Dienstag, 27. Februar 2018
Gegen den modernen Profifußball
Es war ein Bild voller Tristesse und erinnerte an längst vergessene Zeiten: Leere Plätze auf der Dortmunder Südtribüne, der berühmten gelben Wand. Und auch mancher Sitzplatz auf den anderen Tribünen blieb unbesetzt. Nur 54 300 Zuschauer wollten zu ungewohnter Zeit am Montagabend das 1:1 zwischen Borussia Dortmund den FC Augsburg sehen, viele Dauerkarten-Inhaber blieben zuhause.

Die meisten – dazu zählte auch der Kolumnist – fehlten aus Protest: Sie drückten auf diese Weise ihr Unbehagen gegen den Spieltermin Montag, gegen immer mehr Spieltermine in der Bundesliga und damit gegen den modernen Profifußball mit seinen Kommerz-Exzessen aus. „Die Einführung von Montagsspielen auch in Liga 1 ist ein weiterer großer Schritt hin zum Ausverkauf des Fußballs und der negative Höhepunkt der sukzessiven Spieltags-Zerstückelung in den vergangenen Jahren“, erklärte das Bündnis Südtribüne und rief zum Boykott des Spieles auf. Über 350 BVB-Fanclubs schlossen sich an.
Allerdings: Es war nicht viel ruhiger als in den letzten Heimspielen. Denn schon gegen Wolfsburg, Freiburg und dem HSV brodelte die Stimmung nicht gerade über, auch die Südtribüne mit den „besten Fans der Welt“ wirkte sehr zurückhaltend.
Ein Grund ist der aktuell grauenhafte Fußball der Borussia. Dabei holen die Dortmunder Punkte, sind unter Peter Stöger in der Bundesliga noch ungeschlagen. Aber es ist „Gruselfußball mit Glücksfaktor“, wie es ein User im Schwatzgelb-Forum nannte.
Das Spiel gegen Augsburg war das beste Beispiel: Der BVB hatte gefühlt 70 Prozent Ballbesitz, spielte Querpass, Rückpass, aber wenn das Anspiel in die Spitze erfolgte, landete der Ball beim Gegner. Zwei gute Spielzüge gab es in Halbzeit 1, einer führte zum Tor durch Marco Reus.
Nach dem 1:0 brachten die Schwarz-Gelben lange Zeit keine gescheite Offensiv-Aktion mehr zustande, das 1:1 verdiente sich der FC Augsburg. Es zeigt das aktuell schlechte Niveau der Bundesliga, dass Dortmund mit diesem Rumpelfußball noch oben mitmischt. So viele Punkte mit so wenig Fußball.

Genug ist genug
Aber es ist nicht nur der aktuelle Dortmunder Folterfußball, der mein Interesse am Profifußball stark reduziert. Eigentlich gehört die Bundesliga seit frühester Kindheit zum Samstagnachmittag, aber inzwischen hat das Interesse deutlich abgenommen. Auch die ARD-Sportschau gucke ich nur noch halbherzig, das ZDF-Sportstudio schalte ich eigentlich nur noch ein, wenn Dortmund um 18:30 gekickt hat. Zudem musste ich mich in letzter Zeit regelrecht zwingen, trotz Dauerkarte überhaupt ins Stadion zu gehen.
Dieser Dauer-Kommerz nervt gewaltig, es geht nur noch um Geld. Auch früher klagten viele Fans darüber, dass Fußball nur noch ein Geschäft sei. Aber inzwischen ist der Profifußball an einem Punkt angelangt, an dem er viele seine Anhänger anekelt. Der Bundesliga-Spieltag mit seinem inzwischen bis zu sechs Terminen, um möglichst viel aus den Fernsehverträgen zu erwirtschaften, ist da nur ein Beispiel.
Jetzt kommt natürlich das Argument, dass ohne lukrative Fernsehverträge Deutschlands Club in Europa chancenlos sind. Das sind sie leider bis auf Bayern München jetzt schon, zumal in Deutschland ja keine russischen Oligarchen oder orientalische Scheichs dank 50+1-Regelung Klubs besitzen. Aber diese Regelung ist ja schon in der Diskussion.
Irgendwann wird die Bundesliga nur noch im Pay-TV laufen (die Champions League findet ab der nächsten Saison bereits dort statt), der Fan muss drei oder vier Abos haben, um alles verfolgen zu können. Dem Rest bleiben Zusammenfassungen am Montagabend auf irgendeinem Spartensender.
Dabei wird die Bundesliga jetzt schon immer schlechter und langweiliger. Bayern München wird auch in den nächsten Jahren Ende März frühzeitig als Meister feststehen, aber vielleicht kommt mal irgendwann eine TV-Anstalt auf die Idee, dass die Liga so viel Geld nicht wert ist. Schwer vorstellbar? In Italien gab es diese Situation jetzt. Und die Klubs der Serie A machten dicke Backen. Mal sehen, wann in Deutschland die Ernüchterung kommt.



You’ll never walk alone im Dortmunder Signal Iduna Park. Auf der Südtribüne stehen die Besucher reichlich luftig, der Augsburger Gästeblock ist fast leer.



Donnerstag, 22. Februar 2018
12 Teams kämpfen um den Turf-Champion
Championship Horse Racing heißt eine neue Serie in England, die ab 2019 neue Zielgruppen für den Turf begeistern soll. Die Resonanz in der Turfwelt ist überwiegend negativ. Auch der Kolumnist hat so seine Zweifel. Aber die Serie soll ja auch neue Freunde unseres Lieblingssports anlocken.

Das Konzept: Zwölf gesponserte Firmenteams laufen in einer Serie an acht Donnerstagen auf verschiedenen Gruppe 1-Rennkursen um die Wette. Termin soll der Frühsommer sein, alle Rennen werden im TV übertragen. Sechs Handicaps mit je 12 Pferden stehen auf dem Programm, jede Prüfung ist dotiert mit mehr als 100.000 Pfund. Ein Team besteht aus 30 Pferden, einem Trainer und vier Jockeys.
Gewertet wird nach einem Punktesystem wie in der Formel 1. 25 Punkte erhält der Sieger eines Rennen bzw. sein Team, selbst ein zehnter Platz wird noch mit einem Punkt belohnt. Eine Tabelle zeigt Erfolg bzw. Misserfolg. Am Ende wird es dann einen Champion geben.
Der Initiator steht natürlich hinter seinem Konzept. „Die Zuschauer werden Fans werden und sich mit den Marken identifizieren wie nie zuvor“, meint Jeremy Wray, verantwortlich bei Championship Horse Racing. „Wir müssen Stars für den Sport und sein Prestige aufbauen", so Wray weiter. Das sei einfacher mit Personen wie Trainern und Jockeys als mit Pferden.
Hintergrund: Auch der englische Rennsport tut sich schwer, Sponsoren zu gewinnen. Die Serie sei da eine neue Chance. Eben wie die Formel 1 biete sie unter anderem, so ihr Chef, Exklusivität und permanente TV-Präsenz.

Kritik und Häme
Wie darf ich mir nun das vorstellen? Team BMW tritt gegen Team Vodafone und weitere zehn Mannschaften an, die alle Firmennamen tragen. (Die Namen der Sponsoren sind natürlich alle fiktiv). Die Zuschauer jubeln dann, wenn ihre Truppe die Nase vorn hat. Wie beim Fußball – nur das die Liebe zwischen den Fans und ihren Klubs eine andere als die zu einem Wirtschaftsunternehmen ist. Obwohl die besten Fußball-Vereine ebenfalls hochkapitalistische Profitunternehmen sind.
Die Turf-Gemeinde reagiert vorwiegend mit Kritik und Häme. „Dumme Idee“, „die Teamsport-Idee auf den Turf zu übertragen ist eine Katastrophe“ undundund – Ausschnitte aus der Diskussion im englischen Theracingforum. Auch in den sozialen Netzwerken wie Facebook stößt das Konzept auf wenig Zustimmung.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass so eine Serie in der Praxis Erfolg hat. Pferderennen haben ihren eigenen Charakter, unter anderem weil sie von Lebewesen bestritten werden. Mich stört zum Beispiel, dass die Pferde als Motoren gesehen werden. Dabei sind sie es, die Erfolg oder Misserfolg ausmachen. Ebenso schwer denkbar: Zuschauer identifizieren sich kurzfristig mit Team und Sponsor und feuern diese an.
Aber wie gesagt: Ich bin nicht die Zielgruppe. Vielleicht gibt es ja wirklich Leute, die das toll finden.



Ganz so neu ist das mit dem Team-Wettbewerb im Turf nicht: Seit 1999 gibt es den Shergar Cup, der seit 2000 in Ascot stattfindet. Sein Vorbild ist der Ryders Cup der Golfer, seit 2012 kämpfen vier verschiedene Jockey-Teams - England/Irland, Europa, Rest der Welt, Frauen – um die Trophäe, die den berühmten Galopper zeigt (Foto Ascot Racecourse).



Mittwoch, 14. Februar 2018
Wenn Stürze und Schmerzen zum Beruf gehören
Interessanter Artikel aus der englischen Racing Post: Wie fühlen sich Jockeys, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit vom Pferd fallen? Etwas, was ich als glühender Anhänger des Hindernissports schon immer wissen wollte. Autorin Katherine Fidler hat aktuelle und frühere Jockeys befragt. Ein Fazit: Hindernisjockey leben mit der Gefahr. Oder wie es Tony McCoy ausdrückt: Der Schmerz zählt zum Job.

Zuerst einmal die Fakten: Hindernisjockeys stürzen bei jedem 15. Ritt. Ihre Kollegen von der Flachen leben komfortabler, fallen nur bei jedem 265. Einsatz. Die Geschwindigkeit bei ihrem Sturz ist jedoch höher, zudem ist der Untergrund härter. Dennoch geht der Punkt klar an die Hindernisfraktion, sie leben deutlich gefährlicher. Sie sind schon harte Jungs, der Kolumnist wundert sich immer, wie schnell die Leute wieder aufstehen und den nächsten Ritt absolvieren.
„Du gewöhnst dich an das Fallen“, sagt der 20fache Champion-Jockey Tony McCoy lakonisch. „Du weißt, es wird passieren und du musst es hinnehmen, auch wenn es dir weh tut. Du kannst etwas machen, damit es dich weniger verletzt, aber der Schmerz ist Teil des Jobs.“ McCoy, vor kurzem mit einem Sir geehrt, hat in seiner illustren Karriere nicht nur viele Erfolge erreicht, sondern auch Verletzungen jeglicher Art erlitten. Er muss es also wissen.
Es gehe alles so schnell, berichtet Paul Townend, Jockey am mächtigen Willie Mullins-Stall in Irland. Auch er sagt, dass Stürze zum Geschäft gehören. Aber dann komme ein anderes Rennen, ein anderes Pferd, es ist vorbei und das Jockey-Leben geht weiter.
Klingt alles ziemlich einfach, aber die Gefahr, dass ein Jockey irgendwann so schwer stürzt, dass er seinen Beruf aufgeben muss, besteht immer. Da können die Reiter noch so gut körperlich und mental vorbereitet sein.
Ein Sturz beendete etwa die Karriere von Rodi Greene. Der Jockey fiel so unglücklich auf den Hals, dass er beinahe gelähmt war. Heute arbeitet Greene als Jockey Coach. Zu seinen Aufgaben zählt auch der Umgang mit Stürzen und Verletzungen.



Racing UK-Journalistin Lydia Hislop spricht mit Rodi Greene über seine neue Rolle als Jockey Coach

Verletzungen sind ein tägliches Risiko, glücklicherweise sind die meisten eher harmlos. Wenn es Knochenbrüche gibt, dann überwiegend an Schlüsselbein und Schulter. Im Bereich Gehirnerschütterungen sind Hindernissportler am meisten gefährdet, deutlich mehr als ihre Kollegen aus Eishockey, Rugby oder Fußball.
In Ausbildung und Schulung ist das Thema sehr präsent. So besitzt die British Racing School etwa einen mechanischen Fall-Simulator. Das Verhalten bei einem Fall, betont Dr Adrian McGoldrick, spiele eine wichtige Rolle beim Jockey-Training. Etwa, dass die Reiter die Zügel sofort bei einem Sturz loslassen. „Fitness – sowohl physisch als auch psychisch – hat dabei einen bedeutenden Effekt“, weiß der Senior Medical Officer des Irish Turf Clubs. Zu diesem Zweck haben die Jockeys etwa Zugang zu Mentaltrainern, Ernährungsspezialisten oder Physiotherapeuten.

Der Original-Text der Racing Post