Freitag, 23. September 2016
Parvaneh in Köln, Bravo Zolo in Newmarket
Der Preis von Europa in Köln und das Heritage Handicap Cambridgeshire in Newmarket sind für diese Kolumne die Rennen des Wochenendes. Die besten Tipps.

Das war doch letzte Woche mal eine Ansage: Unser Tipp Near England gewann das deutsche St. Leger nach einer großartigen Leistung von Ross und Reiter. Andreas Helfenbein servierte der Stute ein nahezu perfektes Rennen. Gut gefallen hat mir zudem, wie Near England auf der Zielgeraden noch mal anzog und die Attacken der Wöhler-Schützlinge Tellina und Rock of Romance abwehrte. Ganz großes Kino, 108:10 war eine mehr als lukrative Quote für die Stute von Trainer Markus Klug und eine Entschädigung für manch‘ schlappe Tipps dieser Kolumne. Gestüt Wittekindshof geht eben immer in Dortmund.
Aber es geht weiter und dieses Wochenende bringt neue interessante Prüfungen. Diese Kolumne konzentriert sich auf den Preis von Europa, Gruppe 1 über 2400 Meter in Köln und das Cambridgeshire am Samstag in Newmarket über etwas mehr als 1800 Meter, eines der Herbst-Wetthöhepunkte des englischen Turfs.

Preis von Europa
Den Anfang macht in Köln der Preis von Europa. Es gab Jahre, da war die Besetzung sowohl qualitativ und quantitativ eher dünn. Zumindest die Qualität stimmt in diesem Jahr: Iquitos ist einer der diesjährigen Aufsteiger des deutschen Turfs und gewann zuletzt höchst beeindruckend den Großen Preis von Baden. Besonders wenn das Tempo hoch ist, sollte dem Speedpferd die lange Kölner Zielgerade entgegenkommen. Nightflower lief in Baden-Baden ihr bestes Rennen der Saison, sah kurz wie die Siegerin aus, aber dann kam Iquitos angeflogen.
Parvaneh ist frische Gruppe 2-Gewinnerin aus Baden-Baden, auch sie hat viel Speed und schon in Köln gewonnen. Serienholde siegte in diesem Jahr im Preis der Diana, enttäuschte aber ein wenig im Großen Preis von Baden. Trainer Andreas Wöhler sagte nach dem Rennen, dass die „Stute keine Steherin ist“ und auf kurzen Strecken besser sei. Da verwundert es dann doch, dass sie in Köln wieder über 2400 Meter läuft.
Wöhler schickt auch Red Cardinal an den Start. Eigentlich hatte ihn Australia Bloodstock für Australien erworben, doch eine Verletzung stoppte ihn. Nach Vorformen (Dritter im Gruppe 3-Rennen, davor zweimal im Handicap erfolgreich) ist der ehemalige Engländer schwer vorstellbar.
Eine Nennung für den Melbourne Cup hat ebenfalls noch Elite Army aus dem Godolphin-Imperium. Zuletzt enttäuschte er zweimal als durchaus gewettetes Pferd in englischen Gruppe 2-Rennen, davor stand ein guter zweiter Platz in einem starken Royal Ascot-Handicap. Eigentlich ist er mit seinen fünf Jahren noch relativ wenig geprüft, vielleicht kann er ja überraschen.
Nicht unbedingt ein Gewinnertyp ist Sirius aus dem Stall von Andreas Löwe. Aber dennoch zeigt er meist gute Leistungen, ein Platzgeld könnte möglich sein. Ähnliches gilt für Kasalla, eine weitere dreijährige Stute, die aber schon hinter Parvaneh und Serienholde war.

Tipp: Parvaneh ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, Nightflower, Iquitos und Serienholde werden harte Gegner sein. Nicht ganz abhaken würde ich Elite Army, zumal die Stallform von Trainer Saeed Bin Suroor deutlich angezogen hat.



Preis von Europa 2011: Campanologist gewinnt mit Frankie Dettori.

Das Cambridgeshire
Damit kommen wir zur Wett-Reifeprüfung des Wochenendes. Das Cambridgeshire über etwas mehr als 1800 Meter ist ein Highlight des Samstag-Programms in Newmarket. Den Sieger zu finden, gleicht oftmals der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Heritage Handicap ist eine extrem offene Angelegenheit, 35 Pferde sollen starten. Der Favorit steht 80:10, heißt Third Time Lucky und kommt aus dem Quartier von Richard Fahey. Es ist der Vorjahressieger, in diesem Jahr bei drei Starts noch sieglos, aber mit aufsteigender Form. Auch wenn die Bilanz des Favoriten in diesem Rennen, das es seit 1839 gibt, gar nicht so schlecht ist, interessieren doch andere Pferde mehr.
Bravo Zolo beispielsweise aus dem Stall von Jeremy Noseda. Eigentlich galt der Wallach eher als Spezialist für die Allwetterbahnen, doch dann hätte er sich zuletzt im April beinahe das Lincoln Handicap in Doncaster geschnappt. Danach pausierte er, doch die Pause stört nicht, denn frisch läuft Bravo Zolo eigentlich immer gute Rennen.
In so einem Rennen kann man ruhig ein zweites Pferd tippen: American Artist ist ein großer Außenseiter, aber die letzte Form hinter Sacret Art in Sandown war wieder besser. Roger Varians Stallform hat wieder angezogen, der Wallach ist noch wenig geprüft, vielleicht kann er ja überraschen. Ein Kandidat für Sieg und Platz.

Tipps: Bravo Zolo (Sieg), American Artist (Sieg/Platz)



Die Kavallerie in Aktion und am Ende triumphiert I cried for you überlegen im Cambridgeshire 2001. 340 für 10 gab es für den Sieger



Mittwoch, 21. September 2016
Der Mann, der schon Jürgen Klopp beeindruckte
Das war schon eine Überraschung am Dienstag: Hannes Wolf wird neuer Cheftrainer beim Zweitligisten VfB Stuttgart und somit Nachfolger des selbst gegangenen Josh Luhukay.

Hannes wer? werden viele gefragt haben, aber in Dortmund ist der Mann bekannt: Seit 2009 arbeitet er als Jugendtrainer bei Borussia Dortmund und feierte mit dem schwarz-gelben Nachwuchs schöne Erfolge. Dazu formte und förderte er den Nachwuchs für die erste Mannschaft: Felix Passlack und Christian Pulisic schafften den Sprung zu den Profis.
In den Jahren davor machte Wolf im Dortmunder Amateurfußball mächtig Eindruck. So war er vier Jahre Spielertrainer und Trainer der ersten Mannschaft des ASC 09 Dortmund. In dieser Zeit führte Wolf den ASC von der Bezirksliga in die Westfalenliga und brachte damit den Großverein aus dem Dortmunder Südosten zu ganz neuen Höhen. Selten prägte ein Trainer einen Verein so wie Wolf den ASC. „Das Ende einer großen Ära“, schwärmte die Westfälische Rundschau 2009 (die zu diesem Zeitpunkt noch eine richtige Zeitung war und nicht dieses „Zombie-Blatt“ wie heute) zum Abschied.



Im idyllischen Aplerbecker Waldstadion - verkehrstechnisch aber ohne eigenes Auto eine Katastrophe - setzte Wolf Akzente. Vielleicht wird er ja noch mal daran denken, wenn er in der Mercedes-Benz-Arena zu Stuttgart steht. (Foto: ASC 09)

Viele im Dortmunder Amateurfußball nennen Wolf einen großen Innovatoren. Sowohl taktisch als auch spieltechnisch brachte er viele neue Ideen in den Feierabend-Fußball. Dass heute zwei Dortmunder Teams – ASC 09 und FC Brünninghausen – in der Oberliga (5. Liga) und vier Mannschaften darunter in der Westfalenliga (6. Liga) spielen, hat auch etwas mit Hannes Wolf zu tun. Denn andere Vereine setzten ebenfalls auf junge und fachlich versierte Trainer. Selten war der Amateurfußball in Dortmund so gut aufgestellt wie jetzt. Zum Vergleich: 2007 kickten die ranghöchsten Dortmunder Amateur-Kicker noch in der Landesliga (7. Liga).

Irgendwann Deutscher Meister
„Hannes hat genaue Vorstellungen von seiner Arbeit und seiner Zukunft. Er weiß, was er will, verfolgt seine Pläne mit einer Konsequenz und Geradlinigkeit, wie man sie in dem Alter selten erlebt”, sagte schon 2007 Miguel Moreira, zu diesem Zeitpunkt ASC-Spielführer und heute Assistenztrainer bei Wolf, der ihn auch nach Stuttgart begleiten wird.
„Was Hannes uns gelehrt hat, war ja ein Novum. Wir haben die Viererkette gelernt, anders nach vorne gespielt. Er ist für jeden Trainer ein Vorbild. Ich habe schon in Aplerbeck immer gesagt, dass Hannes irgendwann Deutscher Meister wird. Ich erinnere mich an Abende, da haben wir zweieinhalb Stunden trainiert und dreieinhalb danach über Fußball geredet“, blickt Giovanni Schiattarella zurück, einst Spieler beim ASC und heute Trainer des Dortmunder Landesligisten Arminia Marten.
Vielleicht sollte der VfB Stuttgart mal Heiner Brune kontaktieren. Der Mann war Fußball-Chef beim ASC und hatte Wolf vom Schwerter Klub Eintracht Ergste verpflichtet. Brune ließ seinen neunen Trainer einfach machen – mit Erfolg.
„So, wie er hier gearbeitet hat”, sagte Heiner Brune später, „kann ich mir bei Hannes alles vorstellen, irgendwann auch den Sprung in den bezahlten Fußball. Sein enormes Fachwissen auf den Punkt genau zu vermitteln, ist seine größte Stärke. Wenn er selbst einen Jürgen Klopp in einem 20 Minuten-Gespräch überzeugt, muss da schon was hinter stecken.”

Alte Bekannte
Klopp holte Wolf dann auch 2009 zum BVB, die sportliche Bilanz kann sich sehen lassen: Drei deutsche Meisterschaften im U17 und U19-Bereich. Jetzt also der Sprung in den Profi-Bereich. Was erwartet den Trainer in Stuttgart beim Traditionsclub? Erst einmal die ehemaligen Dortmunder Mitch Langerak, Kevin Großkreutz und Daniel Ginczek. Doch ansonsten kommt er in einen Verein, der in den letzten Jahren quasi von Katastrophe zu Katastrophe wankte.
In den letzten Jahren machte der VfB eigentlich nur noch negative Schlagzeilen: Seit 2008 – dem Jahr der letzten Meisterschaft des VfB – versuchten zwölf Trainer ihr Glück. Manche scheiterten auch an der Ungeduld einer wenig sachkundigen Führung. Das sportliche Konzept änderte sich mit jedem Trainer. Das konnte nicht gut gehen, der Abstieg in diesem Jahr war die logische Folge.
Vorbild für die Verpflichtung von Hannes Wolf dürfte Julian Nagelsmann (Hoffenheim) sein, der als ehemaliger Jugendtrainer das Profi-Team in der Bundesliga hielt. Auf eines dürfte Wolf aber zukünftig verzichten: auf Einsätze in der zweiten Mannschaft des ASC 09 Dortmund, Kreisliga B.



Freitag, 16. September 2016
„Heimsieg“ für Near England
11 Pferde gehen an den Start für den letzten Klassiker der Saison. Das St. Leger 2016 in Dortmund ist auf dem Papier eine offene Angelegenheit. Aber im Turf spielen nicht nur Formen eine Rolle. Und eine Weisheit der Dortmunder Rennbahn lautet: Unterschätze nie die Starter des Gestüts Wittekindshof. Die Vorschau.

Wir schreiben das Jahr 1986, der Kolumnist hatte gerade begonnen, seinen Grundwehrdienst abzuleisten. Nicht irgendwo, sondern in Flensburg am oberen Ende der Republik. Fast schon Dänemark. In der Realität bedeutete das lange Bahnfahrten am Sonntagabend mit vielen Leidensgenossen und ganzer mieser Stimmung. Dennoch war ich am St. Leger-Sonntag 1986 auf der Rennbahn in Dortmund-Wambel und habe sogar die Siegerin Prairie Neba für 2,50 DM getroffen. Gewinn satte 41 DM, weil die Siegerin am Toto 164 stand. Meine Laune wurde besser, ohne gut zu werden. Aber alles sah doch sonniger aus, der Gedanke an das Geschreie im Grundwehrdienst wurde erträglicher.
Lange ist das her, die BW-Zeit ist längst Folklore, das St. Leger aber immer noch da. 30 Jahre später könnte es wieder einen Stutensieg geben. Die Ladies haben so und so eine gute Bilanz in der Prüfung. Starter und Chancen im 132. St. Leger in Dortmund.

1. Iraklion (Trainer Christian Sprengel/ Jockey Michel Cadeddu, GAG 87,0 kg): Das Pferd von Trainer Christian Sprengel lief immer in guter Gesellschaft, blieb aber meist ohne Chance. Den zweiten Platz hinter Protectionist würde ich nicht überbewerten. Außenseiter.

2. Mighty Mouse (Trainerin Annika Fust/Jockey Rene Piechulek, GAG 89,5 kg): In England gewann erstmals mit Trainerin Laura Mongan eine Frau das Leger, Annika Fust (ehemals Rosenbaum) könnte ihr in Deutschland folgen. Mighty Mouse kommt mit guten Formen an den Ablauf, es ist jedoch erst der zweite Start in diesem Jahr. Als geschontes Pferd durchaus gefährlich, wenn er die Distanz kann. Die ist nämlich Neuland.

3. Rock of Romance (Trainer Andreas Wöhler/Jockey Marc Robert Lerner, GAG 90,0 kg): Bewährter Steher, zuletzt überlegener Sieger auf schwerem Boden im Langen Hamburger und war dort unter anderem vor Summershine. Kandidat mit Chancen, aber nicht die Wahl des Stalljockeys. 2014 Dritter.

4. Tellina (Trainer Andreas Wöhler, Jockey Eduardo Pedroza, GAG ?): Der große Unbekannte. Gruppesieger aus Südafrika im Besitz des Gestütes Fährhof. Zuletzt im März in Meydan in sehr guter Gesellschaft unterwegs. Der letzte Sieg datiert aus dem Jahr 2014. Andreas Wöhler wird aber wissen, warum er den Silvano-Sohn im St. Leger an den Start schickt. Zudem ist er die Wahl des Stalljockeys.

5. Bebe Cherie (Trainer Markus Klug, Jockey Cäcilia Müller, GAG 89,5 kg): Zuletzt ohne Möglichkeit gegen Weltmacht, die sie Sonntag wieder trifft. Davor eine ordentliche Form hinter Wasir in Hoppegarten. Viel Stehvermögen, die 2800 Meter könnten schon ein wenig zu kurz sein. Besten Formen auf tiefen bis weichem Boden, den die Youmzain-Tochter wahrscheinlich nicht haben wird. Für andere Starter spricht mehr.

6. Summershine (Trainerin Anna Schleusner-Fruhriep/Jockey Bayarsaikhan Ganbat, GAG 78 kg): Solide Stute, zuletzt oft im Einsatz, beste Form war der zweite Platz im Langen Hamburger hinter Rock of Romance. Je länger die Strecke, desto besser. Dennoch wäre ein Erfolg schon rein rechnerisch eine Überraschung.

7. Techno Queen (Trainer Toni Potters, Jockey Daniele Porcu, GAG 93 kg): Im letzten Jahr großartig gesteigerte Stute, 2015 im St. Leger Zweite hinter Virginia Sun. In diesem Jahr immer in starker Gesellschaft unterwegs, zuletzt Dritte hinter Parvaneh in Baden Baden über 2400 Meter. Davor unterlag sie Ventura Storm, am letzten Samstag Zweiter im englischen St. Leger. Ein Pferd mit viel Speed und ersten Chancen.

8. Weltmacht (Trainer Markus Klug, Jockey Adrie de Vries, GAG 90 kg): Immer hoch in der Einschätzung des Kolumnisten, nur ein Gruppe 1-Pferd wurde sie nicht. Aber dennoch eine Starterin mit viel Potenzial. Zuletzt wehrte sie alle Angriffe im Badener Steherpreis über 2800 Meter ab. Die Wahl von Stalljockey Adrie de Vries und ein logischer Mitfavorit.



Die Prüfung 2014: Kaldera fängt Virginia Sun noch ab, ein Jahr später siegte die hier noch knapp Unterlegene

9. Buzzy (Trainer Guido Förster, Jockey Antoine Hamelin, GAG 75 kg): Dreijähriger, gewann ein Sieglosenrennen, danach im Derby, Listenrennen und Ausgleich 1 völlig chancenlos. Klarer Außenseiter, obwohl sein Vater Mamool ein großer Steher war.

10. Near England (Trainer Markus Klug, Jockey Andreas Helfenbein, GAG 91,5 kg): Die Gewinnerin des Hamburger Stuten-Preises über 2200 Meter auf tief-schwerem Boden, danach kam sie in der Diana nie ins Rennen. Nach Vorformen hätte ich etwas Bedenken, aber die Lord of England-Tochter sollte noch Reserven haben. Hinzu kommt der Wittekindshof-Faktor in Dortmund: Die Starter von Hans-Hugo Miebach, dem ehemaligen Präsidenten des Dortmunder Rennvereins, sind auf der Heimatbahn immer zu beachten. Das günstige Gewicht spricht zudem für die Stute.

11. She’s Gina (Trainer Markus Klug, Jockey Maxim Pecheur, GAG 91.5 kg): Die zweite dreijährige Stute im Feld. Respektable Leistung als Sechste im Preis der Diana als große Außenseiterin, das Pferd davor wertete die Form mit dem Badener Gruppensieg gewaltig auf. In Hamburg Dritte hinter der Stallgefährtin Near England, auch davor immer ordentlich gelaufen. Distanz ist neues Terrain.

Urteil
Natürlich haben Techno Queen und Weltmacht die besten Voraussetzungen, ist Rock of Romance ein bewährter Steher und hat Tellina schon ganz andere Gegner gesehen. Aber in Dortmund macht es sich bezahlt, die Wittekindshof-Pferde zu spielen. Near England ist eine talentierte Stute und könnte die Favoriten überraschen.