Ein ereignisreicher Maifeiertag gestern. Vielleicht haben wir in München den deutschen Derbysieger 2019 gesehen und dann war das noch Punchestown-Festival in Irland am Abend: Kemboy triumphierte mit Ruby Walsh gegen Al Boum Photo im dortigen Gold Cup. Doch der eigentliche Paukenschlag folgte danach: Jockey Ruby Walsh erklärte seinen Rücktritt. Das Ende einer großen Karriere.
Ich werde ihn vermissen. Weil Ruby Walsh quasi dazugehörte – zu Cheltenham, Aintree und den anderen Hindernisorten auf der Insel, die nicht nur meinen Sportwinter seit einigen Jahren prägen. Es war eine große Jockey-Karriere mit vielen tollen Erfolgen, aber auch immer wieder von Verletzungen unterbrochen. Gerade in letzten Jahren war es zudem eine besondere Qualität von Walsh, nach diesen Pausen wieder im Sattel zu sitzen. Der Abschied mit 39 Jahren nach dem großen Erfolg mit Kemboy im „eigenen Wohnzimmer Punchestown“ – gibt es einen besseren Moment?
Keine Ahnung, wann mir Ruby Walsh das erste Mal richtig auffiel. Natürlich wusste ich, dass da aus Irland ein großes Talent kommt. Der Erfolg mit Papillon für Vater Ted beim Grand National 2000 war das erste Ausrufezeichen. Später kamen dann unter anderem Azertyuiop, Hurricane Fly, Kauto Star oder Big Buck’s – da war er schon einer der Top-Hindernisjockeys. „Ich war glücklich, einige der besten Pferde der letzten Jahre reiten zu dürfen“, sagte Walsh gestern.
Ruby Walsh war ein brillanter Jockey. Einer, der alles konnte. „Er hat keine Schwäche, den Stil und die Stärke, das Temperament, das Tempogefühl – er hatte alles, was ein Top-Sportler braucht“, erklärte sein alter Weggefährte AP Mc Coy ihn und verglich ihn mit Fußball-Weltstar Lionel Messi, der beim FC Barcelona auch den Unterschied ausmacht. Was Jürgen Klopp und der FC Liverpool gestern schmerzlich erfahren mussten.
Ruby Walsh in Top-Form: Big Buck’s wehrt den Angriff von Grands Crus ab und gewinnt die World Hurdle 2011.
Auch diese Kolumne hat sich oft mit Walsh befasst. Nicht nur nach Erfolgen, auch 2016, als er einige Mal mit dem Sieg vor Augen am letzten Hindernis fiel. „Nun wirkt Ruby Walsh immer für den Kolumnisten wie jemand, der Selbstvertrauen ohne Ende besitzt. So viel, dass das für den Beobachter schon fast arrogant wirkt. Jedenfalls gehen viele Pferde für Walsh optisch immer sehr gut, sitzt er lange still und ist oft der Letzte, der sich im Sattel bewegt. Cool bis zum Limit. Das mag natürlich an der Klasse seiner Ritte liegen, aber bei Ruby sieht Rennreiten nie nach Arbeit aus“, schrieb diese Kolumne einst.
Cheltenham-Champion
Walsh war immer auch ein Mann für die großen Momente. Er war der optimale Partner für die Hochkaräter aus den Ställen von Willie Mullins und Paul Nicholls. Und in Cheltenham ritt er, so mein Eindruck, „noch famoser als sonst“. Nicht immer, aber in den allermeisten Fällen.
Dabei haben mir Ruby Walsh und seine Pferde nie große Wetttreffer beschert. Das liegt auch an meine Abneigung gegen Favoriten, die entsprechend tief am Toto stehen. Gegen Ruby, Mullins und Nicholls war das aber oft vergeblich.
Die größten Erinnerungen habe ich an seine Ritte auf Big Buck’s. Dieser Supersteher aus dem Nicholls-Quartier, der die langen Hürdenstrecken jahrelang souverän beherrschte und unschlagbar schien. Doch manchmal gab es Herausforderer, die musste man einfach spielen. 2011 zum Beispiel in der World Hurdle in Cheltenham Grands Crus aus dem Stall von David Pipe. Es sah nach einer Wachablösung aus, als der Pipe-Schützling mit Tom Scudamore attackierte. Doch Big Buck’s und Walsh fanden wie so oft den höheren Gang und stürmten davon. Obwohl sie schon geschlagen schienen. Es war mal wieder ganz großes Kino.
Trainer möchte Ruby Walsh nicht werden. In Deutschland werden wir ihn weiter als Experten bei Racing TV erleben. Und Willie Mullins möchte gerne, dass er weiter sein Quartier als eine Art Berater unterstützt. Die beiden hatten in ihrer Zusammenarbeit übrigens nie richtig Streit – auch eine Qualität.
Erstes Gipfeltreffen der deutschen Derby-Kandidaten 2019 im pferdewetten.de – Bavarian Classic im München. Acht Pferde rücken am Maifeiertag um 16:05-Startzeit in die Boxen. Es ist ein sehr starkes Feld. Starter und Chancen.
1. Accon (Trainer Markus Klug/Jockey Jiri Palik): Einer von drei Startern von Trainer Markus Klug und mit sieben Starts das erfahrenste Pferd im Rennen. Im März legte er die Maidenschaft ab, vorher oft platziert (unter anderem hinter Django Freeman), aber andere Pferde könnten mehr Potenzial haben.
2. Amiro (Trainer Michael Figge/Jockey Alexander Pietsch): noch sieglos, beste Platzierung 2018 bei vier Starts waren fünfte Plätze. Müsste sich über Winter schon gewaltig verbessert haben.
3. Beam Me Up (Trainer Markus Klug/Jockey Martin Seidl): Siegte beim Debüt im November in München trotz sichtbarer Unreife, der Zweite und der Vierte gewannen danach Rennen. Jetzt ist weitere Steigerung gefragt. Interessanter Außenseiter.
4. Django Freeman (Trainer Henk Grewe/Jockey Lukas Delozier): Campanologist-Sohn, zweijährig eines der besten Pferde des Jahrgangs. Erfolgreich beim Debüt in München, dann überlegener Sieger gegen Accon im Düsseldorfer Auktionsrennen und zuletzt knapp unterlegen im Winterfavoriten. Das sind schon Referenzen und auch beim Jahresdebüt das zu schlagende Pferd. Längere Strecke sollte ihm liegen.
5. Dschingis First (Trainer Markus Klug/Jockey Adrie De Vries): Bruder der hochklassigen Dschingis Secret und Destino, die Wahl von Klug-Stalljockey Adrie de Vries. Zweijährig noch sieglos, aber die Brüder waren eher auch spät. Mal gucken, ob er schon ins Rollen kommt. Interessanter Starter, aber im Laufe der Saison vielleicht noch besser.
6. Enjoy The Moon (Trainer Peter Schiergen/Jockey Filip Minarik): Sea The Moon-Sohn, der beim zweiten Lebensstart Dschingis First besiegte. Talentiert, muss jetzt Farbe bekennen.
7. Quest The Moon (Trainerin Sarah Steinberg/Jockey Pat Cosgrave): Hochtalentierter Lokalmatador. Beim Debüt noch so eben besiegt von Django Freeman, danach folgte der überzeugende Erfolg im Badener Zukunftsrennen und Platz 2 im Mailander Gran Criterium (Gruppe 2). Spannend, ob er das dreijährig fortsetzen kann. Nach Abstammung sollte der Sea The Moon-Sohn Stehvermögen haben. Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat.
8. Quian (Trainer Peter Schiergen/Jockey Andrasch Starke): Bei zwei Starts noch ungeschlagen und zuletzt im München Sieger im Auktionsrennen. Die Wahl von Andrasch Starke, sein Trainer Peter Schiergen hält den Mastercraftsman-Sohn für einen Steher, der dreijährig noch besser wird. In den gleichen Farben gewann Lucky Speed einst das Bavarian Classic und später das Derby.
Urteil
Es ist so häufig um diese Zeit bei den Dreijährigen: Top-Zweijährigen-Form trifft auf Potenzial. Django Freeman und Quest The Moon setzten zweijährig Maßstäbe in Top-Gesellschaft. Beide zählen auch diesmal zu den Siegaspiranten. Doch sie erwarten Gegner, deren Grenzen noch nicht erkannt ist. Dschingis First, Beam Me Up oder Enjoy The Moon sind solche Pferde. Mein Tipp ist jedoch der unbesiegte Quian aus dem Schiergen-Stall, der auch noch weitere Reserven haben sollte.
Es ist das übliche Theater vor dem immergrünen Revier-Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04. Die Schalker Ultras zündeln, ex-Borusse Kevin Großkreutz keilt zurück und auch sonst ist einiges los. Aber selten war die Schalker Stimmung so schlecht wie jetzt.
Denn die Ausgangslage vor dem Ruhr-Derby ist so eindeutig wie schon ewig nicht mehr: 42 Punkte trennen die Rivalen. Borussia Dortmund (69 Punkte, Platz 2) spielt trotz einiger Ausrutscher immer noch um die Meisterschaft, Schalke (27 Punkte, Platz 15) aber ist böse abgestürzt. Der Vorjahreszweite feierte in der Rückrunde gerade mal zwei Siege und kassierte schon acht Niederlagen.
Derzeit kann der Klub froh sein, dass die anderen Teams wie Stuttgart, Nürnberg und Hannover noch desolater sind. In besseren Saisons wäre das die Bilanz eines Absteigers.
Es gab bittere Schlappen: 0:4 gegen Fortuna Düsseldorf zuhause, 0:3 in Mainz, 2:5 gegen Hoffenheim, 0:7 in der Champions-League bei Manchester City. Trainer Domenico Tedesco – im letzten Jahr noch gefeiert als neuer Kult-Trainer – musste im März gehen, der so ambitionierte Manager Christian Heidel verabschiedete sich schon früher.
Seit kurzem soll es Huub Stevens, Schalkes Jahrhunderttrainer, richten. Aber der einstige Macher der Eurofighter von 1997 wirkt inzwischen reichlich angeschlagen, die Wende hat er nicht geschafft.
Experten nennen das aktuelle Team das schlechteste der letzten Jahre, selbst der sonst so reservierte kicker haut in diese Kerbe. Dabei hatten viele vor der Saison noch Heidel und Tedesco für ihre Transferpolitik gelobt: Hinter Innenverteidiger Salif Sane war die halbe Bundeliga her. Sebastian Rudy war Nationalspieler, überzeugte bei den Bayern und überragte davor in Hoffenheim. Mark Uth erzielte in der Vorsaison in Hoffenheim 14 Tore und gab neun Vorlagen. Omar Mascarell gefiel in Frankfurt und Suat Serdar galt als Zukunftshoffnung in Mainz. Bis auf Sane konnte keiner überzeugen, die anderen konnten nie an ihren guten Vorleistungen anknüpfen.
Leblos, ratlos, hilflos
Dabei haben sie immer noch gute Individualisten, aber sie passen als Team nicht zusammen. Ich habe die Knappen in der Rückrunde zweimal über 90 Minuten im TV gesehen. Im März spielten sie in Bremen und hielten sich trotz der 2:4-Niederlage ganz passabel, zumal sie in der Woche vorher das deprimierende 0:4 gegen Düsseldorf kassiert hatten. Danach habe ich sie noch mal gegen Werder im DFB-Pokal beobachtet. Das war schon unter Stevens, defensiv standen die Schalker ganz gut, kreativ passierte aber nichts. So richtig musste Bremen auch diesmal beim 2:0 nicht zittern.
Aber am Samstag ist Derby. Es gibt genug Anhänger der Blauen, die glauben, ein Sieg in Dortmund rettet die Saison. Und versaut schwarzgelb die Meisterschaft. So, wie der BVB es 2007 mit Schalke machte.
Wie wird das Spiel laufen? Schalke wird mit zwei Ketten das Spiel eng machen, tief stehen und quasi den Mannschaftsbus im eigenen Strafraum parken. Das haben zuletzt auch Hannover, Stuttgart und Wolfsburg in Dortmund gemacht, der BVB tat sich mehr oder weniger schwer. Also nichts für Feinschmecker, ein 4:4 im Vorjahr ist nur schwer vorstellbar. Wobei so ein Ergebnis aus Dortmunder Sicht ein heftiger Schlag ins Gesicht wäre. Der BVB siegt 3:1.
Perle aus dem Netz: Reportage des englische Sender itv über das Revierderby. Es war das berühmte Spiel 2007, in dem der BVB den Schalkern die Meisterschaft versaute