Donnerstag, 14. Dezember 2017
Schuld hat nicht nur die Politik
Die nächste Rennbahn in Deutschland macht voraussichtlich die Lichter aus: Ab 2019 soll es keine Galopprennen mehr in Neuss mehr geben – wenn es nach der lokalen Politik geht. Einen großen Anteil an der Misere trägt aber auch der Neusser Reiter- und Rennverein. Weil er schlichtweg nichts gemacht hat, um die Bahn für den Besucher attraktiv zu machen. Galopprennen sind eben kein Wintersport.

Am Samstag war mal wieder ein typisches Neusser Renntag der letzten Jahre: Acht Rennen für Pferde der unteren Leistungsklassen auf einem Geläuf, das eher einem Sandkasten als einer vernünftigen Allwetterbahn gleicht. Den Beginn um 18:15 haben die Franzosen von der PMU bestimmt, für das schlechte Wetter können die Neusser zwar nichts, aber Regen, Kälte und Schnee sind im deutschen Dezember nun mal keine Seltenheit.
Die Besucher konnten wahrscheinlich per Handschlag begrüßt werden. Wer tut sich so einen Renntag ein, wenn man nicht gerade Besitzer, Trainer oder Jockey ist? Zumal es in Neuss keine Tribüne gibt, nur so einen komischen Bau, dessen Zweck auf einer Rennbahn sich mir verschließt. Auch sonst wirkt die Umgebung nicht gerade einladend, selbst die Bratwurst-Versorgung stockt.
In Neuss laufen die Pferde in der dunkleren Jahreszeit von Ende Oktober bis Mitte März. Alles abgesichert durch die PMU, der Neusser Reiter- und Rennverein trägt dabei kein Risiko. Kein Wunder, dass kaum Zuschauer da sind. Renntage an einem Wochentag im Winter sind Wettfutter für die PMU-Annahmestellen – bestenfalls.
Die Prüfungen im Neusser Winterprogramm sind auch ein Indiz für den Niedergang im deutschen Turf. Früher gab es mal sportliche Höhepunkte, aber die Zeiten sind längst vorbei. Ohne PMU würde gar nichts laufen, immerhin sind die Felder noch einigermaßen voll.

Aussitzen
Wenn ich mir die dreckverschmierten Pferde und Jockeys nach dem Rennen anschaue, dann dürften die Prüfungen kein Vergnügen sein. Das Programm in Dortmund ist zwar sportlich nicht besser, aber da gibt es wenigstens vernünftige Plätze für die Besucher.
Warum veranstalten die Neusser nicht im Sommer? Ein lauschiger Abend auf der Rennbahn bei gutem Wetter, das würde lokale Besucher anziehen. After-Work-Renntage? Haben sie nie versucht. Zumal ja auch eine Grasbahn mit Flutlicht zur Verfügung steht – die allerdings derzeit nicht nutzbar ist. Das passt zum schlechten Management.
Der Niedergang der Neusser Bahn ist eklatant. Aber die Verantwortlichen haben in den letzten Jahren nichts gemacht. Vielleicht sehe ich das aus der Distanz (Dortmund) falsch, aber Marketing und Öffentlichkeitsarbeit fanden nicht statt. Der Neusser Reiter- und Rennverein hat einfach nur verwaltet. Konzepte, um aus der Krise zu kommen? Neue Zielgruppen erreichen? Fehlanzeige. Einfach die Probleme aussitzen, mag mal früher erfolgreich gewesen sein. Heute geht das in die Hose.
Natürlich ist es schade, wenn eine Rennbahn dichtgemacht wird. Viele Turf-Fans, die ich kenne, sind wie ich durch eine Rennbahn in ihrer Nähe zum Sport gekommen. Dazu hat Galopp in Neuss eine lange Tradition, das erste Rennen wurde 1875 gelaufen. Aber Historie ist nicht ewig. Und Düsseldorf ist nicht weit. Für die Winterrennen kann Dortmund einspringen.



Montag, 11. Dezember 2017
Stöger soll Borussia wiederbeleben
Jetzt also Peter Stöger statt Peter Bosz. Der Österreicher ersetzt den Niederländer und wird neuer Trainer von Borussia Dortmund. Eigentlich kann es nur besser werden.

Manchmal im aktuellen BVB-Elend hätte sich der Kolumnist gewünscht, dass Thomas Tuchel ein etwas jovialerer Charakter gewesen wäre. Einer, der mehr auf die Leute zugegangen wäre. Einer, der etwas freundlicher zu den Leuten im Verein gewesen wäre. Einer, der den Chefscout nicht ausgesperrt hätte.
Leider war der exzellente Fußball-Fachmann Tuchel nicht so – wenn ich meinen Leitmedien Ruhr Nachrichten, kicker und Süddeutscher Zeitung glauben darf. Die wiederum auf der Linie von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke lagen, der auch nicht mit dem Nerd Tuchel klar kam.
So startete im Sommer Peter Bosz als neuer Dortmunder Chefcoach. Ajax Amsterdam, sein letzter Klub, hatte den BVB-Erzrivalen FC Schalke 04 im Hinspiel des Viertelfinales der Europa League richtig vorgeführt. Doch nicht nur dieser Erfolg hatte Watzke und Sportdirektor Michael Zorc auf die Spur des Sportlehrers gebracht.
Bosz galt als Trainer, der eine Mannschaft formen kann. „Der neue Coach liebt Ballbesitz, totale Dominanz und kurze Wege zum Tor“, schrieb der kicker im Bundesliga-Sonderhaft 2017/2018 und titelte „BOSZ + BARCA = BVB“. Der ruhmreiche FC Barcelona der Pep Guardiola-Ära war das Vorbild.

Herbst-Desaster
So begann Bosz mit vielen Vorschusslorbeeren und seine Mannschaft legte dann ja auch einen famosen Start hin. Doch im Oktober begann der Niedergang, der letzte Sieg datiert vom 7. Spieltag: Der BVB gewann in Augsburg. Danach war Dortmund mit 21:2 Toren und 19 Punkten souveräner Tabellenführer. Nach dem 15. Spieltag hat Borussia gerade mal 22 Punkte und ist von der Tabellenspitze weit entfernt. Dazu kommt das blamable Abschneiden in der Champions League.
Das letzte Auftritt gegen Werder Bremen war noch mal ein Tiefpunkt der Saison. Selten konnten die Hanseaten so leicht in Dortmund gewinnen. Borussia präsentierte sich hilflos, ein Auftritt ohne Ideen, ohne Espirit. Selbst einfache Automatismen funktionierten nicht, gestandene Internationale wie Sokratis, Aubameyang oder Yarmolenko wirkten verunsichert. Eine Fußball-Mannschaft trägt die Handschrift seines Trainers – und Peter Bosz wirkte schon seit einiger Zeit völlig ratlos. Egal, wer in Schwarz-Gelb auflief - alle spielten, als wenn sie Westen aus Blei mitführten.
Jetzt soll es Peter Stöger richten. Die Kölner Fans verehren ihn immer noch. Beim turbulenten FC war der ehemalige österreichische Internationale lange sehr erfolgreich, zusammen mit Manager Jörg Schmadtke galt Stöger als Macher des neuen seriösen 1.FC Köln. In dieser Saison kam bekanntlich der große Kölner Absturz, eine Woche nach seiner Entlassung bei den Rheinländern fängt Stöger in Dortmund an. Ein Kaltstart, denn bereits morgen geht es für Borussia in Mainz weiter. Aber wie gesagt: Es kann nur besser werden. Und dann wird man sehen, ob Stöger doch mehr als nur eine Zwischenlösung ist.



Freitag, 1. Dezember 2017
Coneygree auf Denmans Spuren
Es war die älteste Sponsorship im Rennsport: Über 60 Jahre lang lief das Rennen unter dem Namen Hennessy Gold Cup, Namensgeber war der bekannte Spirituosenhersteller. Doch nichts währt ewig: 2017 sprang Wettmulti Ladbrokes in die Bresche, die Prüfung heißt jetzt Ladbrokes Trophy Chase. Das muss der Beobachter erst mal verinnerlichen. Doch das Jagdrennen in Newbury, Samstag, 16:00 Uhr, bleibt einer der Höhepunkte der englischen Hindernissaison. nurpferdeundfussball über wichtige Starter und ihre Chancen 2017.



Das legendäre Rennen aus dem Jahre 2007: Denman triumphiert mit Höchstgewicht, sein Jockey Sam Thomas reitet den Kurs noch einmal nach.

In der Siegerliste tauchen klangvolle Namen auf: Arkle, Denman, Bobs Worth oder Many Clouds zum Beispiel, acht Mal gewann der Newbury-Erste zudem den Cheltenham Gold Cup, immer noch das Prestigerennen im National Hunt-Kalender.
Ein solcher Sieger führt das Feld in der Ladbrokes Trophy Chase 2017 an: Coneygree beeindruckte als Novice im Cheltenham Gold Cup 2015, verblüffte Konkurrenten und Zuschauer von der Spitze aus. Das war eine grandiose Leistung und viele dachten, das überragende Pferd der nächsten Jahre gesehen zu haben.
Doch Coneygree fiel danach verletzt aus, kam nach einem Pflichtsieg im Oktober 2015 nur noch zu drei Starts. Viel von seinem alten Vermögen zeigte der Schützling von Trainer Mark Bradstock im April 2017 im Punchestown Gold Cup, als er Sizing John und Djakadam (Erster und Vierter im Cheltenham Gold Cup 2017) nur knapp unterlag. Zuletzt wurde er in Wetherby angehalten, ein Grund soll die blendende Sonne gewesen sein. Jetzt kann er sich rehabilitieren und dem Halbbruder Carruthers (Sieger 2011) folgen. Beim Thema Frontrunner werden Erinnerungen an Denman wach, der ebenfalls mit Höchstgewicht 2007 und 2009 die Nase vorn hatte.
Das zweithöchste Gewicht im Feld trägt Whisper: Das Pferd aus dem Nicky Henderson-Quartier war schon ein sehr guter Hürdler, in der letzten Saison avancierte er auch zum Top-Neuling über die schweren Sprünge. Zwei zweite Plätze hinter dem Stallgefährten Might Bite in den führenden Grade 1-Prüfungen in Cheltenham und Aintree sind Empfehlungen genug, auch der knappe Erfolg gegen Clan Des Obeaux (der danach in Haydock eine Graduation Chase gewann) zum Saisonauftakt in Kempton sah gut aus. Handicaps mit hohem Gewicht gegen erfahrene Gegner sind aber eine andere Kategorie.
Favorit im Wettmarkt ist jedoch Total Recall, trainiert von Willie Mullins in Irland. Der Wallach präsentierte sich bei seinem ersten Start für Mullins deutlich verbessert und gewann leicht das Munster National in Limerick gegen den guten Alpha Des Obeaux. Die Formen vorher für Sandra Hughes waren weniger aufregend, für den niedrigen Kurs würde ich ihn nicht wetten. Zudem hat Meistertrainer Mullins keine gute Bilanz in dieser Prüfung.
Diese Aussage gilt generell für Teilnehmer aus Irland, der letzte irische Sieg datiert aus dem Jahr 1980. A Genie in Abottle wird das aber wenig stören, mir gefallen die Formen des Sechsjährigen deutlich besser als die von Total Recall. In diesem Jahr ist er nach zwei Erfolgen in Wexford (Listenrennen) und Galway noch ungeschlagen, in der letzten Saison war der Beneficial-Sohn einer der besseren irischen Novices über die Jagdsprünge. Trainer Noel Meade und Jockey Sean Flanagan hoffen auf ein schnell gelaufenes Rennen, das wird ihr Schützling wahrscheinlich bekommen.

Stamina
Hoch gehandelt wird weiterhin American. Der Sohn von Malinas – einst trainiert von Peter Schiergen in Köln und Zweiter im Deutschen Derby 2004 – ist nach drei Starts über die Jagdsprünge noch ungeschlagen und gilt in seinem Quartier als „zerbrechlich“, aber „hochtalentiert“. So richtig erkannt ist er noch nicht, seine Erfolge in Uttoxeter und Warwick fielen sehr überzeugend aus. Es ist der erste Saisonstart, das Rennen war der lang gehegte Plan. Harry Fry, sein smarter Trainer, schickt häufig auf den Punkt vorbereitete Pferde an den Start, sein niedriger Kurs symbolisiert das jedoch auch.
Singlefarmpayment hatte im letzten Jahr eine starke Saison, seine beste Form war ein zweiter Platz in der Ultima Handicap Chase während des Cheltenham-Festivals. Dort unterlag er nur mit einem kurzen Kopf Un Temps Pour Tout; auch der Saisonauftakt als Zweiter in Cheltenham hinter Cogry, den er am Samstag günstiger im Gewicht wiedertrifft, war ordentlich. Auch dieser Teilnehmer würde nach Aussage seines Trainers Tom George von einem schnellen Rennen profitieren.
Eben jener Cogry wurde in dieser Woche durchaus bei den Bookies gehandelt. Der Wallach galt einmal als etwas unsicherer Springer, doch in den letzten Rennen – Sieg in Cheltenham, Ende April Zweiter im Scottish National – war davon wenig zu sehen. Seine Handicapmarke ist entsprechend gestiegen, aber als Außenseiter zu einem guten Kurs ist er eine Empfehlung wert. Zumal er reichlich Stamina hat.
Vyta Du Roc ist nach Whisper der zwei Vertreter aus dem Nicky Henderson-Stall. Der Auftakt in einem Hürden-Handicap in Aintree war in Ordnung, die Bilanz über die schweren Sprünge ist gemischt. Aber die letzte Form in Sandown im April 2017 war stark, auch Vyta Du Roc besitzt offenbar viel, viel Stehvermögen.
Bryony Frost war in den letzten Wochen eine der Entdeckungen der bisherigen Saison. Die Auszubildende und Tochter des einstigen Jockeys Jimmy Frost feierte tolle Erfolge: Wie sie mit Present Men in der Badger Ales Trophy den routinierten (und großartigen) Jockey Leighton Aspell im Endkampf knapp besiegte, war große Jockeyship. Mit Present Men tritt sie wieder an. Ob sie nochmal Samstag gewinnt mit dem Nicholls-Pferd, da habe ich so meine Zweifel. Aber niemanden wird mehr strahlen als Bryony Frost und alle werden sich mit ihr freuen.

Urteil
So ein gutbesetztes Handicap mit Höchstgewicht zu gewinnen, ist eine schwierige Sache. Aber ein Coneygree in Bestform kann das schaffen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Frontrenner diese Prüfung für sich entscheidend. Die Konkurrenz ist gewaltig: Singlefarmpayment und A Genie in Abottle sind die gefährlichsten Gegner.