Mittwoch, 20. Februar 2019
Well Chief: Aus Weidenpesch zum Arkle-Triumphator
Wie die Zeit vergeht. Es muss 1992 gewesen sein und erstmals wurde mir richtig bewusst, welche Bedeutung das Cheltenham Festival für die englisch-irische Hindernis-Gemeinde hat. Bald ist es wieder soweit, das Cheltenham Festival 2019 naht. Grund genug für uns, an große Momente des Festivals zu erinnern. Folge 1: Well Chiefs Erfolg in der Arkle Challenge Trophy Chase 2004.



Große Stunde: Well Chief gewinnt den Arkle 2004 während des Cheltenham-Festivals

2004 war das Cheltenham-Festival ein Wettdesaster. Es war das einzige Jahr, an dem ich ohne einen Sieger blieb. Und das ganze Elend begann eigentlich bereits im zweiten Rennen des Dienstags, der Arkle Challenge Trophy Chase. Da triumphierte Well Chief und der war doch ein alter Bekannter. Denn dreijährig gewann er 2002 am Himmelfahrtstag in Dortmund den Großen Preis der Stadtsparkasse Dortmund, die damalige Derby-Vorprüfung, und natürlich war ich an diesem Tag live vor Ort.
In Deutschland trainierte Ralf Suerland den Fuchs, mit klassischen Ehren wurde es aber nichts. Zumal er – wenn ich mich recht erinnere – gar keine Derbynennung hatte. Dafür machte Well Chief aber über Hindernisse in England große Karriere. Denn er wechselte in den Hindernisstall von Trainerlegende Martin Pipe, trug die berühmten blau-grünen Farben von David Johnson und entpuppte sich als sehr talentierter Hürdler. Unter anderem belegte der Wallach Platz 2 in der Triumph Hurdle.
Doch das Ziel waren die schweren Sprünge. Er siegte auch zur Premiere in Taunton, aber überzeugend sah anders aus. Dann kam die Arkle Challenge Trophy Chase am ersten Cheltenham-Tag und ich hätte ihn eigentlich wetten müssen. Zumal ich schon in Deutschland immer gern die Pferde von Trainer Suerland gespielt habe.

McCoy steuert zum Sieg
Jetzt saß Tony McCoy im Sattel, aber ich entschied mich für Caracciola, auch einem ehemaligen Deutschen. Selber schuld, denn McCoy ritt Well Chief mit viel Vertrauen aus hinteren Regionen, sein Partner sprang sicher und ökonomisch und McCoy startete seinen Angriff genau richtig. Vor dem letzten Hindernis lag der Pipe-Schützling an der Spitze, kurze Schrecksekunde nach einem Wackler am letzten Sprung und Kicking King ihm noch mal nahe kam, doch McCoy wäre nicht der große Jockey, wenn er nicht sein Pferd noch mal mobilisieren kann. Well Chief siegte mit einer Länge – und ich machte dicke Backen.
Der Arkle-Sieger aber mischte künftig in der Steepler-Champions-League über zwei Meilen kräftig mit. Er hatte nur das Pech, auf andere sehr gute Pferde zu treffen. Es waren immer packende Duelle und Well Chief zeigte dabei viel Herz und großen Kampfgeist. „Er war Teil einer goldenen Ära mit Moscow Flyer, Azertyuiop und ihm“, sagte David Pipe, der seinem Vater als Trainer folgte. „Er war ein echter Charakter und ein sehr gutes Pferd. Er hätte einige Queen Mother Champion Chases gewonnen, wenn die Konkurrenz nicht so stark gewesen wäre.“
Zweimal kam er nach Bein-Verletzungen zurück, allein das ist schon eine große Leistung. 2010 beendete der Night Shift-Sohn seine Karriere, 2017 starb er an einer Kolik.



Montag, 11. Februar 2019
Der Schlosser und der Jungprofi


So manche Sprüche begleiten einen ein ganzes Leben. „Von Ihnen gibt es wahrscheinlich 50.000 in Deutschland, von uns vielleicht 500, die in der Bundesliga spielen können. Wir bekommen das Geld dafür und bieten auch die Leistung dafür“, sagte einst Fußball-Profi Michael Rummenigge am Telefon zu einem Schlosser, der die hohen Fußballer-Gehälter kritisiert hatte.

1984 war das, Michael Rummenigge, geboren am 3. Februar 1964, war damals gerade 20 Jahre alt und auf dem besten Weg, eine ähnlich große Karriere wie sein großer Bruder Karl-Heinz beim FC Bayern München zu machen. Ein junger Mann, leistungsorientiert, elitär und ein wenig forsch, seine Popper-Tolle macht ihn auch nicht gerade sympathisch.
Der WDR-Film, den Arnd Zeigler dankensweise wieder ausgegraben hat, war am nächsten Tag Gesprächsthema bei mir und meinen Freunden. Und Rummenigge kam da nicht gerade positiv weg. Später wechselte der gebürtige Lippstädter zum BVB, vor seiner Verpflichtung gab es auch wegen besagtem Spruch einige Proteste von Dortmunder Fans. Diese verstummten aber recht schnell, weil Rummenigge den BVB fu0ballerisch gut verstärkte. Doch ein Liebling der Massen wurde er nie, da bevorzugten die Borussen-Anhänger doch eher rustikale Kämpfertypen.
Der Film ist sehenswert. Weil Rummenigge authentisch rüberkommt und wenn man seinen Vater und Mutter hört, erfährt der Zuschauer schnell, in welchem bürgerlichen Mileu im westfälischen Lippstadt er und sein großer Bruder Karl Heinz groß wurden. Die Rummenigges arbeiteten hart, die Mutter war Hausfrau, Extravaganzen waren verpönt. Wie das damals oft so war. Und jetzt die beiden Söhne, die Karriere im Profifußball machen.
Heute verdienen Fußballer noch viel mehr und so ein ehrlicher Film wäre in der gelackten Berater- und Social Media-Welt gar nicht mehr möglich. Leider.



Donnerstag, 7. Februar 2019
Wetten, die die Welt nicht unbedingt braucht
Es ist ja nicht so, dass sich im deutschen Galopprennsport nichts bewegt. Zwei neue Wettarten – die Multi und die 2 aus 4 – sollen ab Mitte April den Toto-Umsatz ankurbeln. Dafür entfällt der Platz-Zwilling. Den Kolumnisten berührt das aber weniger.

Der Platz-Zwilling ging etwa völlig an mir vorbei. Bei den neuen Wetten klingt zumindest die Multi ganz interessant. Sie funktioniert ähnlich wie der Drilling in Frankreich, Unterschied: statt drei Pferden sind vier zu tippen. Diese müssen die ersten vier Plätze belegen, die Reihenfolge ist egal. Das macht die Erfolgschancen größer und die Quoten kleiner. Das Erfolgsrezept ist klar: Je besser die Quoten, desto größer die Erfolgschancen der Wette.
Ähnliches gilt für die 2 aus 4, wo nur zwei der ersten vier Pferde eines Rennens angesagt werden müssen. Klingt simpel und soll den Platzzwilling ersetzen. Erfolgsaussichten: in meinen Augen gering. Warum soll die Wette funktionieren, wenn schon der Platz-Zwilling gescheitert ist?

Sehnsucht nach einer Großwette
Man hätte eher die bestehenden Wetten stärken sollen. Immerhin wurden die Quoten der Sieg/Platzwetten erhöht, weil die Abzüge reduziert worden. Damit ist das deutsche Wettangebot konkurrenzfähiger gegenüber Frankreich und England.
Aber dennoch fehlt mir so eine Art Großwette, wo man mit wenig Einsatz viel Geld machen kann. Ich wiederhole mich gerne: So etwas wie die erfolgreiche V 75 in Schweden. Oder etwas kleiner, aber leichter zu treffen: den Placepot in England. Das ist so eine Art Platz-Schiebewette und er wird gespielt in den Rennen 1 bis 6 einer Veranstaltung, jeder Rennort hat dabei seinen eigenen Placepot.
Ähnliche Dinge sind in Deutschland zwar schon böse gefloppt und ohne starke Partner wird das kaum umsetzbar sein. Und ohne Geduld, Marketing und Geld so und so nicht.
Immerhin funktioniert das mit der Viererwette ganz gut. Und vielleicht werden Multi und 2 aus 4 zu Knüllern. Dann hätte ich mich gerne geirrt.