.“ Kein Wunder, dass der mächtige Sponsor des Vereins nicht gerade begeistert reagierte und seinen Spielführer in die Kreisliga-Reserve verbannte.
Brinkmann ist relativ offen, hält sich nicht lange mit Nettigkeiten auf. Besonders manche Trainer bekommen ihr Fett ab. Manchmal gibt es erstaunliche Einblicke in das Innenleben von Profi-Mannschaften – wobei der Leser manche Dinge schon immer so erwartet hat. Ist doch verständlich, wenn sich 18Jährige, die auf einmal richtig viel Geld verdienen, erst einmal ein dickes Auto kaufen – besonders wenn sie auf dem Land geboren sind.

Rebell
Bei Mainz 05 kickte Brinkmann mit dem heutigen BVB-Coach Jürgen Klopp zusammen. „Aaaaaansgaaar komm’ zurück“, schreit der immer, weil der Künstler von Defensiv-Arbeit wenig hielt. „Eine launische Künstlerfigur eben. Mit großem Können. Mit großem Herzen. Was fehlte, war die letzte Konstanz“, schreibt der Mainzer Sportjournalist Reinhard Rehberg in einem Zusatzbeitrag. Die Mainzer haben einige Typen, mit denen man als Jungprofi ziemlich unter die Räder kommen kann. Dagegen war Brinkmann eher der „liebeswürdige Messdiener, der dem Pfarrer ab und zu einen Streich spielt“, so Rossberg. „Hier ist der letzte Rebell“, meldete sich Brinkmann in seiner Mainzer Zeit am Telefon.
Der Spaßfußballer schaffte den großen Sprung nicht, gerade einmal 59 Bundesligaspiele sind eine dürftige Bilanz. „Du müsstest 50 Länderspiele haben“, sagte einst Berti Vogts. Doch Ansgar Brinkmann steht sich oftmals selbst im Weg. An manchen Stellen möchte der Leser einfach nur sagen „Ansgar, Du Idiot!“ Aber wäre der strenge Vogts mit dem „schrecklichen Kind“ fertig geworden?
Besonders die ersten 117 Seiten, wenn Brinkmann auf seine Profistationen zurückblickt, haben ihre Höhepunkte. Manchmal werden nach der Lektüre Vorurteile Realität: Profifußballer sind wirklich so. Hinterher wird es dann etwas öder, wenn Brinkmann ein sehr langes Fazit seiner Karriere zieht. Manchmal klingt das schon zu sehr nach Rechtfertigung. Aber auch dieser Teil hat einige lichte Momente.

Urteil
Lockere Lektüre, die sich wunderbar für Liegestuhl, Strand, See oder meinetwegen Freibad eignet. Natürlich nichts intellektuell Anspruchsvolles, aber über weite Strecken witzig und unterhaltsam. Und manchmal sind Profifußballer wirklich so, wie sich Amateure das so vorstellen…

Einige Anekdoten des Ansgar Brinkmann gibt es hier bei den 11 Freunden.



Freitag, 22. Juni 2012
Alles auf einen Sieger - Campino wird 50
„Too Old to Rock’n Roll Too Young to die“, sang einst Ian Anderson von Jethro Tull. Das ist natürlich Schwachsinn, denn auch die Hippieband Tull ist mit einem Altersdurchschnitt von 65,4 (geschätzt) noch heute im Geschäft. Was hat das mit unserem Jubilar Campino, der 50 Jahre wird, zu tun. Der macht doch seit 30 Jahren Punkrock als Sänger der Toten Hosen. Eigentlich nichts, nur dass die obige Weisheit auch für Düsseldorfer Punkrocker nicht passt.
Eines muss man den Hosen lassen: Sie machen immer noch hörbare Musik und wirken dabei auch im fortgeschrittenen Alter nicht peinlich. Aber wie könnte ich auch einer Band böse sein, die so einen wunderschönen Song über ein Rennpferd namens Liebesspieler. geschrieben hat.
Dieses Pferd gab es nämlich wirklich. Es muss irgendwann Ende der achtziger Jahre gewesen sein, da lief es in irgendeinem Ausgleich IV auf der Dortmunder Sandbahn. Dezember, Januar oder Februar - es war Winter, dunkel und ziemlich am Ende der Karte. Jedenfalls saß ich auf der alten Dortmunder Tribüne in einer der Logen (Logen bedeutete in diesem Fall vier weiße Plastikstühle im Viereck) und fieberte mit, weil ich Liebesspieler auf Sieg mit 2,50 DM gewettet hatte. Doch im Gegensatz zum Song siegte das Pferd - Start-Ziel mit Andrzej Tylicki im Sattel (meine ich zumindest). Der Sieg zahlte 120 und ich fühlte mich wie der König der Rennbahn. In diesem Moment wurden mir die Hosen noch sympathischer – sauber recherchierte Geschichte. Alles Gute zum 50. Geburtstag, Campino!

Alles auf einen Sieger: Liebesspieler



Freitag, 8. Juni 2012
Solide kicker-Pflicht, leicht schwächelnde 11 Freunde-Kür
So richtig ist die schwarz-rote-goldene Stimmung noch nicht da, auch wenn Lidl-Real-Kaufland-Adler-Rewe etc. alle verstärkt die üblichen Scheußlichkeiten wie Hawai-Ketten anbieten. Nichtsdestotrotz: Die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine beginnt heute und die Sonderhefte zum Ereignis sind schon längst auf dem Markt. nurpferdeundfussballbeschränkt sich wie in den Jahren zuvor auf die Exemplare vom kicker und den 11 Freunden.
„Tolle Tore und Triumphe“ titelt der kicker in unnachahmlicher Manier. Das bezieht sich aber auf eine DVD, die es zum Heft gibt (und die bei mir leider stumm blieb). Ansonsten ist das EM-Sonderheft der Nürnberger erst einmal verlässlich. Wer wie der Kolumnist die Hefte seit Urzeiten kennt, weiß, was ihn erwartet: Solide Berichterstattung zu den Mannschaften, fachlich ganz ordentlich, wenn auch nicht frei von Klischees. Die Stärken liegen eindeutig im sportlichen Bereich, die Diskussion um politische Probleme beispielsweise in der Ukraine findet nicht statt. Über Länder und Leute erfährt der geneigte Kicker-Leser sehr wenig.
Doch etwas ist neu: Zu jedem Spieler gibt es Kurz-Beschreibungen. „Dynamischer und kopfballstarker Innenverteidiger mit hervorragenden Zweikampfwerten. Auch als Aufbauspieler mit besonderen Qualitäten. Die zeigt er allerdings meist auf nationalem Niveau, in der Champions League und der Nationalelf noch nicht so“, heißt es beispielsweise über Innenverteidiger Mats Hummel vom BVB. Über die Einschätzung lässt sich diskutieren, dennoch ist das eine sinnige Ergänzung – auch wenn das Fachblatt den „Dortmunder“ Polen Lukas Pisczczek auf der falschen Seite postiert hat.

Schön pubertär

Irgendwie war ich etwas enttäuscht über das Heft der 11 Freunde. Das mag auch daran liegen, dass das Familienmagazin für Fußballkultur in den Jahren zuvor die Latte sehr hoch gelegt hatte. Inzwischen lese ich dort auch Geschichten
und Interviews, die auch im kicker hätten stehen können. So wie das fürchterlich lange Interview mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, das der kicker wenigstens auf zwei Seiten eingedampft hätte. Bei der Taktik-Story bin ich fast eingeschlafen.
Natürlich gibt es auch viele Höhepunkte, die sehr lesenswert sind. Zum Beispiel die Geschichte über die Zeit von Joachim Löw beim FC Schaffhausen, das Portrait der 80er Europameister oder der Roadtrip nach Polen und die Ukraine.
Natürlich darf der etwas pubertäre Humor des Magazins nicht fehlen. Den Brief an Franck Ribery fand ich ganz witzig, auch die Zimmerverteilung im deutschen Hotel. Suite Amselfelder, Suite Altendiez, Spielzimmer von Mario Götze – Geschmackssache, ich mag es.
Nur einer hat seine beste Zeiten leider hinter sich: Günter Hetzer, der trinkfreudige Kolumnist der vorletzten Seite, macht nur noch flaue Altherren-Witz. Und auch seine Kumpels Delle und Waldi haben schon bessere Zeiten erlebt. Ist es ihre letzte Europameisterschaft?

Fazit
Eigentlich kann ich das schreiben, was ich schon bei einigen Sonderheften der beiden geschrieben habe: Der
kicker ist die Pflicht und liefert die Daten; 11 Freunde ist zuständig für die die Kür und bietet die außergewöhnlichen Geschichten. Das trifft auch diesmal zu. Dabei gewinnt der kicker durch die Kurzbeschreibungen der Spieler fachlich weiter. Das 11 Freunde-Heft war etwas enttäuschend. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.

Nachtrag 9. Juni
Da habe ich dem kicker aber umsonst für eine Neuerung gelobt. Bereits 2008 hatte das Fachblatt die Kurz-Beschreibungen im Heft und ich habe das übersehen, obwohl das 2008 EM-Sonderheft griffbereit im Regal liegt. „Mea culpa“ sagt da der alte Lateiner, an der Einschätzung ändert sich aber nichts: Die Portraits ergänzen das kicker-Angebot sehr gut.



Dienstag, 5. Juni 2012
Hoffenheim: Vom Frosch zum Prinzen
„Früher waren es die Fans und die Spieler, heute sind es Kunden und Produkte“, sagt Torro und schaut dabei leicht resigniert. Die Welt hat sich verändert, auch im beschaulichen Hoffenheim – Torro ist Uraltfan der TSG 1899 Hoffenheim und einer der Hauptfiguren des Films „Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel“ von Frank Martin Pfeiffer und Rouven Rech.
Der Streifen begleitet den Verein von 2006 bis 2008: Es sind sportlich glorreiche Zeiten für den Klub des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Vor nicht langer Zeit kickte der Verein noch in Bezirks- oder Kreisliga. doch Hopps Millionen tragen so langsam Rechnung. 2007 steigt 1899 in die 2. Liga auf, ein Jahr später folgt der Sprung in die Bundesliga. Zudem entsteht das neue Stadion in Sinsheim.
Der Film endet mit dem Spiel in die München, als Hoffenheim als Tabellenführer die Bundesliga rockte und zum Spitzenspiel bei den mächtigen Bayern gastierte. „Das Beste der Liga“, frohlockt Jochen A. Rotthaus über den DSF/Sport 1-Trailer – und kann den kometenhaften Aufstieg kaum fassen.

Gekränkt
An den besten Stellen fühlt sich der Zuschauer wirklich „mitten drin statt nur dabei“ – wenn die Geschäftsführung mit Sponsoren verhandelt, wenn sich die einzelnen Fangruppen über die zukünftige Entwicklung des einstigen Dorfklubs streiten und dieser Spagat zwischen Herz und Kalkül deutlich wird.
Natürlich spielt Dietmar Hopp – Hassobjekt vieler gegnerischer Anhänger – eine Rolle im Film, allerdings nicht die dominierende. „Dietmar Hopp, du Sohn einer H…“, skandieren die Gladbacher Fans – und aus Hopps Blick spricht das reine Entsetzen. Er ist offenbar tief gekränkt, es sieht so aus, als wenn er zum ersten Mal die Schmähungen der gegnerischen Anhänger mitbekommt - höchst eindrucksvoll.
Überhaupt keine Einblicke gibt es in den sportlichen Bereich. Trainer Ralf Rangnick äußert sich kurz im Auto, die Spieler erlebt man nur bei einem Besuch in der Tankstelle vor einem Auswärtsspiel, wo sie sich mit Süßigkeiten für die Fahrt eindecken. Darf man das als Profifußballer?
Und heute? Hopp ist immer noch sehr unbeliebt, auswärtige Fans werden allerdings per Lautsprecher übertönt und sportlich ist der Verein im Mittelmaß der Liga angekommen. Schon in der Rückrunde 2009 war der Höhenflug beendet, von den Helden von damals ist kaum noch einer im Verein. Die TSG auf dem Weg zu einem ganz normalen Bundesligisten?

Der Film lief am 4. Juni im ZDF und wie das leider auch so ist bei den Öffentlich-Rechtlichen: Gutes wird gerne sehr spät versendet. Das Ganze lief um 23.45. Zum Glück gibt es ja eine Mediathek, wo man diesen Beitrag ca. eine Woche lang noch einmal sehen kann.



Donnerstag, 24. Mai 2012
Ein Hauch zu viel Barca-Liebe
Alle lieben den Zauberfußball des FC Barcelona. Wenn Xavi und Iniesta den Ball laufen lassen und Messi dann elegant vollstreckt, dann ist das ganz großes Kino – Fußball für Ästheten. Diese Art des Fußballs steht für die besondere Philosophie des Vereins und es ist nicht die erste Generation, die so brilliert. Auch das Team um Ronaldinho in der Mitte der 2000er-Jahre oder die von Johann Cruyff trainierte Mannschaft aus den neunziger Jahren setzen Maßstäbe. „Barca oder: Die Kunst des schönen Spiels“, heißt ein Buch von Dietrich Schulze-Marmeling, das 2010 erschien und die Geschichte des katalonischen Renommierclubs beschreibt, der immer mehr als nur ein Fußballverein war.

Schulze-Marmeling skizziert den Weg des FC Barcelona durch die Jahre und schnell wird bei allen sportlichen Erfolgen deutlich: Barca war immer auch Politik, weil der Club sich als Repräsentant Kataloniens sah. Gerade in den Zeiten der Franco-Diktatur bildete der Verein das Pendant zum „Regime-Klub“ Real Madrid, verkörperte das Gute gegenüber dem Bösen aus dem fernen Kastilien. Barca leistete auf seine Weise Widerstand gegen den Faschismus des Generallissimo Franco. Weil das so war, benachteiligte der Verband den FC Barcelona immer wieder gegenüber dem königlichen Klub aus der Hauptstadt.
Es ist ein besonderes Merkmal der Vereinsbiografien aus dem Werkstatt-Verlag: Nicht nur die sportlichen Erfolge zählen, auch der gesellschaftliche und politischen Hintergrund ist wichtig. Allerdings: Es gibt Besseres über den Klub. Jimmy Burns „A peoples passion“ stammt aus dem Jahr 1999, ist aber ein glänzend geschriebenes Werk, das gerade die politischen und historischen Zusammenhänge detailliert und sachkundig schildert. Dagegen fällt Schulze-Marmelings Werk ziemlich ab, wirkt doch alles etwas monoton. Weil er die einzelnen Stationen oft nur abhakt und sich offenbar nur auf Sekundär-Quellen verlässt.

Scheckbuch-Politik
Der größte Kritikpunkt ist jedoch die fehlende Distanz. Schulze-Marmeling ist viel zu sehr begeistert von seinem Objekt – ob Johann Cruyff, ob die Spielkultur oder Barcas Rolle bei den Autonomiebestrebungen Kataloniens. Auch diese Differenz zwischen gutem linkem (Offensiv) und bösem rechten (ergebnisorientiertem) Fußball, einst von Cesar Luis Menotti in den Ring geworfen, halte ich heute für etwas übertrieben.
Zudem war Barca auch nicht immer der Verein, der vorbehaltlich auf seinen guten Nachwuchs setzte. Im Gegenteil: Barca war einst wie heute Real unter Perez. Man holte immer nur das Teuerste, das Konzept war egal. Von „linkem“ Fußball war das weit entfernt. Gerade die Scheckbuch-Politik unter Präsident Nunes hätte der Autor viel kritischer analysieren müssen.
Wie Barca sich finanziert, wäre ein weiteres Thema gewesen. Fest steht: Auch bei den Ausgaben war Barca immer ganz vorne. Leider fehlt dieser Aspekt vollkommen, kommt in der ganzen Heldenverehrung überhaupt nicht vor.
Und natürlich hat Johan Cruyff viel für den Verein gemacht. Nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer – dennoch ist mir das alles zu glorifizierend. Denn „El Salvador“ hinterlässt auch Gräben, weil er nur seinen Weg des Erfolges kennt und wenig andere Meinungen neben sich duldet.

Fazit: Interessantes Buch, dem aber etwas mehr Distanz gut getan hätte. Es gibt bessere Biografien über den FC Barcelona.

Dietrich Schulze-Marmeling; Barca oder: Die Kunst des schönen Spiels, Verlag Die Werkstatt



Mittwoch, 28. März 2012
Lean on Pete
Er wächst nicht gerade behütet auf, der 15jährige Charley, Hauptfigur in Willy Vlautins Buch „Lean on Pete“. Die Mutter schon lange tot, der Vater nie zu hause, Freunde hat er nicht. Wie sollte er auch, wenn er immer wieder mit seinem Vater den Ort wechselt. Die derzeitige Station heißt Portland. Doch auch hier kümmert sich der Vater nicht um den Sohn. Charley bleibt auf sich alleine gestellt – und nimmt einen Job auf der Rennbahn in Portland an. Sein Chef heißt Des Montgomery, ein Trainer von Galopprennpferden, dessen beste Zeiten aber schon lange vorbei sind.


Promo-Video für Lean on Pete: Willy Vlautin ist zudem Sänger der Band Richmond Fontaine. Diese wurde 1994 auf der Rennbahn Portland Meadows gegründet.

Es ist die Kehrseite des amerikanischen Traums, die Vlautin eindrucksvoll schildert. Dann stirbt auch noch der Vater von Charley. Nur einer spendet Trost: das Rennpferd Lean on Pete. Doch auch hier droht die Katastrophe: Trainer Montgomery will Lean on Pete zum Schlachter schicken, weil dieser seine Leistung nicht mehr bringt. Charley aber flüchtet mit dem Pferd – und verliert dann auch noch Lean on Pete auf der Flucht. Immerhin kommt es nach einigen Irrungen unterwegs zum Happy-End: Charley findet seine Tante.
Das hört sich an wie der Plot einer schlechten „Soap“ und hätte fürchterlich daneben gehen können. Doch Willy Vlautin umschifft diese Hürde problemlos. Weil er diese Geschichte ohne großes Pathos und falsche Gefühle erzählt und zudem erstaunlich unkompliziert schreibt.

Quarterhorse
Es ist kein Buch, das einen emotional groß mitnimmt, weil der Autor immer distanziert bleibt. Aber diese Distanz macht das Werk so lesenswert. Denn trotz allem Elend, das Charley zustößt, verfällt der Beobachter nicht in Mitdepressionen. Es ist ein Buch vom Durchhalten auch nach den härtesten Schicksalsschlägen, die Vlautin nicht groß dramatisch ausschmückt. Sie passieren einfach.
Natürlich habe ich das Werk hauptsächlich gelesen, weil es teilweise im Rennbahn-Milieu spielt. Vorher kannte ich von Vlautin bereits „Motel Life“, doch dieses Werk überzeugte mich nicht ganz.
Auch in „Lean on Pete“ schildert Vlautin die Schattenseiten: Lean on Pete ist ein Quarterhorse, das sich seinen Hafer in dubiosen Rennen auf dem Land verdient. Sein Jockey ist ein Säufer, sein alter Trainer chronisch abgebrannt. Charley bezahlt er nur unregelmäßig und auch sonst ist er ein Typ, der wenig sympathisch wirkt. Es geht ums wirtschaftliche Überleben – und das ist eben weit weg vom „Glamour des Turfs“, den viele Unbeteiligte immer mit Galopprennen verbinden. Eher Kreisliga statt Champions League …..

Fazit: Absolut empfehlenswert, ein wirklich packendes Buch.



Montag, 5. März 2012
Liebe Reviersport-Redaktion,
es war ein tolles Wochenende – zumindest als Anhänger von Borussia Dortmund. Die Konkurrenten Bayern, Schalke und Gladbach strauchelten und spielten alle für den BVB. Das M-Wort bleibt in dieser Kolumne zwar weiter tabu, dennoch Voraussetzungen für einen perfekten Sonntag. Leider musste ich das in Bild am Sonntag und Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung nachlesen. Und leider nicht mehr bei ihnen.
Natürlich ist es schon einige Zeit her, seitdem die Print-Reviersport nicht mehr am Sonntag erscheint. Ich fand’ das schon damals mehr als bedauerlich. Das hat sich nicht verändert – und es ist so gekommen wie prophezeit: Seit der Umstellung habe ich kein einziges Exemplar mehr gekauft. Nicht weil ich das Blatt so schlecht finde, sondern weil die Konkurrenz am Montag einfach zu groß ist. Die Tageszeitungen berichten ausführlich über das Sportgeschehen des Wochenendes; zudem erscheint an diesem Tag der kicker, den ich abonniert habe.

Standard am Sonntag
Früher war die Reviersport Pflicht am Sonntag; zumindest in der Saison habe ich jede Woche treu und brav ein Exemplar erworben – und das seit 1987. Zum einen, weil in Deutschland ausgerechnet am Tag der Woche, an dem der Mensch mal Muße zur Zeitungslektüre hat, der Notstand herrscht und zum anderen, weil die Reviersport genau in diese Marktlücke stieß. Es gab jetzt eine Sportzeitung, die sich am Sonntag ausführlich mit den Spielen von Dortmund, Schalke, Bochum, Duisburg, Wattenscheid oder RW Essen beschäftigte. Spielberichte, Stimmen, Einzelkritiken – eben alles, wonach der Fan am Tag danach lechzt und alles viel, viel interessanter als in der BamS.
Selbstverständlich kann ich die Argumente für den Erscheinungstermin Montag nachvollziehen: Der Vertrieb ist einfacher, man kann die Infrastruktur des Partners WAZ nutzen, Abos können pünktlich ausgeliefert werden und und und. Nur das Alleinstellungsmerkmal Sonntag, das ist leider weg.
Sie können natürlich argumentieren, dass ich am Sonntag vieles auf reviersport.de nachlesen kann. Ich verbringe eine ganze Menge Zeit im Netz, aber dennoch lese ich immer noch lieber print. Ist einfach so….
Leider ist die Reviersport nicht in der IVW-Liste vertreten. Aber ich würde jede Wette eingehen, dass das Blatt seit dem veränderten Erscheinungstermin Auflage verloren hat? Wenn nicht, freut mich das für sie. Meinen Beitrag dazu habe ich jedenfalls nicht geleistet.



Samstag, 25. Februar 2012
Die Tränen des Noel Gallagher


Andere Blogisten veröffentlichen in der (zumindest in Deutschland) rennsportarmen Zeit Suppenrezepte, diese Kolumne geht hingegen einen anderen Weg und präsentiert was für die Ohren. „Don’t look back in anger“ ist einer schönsten Songs von Oasis und es gibt ihn hier in einer absoluten Gänsehaut-Fassung. Selbst Noel Gallagher muss weinen.
Und natürlich hat dieser Song auch was mit Fußball zu tun. Die Gallagher-Brüder sind schon seit Ewigkeiten Fans von Manchester City und haben Höhen und Tiefen des United-Stadtrivalen durchlitten. Konzertort ist das Stadion von River Plate in Buenos Aires, neben dem Lokalrivalen Boca Juniors der bekannteste Verein Argentiniens.
Nur zum Galopprennsport lässt sich auf dem ersten Blick kein Zusammenhang herstellen. Immerhin haben einige Kicker auf der Insel Rennpferde – Michael Owen und jetzt Wayne Rooney zum Beispiel.
Und wer sagt eigentlich, dass die Gallagher-Brüder fürchterliche Rüpel seien, die Hotelzimmer verwüsten, sich in Hotelbars prügeln, ihre Fans beschimpfen und deren Sprache weitgehend aus dem berühmten f-word besteht? Noel wirkt doch auf dem Video ausgesprochen höflich. Also auf zum Genießen….



Mittwoch, 28. September 2011
kicker-Sonderheft CL: Viel Nutzwert, wenig Feuilleton
Es war ein denkwürdiger Abend: Nach neun Jahren Abstinenz feierte Bprussia Dortmund sein Comeback in der Champions League. Die Zutaten stimmten: Flutlicht, ein packendes Spiel gegen den FC Arsenal und ein spektakuläres Tor von Ivan Perisic zum 1:1, das die gute Leistung des BVB wenigstens halbwegs belohnte. Die europäische Königsklasse fasziniert – besonders wenn man solange wie der Champions League-Gewinner von 1997 nicht mehr mit am Tisch saß.
Früher gab es im Westfalenstadion (das damals wirklich noch so hieß) mal Pfiffe beim Ertönen der Champions League-Hymne. In den neunziger Jahren kritisierten viele Fans auf diese Weise den Kommerzfußball, den die neue Eliteklasse so wunderbar symbolisierte. Nostalgiker sehnten sich nach dem alten Europapokals der Landesmeister mit seinem K.o-System.
Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Natürlich gibt es in der Königsklasse viel Geld zu verdienen, natürlich gewinnen immer die gleichen Reichen, dennoch ist das Image bemerkenswert gut. Nur drei von vielen Gründen: Das Spielniveau ist sehr hoch, der Zuschauer sieht dort die besten Fußballer der Welt und der Modus mit nur einer Gruppenrunde und den folgenden K.o-Spielen verspricht viel Spannung.
Seit Mitte der neunziger Jahre begleitet das Fachmagazin kicker Sportmagazin mit seinem Sonderheft das Geschehen. „Uns ging es nicht darum, als Erster auf dem Markt zu sein, sondern für Sie das beste Heft zu produzieren“, verkündet Chefredakteur Klaus Smentek im Editorial des Heftes 2011/12. Der späte Erscheinungstermin hat seine Vorteile: So sind die Kader aktuell, weil der Transferschluss vor dem Redaktionsschluss lag, Wobei das mit der Konkurrenz in diesem Jahr nicht so dramatisch sein dürfte: Die Sport Bild, stärkster Rivale, wirft in diesem Jahr kein Heft auf den Markt.

Inhalt
Wie bei seinem Bundesliga-Sonderheft setzt der kicker auch in der Saison 2010/11 auf Bewährtes, Veränderungen gibt es höchstens marginal. Warum auch nicht, warum soll man erfolgreiche Dinge nicht fortführen? Es gibt also wieder ein Interview mit einem Top-Spieler, in diesem Jahr Andres Iniesta vom Sieger FC Barcelona. Ambitionen und Ziele der drei deutschen Teams werden auf jeweils zwei Seiten (inklusive Kurz-Interview mit einem der Spieler der Klubs) vorgestellt. Für die restlichen Klubs gibt es eine Seite Redaktion. Hinzu kommen Mannschaftsfotos und eine Seite Statistik mit Spielerdaten, Vereinserfolgen etc. aller Teilnehmer. Im hinteren Teil bietet der kicker dann noch einmal ein paar Seiten zur Euroleague mit längeren Texten zu den deutschen Klubs und Kurzvorstellungen der Gegner.

Positiv
Der kicker ist ein Fachmagazin und verzichtet glücklicherweise auf boulevardeske Reißereien. Wie auch in den Jahren zuvor ist das Heft ein guter Begleiter während der CL-Saison. Nicht nur wegen der umfangreichen Daten und Statistiken: Die Texte zu den ausländischen Teilnehmern sind klar strukturiert: Die Autoren informieren über den Verein, die Taktik sowie Stärken und Schwächen. Dazu wird der nach Meinung der Autoren herausragende Spieler der Mannschaft noch einmal extra vorgestellt. Weiterhin gibt es eine Wunschelf und eine Bewertung der Teilnehmer mit Sternen. Das ist alles schon nutzwertig und bietet viele kompakte Informationen. Der kicker profitiert von seiner guten Vernetzung, die fachliche Qualität ist hoch.

Negativ
Das Positive hat auch einen negativen Effekt: Es wirkt alles etwas monoton, ein paar weitere Reportagen wie die über den SSC Neapel würden dem Heft gut tun, das Ganze etwas auflockern und den Lesefluss fördern. Natürlich wirkt manches etwas floskelhaft, das lässt sich offensichtlich in der Sportberichterstattung nicht vermeiden. Und das Iniesta-Interview ist leider durch zu viele PR-Quellen gegangen. Es ist wie in vielen Gesprächen mit großen Namen: Sie sagen eigentlich nicht sehr viel.

Urteil
Solide deutsche Facharbeit vom kicker, eigentlich wie immer. Optimal wäre eine Mischung aus kicker und 11 Freunden: Die Fakten aus Nürnberg, dazu einige Reportagen im Stil des Berliner Magazins für Fußballkultur - man wird ja noch einmal träumen dürfen.



Mittwoch, 24. August 2011
Oleinik auf Gänseblümchen
Wer es noch nicht weiß: Der große Loriot ist tot. Vicco von Bülow war ein grandioser Charakter (beim Wort Comedian sträubt sich hier die Tastatur), dem die Menschheit einiges verdankt: Die Familie Hoppenstedt und Herrn Müller- Lüdenscheid zum Beispiel. Oder die großartige Evelyn Hamann. Turffreunde erinnern sich natürlich an seinen Rennbahn-Sketch. Ein Klassiker: Diese feinnuancierte Unterhaltung zwischen zwei knollennasigen Herren auf der Rennbahn zeigt eindrucksvoll die humoristische Extraklasse des Meisters, in Galoppsport-Kategorien eindeutig Gruppe 1-Format. Und natürlich gibt es das hier noch mal - auch weil der Ausruf "Ja wo laufen sie denn?" zum geflügelten Wort wurde.
Nachtrag: Hätte ich doch vorher mal in den Bildblog geschaut. Denn der berühmte Rennbahn-Sketch stammt gar nicht von Loriot selbst. Peinlich, peinlich - allerdings sind auch viele andere in die Falle getappt.