Freitag, 24. November 2017
Der letzte Flach-Feiertag des Jahres
Wenn in Deutschland die Sandbahn-Tristesse Einzug hält und der Kolumnist schon längst dem geliebten englischen Hindernissport frönt, dann kommt der Japan Cup. Ein später Höhepunkt der Flachsaison, ausgetragen am letzten Sonntag (26.11., 7:40 Uhr unserer Zeit) im November. Noch mal ein Gruppe 1-Rennen über 2400 Meter, dotiert mit satten 575.340.000 japanischen Yen (umgerechnet etwas mehr als 4,36 Mio. Euro) Preisgeld. Mit dabei sind – wie schon 2016 und 2015 – zwei deutsche Pferde: Guignol und Iquitos, dazu als weiterer europäischer Gast Idaho aus Irland. Die Vorschau.

Es ist ein grandioses Spektakel auf der Rennbahn in Tokio. Eine Musikkapelle spielt, der Lärm ist ohrenbetäubend, die Zuschauer rasen regelrecht vor Aufregung. Von wegen asiatische Zurückhaltung, die Rennbahn hat eine Kapazität von über 200 000 Zuschauern und ist die Größte der Welt.

Die Favoriten
Kitasan Black steht am niedrigsten bei den Bookies. Das ist der Vorjahressieger, der zuletzt auch auf dieser Bahn gewann. Danach folgt der dreijährige Rey de Oro, der japanische Derby-Sieger, zuletzt in einem Gruppe 2-Rennen erfolgreich. Das Pferd mit dem meisten Potenzial nach oben, hingegen ist Satono Crown schon bewährte Gruppe 1-Klasse. Der Gewinner der Hong Kong Vase 2016 war zuletzt aber zweimal hinter Kitasan Black. Von den japanischen Außenseiter überzeugt mich niemand so recht, dafür kenne ich die Szenerie dort aber zu wenig.



So war es im letzten Jahr: Kitasan Black hat die Nase vorn in toller Atmosphäre.

Die Europäer
Die Gäste aus Europa sind eher Außenseiter. Iquitos kennt den Kurs schon aus dem Vorjahr, verkaufte sich dort als Siebter nicht schlecht, ohne eine Siegchance zu haben. In diesem Jahr zeigte er viele gute Formen, die Vorstellung im Arc war respektabel, wo er mit viel Speed noch gut ins Rennen fand. Sein Trainer ist durchaus optimistisch.
Zweimal war Iquitos zuletzt in Baden-Baden und München hinter Guignol, den er in Tokio wiedersieht. Der Schützling von Trainer Jean-Pierre Carvalho hat sich in dieser Saison noch mal verbessert, gewann drei seiner fünf Starts. Der Cape Cross-Sohn läuft seine Rennen gerne von vorne, auch wenn er laut Jockey Filip Minarik nicht unbedingt an der Spitze gehen muss. Zwischen beiden deutschen Pferden liegt nicht viel, die Startboxen sind auch ganz günstig. Die japanische Konkurrenz ist aber gewaltig.
Ähnliches gilt für Idaho aus dem mächtigen Aidan O’Brien-Quartier. Im Arc war er knapp hinter Idaho, seine beste Form war der dritte Platz im King George hinter Enable und Ulysses. Zuletzt war er Vierter in den Canadian International Stakes in Woodbine.

Tradition
Seit 1981 gibt es diese Prestige-Prüfung, die Siegerliste zieren Vollblüter aus den USA, England, Frankreich, Neuseeland, Australien, Italien und Deutschland. 1995 triumphierte der Ittlinger Lando, trainiert von der Legende Heinz Jentzsch und geritten vom Südafrikaner Michael Roberts. Le Glorieux, Sieger 1987, stand in deutschem Besitz, wurde aber von Robert Collet in Frankreich vorbereitet. Seit 2006 hatten allerdings nur die einheimischen Pferde die Nase vorn, der japanische Turf hat sich mächtig verbessert.

Das Besondere
Zu jedem Starter gibt es detaillierte Informationen, fast täglich werden Trainer und Jockeys über den Zustand ihrer Pferde befragt. Das nenne ich große Transparenz, den Wetter nimmt man schon ernst in Asien. Allerdings haben Rennen immer noch ihre eigenen Gesetze. Dennoch sehr lobenswert



Mittwoch, 22. November 2017
Eine fette schwarz-gelbe Herbst-Depression
Es ist eine Zeit des Leidens. Wer Anhänger von Borussia Dortmund ist, weiß in diesem Herbst, was Demütigung heißt. Das 1:2 gegen Tottenham bedeutete nicht nur das sang- und klanglose Ausscheiden aus der Champions League, sondern setzte auch die Negativ-Serie der letzten Woche fort. Im Blickpunkt der Kritik steht Trainer Peter Bosz. Ich glaube nicht, dass er noch die Wende schafft.

Eigentlich glich das Spiel gegen Tottenham der Partie gegen Stuttgart – nur, dass die Engländer die deutlich bessere Mannschaft als die Schwaben sind. Wie schon gegen den VfB mit dem Alt-Dortmunder Hannes Wolf spielte der BVB eine ordentliche erste Halbzeit. Zumindest die erste halbe Stunde hatte Schwarz-Gelb alles im Griff.
Doch spätestens nach dem Ausgleich der Londoner durch Harry Kane kurz nach der Pause brach das Dortmunder Gefüge auseinander, zeigte die Borussia nichts mehr, wirkte auch konditionell nicht auf der Höhe – wie schon in Stuttgart. Individuelle Fehler machten es den Spurs leicht. Am Ende triumphierte mal wieder der Kollege Son, der schon zu HSV-Zeiten gegen den BVB manchmal zu großer Form auflief.
Die Dortmunder Mannschaft wirkt inzwischen von Spiel zu Spiel unsicherer, es wird jedes Mal schlimmer. Ein Team, das von den Namen sehr gut besetzt ist. Aber es passt derzeit nicht. Die Mannschaft agiert leblos und verkrampft. Von der Bank kommen keine Impulse.
Und damit sind wir bei Trainer Peter Bosz. Der Niederländer kam mit einigen Vorschusslorbeeren, seine Arbeit in den letzten Jahren bei Ajax Amsterdam sorgte für viel Anerkennung. Zu Beginn lief es ja auch sehr gut, der BVB legte einen großartigen Start in der Bundesliga hin, alle sprachen besonders nach den Siegen gegen Köln und Gladbach vom Dortmunder Spektakel.
Dass der FC in dieser Spielzeit eine Trümmersaison hinlegt und der Lauf der anderen Borussia einem Wellental gleicht – vergessen. Zudem bekam der BVB schon in der Champions League gegen Tottenham und Real Madrid die Grenzen aufgezeigt. Das waren Kontrahenten der Extra-Klasse, sie nutzten die offensive Ausrichtung der Borussia und die Lücken in der Defensive effektiv aus.

RB-Spiel der Knackpunkt
Das Elend begann richtig nach der Oktober-Länderspielpause. Das Spiel Dortmund gegen Leipzig war für objektive Zuschauer ein Wahnsinnsspektakel, aber RB – das in der ersten Halbzeit ganz stark spielte – nutzte die BVB-Schwächen konsequent. Hätte die Borussia aber die Chancen in Durchgang 2 genutzt, hätte sie gewonnen oder zumindest Remis gespielt.
Das Spiel gegen Leipzig war in meinen Augen der Wendepunkt. Von da an ging es abwärts, gegen Bayern war man trotz Chancenplus letztlich chancenlos. Nur ein Punkt in der Liga, dazu zwei enttäuschende Unentschieden in der Champions League gegen Apoel Nikosia sind eine niederschmetternde Bilanz. Der Pokalsieg gegen den Top-Drittligisten Magdeburg sorgt auch nicht für einen Stimmungswandel.
Die beiden Schlappen nach der erneuten Länderspielpause waren die nächsten Tiefpunkte. Peter Bosz und sein Team scheinen dem Team keine Impulse mehr zu geben. Der BVB ist einfach viel zu leicht zu schlagen.
In meinen Augen schafft der Trainer die Wende nicht mehr. Es gab auch zu Zeiten seiner Vorgänger Thomas Tuchel und Jürgen Klopp Krisenzeiten. Bei Klopp war es sogar mal ganz heftig in der Saison 14/15. Aber jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass Trainer und Team die Sache in den Griff bekommen.
Jetzt kommt das Derby gegen den derzeit mal wieder starken Revierrivalen Schalke 04. Selten ging die Borussia in dieses Duell mit so wenig Selbstvertrauen. Eigentlich kann es nur besser werden. Aber das habe ich schon vor dem Stuttgart-Spiel gedacht. Das Ergebnis ist bekannt.



Bei der schwarz-gelben Misere spendet Musik Trost: das gigantische November Rain von Gun's n' Roses



Freitag, 17. November 2017
Der Prinz ist längst König – Aidan O‘Brien
Dieselbe Prozedur wie immer: Aidan O’Brien dominierte auch in diesem Jahr wieder die Trainerstatistik im Turf. Nicht nur, weil er 2017 26 Siege in Gruppe 1-Prüfungen schaffte und damit die Bestmarke von US-Trainer Bobby Frankel übertrumpfte. Der 48jährige Ire ist längst den Wunderkind-Jahren entwachsen. Er wirkt bescheiden, lobt immer wieder sein Team und ist unglaublich fokussiert. Der Versuch einer Annäherung an den Typen Aidan O’Brien.

Er folgte einer Legende namens Vincent O’Brien, doch er hat inzwischen den gleichen Status. Aidan O’Brien sammelte auch in dieser Saison wieder Klassiker und Gruppe 1-Erfolge wie andere Leute Briefmarken oder Bierdeckel. Der Mann trainiert die Blaublüter der Branche – in den Abstammungen wimmelt es von klassischen Siegern und Gruppe-Helden. Coolmore/Ballydoyle – die Organisation um John Magnier und Michael Tabor – sind die erfolgreichsten Züchter und Besitzer der Welt. Den Dauerrivalen Godolphin haben sie deutlich abgehängt – auch wenn die Pferde in Blau in diesem Jahr eine gute Saison hatten.
Churchill, Caraviggio, Winter, Capri oder Highland Reel waren die Helden 2017, frühere große Gewinner trugen die Namen Galileo, Giant’s Causeway, High Chapparal, Camelot oder Australia – um nur einige zu nennen. Eigentlich kennt Ballydoyle keine schlechte Saison: Ich bin immer wieder beeindruckt, wie punktgenau O’Brien und sein Team (auf den Teamgedanken legt der Mann großen Wert) ihre Schützlinge auf den großen Moment vorbereiten. In der Regel sind diese topfit in den großen Rennen.
Es macht einfach keinen Sinn, gegen einen heißen Favoriten aus dem O’Brien-Stall in den englischen Klassikern wie Derby oder Guineas zu wetten. Auch wenn der Kolumnist es immer versucht und versuchen wird, denn 20:10 oder noch tiefer stehende Kandidaten verbinde ich nicht mit Wettglück.

Er kennt jeden Vornamen
Wenn ich den Typen O’Brien sehe, dann wirkt er immer sehr fokussiert, aber auch angespannt. Interviews gibt er nicht gerne, aber er spricht mit den Journalisten. Das gehört zu seinem Job, pflichtbewusst ist der Mann sowieso.
„Listen“ beginnt er meist seinen Satz und nennt danach den Vornamen des Fragenden und dann erzählt er. Meistens sind das Allgemeinplätze für die Öffentlichkeit (Pferd ist gut drauf, hat gut gearbeitet etc.), aber was soll er in dieser kurzen Zeit dem TV-Reporter auch erzählen? Andere Trainer wie John Gosden oder Richard Hannon wirken lockerer, sagen aber auch nicht viel mehr.
Auf youtube gibt es jetzt ein etwas längeres Interview, das Matt Chapman von Attheraces (ATR) mit O’Brien führte. Chapman, der ansonsten im englischen TV ganz gerne mal den Provokateur spielt, schaffte es, dem Trainer neben manchen Phrasen doch einige interessante Aussagen zu entlocken. Ein paar Ausschnitte:

Über den Druck eines Top-Trainers
„Unser Druck ist es, dass die Pferde zur rechten Zeit ihre Leistung abliefern. Wir dürfen sie nicht verheizen. Aber ich arbeite mit unglaublichen Leuten und Pferden.“

Ob er Bücher über Training und Pferde lese wie etwa Martin Pipe?
„Ich lese nicht viel – allein schon aus Zeitgründen. Aber John Magnier liest viel.“

Über die Nachkommen von Galileo:
„Sie sind unheimlich willig und lernbereit. Sie machen immer, was wir wollen.“

Über die Zukunft
„Ich denke nicht so weit, ich denke vom Morgen zum Abend. Das zählt.“

Über Gerüchte aus dem letzten Jahr, dass David O'Meara ihn ablösen soll"
„Ich habe keine Zeit, mich mit sowas zu beschäftigen. Ich mache meinen Job, aber Journalisten machen ja auch nur ihren Job.“



2002 entstanden – eine Reportage über den jungen O’Brien

Ein weiterer Schatz auf youtube ist ein Portrait des jungen Aidan O’Brien unter dem etwas blöden Titel „Der junge Prinz von Ballydoyle“. Der irische Sender RTE hatte den jungen Trainer im Jahr 2002 unter die Lupe genommen. Sehenswert ist es schon deshalb, weil es die Anfänge des damaligen Emporkömmlings noch mal gut dokumentiert.
So spielen unter anderem die Anfänge über Hindernisse mit dem großen Champion Hürdler Istabraq eine wichtige Rolle. Zudem sprechen die stolzen Eltern über ihren Filius. Außerdem äußern sich unter anderen Größen wie John Magnier, Ex-Jockey Michael Kinane, Besitzer J P Mc Manus, Trainer Jim Bolger und nicht zuletzt Alex Ferguson, Ex-Manager von Manchester United. Manchmal wirkt das Lob ein wenig zu dick aufgetragen, aber Aidan O’Brien verdiente sich die Vorschusslorbeeren doch redlich.

Die besten Sprüche:
„Er ist ein alter Profi auf jungen Schultern“ (John Magnier)
„Er arbeitet so gründlich und sorgsam. Phantastisch“ (Alex Ferguson)
„Er ist der netteste Typ, mit dem man zu tun haben kann“ (Ex-Channel 4-Moderator John Francome).
Und selbst Godolphin-Trainer Saeed Bin Suroor lobt seinen Konkurrenten überschwänglich. Feinde und Neider – offenbar Fehlanzeige.