Manchmal möchte ich Engländer sein. Oder zumindest auf der Insel leben. Wenn es zum Beispiel um so eine Wette wie die
Scoop 6 geht. Schlappe 16 Millionen Pfund (ca. 19,76 Mio. Euro) waren letzten Samstag dort im Jackpot, der Gewinner musste nur die Sieger sechs verschiedener Pferderennen vorhersagen. Und weil das in den letzten Wochen niemand geschafft hatte, war der Jackpot so prall gefüllt.
Zugegeben: Diese Sieger sind nicht leicht zu finden. Fast alle Scoop 6-Rennen sind schwierige Handicaps, wo die Suche nach dem Gewinner schon alleine reichlich hart ist. Grundeinsatz sind zwei Pfund, dann muss man sich allerdings auf einen Tipp pro Prüfung beschränken. Je mehr Tipps ich also platziere, desto mehr kostet der Schein. Desto höher sind aber auch die Gewinnchancen.
Jedenfalls haben am Wochenende
acht Mitspieler die sechs Sieger getroffen und kassierten jeder etwas mehr als 1,3 Millionen Pfund. Außerdem haben sie noch eine Bonus-Chance auf zusätzliches Geld, wenn sie am nächsten Samstag den Sieger in einer ausgewählten Prüfung treffen.
Dieser Scoop 6-Jackpot hat einen unheimlichen PR-Effekt für den englischen Rennsport. Der Turf ist in den Schlagzeilen – positiv und nicht wegen verschobener Rennen oder angeblicher Tierquälereien. Die Geschichte des armen Joe Mc Guire, der in der Woche davor seine Wette im letzten Rennen verlor, war nicht nur ein Thema für die Fachblätter, sondern auch für den
Boulevard.
Natürlich hat der Rennsport in England einen ganz anderen Stellenwert als hier in Deutschland. So berichten Zeitungen und Fernsehen regelmäßig über den Sport, haben zumindest die nationalen Medien noch ihren Horse Racing-Korrespondenten – egal ob Boulevard oder Qualitätszeitung. Das alles hängt nicht von der politischen Ausrichtung des Blattes aus: Der eher linke Guardian hat zum Beispiel eine ganz hervorragende Turf-Berichterstattung.
Aber auch im Vereinigten Königreich muss der Sport kämpfen: So hat etwa die BBC die Berichterstattung eingestellt. Channel 4 übernahm die Rennen, die die BBC bislang noch übertrug. Im Vergleich zu Deutschland mögen das marginale Probleme sein, aber auf der Insel waren einige dennoch sehr schockiert über die Entscheidung der renommierten BBC.
Lottoland
Wäre doch schön, wenn die BLÖD-Zeitung in unserem Land mal über den braven Familienvater XY schreiben würde, der für zwei Euro Einsatz zwei Millionen bei einer deutschen Scoop 6 gewonnen hätte. Das bleibt leider ein Traum, denn so eine Wette setzt sich hier leider nicht durch. Das war nicht immer so: Daniel Delius erinnert in seinem
Turf-Times-Aufgalopp an das Rennquintett in den siebziger Jahren, das „stets siebenstellige Umsätze in beträchtlicher Höhe generierte“ und das man in jeder Lotto-Annahmestelle spielen konnte. Rennquintett ist längst Geschichte – und was danach kam, blieb erfolglos, weiß auch Delius. Wie die Top 6-Wette, die ähnlich wie die Scoop 6-Wette funktionierte und fast zum gleichen Zeitpunkt im Jahre 1999 wie das englische Pendant eingeführt wurde. Der Unterschied: Die deutsche Variante scheiterte.
„Weil die Verantwortlichen keine neue Zielgruppen erreichten, die Umsätze zum Schluss beschämend schlecht waren und die Quoten entsprechend mäßig“, analysierte diese Kolumne
einst.
Hier fehlt die Basis, der Galopprennsport ist in Deutschland nur eine unter vielen Sportarten – weit hinter dem Marktführer Fußball, nach dem erst mal nichts kommt. Damit eine Großwette wie die Scoop 6 oder die V 75, die in Schweden sehr erfolgreiche Traberwette sich durchsetzt, müssen neue Interessenten her. Dazu muss die Wette landesweit spielbar sein, zudem muss richtig viel Werbung gemacht haben, damit sie bekannt wird. Das kostet viel Geld.
Zudem ist Deutschland immer noch ein Land der Lottospieler. Pferderennen hat in Augen vieler das Image des unseriösen Zockens. Manchmal gucken eine Leute, die in der Woche dreistellige Summen in ein ödes Zahlenglückspiel namens Lotto stecken, einen ungläubig an, wenn man erzählt, dass man sich für Pferderennen interessiert und auf diese auch wettet.
Wer in unserem Land bei Pferdewetten mit wenig Einsatz möglichst viel Geld verdienen möchte, dem bleibt eigentlich nur die Viererwette. Wenigstens diese funktioniert, auch wenn die Quoten nicht vergleichbar sind.
Nun werde manche Leser fragen, warum jammert der hier und spielt nicht einfach über Internet diese Wette in England mit? Das geht leider nicht, denn ich kann mich als Deutscher nicht bei vielen großen englischen Buchmachern anmelden. Die verweigern mir quasi ein Konto.
William Hill etwa hat die Sportwetten für deutsche Interessenten gesperrt. Klingt archaisch, ist aber so und hat was mit dem unterschiedlichen Glücksspielrecht zu tun.
Korrektur
Im Gegensatz zu anderen englischen Buchmachern kann ich bei Totepool auch als Deutscher ein Konto aufmachen. Ich habe es gerade probiert. Danke für den Hinweis.
Totepool