Montag, 13. März 2017
Vier Tage März-Wahnsinn Cheltenham
Nächste Woche ist es wieder so weit: Das Cheltenham-Festival 2017 startet am Dienstag, es folgen drei weitere Tage mit Hindernissport der Extraklasse. In England und Irland fiebert die ganze National-Hunt-Szene dem Festival entgegen, sind die vier Tage doch der Höhepunkt der Saison. Es gibt Sonderseiten im Netz, gut besuchte Vorschauen mit diversen Aktiven und Experten, in den Internet-Foren und auf den Facebook-Seiten diskutieren die Wetter. Kurz gesagt: Wahnsinn, im Fußball und Formel 1-Land Deutschland undenkbar. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Cheltenham-Festival 2017.

Was sind die Höhepunkte?
Insgesamt gibt es vierzehn Grade 1-Prüfungen, Rennen der höchsten Kategorie im Hindernissport. Sportlicher Höhepunkt des ersten Tages ist die Champion Hurdle, am Mittwoch stehen die Sprinter unter den Jagdpferden in der Queen Mother Champion Chase im Focus. Am Donnerstag rücken Ryanair Chase und Stayers Hurdle, am Freitag dominiert der Cheltenham Gold Cup, das Blaue Band für die Steepler. Aber eigentlich ist jedes Rennen ein Höhepunkt, denn es laufen die Besten. Von der Qualität ist das Festival nur mit Royal Ascot im Sommer vergleichbar. Nur, dass in Cheltenham der Sport alleine interessiert.

Wer sind die größten Favoriten?
Wie in jedem Jahr gibt es auch 2017 wieder einige knackige Favoriten. Das geht los am Dienstag in der Arkle Chase, in der Altior aus dem Stall von Nicky Henderson bei Kursen von 14:10 oder ähnlich an den Start kommt. 2016 triumphierte der Sohn des großartigen High Chaparral in der Supreme Novice Hurdle, seit neun Rennen ist er unbesiegt. Die Serie sollte halten.
Ähnliches gilt für Douvan in der Queen Mother Champion Chase am Montag: Seit 14 Rennen hat er nicht mehr verloren, sein Trainer Willie Mullins hält ihn für das beste Pferd, das er je trainiert hat. Diese Aussage ist schon ein dickes Pfund. Auch wenn der Kolumnist nicht an „unverlierbare“ Pferde glaubt, könnte Douvan die Ausnahme sein. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass er in Cheltenham verliert. Nur Altior, meinen viele Experten, könnte ihn gefährden. Aber der läuft noch in der Novice-Klasse.
Nicht ganz so tief sollte das Pferd mit dem schönen Namen Unowhatimeanharry in der Stayers Hurdle stehen. Der Neunjährige kam spät richtig ins Rollen, erst über Steher-Distanzen wurde er bei Trainer Harry Fry Spitzenklasse. Acht Rennen in Folge gewann der Wallach, darunter auch die Albert Bartlett Hurdle beim letzten Festival. Dabei imponierte er nicht nur dem Kolumnisten. Mit dem ehemaligen Champion Hurdler Jezki könnte es jedoch einen starken Gegner geben, wenn dieser die Distanz kann.

Wird es wieder eine Mullins-Bonanza?
Bonanza klingt ein wenig übertrieben, aber Willie Mullins dominierte schon das Festival im Vorjahr. Sieben Rennen holte sich der irische Meistertrainer, sechs davon waren Grade 1. Douvan, Annie Power, Vroum Vroum Mag, Yorkhill, Black Hercules, Vautour und Limini hießen die Sieger, meistens standen sie sehr kurz und saß der geniale Ruby Walsh im Sattel. In diesem Jahr fehlen bekannte Namen: Die Champion Hurdle-Kandidaten Faugheen und Annie Power fehlen verletzt, Vautour verunglückte tragisch. Dennoch ist Mullins immer noch der Anwärter Nummer 1 auf den Top-Trainer des Festivals. Djakadam im Gold Cup, natürlich Douvan, dazu Yorkhill in der JLT Novices Chase und Limini in der Mares Hurdle sind erste Sieg-Anwärter. Vielleicht hat Mullins in diesem Jahr im Novice-Bereich nicht die große Klasse der Vorjahre.

Welche Trainer sind noch zu beachten?
Von den englischen Trainern scheinen Nicky Henderson und Colin Tizzard (auch ohne Thistlecrack) sehr gut gerüstet. Harry Fry ist einer der Aufsteiger der letzten Jahre, leider stehen seine Pferde recht kurz im Wettmarkt. Einer meiner Favoriten ist Michael "Mouse" Morris aus Irland, dessen wenige Starter beim Festival immer zu beachten sind. Ein wichtiger Punkt – nicht nur in Cheltenham – ist zudem das Thema Stallform. Da hängt sich der Kolumnist gerne rein. Also gucken, was an den ersten Tagen läuft, welches Quartier Form hat und dann entscheiden.

Eine Empfehlung für Außenseiter?
Der schrägste Tipp im Vorfeld kommt von Sean Boyce. Der Presenter von Attheraces empfiehlt in der Champion Hurdle Cyrus Darius, natürlich Sieg-Platz. Steht bei 20-1 und mehr.

Tipps des Kolumnisten
In der Champion Hurdle gehe ich mit Brain Power. Das Pferd aus dem Quartier von Nicky Henderson kommt aus Handicaps, muss einen Sprung machen. Da in diesem Jahr überragende Pferde fehlen, ist das aber möglich. Zumal Brain Power noch einiges im Tank haben sollte.
Weitere Empfehlungen sind Top Notch in der JLT Novices Chase, Wholestone in der Albert Bartlett Novices Hurdle und der Nicholls-Schützling Movewiththetimes in der Supreme Novices Hurdle.

Nachtrag
Movewiththetimes ist leider Nichtstarter in der Supreme Novices Hurdle, die Alternative ist River Wylde. Noch ungeschlagen und das Pferd, das der Mullins-Armada die Show stehlen wird.



Dienstag, 7. März 2017
In eigener Sache
Auf diesen Seiten herrschte in den letzten Monaten Ruhe, das erste Mal seit März 2009 war hier Sendepause. Nun lag es nicht daran, dass dem Kolumnisten nichts mehr einfiel bzw. er keine Lust mehr hatte. Es gab eben andere Dinge, die wichtiger waren. Der Kolumnist verbrachte fast zwei Monate im Krankenhaus und hatte dort andere Dinge im Kopf, als kluge Beiträge zu Pferden und Fußball zu schreiben.
Nach dem Krankenhaus musste ich erst mal auf die Beine kommen, langsam an das Leben wieder herantasten. Zu dominant waren noch Krankenhaus und Krankheit. Doch jetzt geht es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Im Klartext: Diese Seiten werden wieder mit Leben gefüllt. Logisch, denn das Cheltenham-Festival naht und auch sonst gibt es genügend interessante Themen.
Und noch mal vielen Dank für die vielen Genesungswünsche



Dienstag, 11. Oktober 2016
Gute Dreijährige dringend gesucht
Die Meldung passte gut zu den schlechten Nachrichten. Isfahan, der deutsche Derbysieger 2016, beendet seine Rennlaufbahn. Hufprobleme verhindern einen weiteren Start, wieder wird ein Derbysieger frühzeitig Deckhengst. So wird man nicht erfahren, wie gut Isfahan war, denn er rannte nie gegen ältere Pferde. Dabei könnte sein Jahrgang ein sportliches Aushängeschild wahrlich brauchen.

Der Derbysieger aus dem Stall von Trainer Andreas Wöhler folgte dabei einem Trend der Jahre zuvor. Auch die Derby-Helden Nutan (kein Start nach dem Derby )und Sea The Moon (ein Start) beendeten früh ihre Rennkarriere.
Vom kaufmännischen Standpunkt sind diese Entscheidungen ja durchaus nachvollziehbar. Warum soll ich den Zuchtwert des zukünftigen Deckhengstes reduzieren, wenn dieser vierjährig nur noch hinterherläuft? Die Großen der Branche wie Ballydoyle machen das genauso. Galileo, erfolgreichster Deckhengst der Welt, lief auch nicht mehr mit vier Jahren.
Aber was war das geil, als Frankel vierjährig noch eine Saison dranhängte. Jeder Start war eine Show, schon Tage vorher kam Freude auf. Zumal der Ungeschlagene mit vier Jahren noch mal seine schon vorher fantastische Leistung hochschraubte, weil er mit zunehmendem Alter reifer wurde.
Was bleibt also vom deutschen Derbyjahrgang 2013? Immerhin lief Savoir Vivre, der Zweite aus dem Deutschen Derby, im Prix de l’Arc de Triomphe ein ordentliches Rennen. Als Achter war der Adlerflug-Sohn zwar deutlich geschlagen, dafür ging der Hengst auch als krasser Außenseiter an den Start. Erstaunlich: Savoir Vivre war das best platzierte dreijährige Pferd im Rennen. Gerade der irische und englische Derbyjahrgang scheint auf den Steherdistanzen bei den Hengsten relativ schwach zu sein. Aber dazu später, auch die angeblichen Top-Vertreter des deutschen Jahrgangs 2016 liefen fast alle schwach.

Lando, Monsun, Sternkönig, Kornado
Zurück nach Deutschland und in die Turf-Geschichte: Es gab schon Vollblüter-Jahrgänge, von denen schwärmten die Experten noch Jahre später. Der berühmte Jahrgang 1990 etwa mit Lando, Monsun, Sternkönig und Kornado – allesamt Gruppe 1-Sieger und damit Pferde der allerbesten Kategorie. Diese Generation war so gut, dass hochtalentierte Pferde wie Komtur oder der Fährhofer Concepcion immer im Schatten der „großen Vier“ standen. „Von einem Jahrhundert-Jahrgang“, sprachen die Eingeweihten.
Das konnte man in den letzten Jahren wahrlich nicht sagen: Der Jahrgang 2011 mit dem Derbysieger Sea The Moon hinterließ schon wenig Spuren, Pferde wie Weltmacht, Lucky Lion oder Wild Chief boten immerhin ein paar gute Leistungen. Beim Jahrgang 2012 mit dem Triumphator Nutan fiel die Bilanz noch schwächer aus. Zumal einige interessante Kandidaten Deutschland inzwischen verlassen haben.
Der aktuelle Jahrgang aber unterbietet diese mäßigen Werte noch. Die Zweifel nach der Derby-Prüfung auf tiefem Boden bewahrheiteten sich. Der Sieger Isfahan lief bekanntlich nicht mehr, Savoir Vivre blieb die Ausnahme mit seinem Erfolg in einem französischen Gruppe-Rennen und dem respektablem Lauf im Arc.
Noch erfolgreicher war der norwegische Gast Our Last Summer, der zwei seiner drei weiteren Rennen gewann, darunter das Scandic Norsk Derby. Von den deutschen Pferden siegte hingegen – neben Savoir Vivre – nur noch Wai Key Star aus dem Quartier von Andreas Wöhler, der eine leichte Aufgabe in Hannover entschied. Zuletzt enttäuschte der einstige Derbyfavorit im Preis der Deutschen Einheit als Fünfter, als ihm der letzte Schwung fehlte.

Harzand enttäuscht
Fast alle Starter des Derbys 2016 enttäuschten in den Rennen danach. Der Große Preis von Baden, das Prestige-Aufeinandertreffen der Generationen, entwickelte sich zum Desaster für den klassischen Jahrgang – zumindest für die Hengste. Der hochgehandelte Boscacchio scheiterte wie im Hamburger Derby am schweren Boden, der bislang so beständige Dschingis Secret trudelte abgeschlagen ins Ziel.
Deutschland steht in diesem Fall nicht alleine dar. In England und Irland ist der Derby-jahrgang ähnlich unterdurchschnittlich. Harzand gewann in großer Manier das Epsom Derby und schon dachte einige, einen neuen vierbeinigen Superstar haben. Der Arbeitserfolg im irischen Pendant relativierte ein wenig die hohen Erwartungen, die beiden letzten Schlappen führten den Schützling von Trainer Dermot Weld zurück in die Welt. In Irland hatte sich der immer hochgehandelte Hengst noch verletzt, doch für Paris war die Stimmung wieder gut. Zudem sollten die 2400 Meter dem ausgewiesenen Steher entgegenkommen. Alles graue Theorie: Harzand kam nie über das Mittelfeld hinaus, die gute Arbeit im Training wurde zur Makulatur. Der Grund für den Flop sei die harte Frühsaison gewesen, sagte Pat Smullen, der ständige Jockey.
Das Ergebnis im englischen Derby wurde bislang auch von den anderen Top-Platzierten wenig bestätigt: US Army Ranger, die Nummer 1 aus dem Quartier von Aidan O’Brien, lief zuletzt als Letzter, Idaho stürzte als Favorit im St. Leger. Wings of Desire, der Derby-Vierte, wurde immerhin Zweiter im King George hinter Postponed.
Allerdings waren auch andere Teilnehmer des Epsom Derbys erfolgreich, in der Breite scheint der Jahrgang gar nicht so schlecht zu sein: Across The Stars, Algometer, Deauville und Ulysses hatten in gar nicht so schlechten Prüfungen die Nase vorn.
Und vielleicht ein Trost für den deutschen Turf: Danedream, Ito, Novellist und Protectionist, die erfolgreichsten Pferde der letzten Jahre in Deutschland, liefen nie im Hamburger Derby bzw. wurden nur Zweiter (Novellist).