Samstag, 24. März 2018
Held der australischen Picknick-Rennen
Einst galt Sommernachtstraum auf diesen Seiten als Geheimtipp für das Deutsche Derby 2011. Daraus wurde nichts. Später führte sein Weg nach Australien, wo er sich mit zehn Jahren immer noch auf den dortigen Rennbahnen tummelt. Durchaus erfolgreich. Jetzt gab es ein Wiedersehen mit ihm in diesem netten Video.

Der Kolumnist war im Mai 2011 ganz hingerissen und witterte – Traum eines jeden Kleinzockers – viel Gewinn für wenig Einsatz. „Ein Derby-Traum zum Kurs von 200“, betitelte er seinen Text, in dem er hoffnungsvolle Kandidaten für das wichtigste Rennen des deutschen Turfkalenders vorstellte. Der Traum trug den Namen Sommernachtstraum: „Bei zwei Versuchen noch sieglos, aber hier macht der Ton die Musik...Steigerungsfähig und Stehvermögen ohne Ende“ lautete die Analyse.
Das war nach zwei Rennen, es folgte das Iffezheimer Derby-Trial Anfang Juni. Dort unterlag er nur dem späteren Derbysieger Waldpark, ohne jedoch eine Chance gegen diesen zu haben. Im Derby allerdings bleib der Shirocco-Sohn ohne Möglichkeiten und landete als 13. im geschlagenen Mittelfeld. Der Wunsch des Kolumnisten vom Derby-Sieger war dann doch ein wenig verwegen.
Sportliche Spitzenklasse besaß der in Deutschland von Waldemar Hickst trainierte Sommernachtstraum leider nicht. Nach einem Sieg in einem harmlosen Sieglosen-Rennen in Düsseldorf bliebi er ohne weiteren Treffer, traf aber oft auf gute Gegner.
Erst am 30. Juni 2013 machte der Nun-Wallach wieder auf sich aufmerksam und siegte über weite 3000 Meter im Prix Conseil de Soil im französischen Chantilly, einem Altersgewichtsrennen. Australische Interessenten wurden auf ihn aufmerksam, Australian Bloodstock wurde Mitbesitzer und schickten ihn zu Trainer Kris Lees ins Training. Ein Pferd mit Stehvermögen aus deutscher Zucht, ein Kandidat für den Melbourne Cup, das australische Mega-Rennen Anfang November.

Melbourne-Cup blieb unerreicht
Doch diese hohen Ansprüche konnte der Shirocco-Sohn nicht erfüllen. Seine beste Form war ein Erfolg in einem mit 40 000 AuD dotierten Ausgleich in Kensington am 26. Februar 2014 über 2500 Meter. Danach aber lief nicht mehr viel zusammen, der Melbourne Cup blieb ein Wunschtraum. Sein letzter Start für Lees war ein dritter Platz in einem Handicap in Moonie Level.
Im Jahr 2015 folgte dann der Wechsel zu Trainer Robert Kingston. Ein kleineres Quartier – und dort schlägt sich der ehemalige Deutsche auf niedrigerem Level sehr ordentlich. Am 11. März siegte der Wallach im australischen Balnarring über 2000 Meter. „Er sah nie besser aus“, sagt sein Trainer Robert Kingston. „Er hat zwar nie den Top-Level erreicht, aber er bereitet uns und seinen Besitzern große Freude.“ Heute läuft Sommernachtstraum in den Farben der Eheleute Gilbert und Pitcher sowie den Herren Frain und Smith, dazu ist sein Trainer Mitbesitzer.
Sein neues Betätigungsfeld sind die Picnic Races auf kleineren Rennbahnen in Australien. Dort können die Besucher direkt mit ihrem Auto auf die Bahn fahren, die Pferde sind quasi Teil des Barbecues.
Ein Sieger-Typ ist ihr Schützling aber nicht unbedingt: Bei 55 Starts für Kingston schaffte er fünf Erfolge, immerhin gab es mal eine kleine Serie mit Treffern im Mai, Juni und Juli 2016. Aber sein Team liebt ihn auch aufgrund seines tollen Charakters, nur sein Name ist eine echte Herausforderung für australische Zungen.



Rennen und Barbecue: Schönes Video zu den Picnic Races auf dem Kurs von Balnarring. Auf diesem Kurs feierte Sommernachtstraum seinen letzten Erfolg.



Donnerstag, 22. März 2018
Toller Sport und alles andere als ein Gemetzel
In England und Irland ist das Cheltenham-Festival eine sportliche Institution. Kritik gibt es eher selten, in Deutschland ist der Widerstand da größer. Manche Zeitgenossen möchten die Rennen sogar verbieten. Weil sie zu gefährlich seien. Mich nervt diese Einstellung schon seit Jahren. Warum Hindernisrennen und speziell das Cheltenham Festival großartiger Sport und keine Tierquälerei sind.

Cheltenham nicht schon wieder, werden vielleicht manche jetzt sagen. Leider. Gerade in Deutschland ist der Zahl der Gegner dieser Art von Rennen groß. Darf man also eine Veranstaltung gut finden, bei der Pferde tödlich verunglücken? Turfteufel Nika S. Daveron hat das Dilemma im Racebets-Blog ganz treffend dargestellt. Ich sehe das allerdings noch dezidierter: Man darf diese Rennen gut finden. Hindernisrennen sind keine Tierquälerei, die Pferde sind nicht überfordert. Unfälle passieren auch in anderen Rennen oder auf der Koppel.
Die Festival-Fakten sprechen für sich: Über 240 000 Zuschauer an den vier Festivaltagen, dazu Millionen Zuschauer vor TV (natürlich läuft das Festival im Free-TV), Computern, Smartphones oder beim Bookie. Das sind Zahlen, von denen wir in Deutschland nur träumen können.
Schon der Blick auf die grandiose Kulisse ist filmreif: Vollbesetzte Tribünen, im Hintergrund die sanften Hügel der Cotswolds. Selbst am Bildschirm spürt der Betrachter die große Freude der Beteiligten, wenn sie ein Rennen gewonnen haben. Die Tränen der Lizzie Kelly, die Freude der Bridget Andrews und der Skeltons (Jockey Harry, Trainer Dan) oder ein Trainer Gordon Elliott, der seine Serie von neun Siegen kaum fassen kann – emotionale Momente, die auch einem Cheltenham-Routinier immer wieder Tränen der Rührung in die Augen treiben.

Irische Dominanz
Sportlich gab es grandiose Leistungen: Footpad im Arkle, Altior in der Champion Chase, Samcro in der Ballymore Novices' Hurdle oder Native River im Gold Cup waren nur einige. Meine persönlichen Höhepunkte waren Summerville Boy in der Supreme Novices' Hurdle, der an dieser Stelle angesagte Mr. Whitaker in der Food Brothers Novices' Chase, Shattered Love in der JLT Novices' Chase und Farclas in der Triumph Hurdle.
Die irischen Trainer Willie Mullins und Gordon Elliott dominierten, die Pferde aus Irland haben ihre englischen Kollegen ein wenig abgehängt. Der Trend ist jedoch nicht neu. Fazit: Das Festival ist immer noch das Nonplusultra des Hindernissports, die Besten aus England und Irland treffen sich dort.
Leider gab es auch sechs tödlich verunglückte Pferde. Drei Starter verloren dabei ihr Leben im letzten Rennen der Veranstaltung, der Grand Annual Chase. Das sind sechs Pferde zu viel, Besitzern und Trainer gehört nicht nur mein Mitgefühl.

Privilegierte Wesen
Sind diese Rennen also zu brutal? Sind sie vielleicht doch Tierquälerei, wie manche Gruppen behaupten? Tatsache: Hindernisrennen sind gefährlicher als Flachrennen. Aber Pferde und Reiter sind keinesfalls überfordert mit den Hindernissen. Zumal der schwere Boden eigentlich dafür sorgte, dass das Tempo nicht übermäßig schnell war und somit die Rennen sicherer waren. Aber Pferde und Jockeys verstehen ihr Handwerk, sind routiniert, bestens ausgebildet. Schlichtweg die Besten ihres Fachs.
Zudem: Es gab sechs tödliche Verletzungen bei 489 Starter in den 28 Rennen, die große Mehrheit der Pferde kam also intakt nachhause. Das letzte Rennen mit den drei tödlich verunglückten Pferden hat auch mir ein wenig die Stimmung vermiest. Es waren Unglücke, die einfach passieren können. So traurig sie sind.
Wenn manche Aktivisten von Tierquälerei sprechen, ist das Unfug. Das Tierwohl wird in anderen Bereichen vielmehr beschädigt. In der Fleischproduktion etwas. Hindernispferde haben in der Regel ein langes Leben auf der Rennbahn, werden gut versorgt und bestens betreut. Sie sind privilegierte Wesen. Zudem würde manche Meinung hier anders aussehen, wenn der Hindernissport in Deutschland eine größere Rolle spielen würde. Aber das wird ein Traum bleiben.



Sonntag, 11. März 2018
Acht Pferde für den großen Cheltenham-Moment
Spannung, Verzückung, Ekstase oder Ärger – für Freunde des Hindernissports beginnt ab Dienstag der Ausnahmezustand. Das Cheltenham Festival 2018 steht vor der Tür. Die besten Hindernispferde aus England und Irland treffen sich in Cheltenham. Autor Ulrich König hat sich acht Pferde ausgesucht, auf die er mit besonderem Interesse blickt. Und nicht nur, weil er sie wettet.

Black Corton (Trainer Paul Nicholls, RSA Chase): Einer der Aufsteiger der Saison, von seinen 10 Starts über die großen Hindernisse gewann er acht Mal, zwei Mal belegte er den zweiten Platz. Wer Black Corton sagt, der muss spätestens jetzt Bryony Frost nennen. Die Reiterin war bislang eine der Entdeckungen der englischen Hindernissaison und versteht sich mit ihrem vierbeinigen Partnern blendend. Oft wirkt das so, als wenn diese für Frost noch mal einen Gang zulegen würden. Black Corton hat Stamina ohne Ende, mag Cheltenham (schon zweimal dort gewonnen) und kann sowohl weichen als auch guten Boden. Und er hat Bryony im Sattel.

Cue Card (Trainer Colin Tizzard, Ryanair Chase): Cue Card gehört schon fast zum Inventar des englischen Hindernissports, seit er 2010 den Cheltenham Festival Bumper gewann. Trainer Colin Tizzard verdankt dem Wallach einiges, voller Stolz spricht er über seinen Schützling. Über eine Million Pfund Preisgeldern erkämpfte der 12jährige Cue Card bislang in seiner grandiosen Karriere. Und Cheltenham wird beben, wenn der King’s Theatre-Sohn in der Ryanair-Case siegen würde. Gänsehaut-Momente wie zuletzt, als er in der Ascot Chase gegen Waiting Patiently ein großartiges Rennen lief und nach hartem Kampf unterlag. Das war seine beste Form seit langem, in Cheltenham ist die Bilanz aber eher wechselhaft. Zudem wäre für Cue Card weicher Boden von Vorteil.

Lil Rockefeller (Trainer Neil King, Stayers Hurdle): Es gibt offensichtlichere Kandidaten in der Stayers Hurdle als Lil Rockefeller. Aber wer den eisenharten Schützling von Neil King unterschätzt, ist selber schuld. So wie der Kolumnist im letzten Jahr, als Lil Rockefeller zum Kurs von 34:1 lange Zeit wie der Sieger aussah und nur Nichols Canyon unterlag. In der Stayers Hurdle 2018 wird er wahrscheinlich zu einem ebenfalls hohen Kurs starten. Der Wallach ist an guten Tagen ein eisenharter Kämpfer, an dem die Konkurrenten erstmal vorbeikommen müssen. Eines dieser Pferde, die den Puls auf Hochtouren bringen. Und daher die Empfehlung für eine kleine Wette. Sieg und Platz.

Mister Whitaker (Trainer Mike Channon, Brown Advisory Plate oder Close Brothers Novice Handicap Chase): Eigentlich kennt die Turf-Welt Mike Channon eher als Trainer von Flachpferden. Aber nachdem Trainerin Henrietta Knight ihre Lizenz zurückgab, betreut ihr Nachbar Channon auch einige Hindernispferde. Knight jedoch spielt dabei eine große Rolle und so strahlten Channon und die ehemalige Betreuerin von Gold Cup-Sieger Best Mate im Januar in Cheltenham um die Wette: Ihr Schützling Mister Whitaker hatte gerade am sogenannten Trials Day eine bemerkenswerte Vorstellung abgeliefert. Souverän siegte er in der Timeform Novices Chase und empfahl sich für bessere Aufgaben. Wo er in Cheltenham laufen wird, steht noch nicht endgültig fest. Denn Mister Whitaker hat noch Nennungen in der Brown Advisory Plate am Donnerstag als auch in der Close Brothers Novice Handicap Chase am Dienstag. Ein Hinweis ist er aber wert, auch wenn die Handicaps des Cheltenham Festivals hart umkämpft sind und ich in solchen Rennen ungerne frische Sieger spiele. Aber dies ist ein Kandidat mit weiteren Reserven.

My Tent Or Yours (Trainer Nicky Henderson, Champion Hurdle): Nicky Henderson sattelt mit Buveur D’Air den klaren Favoriten in der Champion Hurdle. Das wissen auch die Bookies, entsprechend tief steht der Sieger von 2017 im Kurs. Alternativen? Nicht unbedingt für den Sieg, aber für Ita oder Wetten ohne den Favoriten gibt es einen Kandidaten. My Tent Or Yours kommt ebenfalls aus dem Henderson-Quartier. 11 Jahre alt ist der Desert Prince-Sohn inzwischen: Vier Mal lief er beim Cheltenham-Festival, jedes Mal rannte er auf Platz 2. Dreimal davon in der Champions Hurdle – im letzten Jahr hinter dem Stallgefährten. Das zeigt schon Konstanz und Klasse, nur ein Siegertyp ist er nicht unbedingt. In diesem Jahr kommt das Pferd mit dem komischen Namen aber als frischer Sieger und wenig strapaziert ins Rennen. Im Dezember besiegte er The New One in der International Hurdle in Cheltenham.



Dreimal Zweiter in der Champion Hurdle: My Tent Or Yours, hier 2016 hinter der Siegerin Annie Power

Samcro (Trainer Gordon Elliott, Ballymore Novices Hurdle): Er ist der Newcomer in Irland, der allen imponierte. Samcro ist noch ungeschlagen in Hürden- und Flachrennen, die Erfolge fielen alle ungemein leicht aus. Der Sohn des einstigen deutschen Top-Pferdes Germany wird wahrscheinlich in der Ballymore Novice Hurdle starten. Sein Kurs ist entsprechend niedrig, aber der Schützling von Gordon Elliott ist auch mehr ein Pferd zum Genießen als zum Wetten. Vielleicht werden wir einen künftigen Super-Star der Hindernis-Szene bewundern.

Santini (Trainer Nicky Henderson, Albert Bartlett Novices Hurdle): Einer meiner Favoriten der Saison 2017/2018 – und nicht nur deshalb, weil er mir zweimal schöne Wetttreffer bescherte. Zwei Starts, zwei Erfolge in Newbury und Cheltenham und in beiden Rennen lief der Milan-Sohn wie ein Routinier mit viel Stehvermögen. Das war auf weichem bzw. schwerem Boden, sein Trainer Nicky Henderson sagt allerdings, dass er auf gutem Boden noch besser sei. Der weitere Weg in der Albert Bartlett wird ihm liegen, aller guten Dinge sind also drei.

Scarlet Dragon (Trainer Alan King, Supreme Novices Hurdle): Mein Außenseiter-Mumm für die Supreme Novices Hurdle zum Festival-Auftakt. Scarlet Dragon verfügt über sehr gute Flachklasse, gewann Top-Handicaps und war gruppenplatziert. Jetzt ist Alan King sein Trainer, das Hürden-Debüt in der Grade 2-Dovecote Hurdle in Kempton sah vielversprechend aus. Nach etwas unsicherem Beginn fand der Sir Percy-Sohn gut ins Rennen, nur der überlegenen Sieger Global Citizen war schon in Sicherheit. Die Supreme Novice Hurdle wird immer von sehr guten Pferden gewonnen und ist auch in diesem Jahr gespickt mit hoffnungsvollen Kandidaten. Die Favoriten Getabird und Kalashnikov haben deutlich bessere Vorformen, aber Scarlet Dragon wird sein Debüt noch steigern. Definitiv.

Dieser Text ist bereits am Freitag im Racebets-Blog erschienen.