Wie viele Stunden verbringt der Fußball-Fan im Stadion seines Lieblingsclubs? Schwer zu sagen, für manche mag es ein zweites Wohnzimmer sein. Generell: Jedes Fußballstadion hat etwas Besonderes - für den Fan, für den neutralen Besucher. Mit dem wundersamen Ort Stadion beschäftigt sich auch „Fußball-Wunder-Bauten - Die schönsten Stadien und ihre Geschichten", das vor kurzem erschienene Buch von Andreas Bock, Alexander Gutzmer und Benjamin Kuhlhof. Das Schöne: Die drei Autoren beschrieben die Stadien nicht nur vom architektonischen Standpunkt, sie präsentieren unterschiedliche Geschichten zu den einzelnen Bauwerken. Das verwundert nicht, denn Bock und Kuhlhoff schreiben für das Fußball-Magazin
11 Freunde, nur Gutzmer arbeitet als Redakteur im Architekturbereich.
Manchmal funktioniert diese Mischung wirklich gut. Im Gegensatz zum
BVB-Fanzine schwatzgelb.de finde ich gerade das Kapitel über das Westfalenstadion, neudeutsch Signal-Iduna-Park, sehr gelungen. So eine Begehung der Südtribüne von unten nach oben in 90 Minuten erfordert nicht nur viel Kondition, sondern bietet auch dem dauerhaften Westfalenstadion-Besucher neue Einsichten. Ich weiß nur nicht, wie der Autor das geschafft hat, denn im Normalfall stehen die Leute auf der Süd so dicht, dass es kaum ein Durchkommen gibt und jeder Bierholer mühselig Slalom nach oben laufen muss.
Interessant fand ich das Interview mit Campino über das Stadion des FC Liverpool an der Anfield Road und die legendäre Stehtribüne Kop. Der Frontmann der Toten Hosen plaudert viel über die alte Faszination des englischen Fußballs, scheint aber von den Neuzeiten der Premier League noch nicht viel mitbekommen zu haben. Und ob alles früher immer so toll war, sei mal dahingestellt. Dennoch ein lesenswertes Interview mit schönen alten Fotos.
Mein drittes Highlight ist die Geschichte über Sven Brux, den heutigen Sicherheitsbeauftragten des FC St. Pauli. Brux erzählt von seinen Besuchern in den neunziger Jahren bei den Fans von Celtic Glasgow im Celtic Park – zu einer Zeit, als Fußball noch lange kein Event war, sondern knallhartes Arbeiter-Vergnügen. Allerdings, liebe Fans des FC St. Pauli: In Dortmund gab es schon seit 1987, als beide Vereine im UEFA-Cup aufeinander trafen, eine Fanfreundschaft mit den Grün-Weißen. Das Celtic-Trikot war lange Zeit das zweit meistverkaufte in Dortmund.
Natürlich sind auch einige Geschichten nicht so gelungen: München fand ich zu architektonisch, Maracana zu allgemein und auch Netzers Interview zum Estadio Bernabeu zählt eher zur Kategorie Durchschnitt. Und das wunderbare Stadion des FC Fulham mit dem Craven Cottage hätte mehr Raum verdient.
Fazit
19 Stadien – unterteilt in die Bereiche Champions League, Erste Liga und Überraschungserfolge – stellen die Autoren vor. Die Bilder sind meist eindrucksvoll, manche Texte auch, manche weniger. Dennoch eine nette Lektüre für lange Winterabende. 39,95 Euro sind zwar ein stolzer Preis, aber so etwas kann man sich auch schenken lassen. Ist ja bald Weihnachten.
Fußball-Wunder-Bauten - Die schönsten Stadien und ihre Geschichten,
Andreas Bock, Alexander Gutzmer, Benjamin Kuhlhoff, Callwey Verlag, 192 Seiten, zahlr. Abb., 25 x 28 cm, gebunden, ISBN 978-3-7667-1969-0, 39,95 Euro