Der Prinz ist längst König – Aidan O‘Brien
Dieselbe Prozedur wie immer: Aidan O’Brien dominierte auch in diesem Jahr wieder die Trainerstatistik im Turf. Nicht nur, weil er 2017 26 Siege in Gruppe 1-Prüfungen schaffte und damit die Bestmarke von US-Trainer Bobby Frankel übertrumpfte. Der 48jährige Ire ist längst den Wunderkind-Jahren entwachsen. Er wirkt bescheiden, lobt immer wieder sein Team und ist unglaublich fokussiert. Der Versuch einer Annäherung an den Typen Aidan O’Brien.

Er folgte einer Legende namens Vincent O’Brien, doch er hat inzwischen den gleichen Status. Aidan O’Brien sammelte auch in dieser Saison wieder Klassiker und Gruppe 1-Erfolge wie andere Leute Briefmarken oder Bierdeckel. Der Mann trainiert die Blaublüter der Branche – in den Abstammungen wimmelt es von klassischen Siegern und Gruppe-Helden. Coolmore/Ballydoyle – die Organisation um John Magnier und Michael Tabor – sind die erfolgreichsten Züchter und Besitzer der Welt. Den Dauerrivalen Godolphin haben sie deutlich abgehängt – auch wenn die Pferde in Blau in diesem Jahr eine gute Saison hatten.
Churchill, Caraviggio, Winter, Capri oder Highland Reel waren die Helden 2017, frühere große Gewinner trugen die Namen Galileo, Giant’s Causeway, High Chapparal, Camelot oder Australia – um nur einige zu nennen. Eigentlich kennt Ballydoyle keine schlechte Saison: Ich bin immer wieder beeindruckt, wie punktgenau O’Brien und sein Team (auf den Teamgedanken legt der Mann großen Wert) ihre Schützlinge auf den großen Moment vorbereiten. In der Regel sind diese topfit in den großen Rennen.
Es macht einfach keinen Sinn, gegen einen heißen Favoriten aus dem O’Brien-Stall in den englischen Klassikern wie Derby oder Guineas zu wetten. Auch wenn der Kolumnist es immer versucht und versuchen wird, denn 20:10 oder noch tiefer stehende Kandidaten verbinde ich nicht mit Wettglück.

Er kennt jeden Vornamen
Wenn ich den Typen O’Brien sehe, dann wirkt er immer sehr fokussiert, aber auch angespannt. Interviews gibt er nicht gerne, aber er spricht mit den Journalisten. Das gehört zu seinem Job, pflichtbewusst ist der Mann sowieso.
„Listen“ beginnt er meist seinen Satz und nennt danach den Vornamen des Fragenden und dann erzählt er. Meistens sind das Allgemeinplätze für die Öffentlichkeit (Pferd ist gut drauf, hat gut gearbeitet etc.), aber was soll er in dieser kurzen Zeit dem TV-Reporter auch erzählen? Andere Trainer wie John Gosden oder Richard Hannon wirken lockerer, sagen aber auch nicht viel mehr.
Auf youtube gibt es jetzt ein etwas längeres Interview, das Matt Chapman von Attheraces (ATR) mit O’Brien führte. Chapman, der ansonsten im englischen TV ganz gerne mal den Provokateur spielt, schaffte es, dem Trainer neben manchen Phrasen doch einige interessante Aussagen zu entlocken. Ein paar Ausschnitte:

Über den Druck eines Top-Trainers
„Unser Druck ist es, dass die Pferde zur rechten Zeit ihre Leistung abliefern. Wir dürfen sie nicht verheizen. Aber ich arbeite mit unglaublichen Leuten und Pferden.“

Ob er Bücher über Training und Pferde lese wie etwa Martin Pipe?
„Ich lese nicht viel – allein schon aus Zeitgründen. Aber John Magnier liest viel.“

Über die Nachkommen von Galileo:
„Sie sind unheimlich willig und lernbereit. Sie machen immer, was wir wollen.“

Über die Zukunft
„Ich denke nicht so weit, ich denke vom Morgen zum Abend. Das zählt.“

Über Gerüchte aus dem letzten Jahr, dass David O'Meara ihn ablösen soll"
„Ich habe keine Zeit, mich mit sowas zu beschäftigen. Ich mache meinen Job, aber Journalisten machen ja auch nur ihren Job.“



2002 entstanden – eine Reportage über den jungen O’Brien

Ein weiterer Schatz auf youtube ist ein Portrait des jungen Aidan O’Brien unter dem etwas blöden Titel „Der junge Prinz von Ballydoyle“. Der irische Sender RTE hatte den jungen Trainer im Jahr 2002 unter die Lupe genommen. Sehenswert ist es schon deshalb, weil es die Anfänge des damaligen Emporkömmlings noch mal gut dokumentiert.
So spielen unter anderem die Anfänge über Hindernisse mit dem großen Champion Hürdler Istabraq eine wichtige Rolle. Zudem sprechen die stolzen Eltern über ihren Filius. Außerdem äußern sich unter anderen Größen wie John Magnier, Ex-Jockey Michael Kinane, Besitzer J P Mc Manus, Trainer Jim Bolger und nicht zuletzt Alex Ferguson, Ex-Manager von Manchester United. Manchmal wirkt das Lob ein wenig zu dick aufgetragen, aber Aidan O’Brien verdiente sich die Vorschusslorbeeren doch redlich.

Die besten Sprüche:
„Er ist ein alter Profi auf jungen Schultern“ (John Magnier)
„Er arbeitet so gründlich und sorgsam. Phantastisch“ (Alex Ferguson)
„Er ist der netteste Typ, mit dem man zu tun haben kann“ (Ex-Channel 4-Moderator John Francome).
Und selbst Godolphin-Trainer Saeed Bin Suroor lobt seinen Konkurrenten überschwänglich. Feinde und Neider – offenbar Fehlanzeige.