Es ist stets das gleiche Ritual so gegen Ende des Programms. Ein Mann in den besten Jahren, ordentlicher Bauch, schwarzgelbes Stirnband und Jeansweste, betritt die Bühne und blickt in die Runde. Und dann kommt die bekannte Frage: „Schalker hier?“ Dann meldeten sich irgendwelche Versprengte aus den hinteren Bereichen des Saales und die schaut dann unser BVB-Fan Immi erstmal böse an. Er ist einer der „Zwei vonna Südtribüne“, wichtiger Bestandteil des Ruhrgebiets-Karnevals
Geierabend. Etwas später kommt dann Lollo auf die Bühne. „Wo wahrse so lange“, fragt Immi im Slang des Ruhrgebiets. „Abitur machen“, nuschelt Lollo. Und dann wird die erste Bierflasche aufgemacht.
Die zwei BVB-Fans – gespielt von Hans Martin Eickmann und Franziska Mense-Moritz – stehen sonst auf der Südtribüne, der berühmten Tribüne im Dortmunder Signal-Iduna-Park (einst Westfalenstadion), wo der Hardcore-Anhang des amtierenden deutschen Fußballmeisters sich versammelt. Immi und Lollo philosophieren schon seit Ewigkeiten (1992 gab es den ersten Geierabend) über Borussia Dortmund – natürlich im Ruhrgebiets-Dialekt. Die Nummer ist aus dem Geierabend eigentlich nicht mehr wegzudenken, im Sommer 2011 gab es sogar ein eigenes Soloprogramm.
Bier ist unser Gemüse
Meistens hat Immi das
große Wort. Von wegen alles friedlich im schwatzgelben Revier: Beim Geierabend 2012 ging es um das Scheitern des BVB in der Champions League; Immi verglich das mit der Angst, die er als Kind vor dem Nikolaus hatte, wenn er ein Gedicht aufsagen sollte. Die etwas tumb wirkende Lollo offenbart erstaunliche Einsichten. „Das Denken wird überschätzt“ philosophiert sie etwa.
Es wird ordentlich gezecht. „Nehma noch einen“, fragt Lollo, „Jaah sicher“ antwortet Immi und dann kommen Sprüche wie „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ oder „Bier ist unser Gemüse“.
Erstaunlicherweise halten die beiden ihr Niveau über die Jahre. Natürlich sind sie reichlich klischeehaft, aber sie treffen schon einen gewissen Typen, der auf der Südtribüne präsent ist. Und vielleicht werden Immi und Lollo mal die letzen Kutten-Fans in Dortmund sein.
Denn die Fans mit der
markanten Jeansweste und den vielen Stickern kommen in die Jahre. Diese Anhänger stammen offensichtlich aus einer anderen Zeit. In den 70er und 80er Jahren war der Fußball noch nicht so angesagt, kamen nicht gefühlte 90 Prozent der Stadionbesucher im Trikot. Nur der Hardcore-Fan trug das Dress seines Klubs, dazu gerne mehrere Schals – und eben Kutte.
Auf den „normalen“ Tribünenbesucher wirkten diese Fans immer etwas asozial. Sie waren laut, tranken Alkohol in Unmengen und traten oft in Gruppen auf.
Kuttenfans litten mit ihrem Verein, sie waren die treuesten Fans und kamen auch, wenn es sportlich mal nicht so lief und die Schönwetter-Anhänger sich anderen Dingen widmeten. Sie dominierten eindeutig die Fanszene. Den Kuttenträger traf man auf der Stehtribüne, meist war er männlich – Frauen waren eher die Ausnahme. Auch die Hooligans kamen in den 70er und 80er Jahren aus der Kuttenszene, erst später bestimmten Leute ohne Vereinszeichen die gewalttätige Szene.
Heute sind die Kuttenträger in die Jahre gekommen, manche sind schon über 50 und haben sich auf die besseren Plätze zurückgezogen. Die Ultras mit ihren Ritualen bestimmen die Fankurven. Doch auch auf der Dortmunder Südtribüne gibt es immer noch die Leute mit den markanten Westen – wie Lollo und Immi.