Dienstag, 7. März 2017
In eigener Sache
Auf diesen Seiten herrschte in den letzten Monaten Ruhe, das erste Mal seit März 2009 war hier Sendepause. Nun lag es nicht daran, dass dem Kolumnisten nichts mehr einfiel bzw. er keine Lust mehr hatte. Es gab eben andere Dinge, die wichtiger waren. Der Kolumnist verbrachte fast zwei Monate im Krankenhaus und hatte dort andere Dinge im Kopf, als kluge Beiträge zu Pferden und Fußball zu schreiben.
Nach dem Krankenhaus musste ich erst mal auf die Beine kommen, langsam an das Leben wieder herantasten. Zu dominant waren noch Krankenhaus und Krankheit. Doch jetzt geht es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Im Klartext: Diese Seiten werden wieder mit Leben gefüllt. Logisch, denn das Cheltenham-Festival naht und auch sonst gibt es genügend interessante Themen.
Und noch mal vielen Dank für die vielen Genesungswünsche



Dienstag, 11. Oktober 2016
Gute Dreijährige dringend gesucht
Die Meldung passte gut zu den schlechten Nachrichten. Isfahan, der deutsche Derbysieger 2016, beendet seine Rennlaufbahn. Hufprobleme verhindern einen weiteren Start, wieder wird ein Derbysieger frühzeitig Deckhengst. So wird man nicht erfahren, wie gut Isfahan war, denn er rannte nie gegen ältere Pferde. Dabei könnte sein Jahrgang ein sportliches Aushängeschild wahrlich brauchen.

Der Derbysieger aus dem Stall von Trainer Andreas Wöhler folgte dabei einem Trend der Jahre zuvor. Auch die Derby-Helden Nutan (kein Start nach dem Derby )und Sea The Moon (ein Start) beendeten früh ihre Rennkarriere.
Vom kaufmännischen Standpunkt sind diese Entscheidungen ja durchaus nachvollziehbar. Warum soll ich den Zuchtwert des zukünftigen Deckhengstes reduzieren, wenn dieser vierjährig nur noch hinterherläuft? Die Großen der Branche wie Ballydoyle machen das genauso. Galileo, erfolgreichster Deckhengst der Welt, lief auch nicht mehr mit vier Jahren.
Aber was war das geil, als Frankel vierjährig noch eine Saison dranhängte. Jeder Start war eine Show, schon Tage vorher kam Freude auf. Zumal der Ungeschlagene mit vier Jahren noch mal seine schon vorher fantastische Leistung hochschraubte, weil er mit zunehmendem Alter reifer wurde.
Was bleibt also vom deutschen Derbyjahrgang 2013? Immerhin lief Savoir Vivre, der Zweite aus dem Deutschen Derby, im Prix de l’Arc de Triomphe ein ordentliches Rennen. Als Achter war der Adlerflug-Sohn zwar deutlich geschlagen, dafür ging der Hengst auch als krasser Außenseiter an den Start. Erstaunlich: Savoir Vivre war das best platzierte dreijährige Pferd im Rennen. Gerade der irische und englische Derbyjahrgang scheint auf den Steherdistanzen bei den Hengsten relativ schwach zu sein. Aber dazu später, auch die angeblichen Top-Vertreter des deutschen Jahrgangs 2016 liefen fast alle schwach.

Lando, Monsun, Sternkönig, Kornado
Zurück nach Deutschland und in die Turf-Geschichte: Es gab schon Vollblüter-Jahrgänge, von denen schwärmten die Experten noch Jahre später. Der berühmte Jahrgang 1990 etwa mit Lando, Monsun, Sternkönig und Kornado – allesamt Gruppe 1-Sieger und damit Pferde der allerbesten Kategorie. Diese Generation war so gut, dass hochtalentierte Pferde wie Komtur oder der Fährhofer Concepcion immer im Schatten der „großen Vier“ standen. „Von einem Jahrhundert-Jahrgang“, sprachen die Eingeweihten.
Das konnte man in den letzten Jahren wahrlich nicht sagen: Der Jahrgang 2011 mit dem Derbysieger Sea The Moon hinterließ schon wenig Spuren, Pferde wie Weltmacht, Lucky Lion oder Wild Chief boten immerhin ein paar gute Leistungen. Beim Jahrgang 2012 mit dem Triumphator Nutan fiel die Bilanz noch schwächer aus. Zumal einige interessante Kandidaten Deutschland inzwischen verlassen haben.
Der aktuelle Jahrgang aber unterbietet diese mäßigen Werte noch. Die Zweifel nach der Derby-Prüfung auf tiefem Boden bewahrheiteten sich. Der Sieger Isfahan lief bekanntlich nicht mehr, Savoir Vivre blieb die Ausnahme mit seinem Erfolg in einem französischen Gruppe-Rennen und dem respektablem Lauf im Arc.
Noch erfolgreicher war der norwegische Gast Our Last Summer, der zwei seiner drei weiteren Rennen gewann, darunter das Scandic Norsk Derby. Von den deutschen Pferden siegte hingegen – neben Savoir Vivre – nur noch Wai Key Star aus dem Quartier von Andreas Wöhler, der eine leichte Aufgabe in Hannover entschied. Zuletzt enttäuschte der einstige Derbyfavorit im Preis der Deutschen Einheit als Fünfter, als ihm der letzte Schwung fehlte.

Harzand enttäuscht
Fast alle Starter des Derbys 2016 enttäuschten in den Rennen danach. Der Große Preis von Baden, das Prestige-Aufeinandertreffen der Generationen, entwickelte sich zum Desaster für den klassischen Jahrgang – zumindest für die Hengste. Der hochgehandelte Boscacchio scheiterte wie im Hamburger Derby am schweren Boden, der bislang so beständige Dschingis Secret trudelte abgeschlagen ins Ziel.
Deutschland steht in diesem Fall nicht alleine dar. In England und Irland ist der Derby-jahrgang ähnlich unterdurchschnittlich. Harzand gewann in großer Manier das Epsom Derby und schon dachte einige, einen neuen vierbeinigen Superstar haben. Der Arbeitserfolg im irischen Pendant relativierte ein wenig die hohen Erwartungen, die beiden letzten Schlappen führten den Schützling von Trainer Dermot Weld zurück in die Welt. In Irland hatte sich der immer hochgehandelte Hengst noch verletzt, doch für Paris war die Stimmung wieder gut. Zudem sollten die 2400 Meter dem ausgewiesenen Steher entgegenkommen. Alles graue Theorie: Harzand kam nie über das Mittelfeld hinaus, die gute Arbeit im Training wurde zur Makulatur. Der Grund für den Flop sei die harte Frühsaison gewesen, sagte Pat Smullen, der ständige Jockey.
Das Ergebnis im englischen Derby wurde bislang auch von den anderen Top-Platzierten wenig bestätigt: US Army Ranger, die Nummer 1 aus dem Quartier von Aidan O’Brien, lief zuletzt als Letzter, Idaho stürzte als Favorit im St. Leger. Wings of Desire, der Derby-Vierte, wurde immerhin Zweiter im King George hinter Postponed.
Allerdings waren auch andere Teilnehmer des Epsom Derbys erfolgreich, in der Breite scheint der Jahrgang gar nicht so schlecht zu sein: Across The Stars, Algometer, Deauville und Ulysses hatten in gar nicht so schlechten Prüfungen die Nase vorn.
Und vielleicht ein Trost für den deutschen Turf: Danedream, Ito, Novellist und Protectionist, die erfolgreichsten Pferde der letzten Jahre in Deutschland, liefen nie im Hamburger Derby bzw. wurden nur Zweiter (Novellist).



Samstag, 1. Oktober 2016
Harzand macht den Golden Horn
Chantilly statt Longchamp heißt es am Sonntag, wenn die Pferde zum PrIx de l‘Arc de Triomphe 2016 in die Boxen rücken. Die Rennbahn in Longchamp wird renoviert, daher wird das Top-Rennen auf der französischen Top-Bahn mit dem markanten Schloss im Hintergrund gelaufen. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass in früheren Jahren die Euphorie größer war. Nichtsdestotrotz ein fantastisches Rennen mit vielen Fragen: Schafft es der Favorit Postponed? Gibt es ein japanisches Happy-End? Was machen die französischen Starter, zwei ihrer Besten werden fehlen. Und natürlich: Gibt es einen deutschen Sieg? Wandelt Savoir Vivre auf den Spuren von Danedream und Star Appeal? Starter und Chancen im Arc 2016.

1. New Bay (Trainer Andre Fabre/Jockey Vincent Cheminaud): Der höchst eingeschätzte einheimischer Starter. Der Dritte aus dem Vorjahr lief zuletzt ein passables Rennen in den Irish Champion Stakes. Es ist erst der dritte Saisonstart, weil auch New Bay im Frühjahr krank war. Immerhin ist der Akku noch voll, Fabre ein Top-Trainer, aber New Bay nicht so stark über 2400 Meter.

2. Postponed (Trainer Roger Varian/Jockey Andrea Atzeni): Spätentwickler, aber schon von seinem alten Trainer Luca Cumani hochgeschätzt. Roger Varian setzte den kontinuierlichen Aufbau fort, zuletzt gewann er sechs Rennen in Serie, alle der Kategorie Gruppe 1 und 2. Spitzenklasse sowohl über 2400 als auch 2000 Meter. Nach dem Meydan-Aufenthalt erst zwei Starts in Europa in diesem Jahr, auch er litt im Frühjahr unter einem Virus. Der Favorit im Vorfeld, aber im Arc siegt nicht immer das Pferd mit den besten Vorformen.

3. Migwar (Trainer Freddie Head/Olivier Peslier): Nach allen Formen wäre sein Sieg eine Sensation. Der größte Pluspunkt ist der Jockey.

4. Highland Reel (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Seamie Heffernan ): Triumphator im King George, allerdings war das Top-Rennen in diesem Jahr nicht besonders stark besetzt. Ein sehr formbeständiges Pferd, zuletzt aber zwei Mal chancenlos. Der trockene Boden sollte passen, das Tempo sollte hoch genug für diesen Steher sein, aber so recht kann ich mir seinen Sieg nicht vorstellen.

5. One Foot in Heaven (Trainer Alain de Royer Dupre/Jockey Cristian Demuro): Dieser Hengst verbesserte sich in diesem Jahr gewaltig, zuletzt bekam er aber seine Grenzen aufgezeigt.

6. The Grey Gatsby (Trainer Kevin Ryan/ Jockey James Doyle): Der so großartige Schimmel, auch in dieser Kolumne hochgeschätzt, gewann zuletzt im September 2014. Es ist also schon etwas her, als er in Leopardstown den übermächtigen Australia düpierte. Der Graue ist zwar immer noch ein tolles Pferd, aber die alte Klasse hat er nicht mehr. Zudem wurden ihm 2400 Meter immer etwas lang.

7. Silverwave (Trainer Pascal Bary/ Jockey Christophe Suoumillon): In diesem Jahr weiter verbessert, gewann zuletzt den Prix Foy (Gruppe 2) vor dem Schlenderhaner Ito und davor den Grand Prix de Saint-Cloud (Gr. 1). Beide Formen sollten aber nicht überbewertet werden. Im Prix Foy liefen nur vier Pferde, im Grand Prix de St. Cloud hat Erupt, der Zweite, die Form nicht unbedingt aufgewertet.

8. Order of St. George (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Frankie Dettori): Einer der Top-Steher Europas, der aber merklich in der Distanz heruntergeht. Hat er den Speed für 2400 Meter? An mangelndem Stehvermögen wird er definitiv nicht scheitern.

9. Siljan’s Saga (Trainer Jean-Pierre Gauvin/Jockey Pierre-Charles Budot): Sechsjährige Stute, zuletzt hinter Savoir Vivre und Silverwave. Bei ihren besten Formen stand immer ein w wie „weich“ in der Bodenangabe, Außenseiterin.

10. Found (Trainer Aidan O’Brien/ Jockey Ryan Moore): In diesem Jahr fast schon Dauerzweite in Gruppe 1-Rennen. Wer also ein Pferd für die Ita-Wette braucht, sei Found empfohlen. Die Stute, die im letzten Breeders Cup Golden Horn schlug, zieht zudem die unglücklichen Rennsituationen regelrecht an. So recht steht sie bei mir nicht zum Sieg, aber ich liege bei den Pferden von Aidan O’Brien auch häufig daneben.



Der Erfolg des großen Montjeu im Arc 1999

11 Harzand (Trainer Dermot K. Weld/ Jockey Pat Smullen): Englischer und irischer Derbysieger. Doch dann folgte der Flop in den Irish Champion Stakes, für den es jedoch gesundheitliche Gründe gab. In Bestform natürlich ein Kandidat für den Sieg, auch wenn die dreijährigen englischen und irischen Hengste so stark in diesem Jahr nicht sind. Aber 2400 Meter sind für diesen großen Steher deutlich besser als die 2000 Meter in den Irish Champion Stakes. Im letzten Jahr korrigierte Golden Horn, der englische Derbysieger 2015, im Arc ebenfalls eine schwächere Form.

12 Vedevani (Trainer Alain de Royer Dupre/ Jockey Alexis Badel): Tempomacher für den Stallgefährten Harzand.

13 Talismanic (Trainer Andre Fabre/ Jockey Mickael Barzelona): Godolphin-Vertreter aus dem Quartier des Erfolgstrainers Andre Fabre. Der Hengst müsste sich gewaltig steigern, um hier eine Chance zu haben. Immerhin frischer Sieger, aber das war im Listenrennen.

14 Makahaki (Trainer Yasuo Tomamichi/ Jockey Christoph Lemaire): „Die beste Chance aller Zeiten auf einen japanischen Erfolg“, nennt der Kollege Will Hayler von der Sporting Life Makahaki. Jedenfalls kommt er als relativ frisches Pferd an den Ablauf, der Sieg im Prix Niel gegen Midtherm war harte Arbeit, der Unterlegene hat allerdings einen sehr guten Ruf im Quartier von Michael Stoute und galt lange Zeit als englischer Derby-Favorit, bevor ihn eine Verletzung stoppte. Die japanischen Formen sind schwer bewertbar, positiv ist aber, dass mit Christophe Lemaire ein Jockey im Sattel sitzt, der die Bahn kennt.

15 Savoir Vivre (Trainer Jean-Pierre Carvalho/ Jockey Frederik Tylicki): Der deutsche Vertreter hatte immer eine hohe Reputation im Ullmann/Schlenderhan-Quartier. Nach einem guten Debüt enttäuschte er zweimal, kam dann aber quasi wie Phönix aus der Asche im Derby als Zweiter ins Ziel. Danach siegte der Adlerflug-Sohn über 2500 Meter in Deauville, aber jetzt geht es gegen die großen Jungs. Ein Platzgeld wäre ein toller Erfolg.

16 Left Hand (Trainer Carlos Laffon-Parias/Jockey Mxim Guyon): Dreijährige Stute, die für viele so eine Art Geheimtipp ist. Zuletzt Erste im Prix Vermeille gegen die Godolphin-Stute Endless Time, davor Zweite im französischen Preis der Diana hinter der bärenstarken La Cressoniere. Besonders diese Form war sehr stark, diese Aufgabe ist aber noch schwerer.

Tipp
Harzand – Postponed – Order of St. George