Donnerstag, 31. Januar 2019
Frodon, Frost und der Gold Cup
Es war mal wieder ein großer Tag für Byrony Frost am letzten Samstag im englischen Cheltenham: Mit Frodon siegte sie in den Cotsworld Chase, einem der Höhepunkte des Festival Trials Day. Als nächstes steht für das Pferd von Trainer Paul Nicholls der Gold Cup auf dem Programm. Hat Frodon eine Chance? Schreibt Frost Geschichte und gewinnt als erste Frau im Sattel das wichtigste Rennen der englischen Hindernissaison?

Sie sind eine Kombination, die scheinbar im Himmel erdacht wurde: Bryony Frost und Frodon. „Ich habe nie ein Pferd mit so viel Herz geritten. Er ist tapfer und mutig“, sagt seine Reiterin. Aber reicht das für den Gold Cup im März?
Bei den Bookies ist der Nicholls-Schützling eher Außenseiter. Racebets beispielsweise gibt für 10 Euro Einsatz 170, bei pferdewetten.de sind es für den gleichen Betrag 150. Ob ich da einsteigen würde, ist eher fraglich.
Was für Frodon spricht: Er ist ein sicherer und schneller Springer, mit seiner Reiterin harmoniert er prächtig. Aber hat er auch das Stehvermögen für die 5.331 Meter lange Strecke im Gold Cup? Am Samstag in Cheltenham waren es 5080 Meter, das war für den Wallach seine bislang längste Distanz. Kurz schien es so, dass Elegant Escape noch an Frodon vorbeizog, doch dann rauften sich dieser und seine Reiterin noch mal zusammen und wehrten den Angriff ab. Nichtsdestotrotz bleiben kleine Zweifel, der Zweitplatzierte springt nicht so sicher, hat aber mehr Stamina.

Die Gegner
Mein derzeitiger Favorit für den Gold Cup ist Native River. Der Vorjahressieger findet auf der steigenden Zielgerade in Cheltenham immer neue Reserven. Wenn ein Pferd die Bahn in Cheltenham mag, dann ist das der Schützling von Colin Tizzard. Kempton liegt ihm hingegen nicht, Platz 3 im King George war daher ganz in Ordnung.
Ansonsten gibt es bei vielen anderen Kandidaten Fragezeichen. Might Bite enttäuschte in dieser Saison bislang zweimal sehr. Clan Des Obeaux war der überraschende King George-Sieger, aber kann er diese Form auch auf den völlig anderen Kurs in Cheltenham übertragen? Thistlecrack wäre ein Champion des Herzens, aber er macht auf einem Kurs wie Cheltenham zu viele Fehler.
Den Wettmarkt führt Presenting Percy an. Ein Pferd mit einem großen Ruf, im letzten Jahr Sieger in der RSA Chase. In dieser Saison startete er erst einmal und gewann souverän über Hürden. Aber jetzt geht es gegen die großen Jungs, das ist eine andere Klasse. Kemboy und Al Boum Photo sind die Überraschungspakete – beide müssen sich allerdings noch mal steigern. Und so überragend die Bilanz von Trainer Willie Mullins in den anderen Top-Cheltenham-Rennen ist, den Gold Cup hat der vielfache Champion noch nie gewonnen. Bislang blieben nur diverse zweite Plätze.



Ob sich Geschichte wiederholt: 1999 siegte See More Business mit Mick Fitzgerald und bescherte Trainer Paul Nicholls seinen ersten Gold Cup. Der 16:1-Außenseiter rang den 66:1-Schuss Go Ballistic nieder. Später folgten dann Kauto Star (2x) und Denman für Nicholls. 2018 hofft der Trainer auf Clan Des Obeaux und eben Frodon



Montag, 28. Januar 2019
Ausflüge in die gierige Welt des Fußballs
„Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte des Profifußballs“ zeigt eindrücklich die Abgründe des populärsten Sports der Welt. Ablöse-Wahnsinn, Menschenhandel, Steuerbetrug, Korruption – keine Sauerei ist dem Sport fremd. Die Branche ist nicht nur verlogen, sondern auch gierig.

Zwischendurch war mal Zeit für ein kleines zynisches Fazit, wenn denn Geld der entscheidende Faktor ist: „Augen auf bei der Berufswahl“, dachte ich. Gut, bei mir ist da der Zug abgefahren, aber jüngeren Leser sei der Beruf des Spielerberaters im Profifußball doch sehr ans Herz gelegt: Wenn man die richtigen Leuten kennt, ist das ein Job mit großen Verdienstmöglichkeiten. Denn diese Berufsgruppe profitiert nach den Spielern am meisten von den riesigen Summen an Geld, die derzeit den Profifußball fluten.
Zum Beispiel beim Wechsel von Pierre-Emerick Aubameyang. Der wollte um diese Zeit im letzten Jahr partout von Borussia Dortmund zum FC Arsenal nach London wechseln. Bei seiner Abschiedsvorstellung im Dortmunder Stadion gegen den SC Freiburg hielt er sich dezent zurück und hatte so wenige Ballkontakte, dass die Fans noch nicht mal pfeifen konnten.
Kein Wunder – Football Leaks enthüllt die Vertragsdetails. Danach bekommt „Auba“ bei seinem neuen Arbeitgeber ein jährliches Grundgehalt von 10,3 Mio Pfund, hinzukommen noch mal 2,26 Mio. Pfund, wenn Arsenal sich für die Champions League qualifiziert. Weiterhin gibt es 50 000 Pfund Prämie für jedes erfolgreiche Spiel, in der der Gabuner in der Startaufstellung steht. Wenn Aubameyang 25 Tore oder Vorlagen in einer Saison schießt, darf er sich über weitere 300 000 Pfund freuen.
Das Beste ist jedoch der Loyalty-Bonus von 15,15 Millionen Pfund, wenn der Stürmer bis 2021 bei Arsenal bleibt. Verständlich, dass Aubemeyang partout nach London wechseln wollte. Der BVB durfte sich immerhin über die Ablösesumme von 63,75 Millionen Euro freuen. Der FC Arsenal hingegen brachte nur das Geld wieder in Umlauf, dass es für Alexis Sanchez von Manchester United bekommen hat.
Natürlich weiß jeder, dass Geld den professionellen Fußball regiert. Das Team um die Spiegel-Redakteure Rafael Buschmann und Michael Wulzinger arbeitete hart, die Daten der Plattform Football Leaks für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 18,6 Millionen Dokumente stellte Whistleblower John zur Verfügung. 66 Journalisten des europaweiten Recherchenetzwerkes EIC (European Investigative Collaboratories) kämpften sich durch den Datenwulst. Das Ergebnis hat sich gelohnt.

Mission
„Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte des Profifußballs“ ist eine sehr spannende Lektüre, liest sich trotz der trockenen Thematik wie ein Thriller. Woher Football Leaks die Daten hat, verrät Informant John nicht. Wer er ist, sagt er auch nicht. Es sei zu gefährlich.
Er ist jedenfalls Fußball-Fan John. Manchmal zweifelt John an seiner Mission, den Sport transparenter zu machen: „Ich bin frustriert. Ich frage mich, ob es alles das wert ist. ….Die Fußballwelt ist kurz aufgeschreckt, das schon, aber mittlerweile läuft alles so wie früher.“ Kontrollverlust, unerwünschte Innenansichten, hartnäckige Nachfragen und Veröffentlichen zu anrüchigen Gerüchten seien das Letzte, was die Fußballbranche brauche.
Die Branche – Vereine, Berater, Spieler und Verbände – schweigt offiziell. In der Fußballwelt möchte man gern zur Tagesordnung übergehen. Der Weltfußballverband FIFA reagierte nicht auf das Angebot, ihnen die Daten zur Verfügung zu stellen. Das zeugt von Desinteresse.
Polizei, Steuerfahndung, Politik reagieren eher auf die Enthüllungen, acht Steuerbehörden hätten sie angeschrieben. Das macht John und den Autoren wiederum Hoffnung. Dann hätte sich der Aufwand doch gelohnt.

Nachtrag
Wer John ist, steht fest. Weitere Infos hier



Donnerstag, 17. Januar 2019
Andre Best: Ein stiller Held des Turfs
Das allein ist schon eine große Leistung: Seit fast 30 Jahren sitzt Andre Best im Sattel auf Deutschlands Rennbahnen. Der Mann hat immer noch einiges drauf – das zeigt er auch in dieser Saison auf den Sandpisten in Neuss und Dortmund. Best ist einer dieser stillen Helden des Turfs, die oft übersehen werden – im Rampenlicht stehen andere Namen.

Es schüttete und schüttete. Und das gefühlt seit einer Woche. Kein Wetter, an denen man gerne vor die Tür geht. Es ist Sonntagmorgen gegen 10:55, die Zeit, in denen in diesem Winter schon mal Sandbahnrennen in Dortmund stattfinden. Dank PMU und so erwartet den Besucher früh um diese Zeit das „beste“ Rennen des Tages. Nur ein Ausgleich 3 und dort gibt es über die langen 2500 Meter einen spannenden Endkampf zwischen Camberwell und Epako. Letzteren hatte ich gewettet, doch so sehr sich sein Jockey Riccardo Mela auch mühte, er kam nicht vorbei. Weil Andre Best Camberwell immer neue Reserven entlockte und letztlich souverän siegte. Tolle Leistung von Reiter und Pferd.
Jockey Andre Best begleitet den Kolumnisten schon seit Ewigkeiten – so wie seine Kollegen Andrasch Starke oder Andreas Helfenbein. Zu Beginn seiner Karriere 1990 ritt er noch gegen Leute wie Lutz Mäder, Kevin Woodburn, Manfred Hofer oder Dragan Ilic. Es waren die guten Zeiten des deutschen Turfs. Im nächsten Jahr wird Best 50 Jahre, die große sportliche Karriere hat der gebürtige Essener nicht gemacht, in England würde man ihn als „Journeyman“ – sehr frei übersetzt: einer, der seine Arbeit gut kann – bezeichnen.

Im 1000er Club
Seine größten Erfolge feierte Best 1993 mit Kornado, mit dem er Union und Mehl Mülhens-Rennen gewann. Ältere werden sich erinnern: Das war dieser großartige Jahrgang 1990 mit Lando, Monsun, Sternkönig und eben Kornado. Im gleichen Jahr siegte Best zudem mit dem großen Außenseiter Pinot im Dortmunder St. Leger – Pinot und Kornado trainierte der längst verstorbene Bruno Schütz, bei dem der Jockey auch seine Ausbildung absolvierte.
Danach wurde es ruhiger, die Schlagzeilen machten andere. Andre Best ritt nach seiner Zeit bei Bruno Schütz unter anderem für die Trainer Uwe Ostmann, Horst Steinmetz, Hans-Albert Blume, Peter Schiergen, Andreas Löwe, Hartmut Steguweit und Mario Hofer. Aber in den Blickpunkt rückte er eigentlich nur noch einmal: Seit dem 27. Januar 2013 ist er Mitglied des 1000er Clubs, in denen nur Jockeys und Trainer mit 1000 Siegen kommen. Die großen und spektakulären Erfolge fehlten. Meist war er für kleinere Quartiere in den unteren Handicaps unterwegs.

Hohe Quoten
Eigentlich habe ich Best erst seit 2011 wieder auf dem Radar: Da ritt er in einem Listenrennen in Baden-Baden den hochtalentierten Rosello für Trainerin Sarah Weis zum Sieg und nicht nur Rennkommentator Manfred Chapman sah den kommenden St. Leger-Sieger. In Dortmund kam Rosello dann verletzungsbedingt nicht an den Start.
Best ist immer noch ein guter Reiter und gerade mit Außenseitern oft für eine Überraschung gut. Der Kolumnist ist seit einiger Zeit richtig angetan. Auch deshalb, weil ihm der Jockey in den letzten Jahren einige schöne Treffer bescherte. Best versteht es sehr gut, ein Pferd von der Spitze zu reiten und sich das Tempo einzuteilen. Beispiele waren die beiden Erfolge mit Camberwell in Dortmund im Dezember oder Mystic Tale für Trainer John Hillis am 14. Oktober in München.
Zebspear hatte ich am 2. Weihnachtstag allerdings nicht auf der Rechnung. 49,5:1 lautete die hohe Quote; das Pferd aus dem Quartier von Sven Schleppi gewann aber im Stile eines klaren Favoriten. Best hatte ihm aus Startbox 2 ein optimales Rennen von vorne beschert, wechselte früh an die Rails und stiefelte auf dem kürzesten Weg davon. In Dortmund in den Sprints über 1200 Meter sind die inneren Startboxen immer von Vorteil. Das weiß ein Profi wie Best.